84. Krankenflügel
Lily
Wir rannten ohne Scheu direkt zu dem eben gerufenen Schrei. Wie in einem Sog bekam ich um mir herum nichts mit, außer das Rennen von James neben mir.
Als wir zum stehen kamen entdeckten wir zwei maskierte gestalten, welche mit erhobenen Zauberstäben Flüche auf eine kleine Gryffindor abfeuerten. Es war schon spät, weder sie, noch die zwei anderen hätten hier sein dürfen.
Als sie uns entdeckten, ließen sie die kleine einfach wimmernd am Boden liegen und wandten sich uns zu.
Angestrengt kämpften wir. Lediglich die angestrengten laute und die Zauber, welche abgefeuert wurden waren zusammen mit dem leisen wimmern des Mädchens zu hören. Es war zwischen unseren Gegnern ein ausgeglichener Kampf, welcher uns alle zum schwitzen brachte. Vor Anstrengung hatte sich meine Hand schon verkrampft, doch hatte ich jetzt andere Sorgen. Oft huschte ich von links nach rechts, ausweichend der Zauber. Und wieder einmal wünschte ich mir, wenigstens etwas Sport zu machen. Oftmals versuchte ich den Klammerfluch, doch denen wich er geschickt aus, oder zauberte ein Schutzschild. Die beiden Angreifer wurden ungeduldig und begannen nun unverzeihliche Flüche auf uns abzufeuern. Immer hatte ich im Augenwinkel James im Blick. Er war ebenso angestrengt, ließ es sich jedoch nicht anmerken.
Als der erste grüne Lichtblitz auf mich zugeschossen kam und ich gerade so ausweichen konnte, war ich so erschrocken, dass ich eine Sekunde stehen blieb. Eine Sekunde zu lang.
Ohne jegliche Vorwarnung zogen sich unerträgliche Schmerzen durch meinen Körper. Alles schien in Zeitlupe. Jegliche Wahrnehmung war mir genommen. Mir war schwarz vor Augen, hören konnte ich so gut wie nichts mehr, lediglich ein grässliches Lachen war leise zu vernehmen. Ich verlor den Halt, hatte das Gefühl, nichts mehr spüren zu können. Alles schmerzte, zog sich zusammen und riss wieder auseinander. Erst verkrampfe es, dann wieder nicht, um kurz darauf einen stechenden Schmerz durchziehen zu lassen. Ich hatte das Gefühl, meine Brust würde sich zuschnüren, würde keine Luft mehr hineinlassen. Ich versuchte Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen, doch ich merkte lediglich ein krächzten, welches ich zu Stande brachte.
So augenblicklich wie er gekommen war, hörte der Schmerz wieder auf. Ich bekam Luft, konnte die Augen kurz öffnen und hörte gedämpfte Rufe meines Namens. Mir wurde schlecht, mein gesamter Körper schien nicht zu existieren. Ein tiefer Atemzug und alles war weg.
James
„Lily! Verdammt Lily! Jetzt sag doch was!", rief ich ihr mit Tränen in den Augen zu und kniete mich neben sie. Doch genau in diesem Moment verlor sie das Bewusstsein.
„Lily! Wach auf! Bitte! Lass mich doch nicht allein.", weinte ich flüsternd. Ihre Schreie hallten in meinem Kopf wider. Jeder einzelne, schmerzerfüllte Schrei hatte mir das Herz zerrissen. Jeder einzelne.
Sie wachte nicht auf, öffnete ihre Augen einfach nicht. Sie konnte doch nicht? Nein! Ich hatte ihr noch so viel zu sagen! So vieles, was sie nicht wusste. Prüfend, ob sie noch atmete hielt ich meine Hand kurz vor ihren Mund. Wenn auch schwach, spürte ich einen Lufthauch. Zum Glück! Zum Glück! Wieder liefen mir Tränen in Sturzbächen hinunter. Wieso hatte es die treffen müssen? Wieso?!
Am Rande vernahm ich stimmen. Stimmen, die mir sagten, ich solle schildern was passiert sei. Solle mich beruhigen. Aber wie sollte ich das denn bitte?! Lily lag hier, bewusstlos und mit schmerzverzerrtem Gesicht!
„Mister Potter! Mister Potter! Bringen sie Miss Evans in den Krankenflügel. Mister Potter. Haben sie mich verstanden?", kniete sich jemand neben mich. Schweren Herzens löste ich meine Augen von Lilys verkrampftem Gesicht und blickte nun den Mann an, welcher seine Hand tröstend auf meine Schulter gelegt hatte. Es war Dumbledore.
„Bringen sie sie in den Krankenflügel.", wiederholte er und so langsam realisierte ich, was er gesagt hatte. Krankenflügel. Krankenflügel, genau, sie musste in den Krankenflügel.
Ohne unserem Schulleiter überhaupt noch Aufmerksamkeit zu schenken, nahm ich sie in meine Arme und rannte schnellst möglich dort hin. Ich rannte um Lily's leben. Rannte um mein Leben. Sie war mein Leben. Sie konnte doch nicht einfach so sterben! Sie musste doch noch so vieles erfahren und erleben. Ich liebte sie doch. War das nicht Grund genug?
Ich stürmte in den Krankenflügel und wurde sogleich von einer besorgten Madame Pomfrey in Empfang genommen. Immer noch mit verschwommener Sicht legte ich sie auf eines der Krankenbetten und hoffte einfach, dass Madame Pomfrey etwas machen konnte. Mir Sorgen machend und wie ein aufgebrachtes Huhn lief ich hin und her und wartete auf eine Diagnose von ihr.
„Mister Potter, bitte gehen sie hinüber. Ich muss ihren Oberkörper untersuchen. Ich denke nicht, dass sie sie dabei haben wollen würde.", riss mich Madame Pomfrey's beruhigende Stimme aus meinem Gerenne. Ich hatte gehofft, sie würde mir etwas sagen können! Und jetzt das?! Meine Güte was ist denn nun mit Lily?!
„Mister Potter.", sagte die Heilerin nun mit strengerem Unterton. Ich nickte einfach und begab mich weiter weg.
Ich war komplett fertig mit den Nerven. Ich heulte und das nun auch vor allen Lehrern und Professoren. Nie hab ich vor Madame Pomfrey geweint, nicht bei einer Verletzung.
Aber es war Lily! Die mit dem feuerrotem, nach Lilien duftendem Haar, den strahlend grasgrünen Augen. Dem unglaublich verzauberndem Lächeln. Dem Glockenhellen lachen. Sie war doch Lily! Lily, die jede Antwort wusste. Lily, die sich mehr Sorgen um andere, als um sich selbst machte. Lily, die sich alles zu Herzen nahm. Lily, die so ein Morgenmuffel ist und trotzdem so einfühlsam sein kann. Lily, die charmant und engagiert ist. Die unglaublich neugierig und wissbegierige ist. Sie ist doch ein Vorbild für jeden! Sie kann doch nicht einfach damit aufhören! Sie muss doch weiter kämpfen. Zeigen, dass sie niemand klein kriegt. Zeigen wie stark und wie hart im nehmen sie ist!
„James? James, was ist passiert?", fragte jemand von der Seite. Warum wollte das denn jetzt jeder wissen?! Lily war immer noch bewusstlos! Verrückt vor Sorge schaute ich auf. Es war Sirius.
„Es ist doch scheiß egal jetzt oder?! Lily gehts nicht gut! Sie ist nicht mal bei Bewusstsein und jeder will nur wissen was passiert ist!", ließ ich meiner Wut freien Lauf. Ich hätte schneller sein müssen. Hätte ich einen sofort mit einem Zauber angegriffen, dann hätten wir nicht beide gegen jemanden kämpfen müssen! Wieso Lily?! Wieder rannen mir Tränen die Wangen hinunter und ich wollte mich wegdrehen. Ich hasste es zu heulen. Ich hatte immer das Gefühl schwach zu sein, kein Mann zu sein.
Doch Sirius ließ das gar nicht erst zu. Er nahm mich in den Arm und tröstete mich einfach. Wie eine Heulsuse verkroch ich mich in seiner Schulter und weinte. Ich weinte einfach nur. Es war mir egal wer uns so sah. Ich brauchte jetzt jemanden und dieser jemand war Sirius. Er war der einzige, der wirklich wusste, wie sehr mir Lily bedeutete, der einzige, der verstand, weshalb ich so am Boden zerstört war. Er wusste, dass ich mir selbst Vorwürfe machte, dabei wusste er nicht einmal, was geschehen war.
„Du warst nicht dran schuld, ok? Du hast sie hierher gebracht und alles getan was du konntest.", faselte er immer und immer wieder. Doch das einzige was ich wollte war, dass Lily endlich wieder aufwachte. Sie sollte endlich wieder die Augen öffnen, damit ich in ihre grünen, wunderschönen Augen schauen konnte. Sollte wieder lächeln und lachen. Sie sollte einfach wieder da sein. Denn gerade hatte ich das Gefühl, sie würde mich endgültig verlassen.
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