91. Willst du reden?

Sirius

„James? Willst du vielleicht reden?", fragte ich am späten Abend meinen besten Freund. Ich wollte nochmals einen neuen Versuch starten, ihn zum reden zu bringen.
„Worüber denn?", verschanzte er sich schon wieder. Wir saßen auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin. Wiedermal hatte er einfach ins Feuer gestarrt, fast wie Lily damals.
„Worüber du willst.", antwortete ich schlicht und blickte ihn immer noch von der Seite an.
„Will über nichts reden.", blockte er wiedermal strickt ab. Ich war mir unsicher was ich darauf antworten sollte. Meine geplante Antwort könnte ihn wieder dazu bringen aus dem Stand zu gehen und das wollte ich möglichst verhindern. Doch es blieb mir wie es schien keine andere Wahl.

„Das hört sich gegenüber Lily jedoch anders an.", sagte ich nach einiger Zeit vorsichtig. Sofort schaute er auf. Schaute mich an, als würde er sich fragen, wie ich es wagen konnte ihren Namen auszusprechen.
„Wieso? Über was soll ich denn mit ihr deiner Meinung nach gesprochen haben?", fragte er herausfordernd. Ihn ruhig anschauend antwortete ich sogleich.
„Über Fleamont und Euphemia.", war meine schlichte Antwort. Strikt drehte er seinen Kopf wieder dem Feuer zu. Ich wusste, dass ihn das aus dem Konzept brachte. Nur wollte ich, dass er mit mir redete.
„Denkst du ich würde mir keine Gedanken um sie machen?", fragte ich vorsichtig weiter, als ich keine Antwort erhalten hatte.
„Diesbezüglich bin ich mir langsam nicht mehr sicher.", äußerte er mit erstickter  Stimme. Ich war verletzt. Verletzt, weil er mir eben gesagt hatte, dass er sich nicht sicher sei, dass mir etwas an ihnen lag. Verletzt, weil er mit mir so sprach, als wäre ich ein Fremder.
„Warum?", fragte ich, diesmal jedoch mit einem ungewollten Kloß im Hals. James Eltern waren auch zu meiner Familie geworden. Als würde ich das einfach so wegschmeißen.

Er wandte seinen Blick mir zu und nickte in Richtung meines Halses, in Richtung meines Knutschflecks.
„Willst du mir erklären, dass der vor eineinhalb Wochen schon dort war?", fragte er mich abschätzig und schaute mir direkt in die Augen. Wie konnte er nur denken, es wäre mir egal was mit allen um mir herum geschah.
„Nein. Das will ich bestimmt nicht. Nur habe ich trotz der mir auch schweren Zeit, endlich den Mut zusammenbekommen Hestia zu sagen was ich fühle. Und es tut mir leid, dass es genau jetzt sein muss. Jetzt, wo Fleamont und Euphemia länger als gewöhnlich auf Mission sind und du nicht mal mit ihnen über Lily schreiben kannst. Lily, die bewusstlos im Krankenflügel liegt und niemand genau weiß, weshalb sie noch nicht wach ist. Doch kann man deswegen nicht von mir verlangen, dass ich alles hintenanstelle. Für mich sind Fleamont und Euphemia auch wie Eltern James. Das solltest du wissen. Und Lily ist mir auch wichtig geworden. Also hör auf zu behaupten es wäre mir egal was mit ihnen geschieht, nur weil ich meine Probleme mit jemandem teile.", erklärte ich, nun auch mit glasigen Augen. Ich schloss eben diese und schluckte schwer, um die Beherrschung nicht zu verlieren.
„Du magst zwar der bewusstlosen Lily deine Sorgen anvertrauen, doch wird sie dir im Moment keine trotspendenden Worte zurück geben können. Ich kann verstehen, dass du bei ihr sitzt und einfach hoffst, dass sie wach wird. Doch sollst du verdammt nochmal aufhören nicht mehr mit mir zu reden! Vielleicht hätte auch ich in den letzten Tagen jemanden zum reden gebraucht?! Vielleicht hätte auch ich meinen besten Freund, meinen Bruder, gebraucht?! Und wenn dann eben dieser mir an den Kopf knallt, mir wäre egal, was mit Menschen, an welchen mir was liegt, passiert. Dann bin auch ich soweit zu heulen.", sagte ich nun lauter und mit tränenden Augen. Und genau das machte mich schon wieder wütend. Nun war ich derjenige der heulte wie ein Mädchen! Noch nie, wirklich noch nie hatte ich vor irgendjemandem geweint. Nicht einmal, als meine Eltern mich gefoltert hatten. Selbst da konnte ich ihnen die Genugtuung nicht geben. Und das hier, dieser Vorwurf, der Tat mehr weh, als jegliche Foltermethoden meiner Eltern.

James schaute zur Seite. Schien nicht zu wissen was er antworteten sollte. Und das machte mich rasend vor Wut. Jahrelang hatte ich ihn in den Arm genommen, hatte ich ihm trostspendende Worte zukommen lassen, wenn er mal wieder wegen Lily geweint hatte. Und jetzt? Jetzt konnte er mich noch nicht mal ansehen.
„Verdammt nochmal James! Jetzt red doch endlich mit mir!!!", schrie ich ihn an. Er zuckte zusammen und schaute mich nun auch aus traurigen Augen an. Ich wusste das ich dasaß wie ein Häufchen Elend. Doch war es mir egal. Denn das vor mir, war eigentlich mein bester Freund. Und ich hoffte, dass es noch immer so war.
Abwartend und mit bebendem Oberkörper schaute ihn an. Wollte endlich eine Reaktion auf das was ich ihm gesagt hatte. Doch es kam nichts. Rein gar nichts.
„Ach weißt du. Stirb doch an deinem scheiß Selbstmitleid!", rief ich nun endgültig und stand auf. Es reichte mir. Ich wollte gehen. Weg von hier. Weg von dem Jungen, den ich nicht mehr zu kennen schien.

„Hey Sirius! Sirius! Jetzt geh doch nicht weg. Bitte.", war das einzige was ich hörte, als ich gerade im Begriff war, das Porträtloch zu öffnen. Ich wusste, dass wir uns aufführten wie pubertierende Mädchen, doch so war es nun mal. Ich fühlte mich verletzt. Tief in meinem inneren hatte sich etwas zusammengeballt und drückte auf meine Lungen, so als wolle man, dass ich keine Luft mehr bekäme.
Ich blieb stehen. An Ort und Stelle. Drehte mich lediglich langsam um, um zu sehen, was er wollte. Auffordernd schaute ich den nun aufgestandenen James an und erwartete eine Antwort. Eine scheiß Antwort für sein Benehmen.

„Es tut mir leid. Es tut mir leid okay? Ich, also, das war nicht so gemeint.", fing er hilflos an. „Ach Man weißt du, es ist im Moment alles so, so, so schwierig. Ich mach mir Sorgen um Lily. Um meine Eltern. Um unsere Eltern. Und und ich weiß auch nicht, warum ich sowas gesagt habe. Es tut mir einfach leid." So wie er vor mir stand, schien es ihm wirklich leid zu tun. Und so, wie er es sagte, ging es ihm wirklich elend.
„Und wieso redest du dann verdammt nochmal nicht mit mir?! Ich stehe da, frage dich zig mal wie ein bekloppter, ob du reden willst. Mach mir Sorgen, dass du nicht genügend isst oder schläfst und am Ende dann bewusstlos neben Lily liegst!", schaute ich ihn schon wieder anklagend an.
„Bei Merlin Sirius! Es ist mir verdammt peinlich okay?! Ich sitze da wie eine Heulsuse an Lily's Bett und weine vor allen. Ich bin wie ein verrückter im Krankenflügel hin und her gerannt, was nicht nur die Lehrer mitbekommen haben okay?! Ich gebe mir selbst die Schuld. Und ich weiß, dass es nicht stimmen mag, aber ich kann's nicht ändern! Ja, unsere Eltern sind auf Mission und ich weiß, dass ich ihnen nicht schreiben darf. Aber es wird immer schlimmer. Du siehst ja, selbst in Hogwarts werden die Anschläge immer schrecklicher. Und außerdem konnte ich nicht mit dir darüber reden, weil, naja, weil du halt von null auf hundert eine richtige Freundin bekommen hast. Und ich steh hier, renne seit sechs Jahren dem gleichen Mädchen hinterher, welches mir auf einmal Aufmerksamkeit schenkt und dann angegriffen wird! Der eine Grund, weshalb ich nicht mit dir darüber geredet habe ist der, dass ich dir nicht das Gefühl geben wollte, es wäre für mich nicht in Ordnung, dass du endlich jemandem gefunden hast, den du liebst!", sagte er gestikulierend. Ok, daran hatte ich nicht gedacht. Aber wenn man es so betrachtete, dann konnte ich ihn verstehen.

„Siehst du, jetzt hab ich dir das Gefühl gegeben, welches ich nicht verursachen wollte!", sagte er sich selbst anklagend und fuchtelte wie wild vor mir rum. Nein, das hatte er nicht. Nur war ich enttäuscht, dass er dachte, er würde mit mir nicht über alles reden können.
„Nein hast du nicht. Ich kann dich verstehen. Ok? Ich versteh dich. Denkst du ernsthaft ich wäre in gewissen Punkten nicht auch neidisch auf dich?! Ich war und bin es immer noch, neidisch auf deine Hingabe und Leidenschaft zu Lily! Und mein größtes Problem dabei ist, dass ich nicht weiß wie du dich fühlst. Sie liegt im Krankenflügel und ist noch immer nicht wach und ich kann mir nicht im geringsten vorstellen wie das für dich sein mag, weil ich noch nie solch eine starke Anziehungskraft gespürt habe. Ich liebe Hestia, aber das ist nicht das gleiche wie bei dir.", versuchte ich ihm klar zu machen. Doch er schaute mich einfach nur an. Schaute nicht beiseite oder wo anders hin. Nein, er schaute mir direkt in die Augen. So direkt, dass ich nicht wusste wohin mit mir.

„Ich glaub's nicht. Ich rede einmal mit Sirius Black über seinen Neid und seine Gefühle.", war seine trockene Antwort. Schon etwas verdattert kräuselte ich meine Stirn. Hä? Was wollte der denn jetzt?
Auf einmal zeichneten sich die Züge eines unterdrückten Grinsens in seinen Mundwinkeln ab, ehe ich verstand. Beide fielen wir uns lachend in die Arme. Schon lang hatten wir uns nicht mehr so fest und brüderlich umarmt. Und ich genoss es einfach. Die Gewissheit, dass alles wieder in Ordnung zu sein schien. Jedenfalls für diesen kleinen Moment.

„Sorry nochmal.", murmelte er in die Umarmung. Ich musste wieder lachen und entschuldigte mich auch lächelnd.

„So, wenn das dann geklärt ist, würd ich gern schlafen.", meinte ich grinsend, als wir uns aus der Umarmung lösten. Er erwiderte dieses Lächeln und nickte einfach.
„Achso. Falls du nochmal weinen willst, ich bin da ne?", lachte er, bevor er sich in sein Zimmer verzog.
„Ach halt die Klappe Potter!", rief ich ihm hinterher, wohl auf die gesamten Floskeln von ihm und Lily anspielend.
„Klappe Evans!", schrie er provokant durch die Tür, ehe ich auch James Gelächter unter meinem vernahm.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top