55. Du bist nicht allein

Wir gingen wieder gemeinsam in unseren Turm.
„Lily, was ist los? Wir haben gesagt keine Verheimlichungen mehr.", wiederholter er seine Frage von vorhin nochmal.
„Es ist nichts los, sonst hätte ich was gesagt.", sagte ich wieder einmal.
Er hielt mich am Arm fest und legte seine Hand unter mein Kinn, damit ich ihm in die Augen blicken musste. Sie waren so schön, so warm und behütend.
„Es ist nicht nichts Lily. Das kannst du niemandem Vorspielen, selbst Sirius, der Papnase ist es aufgefallen. Lily, wir machen uns Sorgen. Du hast Hestia, deiner besten Freundin noch nicht mal was von Marlene erzählt. Was ist los?", fragte er mich jetzt wieder. Ich schwieg eine Weile und suchte nach den richtigen Worten.
„Es...es ist so, die Beerdigung meiner Cousine ist am nächsten Wochenende, ihre Eltern, Verwandten, alle werden da sein, doch ich, ich sitze hier fest und kann nichts tun, ich kann weder zu der Beerdigung meiner Cousine gehen, noch etwas für ihre Familie tun, noch die verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Ich habe heute lange darüber nachgedacht James. Ich kann nichts tun James, gar nichts, ich bin genauso wie alle sagen! Ein wertloses, nicht würdiges Schlammblut. Es bringt nichts, ich kann nichts tun, alles was ich kann ist lernen, stets und ständig. Doch am Ende, am Ende wird man immer nach der Herkunft gehen. Es ist egal was ist, ich kann nichts tun, rein gar nichts. Und das nur, weil ich ein Schlammblut bin." Erst blickte mich James entgeistert an, doch dann sah er mich traurig an.
„Jetzt hör mir bitte mal ganz genau zu. Du bist auf keinen Fall weniger wert als alle anderen Zauberer hier, klar?! Du wirst nie, nie wieder sagen, dass du wertlos bist und du wirst nie wieder das S-Wort in den Mund nehmen, klar?! Du fühlst dich jetzt vielleicht machtlos und allein gelassen, aber das bist du nicht! Du bist Lily Evans, die beste, klügste, hübscheste, komplizierteste und loyalste Hexe die ich kenne. Wenn du es nicht würdig bist eine Hexe zu sein, dann bin ich, sind Remus, Sirius, Peter, Anna und Hestia es schon gar nicht würdig. Wir werden etwas unternehmen, wir werden diesen abscheulichen Zauberern und Hexen, die denken Muggelstämmige wären weniger wert, zeigen, dass wir uns wehren können und das sie unrecht haben. Es ist scheißegal, ob du jetzt Reinblütig, Halbblütig oder Muggelstämmig bist, du bist so wie du bist perfekt. Es ist egal wie manche Slytherins dich sehen, denn die Menschen, die dich nicht so akzeptieren wie du bist, sind es nicht wert deine Aufmerksamkeit zu haben. Und was die Beerdigung angeht, du wirst da sein, glaub mir und wenn ich dich dort hin schmuggeln muss, du wirst dort sein. Wir werden Dir alle beistehen, okay? Wir sind alle für dich da, wir lassen dich nicht allein. Okay?" Das alles sagte er mit so viel Überzeugung und Wahrhaftigkeit, dass es mich berührte. Mir lief eine Träne über die Wangen und ich nickte nur stumm. Ich wollte meinen Kopf wegdrehen und mir die Träne wegwischen, aber James Hand legte sich auf meine Wange und er wischte meine Träne mit seinem Daumen weg.
„Ich heul schon wieder. Du musst ja langsam denken, ich wäre ein heulendes Wesen.", sagte ich betrübt und lachte leicht. Er zwang mich in seine Augen zu blicken und ich erkannte in ihnen Mitgefühl und bedauern. Er umarmte mich jetzt ganz fest und als er mir etwas zuflüsterte, spürte ich seinen Atem an meinem Hals und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, sodass ich überall Gänsehaut bekam.
„So etwas würde ich nie von dir denken."

Die restlichen Tage bis zur Beerdigung meiner Cousine verliefen normal. Die Lehrer gaben mehr Hausaufgaben als sonst auf, benoteten alles, was man überhaupt benoten konnte und hielten uns Vorträge über unsere UTZs.

Ich war gleich am nächsten Tag mit James zu Dumbledore gegangen. Er stimmte zu und sagte, ich könnte einen meiner Freunde mitnehmen, er würde eine Portschüssel besorgen.
Ich entschied mich dazu James mitzunehmen, er war der einzige der mich im Moment beruhigen konnte, auch wenn ich das ungern zugab.

Also stand ich nun mit James und meinen Freunden vor Dumbledores Büro, wir verabschiedeten uns und gemeinsam gingen James und ich hinauf in sein Büro. Wir klopften und ein leises „Herein." hörte man hinter der Tür. Sie flog von selbst auf und Professor Dumbledore begrüßte uns, er sprach mir nochmals sein Beileid aus und erklärte uns dann, wann wir zurück reisen sollten. Er hatte uns einen altmodischen braunen Hut besorgt, den wir als Portschüssel benutzten. Wir fassten uns bei der Hand und es stieg wieder eine angenehme Wärme in mir auf und ich musste leicht Grinsen. Dann fassten wir gemeinsam den Hut an und wurden auch schon zusammengepresst. Das unangenehme apparieren mochte ich gar nicht, gerade als ich dachte ich würde keine Luft mehr bekommen, stießen meine Füße hart auf den Boden auf und ich bekam wieder Luft.

James

Lilyˋs Hand hatte mich die ganze Zeit verkrampft gehalten, als wir ankamen taumelte sie leicht, doch durch den festen Griff konnte ich sie auf den Beinen halten. Auch wenn sie ein schwarzes, mit spitze besticktes, kurzes Kleid trug, sah sie immer noch bezaubernd aus. Doch das Funkeln in ihren Augen war wieder einmal verschwunden und ihr Lächeln war nur aufgesetzt.
„Du brauchst mich nicht anzulächeln, ich weiß wann das Lächeln ehrlich ist.", sagte ich und blickte ihr in die Augen.
„Warum müssen mich manche Menschen so gut kennen?", sagte sie traurig.
„So schlecht ist das gar nicht. Friss deine Sorgen nicht in dich rein, ja? Du brauchst mir nichts vorzumachen. Ich versteh dich.", sagte ich und drückte ihre Hand sanft. Sie nickte und trat aus der Seitengasse vor, in der wir appariert waren.
Wir gingen Hand in Hand an Häusern vorbei, die alle gleich aussahen. Nach einer Weile sagte sie: „Ähm...meine Eltern sind immer etwas, nun ja...eigen, wenn sie unbekannten Besuch bekommen. Besonders wenn es Jungen sind ist mein Vater speziell." Sie sprach ohne mich anzusehen und schien mir sehr verlegen zu sein. Ich grinste leicht. „Alles gut. Ich komm klar.", sagte ich beruhigend. Sie blickte mich an und nickte dankbar.
Wir bogen in einen Vorgarten ein und Lily ließ meine Hand los, bevor sie klingelte.
Ich war etwas traurig darüber, aber ich kann verstehen, dass sie jetzt nicht die Nerven dazu hatte ihnen zu erklären, dass wir nur Freunde waren.

Die Tür öffnete sich und eine Frau mit dem gleichen rotem Haar wie Lily. Sie hatte sich ebenfalls ein schwarzes, schlichtes Kleid angezogen. Auch wenn sich in ihrem Gesicht schon ein paar Falten abzeichneten, sah man, dass sie einmal genauso hübsch wie Lily ausgesehen haben musste.
Lily umarmte ihre Mutter zur Begrüßung und erst jetzt bekam mich Mrs Evans mit, sie löste sich von Lily und lächelte mich warm an.
„Wer ist denn das Schatz?", fragte sie Lily.
„Mum, das ist James. James, das ist Mum.", stellte sie uns vor. Ich schüttelte ihr die Hand und sagte: „Es ist mir eine Freude Mrs Evans."
„Mir ebenfalls.", sagte sie mit einem meiner Meinung nach undefinierbaren Blick zu Lily.

Sie bat uns einzutreten und wir gingen ins Wohnzimmer. Es war ein kleines, aber schönes Haus, es war gemütlich und warm.
„Also du bist der James, von dem mir Hestia und Lily so viel erzählt haben?", fragte sie an mich gewandt. Ich war so verdattert, dass ich nur ungläubig von der rot angelaufenen Lily und ihrer Mutter hin und her.
„Ähm...ich weiß nicht recht. Also auf Hogwarts gibt es keinen anderen James.", sagte ich nachdem ich mich wieder gefasst hatte.
Die errötete Lily sagte dann: „Ja Mum, dass ist der James von dem Hestia Dir vorgeschwärmt hat."
„Und du gemeckert hast!", sagte jetzt Mrs Evans. Ich blickte neugierig zu Lily hinüber. Sie war noch röter angelaufen und verkroch sich leicht in der Couch. Dann blickte ich auf und konnte eine zufrieden grinsende Mrs Evans sehen.

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