15. Die Nähe des anderen

Lily

Samstag. Samstag Mittag. Die Schüler redeten, lachten und hatten ein Lächeln im Gesicht. Doch ich nicht. Seit Tagen sitze ich vor meinem Essen und zwinge mir irgendetwas herein, damit ich wenigstens die besorgten Blicke meiner Freundinnen nicht auf mir spürte. Ich war ihnen dankbar, dass sie das alles mitmachten. Schließlich waren Hestia und Sirius zusammen. Und zwischen Rem und An lief es auch immer besser. Nur konnte ich mich nicht zu den Rumtreibern setzten und so tun, als wäre alles in Ordnung. Das war es nämlich allemal nicht. Zwar spürte ich immer wieder die Blicke meines Freundes, oder was auch immer wir gerade waren, auf mir, doch erwiderte ich diese nicht. Seit den letzten Tagen war ich ihm gut aus dem Weg gegangen. Wohnte im Grunde wieder bei meinen Freundinnen und verrichtete auch mit diesen die Patrouillen. Zum Glück waren meine Freundinnen auf meiner Seite und ließen mich nicht allzu dumm dastehen. Ich wusste, dass das alles komplett falsch gelaufen war, doch ließ ich mich nicht als naives Kind darstellen, welches man unbesorgt rumkommandieren konnte. Seine Worte hatten mich mehr verletzt, als Petunias. Und das musste man erst einmal schaffen. Natürlich konnte man es auch so sehen, dass ich übertrieb. Ich wusste selbst, dass ich ein sturer Mensch war, doch würde ich hier garantiert nicht einknicken. Mir war klar, dass auch ich ihn verletzt hatte, und das tat mir auch leid, weil das alles nicht so gemeint war, doch war es nicht meine Aufgabe auf ihn zuzukommen.

„Lily, jetzt rede doch mit ihm. Er schaut ständig rüber und ist alles andere als auf der Höhe. Du hast doch selbst gemerkt, dass er nicht bei der Sache ist. Selbst Sirius sorgt sich langsam. Zumal nächste Woche die Prüfungen anstehen. Ihr könnt beide in solch einem Zustand nicht arbeiten. Du würdest dich später darüber ärgern, dass du wegen sowas deine Leistung nicht abrufen konntest.", sprach Hestia auf einmal. Überrascht blickte ich auf. Seit wann war sie denn bitte der Meinung, dass ich auf ihn zugehen sollte?! Ständig unterstützten sie mich in meinem Tun, und nun wurde ich als zu verkniffen dargestellt?
„Wieso denn ich?! Ich denke es ist nachvollziehbar, dass ich ihn ignoriere. Er sollte auf mich zukommen.", erwiderte ich mit zusammengezogen Augenbrauen. Ich verstand gar nichts mehr. Zumal ich sehr wohl im Stande sein würde, meine Prüfungen zu schreiben.
„Wie soll er denn bitte auf dich zukommen, wenn du ihn ständig aus dem Weg gehst? Bei Merlin Lily, es geht ihm nicht gut! Es tut ihm leid. Rede doch wenigstens mit ihm. Oder erwidere den Blick von ihm einmal.", schlug sich nun auch noch An auf ihre Seite. Einerseits hatten sie ja recht, doch andererseits staute sich in mir wieder Wut an, dass ich auf einmal die böse zu sein schien. Stur senkte ich meinen Blick und stocherte in meinem Essen herum. Als wäre ich die böse. Ich hatte nicht behauptet, wir würden zusammenziehen, dabei hatten wir darüber nicht im Ansatz geredet. Ich wusste ja nicht einmal, ob ich das überhaupt wollte. Man konnte doch auch gut eine Beziehung führen, ohne zusammenzuleben. Zumal wir kurz nach unseren Prüfungen schon unsere Apparierprüfung hätten. Dann wäre das doch alles kein Problem mehr.

„Lily? Können wir bitte reden?", werde ich im Korridor vor der großen Halle aufgehalten. Reflexartig blieb ich stehen und drehte mich mit verschränkten Armen um. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Sirius und Hestia Lächelnd miteinander redeten, während Rem und An lachten. Na danke.
„Ich wüsste nicht, was du bereden möchtest, mit einem Bindungsproblematischen Mädchen, welches eine Kindergartenbeziehung zu führen scheint.", entgegnete ich und blickte nun das erste mal seit Tagen wieder in diese rehbraunen Augen. Ich erkannte den Schmerz und die Sehnsucht darin, doch wandte ich meinen Blick schnell wieder ab. Auch wenn zwischen uns einige Meter Abstand vorhanden waren, konnte ich nicht leugnen, dass ich mich nicht kontrollieren konnte, wenn ich in seine Augen sah.
„Bitte Lily. Das war alles nicht so gemeint. Ich will nur mit dir reden. Du bist mir unglaublich wichtig. Können wir das nicht genauer im Schülersprecherturm klären?", vernahm ich den flehenden Unterton in seiner Stimme. Es war unglaublich schwer ihm etwas abzuschlagen. Doch wusste ich, dass es genau das war, worauf ich gewartet hatte. Was machte ich hier eigentlich? Ich wollte doch, dass er auf mich zukam. Und nun tat er das und es war mir wieder nicht recht. Ich vermisste ihn sehr, doch konnte ich dieses gesamte Thema nicht einfach vergessen.

Langsam nickte ich, blickte noch immer auf den Boden vor uns. Selten hatten wir so viel Platz zwischen uns, dass ich den Boden betrachten konnte. Und dieser Abstand schmerzte auch irgendwie.
„Aber nicht jetzt. Hest und An wollten mit mir noch etwas spazieren gehen. Danach? Gegen 16 Uhr?", fragte ich und ergriff nun deutlich sanfter das Wort. Es war nicht zu verbergen, dass die Stimmung zwischen uns angespannt war. Allein das Gefühl mit dem anderen wieder zu reden, ließ meinen Bauch Kribbeln.
„Ja klar. Ich warte dort.", erwiderte er sofort und ohne das ich aufsah, erkannte ich das Lächeln in seinem Gesicht. Allein so gut kannte ich ihn schon. Nickend hob ich den Kopf, schenkte ihm ein klitzekleines Lächeln und wandte mich dann ab, um mit meinen Freundinnen aus dem Schloss zu treten. Doch wirklich bei der Sache, war nun auch ich nicht mehr. Viel zu viele Gedanken machte ich mir über das bevorstehende Gespräch.

Vorsichtig trat ich in das Wohnzimmer und erblickte sogleich James. Er hatte augenblicklich seinen Kopf gehoben und mich aus interessierten und aufgeregten Augen gemustert. Ich vernahm das klappen des Portraits hinter mir und schritt nun etwas mehr in den Raum. James erhob sich und fuhr sich nervös nochmals durch Haar. Er schien wirklich nervös und angespannt. Doch war das bei mir nicht anders. Kaum zu glauben, wie es so weit kommen konnte. Vor einigen Tagen hatten wir uns Sorglos umarmt und gelacht. Doch nun standen wir hier und wussten nicht, wo wir unsere Hände hintun sollten.
„Es tut mir leid.", kam es wie aus einem munde. Normalerweise hätten wir darüber jetzt gelacht, doch stattdessen blicken wir uns an und hatten ein mildes schmunzeln dafür übrig. Die Situation war so fremd, doch die Person mir gegenüber so vertraut.

„Darf ich anfangen?", fragte er vorsichtig und kam einige Schritte auf mich zu. Doch ich nahm ebenso welche zurück. Ich erkannte den verletzten Ausdruck in seinen Augen und fühlte mich sogleich schuldig.
„Ja, nur, nur bitte nicht so nah. Ich würde das gern vernünftig klären. Und das geht so besser denke ich.", erklärte ich mich und schaute in seine traurigen Augen. Verstehend nickte er, doch sah ich auch den sehnsüchtigen Ausdruck in seinen Augen. Doch ich durfte nicht nachgeben. Noch nicht jedenfalls. Ich wollte das klären. Und das ging eben nur, wenn ich einen klaren Kopf behielt.

„Lily, es, es tut mir leid. Alles. Ich weiß, dass kommt alles wahrscheinlich etwas spät, aber ich will nicht, das sowas alles kaputt macht. Was ich gesagt hatte, war nie so gemeint. Es tut mir einfach leid. Ich, ich war so schon schlecht drauf, weil ich nicht wusste was los war. Und dann hast du dich auch noch aus meinen Armen gedreht. Das hat mir solch einen Stich verpasst, dass ich durchgedreht bin. Es war nicht in Ordnung wie ich dich angepflaumt habe. Und schon gar nicht, was ich im Eifer des Gefechts gesagt habe. Du hast überhaupt keine Bindungsprobleme. Du überdenkst nur gern vieles und diskutiertest es gern aus. Und das ist auch gut so. Deswegen habe ich mich ja auch in dich verliebt. Und es tut mir leid, dass ich sowas gesagt habe. Das meinte ich nicht so. Genauso wenig möchte ich, dass du das Gefühl hast, dass ich eine Hausfrau als Freundin haben möchte. Das stimmt nicht. Ich möchte dich als meine Freundin und ich sehe mich nicht als höher an, als du. Ich wäre doch selbst nicht glücklich, wenn du es nicht wärst. Ich seh unsere Beziehung auch als alles andere als eine Kindergartenbeziehung an. Ich war in dem Moment einfach gekränkt. Ich habe mit dir etwas, was ich noch nie vorher hatte. Etwas schönes und was ich für immer behalten möchte. Ich, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass du nicht mit mir zusammenziehen möchtest. Für mich war das einfach immer ein Traum. Ich weiß mit Sicherheit, dass ich mit dir zusammenziehen, dich heiraten und mit dir Kinde bekommen möchte. Und es ist völlig in Ordnung wenn du das anders siehst und andere Ziele hast. Mir ist es auch dann egal, ob du Kinde möchtest oder heiraten willst, solang du meine Freundin bleibst. Bei mir bleibst. Es, es war für mich persönlich einfach immer ein Ziel, dass ich all das mit dir teilen kann. Zumal ich mir auch irgendwie nicht mehr vorstellen kann, nicht mit dir zusammenzuleben. Wir waren seit wir zusammen sind immer in einer Wohnung. Deswegen war es für mich auch so klar, dass wir später zusammenziehen würden. Nur ist das auch in Ordnung, wenn du das nicht möchtest. Hör zu, ich will dich nicht verlieren. Und mir ist es egal, ob wir zusammenziehen oder nicht, solange du meine Freundin bleibst. Falls du das überhaupt noch möchtest.", wurde er immer leiser und leiser, ehe er den letzten Satz nur noch wisperte. Mein Herz machte einen Hüpfer, bei jedem Wort das er sagte. Bei jedem Blick den er mir so voller Hoffnung und Zuversicht schenkte. Ich hatte wirklich etwas glasige Augen. Er war einfach nur süß. Und doch fühlte ich mich schlecht, weil er all seine Ziele und Träume wegen mir aufgeben würde. Das wollte ich in keinster Weise.

„James, es tut mir doch auch leid. Ich hab vieles gesagt, was zu hart rüber kam. Ich meinte auch nie, dass ich nie mit dir zusammenziehen möchte. Es war nur so, dass ich in dem Moment das Gefühl hatte, du hättest das alles festgelegt. Du hast über meinen Kopf hinweg entschieden. Zumal ich mir bisher nicht einmal darüber Gedanken gemacht habe. Ich weiß um ehrlich zu sein nicht was ich will. Und das war auch einfach mein Problem. Ich wusste nicht, ob ich auf dich sauer sein sollte oder nicht. Ob ich deine Freude und Entschlossenheit während dieser Verkündung gut oder schlecht heißen sollte. Aber ich möchte auch nicht, dass du alles wegen mir hinten anstellst. Natürlich gibt es immer Dinge, wo wir nicht einer Meinung sind, doch sollten wir einfach darüber reden. Ich hatte keine Ahnung, dass du dir schon so viele Gedanken über die Zeit nach Hogwarts gemacht hattest. Geschweige denn, dass du deine Bewerbung schon so gut wie fertig hast. Es hat mich einfach überfordert, weil wir darüber nie gesprochen hatten. Wie denn auch? Es ist in keinster Weise ein Vorwurf. Wir hatten in den letzten Wochen einfach keine Zeit für Zweisamkeiten. Ob das nun normale Unterhaltungen oder das kuscheln waren. Wir haben nur gelernt und Stress wegen der Schule gehabt, da blieb gar keine Zeit über sowas nachzudenken oder zu diskutieren. Ich weiß, dass ich höchstwahrscheinlich übertrieben habe, und mich in all das zu sehr gesteigert habe. Mir ist klar, dass du nie eine Hausfrau und willenlose Freundin haben wolltest. Also denke ich mir jedenfalls, sonst wärst du ja nicht mit mir in einer Beziehung. Aber in dem Moment hatte einfach alles abgeschaltet und ich war einfach nur wütend. Es tut mir leid James. Wirklich.", teilte nun auch ich ihm meine Gefühle mit. Ich schaute ihm ehrlich und mit Entschuldung in den Augen an. Es tat mir wirklich leid. Zumal er mir nie gesagt hatte, dass es ihn so verletzte. Er hatte bei unserer Auseinandersetzung solch einen überheblichen Eindruck gemacht, dass ich rasend vor Wut gewesen war. Doch nun verstand ich, dass es einfach nur der Frust gewesen war.

„Kann ich dich umarmen?", fragte er mit flehenden Augen und Schmollmund. Lächelnd nickte ich schließlich und fand mich in einer festen Umarmung wieder. Genießend legte ich meinen Kopf an seiner Brust ab und empfing den Duft meines Freundes. Ich spürte wie sich wieder jeglicher Muskel entspannte und meine Aufregung von mir abfiel. Mein Herz pochte nun nicht mehr vor Aufregung sondern vor Freude, endlich wieder in den Armen meines Freundes zu sein. Eine Gänsehaut überkam mich wieder, als sein Atem meinen Nacken streifte. Willkommend ließ ich es gescheiten und genoss die Gefühle in vollen Zügen. Wie sehr ich ihn doch vermisst hatte. Das wird einem erst bewusst, wenn man nach einiger Zeit wieder nach Hause kommt.

„Also bist du noch immer mein Mädchen?", wisperte er an mein Ohr und bescherte mir eine prickelnde Welle der Gänsehaut. Überglücklich begann ich leicht in die Umarmung hinein zu lachen und nickte kräftig.
„Wenn du mir auch nicht mehr böse bist?", erwiderte ich und spürte seine starken Arme sogleich fester um mir.
„Wie könnte ich das denn?", lachte er nun auch und gab mir einen Kuss in den Nacken. Wie froh ich doch war, dass wir uns ausgesprochen hatten. Dieser Streit war schrecklich und unglaublich anstrengend. Umso mehr Last fiel bei jeder Sekunde dieser Umarmung von meinen Schultern ab.
„Lass uns über das Thema Zusammenziehen erst nach den Prüfungen reden, Okay? Ich will nicht noch mehr diskutieren und über die Zeit nach Hogwarts nachdenken, solange wir noch unbeschwert und sorglos hier auf Hogwarts sind.", murmelte er fragend. Einverstanden nickte ich. So sah ich das auch. Ich wollte die restlichen Wochen hier genießen und nicht über die Zeit danach streiten. Dafür hätten wir spätestens im Zug nach Kings Cross genügend Zeit.
„Nichts lieber als das.", murmelte nun auch ich gegen seine Brust. Eine ganze Weile standen wir noch in dieser Umarmung und genossen die Nähe des anderen sichtlich. Es war egal, ob wir uns küssten oder nicht, wichtig war nur die Nähe des anderen.

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