22. Ich will die Stimmung nicht zerstören

Lily

„Noch immer zu benebelt um gerade gehen zu können?", lachte ich James an, als er kurz taumelte. Dieser verträumte Ausdruck in seinen Augen war aber auch zu süß! Seit unserer Knutscherei vorhin schien er wie weggedriftet zu sein. Und irgendwie war das ja schon witzig.
„Und wenn's so wäre?", entgegnete er nun schon etwas genervter, als bei meinen Sticheleien zuvor. Lachend darüber drückte ich mich wieder näher an meinen Freund heran, als wir aus den Schülersprecherbädern traten. Vielleicht hatte ich ihn die gesamte Zeit damit aufgezogen, dass er nicht in der Lage gewesen war, selbst die überhand zu übernehmen?
„Dann seh ich das als Riesen Kompliment an.", meinte ich grinsend und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Kopfschüttelnd lachte mein Freund darüber, bevor wir kurzzeitig in unserer Wohnung verschwanden. Tatsächlich hatten wir den gesamten Nachmittag in den Schülersprecherbädern genossen. Lag vielleicht auch einfach daran, dass wir genügend Versorgung mit hatten, um dort den gesamten Tag zu bleiben. Lediglich unsere Klamotten brachten wir nun weg, ehe wir uns zum ersten Mal am heutigen Tage auf den Weg zur großen Halle machten. Und dort zogen wir unseren Plan weiterhin durch. Wir setzten uns separat und weit weg von unseren Freunden. Diese schauten uns zwar immer wieder an, doch ignorierten wir das gekonnt. Um ehrlich zu sein war es nicht mal schlecht. Ich genoss die alleinige Zeit mit James in vollen Zügen. Wir mochten unsere Freunde, doch war es auch mal unglaublich schön etwas allein zu unternehmen. Und damit meinte ich nicht nur die Zweisamkeitmomente, sondern auch die, wo wir einfach nur lachten und redeten. Denn besonders das war in den Wochen zuvor so gut wie nie vorgekommen.

„Du genießt es geradezu sie leiden zu sehen oder?", fragte mich James grinsend von der Seite, bevor er sich die nächste Gabel Nudeln in den Mund stopfte. Breit lächelnd stimmte ich zu und verfiel auch kurz darauf wieder in schallendes Gelächter.
„Wie lange willst du sie denn noch schmoren lassen?", fragte ich nun an meinen Freund gewandt. Mir war durchaus bewusst, dass er ebenso wie ich stinkwütend mit unseren Freunden war. Aber mal ganz ehrlich, wie bescheuert konnte man denn auch sein?! Ich mein, sie haben schon gesehen, dass wir nackt im Bett lagen, und dann bewegten die sich nicht mal aus James Zimmer!
„Keine Ahnung. Vielleicht bis Mittwoch. Dann ist endlich Apparierprüfung. Und dann müssen wir mit ihnen mehr oder weniger Zeit verbringen.", zuckte er mit den Schultern und blickte nun mich abwartend an. Es war ein neutrales Gespräch. Doch trotz dessen sah ich die Freude in seinen Augen, welche mich jedesmal in seinen Bann zogen. Er hatte aber auch schöne Augen.
„Ja, denke das wäre ne gute Idee. Und bis dahin können wir ja noch was allein unternehmen.", grinste ich schief. Tatsächlich freute ich mich wahrscheinlich mehr auf die Tage bis Mittwoch, als ich sollte. Es war aber auch was anderes, als bei den Muggeln. Ich mein, hier auf Hogwarts siehst du deine Freunde ständig. Beim Essen, schlafen oder einfachen spazieren gehen. Das war ja keinesfalls schlecht. In vielerlei Hinsicht einfach super. Aber trotzdem freute man sich dann eigentlich noch mehr darauf, dass eine einzige Person für die nächsten Tage im Mittelpunkt stand. Jedenfalls war das bei mir so.
„Du glaubst gar nicht wie sehr ich mich drauf freue. Ist fast sowas wie ein Kurzurlaub.", grinste er breit und kam meinem Gesicht näher. Fröhlich darüber lächelte ich ihn nun auch wieder an, ehe wir uns in einem einfachen, doch gefühlvollen Kuss verloren. Trotz der großen Gefühle für James, konnte ich diesmal jedoch nicht ausblenden, dass wir mitten in der großen Halle saßen. Und James schien es ebenso zu gehen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich das Gefühl hatte, dass meine Lippen fünf mal so geschwollen waren als sonst. Was einerseits an gestern und andererseits an heute lag.

„Du? Ich will die Stimmung nicht zerstören, aber ich würd gern mit dir über was reden.", murmelte James, als er gedankenverloren mit einer meiner roten Haarsträhnen spielte. Fragend blickte ich den schwarzhaarigen an, als ich meinen Kopf etwas zu ihm wandte. Wir lagen mal wieder auf der Couch und lasen gemeinsam ein Buch. Ich in seinen Armen, er mich mit seinen starken Armen bald erdrückend.
„Alles gut. Worüber denn?", fragte ich ihn sanft, und legte das Buch beiseite. Mir entging nicht, dass James etwas nervös zu sein schien und dass das bevorstehende ihm wohl etwas Sorgen bereitete. Schwer schluckte er, ehe er mir mit hoffnungsvollen Augen ins Gesicht schaute.
„Bezüglich des Zusammenziehens.", erklärte er kurz und mit kratzender Stimme, während er mich gespannt musterte. Stimmt. Nach den Prüfungen wollten wir darüber reden. Nun war ich es, die schwer schluckte und erstmal den Blick abwandte. Tatsächlich wusste ich noch nicht allzu genau, was ich wirklich wollte. Doch hatte ich schon gemerkt, und das besonders während unseres letzten Streits, dass ich ihn nicht von mir weg haben wollte.
„Hör zu, wie gesagt, es ist okay, wenn du das nicht möchtest. Wir kriegen das auch so hin. Ich, ich wollte nur Gewissheit. Und eigentlich keinesfalls die Stimmung versauen. War blödes Timing. Tut mir leid.", wisperte er am Schluss nur noch leis. Doch vernahm ich trotzdem wie verletzt seine Stimme klang. Und ab dann wusste ich es irgendwie. Ich wollte in keinem anderen Haus wohnen, als er. Wollte in keinem anderen Bett schlafen, als er. Wollte nicht in meine Decke gekuschelt aufwachen, sondern an ihn gekuschelt. Wollte nicht nach Hause kommen und mich so fühlen, als wäre ich es noch gar nicht. Er war mein zu Hause. Und dann war es alles andere als super oder schwer in Ordnung woanders zu leben als er.
„Nein James. Ich liebe dich. Und du bist mein zu Hause. Seitdem du mich das erste mal getröstest hast. Seitdem du mich das erste mal umarmt hattest. Und ja, ich bin mir noch immer unsicher ob das alles nicht zu früh ist, aber im Moment will ich mir nicht vorstellen wie es ist, wenn du auch nur in dem Haus neben mir wohnst. Ich habe Zweifel, aber keine Entscheidung trifft man ohne. Und ich will endlich aufhören für und wieder abzuwägen, sondern endlich mal auf mein Herz hören. Und laut diesem bist genau du mein zu Hause. Du bist mein zu Hause, mein Ruhepol und Ausgleich. Und dann will ich nicht irgendein Gebäude als mein zu Hause bezeichnen, wenn das doch gar nicht stimmt. Ich möchte mit dir zusammenziehen. Und ja, ich bin mir unsicher, aber ich will auf mein Herz hören. Und dieses verlangt nun mal nicht danach, irgendwo zu wohnen, sondern nach dir. Deswegen will ich mit dir zusammenziehen. Auch, wenn das viele Fragen aufwirft. Aber im Moment fühlt sich diese Entscheidung richtig an. Und ich möchte, dass sie auch die richtige bleibt. Denn im Moment fühlt es sich einfach richtig an. Allein die Vorstellung, dass wir gemeinsam von der Arbeit nach Hause kommen und gemeinsam Abendbrot essen, uns vom Tag erzählen und einfach die Zeit genießen. Wahrscheinlich wird nicht immer alles super sein, aber das ist normal. Und ich möchte mich nicht nur wegen all den möglichen Streits oder sonst was verrückt machen. Schließlich überwiegen doch immer die schönen Seiten. Also Versuch ich einfach mal meinem Gehirn zu zeigen, dass das Herz in vielen Dingen die richtigen Entscheidungen treffen kann. So wie damals, als ich mich überwunden hatte, dir meine Gefühle zu verdeutlichen. Und das war die richtige Entscheidung. Deswegen will ich jetzt mit dir zusammenziehen. Weil du mein zu Hause bist. Naja, solang du noch nicht genug von dem ganzen Terz mit mir hast.", lächelt ich ihn zum Schluss hin entschuldigend und nervös an. Auch wenn ich es nie zu glauben gewagt hätte, lief ihm gerade tatsächlich eine einzelne Träne über die Wange. Und irgendwas machte das in mir. Es zog sich etwas zusammen. Nichts schlechtes, Böses oder trauriges. Denn James weinte nicht vor Trauer. Jedenfalls schloss ich das aus seinem breiten Grinsen. Es fühlte sich an, als wurde mir gerade eine Last abgenommen. Denn James schien das gerade unglaublich berührt zu haben. Und ich war froh, dass meine Gedanken endlich raus waren.

Noch immer etwas unsicher hob ich meine Hand und wischte ihm die Träne von der Wange. Mit glasigen Augen blickte er noch immer in meine. Und diese drückten so viel aus. Erleichterung, Freude, Glück, Liebe und noch so viel mehr. Es war kaum zu beschreiben, aber dieser Ausdruck rührte mich selbst unglaublich. Und erst jetzt fiel mir auf, dass wir uns viel zu selten sagte, wie lieb wir uns hatten. Dass ich ihm viel zu selten sagte, wie wichtig er mir war. Wir spaßten viel, lachten oft und überhäuften uns wahrscheinlich öfter mit Zärtlichkeiten, als andere. Doch viel zu selten schien ich auszudrücken, wie viel mir doch an diesem Jungen lag.
Ich ließ meine Hand wieder von seiner Wange sinken. Noch immer brannte sie auf Grund der Berührung. Seine Wärme umhüllte mich ebenso wieder einmal und bescherte mir die flatternden Schmetterlinge in meinem Bauch. Noch immer sagte er nichts. Und irgendwie machte mich das nervös. Wollte er doch nicht mehr mit mir zusammenziehen? Hatte er eigentlichen schon gehofft ich würde verneinen?

„Noch nie hat jemand sowas schönes zu mir gesagt.", öffnete er schließlich doch seinen Mund. Zitternd und in einer Zerbrechlichkeit in der Stimme, die mir einen gewaltigen Schauer der Gänsehaut bescherte. Noch nie hatte ich ihn so reden hören. In diesem Moment schien er noch verletzlicher, als in seinen gefühlvollsten Minuten.
„Dann sollte ich das wohl öfters tun.", lachte ich nun selbst etwas mit meinen Tränen kämpfend, als James mich zügig in seine Arme zog. Und schon spürte ich sowas wie Freudentränen an meinem Nacken. Keine Ahnung, warum ihn genau diese Worte so sehr berührten, oder ob es nur die Freude war. Bei einem Mädchen würde ich sagen, sie hätte gerade ihre Tage, nur war das bei Jungen bekanntlich nicht möglich. Doch so sentimental hätte ich ihn nie erwartet. Ich spürte wie sich sein Brustkorb unter mir aufgeregt hob und senkte und er immer wieder zitternd Luft holte. Um ehrlich zu sein war ich etwas überfordert mit der Situation. Wahrscheinlich drückte ich ihn auch deswegen nur noch fester an mich. Ich wollte nicht das er weinte. Auch wenn es auf Grund von Freude oder Rührung war. Er sollte lachen und freudig grinsen.

„Du hast keine Ahnung wie glücklich du mich gerade machst Lily.", lachte er schniefend in die Umarmung und drehte uns auf der Couch wieder mal. Also wenn er eines für sein Leben gern tat, dann das. Lachend strich ich ihm weiter beruhigend durchs Haar und spürte, wie seine Tränen langsam versiegten. Doch noch immer war ich unglaublich überfordert mit dieser Situation.
„Tut mir leid. Ich hab keine Ahnung was gerade mit mir los ist. Aber deine Worte haben irgendwas mit mir angestellt.", lachte er leicht, als er seine Stirn auf meine legte, um mir in die Augen schauen zu können. Ich grinste ihn breit an, während ich sachte über seine nassen Wangen strich und sein breites Lächeln musterte.
„Entschuldige dich doch nicht dafür. Ich sag dir viel zu selten wie wichtig du mir eigentlich bist.", erwiderte ich darauf lächelnd und blickte entschuldigend in seine glänzenden Augen. Sie drückten so viel Freude und vor allem Liebe aus, dass sich mein Herz mal wieder aus meiner Brust verabschieden zu wollen schien.
Er lachte leicht auf, strich sich nochmal selbst über die Augen und schüttelte schließlich den Kopf.
„Auch wenn du's nicht sagst, seh ich es in deinen Augen. Wobei Bestätigung auch ganz schön ist.", grinste er, was mich auch zum Lachen brachte. Er war so süß, wenn er geweint hatte. Natürlich nur, wenn er aus Rührung geweint hatte...
„Da muss ich aber immer schauen, ob's deinem Ego überhaupt noch gut tut.", lachte ich ihn an, was ihm ein breites Grinsen entlockte. Er schien so fröhlich und noch immer gerührt von meinen Worten, dass sich die Gänsehaut auf meinen Armen noch immer nicht zurückgebildet hatte.
„Mein Selbstvertrauen ist zwar im Thema Lily etwas gewachsen, doch noch immer nicht sehr groß.", grinste er mich warm an. Mal wieder traf mich die Erinnerung an die letzten Jahre. Traurig und entschuldigend musterte ich mal wieder seine Gesichtszüge. Wieso war ich all die Jahre nur so grässlich zu ihm gewesen? Er hatte das nicht verdient. Besonders jetzt, nach diesem Gefühlsausbruch, erkannte ich das siedend heiß.
„Dann sollte ich dir wohl so oft wie möglich sagen, dass du der wunderbarste Mensch auf Erden bist.", grinste ich ihn schief, noch immer entschuldigend anblickend. Daraufhin begann er leis zu lachen an, ehe er mich breit und überglückliche anlächelte. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass das noch immer nicht das war, was ich für ihn fühlte. Doch ich konnte meine Gefühle ihm gegenüber einfach nicht beschreiben.
„Ich liebe dich.", flüsterte ich stattdessen und blickte ihn liebevoll an. In diesen Worten lag so viel, was ich loswerden wollte. So viel, was ich nicht in Worte fassen konnte.
„Und ich liebe dich auch.", erwiderte er grinsend, ehe er seine Lippen auf meine drückte. Seine Lippen schmeckten noch immer leicht salzig von den Tränen, doch war das nur noch ein Grund mehr, diesen Kuss gefühlvoller zu machen. Lächelnd erwiderte ich den leidenschaftlichen Kuss, während ich all meine Gefühle hineinsteckte. Es war nur ein Kuss, ein wunderschöner Kuss, doch hatte ich das Gefühl mit diesem einen Kuss so viel mehr ausdrücken zu können, als ich es mit Worten jemals könnte.

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