21. Trösten
James
Als Lily wütend aus dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors raus gerannt war, wusste ich nicht so recht wohin mit mir. Ich wollte ihr unbedingt helfen, doch wusste ein Teil in mir, dass sie sich nicht von mir helfen lassen würde. Schlussendlich handelte bei mir jedoch die Kurzschlussreaktion, weshalb ich nach einigem zögern aufsprang, um ihr hinterher zu rennen. Jedenfalls hatte ich das vor. Denn wenn ich eines wusste, dann das ich Lily nicht so sehen wollte. So verletzt und aufgebracht. Sie sollte lachen. Und lächeln. Und vor allem fröhlich sein.
„Lass sie. Wenn du jetzt zu ihr gehst, bekommst du alles ab.", griff mich jedoch Remus am Arm und hielt mich zurück. Ja natürlich. Aber trotzdem konnte ich sie doch nicht so wegrennen lassen. Sie hatte doch jetzt gerade niemanden. Nicht das sie sich verletzte oder von irgendeinem blöden Slytherin auf dem Weg abgefangen wurde.
Nur schien ich der einzige zu sein, der sich wirklich Sorgen darum machte. Denn Tatze war mal wieder nur auf das Geheimnis Hestia's aus. Manchmal fragte ich mich echt, ob er nicht andere Probleme hätte. Wobei ich auch gestehen musste, dass, wenn ich es wüsste, Lily vielleicht besser verstehen würde. Schließlich schien das doch irgendwo der Grund hinter ihrem aufbrausen zu sein.
„Welches Geheimnis?", wandte Sirius sich an die braunhaarige und musterte sie fragend. Bei Merlin, Tatze verhielt sich seltsam in letzter Zeit. So in Gedanken. Ultra komisch.
„Geht dich gar nichts an Black!", blaffte Hestia meinen besten Freund an, ehe sie sich wieder zu allen anderen in der Runde wandte. Man merkte, dass es ihr deutlich unangenehm war, dass Lily dieses misteriöse Geheimnis erwähnt hatte. Doch wären wir nicht wir, wenn wir es nicht wissen wollten.
„Was hat sie eigentlich? Sie hat in letzter Zeit so schlechte Laune! Das ist ja kaum zu ertragen!", entfuhr es der Quidditch-Jägerin. Es war seltsam, dass gerade Hestia Lily nicht verstehen konnte. Seit ich beide kannte, waren sie sowas wie Zwillinge. Zwar wurde dieses Bild erst im fünften Jahr, nach diesem einen Vorfall, verfestigt, doch schienen beide immer Schwestern gewesen zu sein. Und nun kam es mir so vor, als hätten beide den größten Abstand zueinander den sie je hatten. Und irgendwie machte mir das Angst. Denn Lily würde nun, nach solch einer innerlichen Verletzung niemanden haben, der sie auffing. Nicht wie bei Snape damals. Im fünften Jahr war Hestia für sie da gewesen und hatte sie wieder aufgebaut. Doch nun würde sie niemanden an sich heran lassen. Und zu aller letzt wahrscheinlich mich.
„Man Hest! Sie will mal was mit uns allein machen. Im Grunde, das tut mir jetzt leid, haben wir uns mit ihren Feinden verbündet. Sie mochte euch noch nie besonders, abgesehen von Remus. Und dann ist sie seit diesem Jahr gezwungen mit James ordentlich zu sprechen und zu arbeiten. Hinzu kommt noch, dass du die Rumtreiber auch noch als Freunde von uns bezeichnest. Was ihr ja auch seid. Nur sieht das Lily halt nicht so. Sie redet ja auch kaum mit euch, weil sie sich immer nur in ihrem Zimmer verzieht. In ihren Augen sind wir ihr in den Rücken gefallen. Als beste Freundinnen hätten wir sie erst fragen müssen.", setzte Anna jetzt zur Erklärung an. Und irgendwie konnte ich es nachvollziehen. In den ersten fünf Jahren waren Lily und ich die größten Streithähne überhaupt. Danach hatte ich sie etwas in Ruhe gelassen. Doch im letzten Jahr kehrte irgendwie wieder alles zur Normalität zurück. Nur das an Lily's Seite nicht mehr Snape stand. Ich mein, wenn ich überlegte mit Snape plötzlich meine freie Zeit zu verbringen...
„Ich kann's verstehen.", erwiderte Remus nun und blickte abwartend in die Runde. Ja natürlich konnte man sie verstehen. Zwar war Lily für mich der komplizierteste Mensch auf Erden, aber gleichzeitig auch der wunderbarste. Die hatte ein riesiges Herz. Sie würde nichts ohne Grund tun. Doch schienen alle anderen von Moony's Worten überfordert. Seufzend setzte ich mich wieder zurück auf meinen Platz. Bisher stand ich einfach unbeteiligt im Raum und hatte nicht sehr dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit des Gemeinschaftsraumes nicht auf uns lag.
„Wie würdet ihr das finden, wenn ich Snape jetzt als Freund von uns ansehen würde?", fuhr Moony als Beispiel für die anderen fort und erntete sogleich böse Blicke von Tatze. Ja natürlich war die Vorstellung einerseits absurd und total hirnrissig. Aber ein gutes Beispiel war es trotz dessen.
„Aber wir sind doch nicht so schlimm wie Schniefelus!", erwiderte Sirius jetzt empört. Ja natürlich, Snape war eine falsche Schlange, aber trotzdem konnte man kein besseres Beispiel finden. Und seine Empörung zeigt doch, wie es ihr gehen muss. Und das irgendwie nur wegen mir. Schließlich hatte sie mich immer am abstoßendesten gefunden. Sie hatte wegen mir Streit mit ihren Freundinnen. Und das versetzte mir wie so immer einen schmerzenden Stich im Herzen.
„Ja das mag sein, aber im Gegensatz zu euch, war Lily mit Snape befreundet. Er war ihr bester Freund. Und ihr wart ihre größten Feinde.", meinte jetzt Anna und versuchte es Tatze zu verdeutlichen, wie es Lily wohl ging. Und das nur wegen mir. Wegen meiner abstoßenden, zu hassenden Person.
„Wir haben Sie bedrängt. Sie muss allein schon damit klar kommen, dass ich auch Schülersprecher bin und muss damit auskommen, das wir uns ständig sehen. Sie hat keinen Rückzugsort mehr, weil wir ständig überall sind. Deswegen hat sie sich wahrscheinlich auch zurückgezogen. Eben weil das der Ort war wo wir nicht da waren. Ich glaube auch, dass sie im Moment noch andere Sorgen hat als das. Sie ist mit ihren Gedanken oft woanders, dass hat man schon vorhin gemerkt, als sie nicht reagiert hat und ganz wo anders war.", meinte ich und starrte auf den Boden. Sie hatte keine Ruhe mehr. Ständig stand sie unter Stress. Und das nur wegen mir. Dabei war das doch das letzte was ich wollte. Doch schien ich das wohl nur ändern zu können, wenn ich sie in Ruhe ließ. Fest schluckend blickte ich auf, als alles still geblieben war und blickte in die Gesichter der Mädchen und meiner Freunde. Innerlich fragte ich mich wieder, was ich denn schon wieder falsch gemacht hatte. Gefühlt alles in Bezug auf Lily machte ich falsch. Dabei wollte ich das doch gar nicht. Ich wollte für sie da sein, ihr helfen. Ihr zeigen, dass sie mir alles bedeutete.
„Was ist denn jetzt schon wieder los? Was hab ich falsch gemacht?", sprach ich genervt meine Gedanken aus und wartete mal wieder auf eine Zurechtweisung. Am besten ich hielt die Klappe, würde Lily aus dem Weg gehen. Wenn es ihr so besser ging?
„Es ist nichts, du...du scheinst dich nur gut in sie reinversetzten zu können.", antwortete jetzt Hestia auf meine Frage. Hä? Ich und mich gut in Lily heineinversetzen können? Ich glaubte ich spinne.
„Krone? Gehts dir auch so?", fragte mich nun Sirius einfühlsam. Bei Merlin, so sprach er nur wenn ich gerade voll down war. Aber das war ich gerade nicht. Ich machte mir nur Sorgen um Lily. Und das was so gut wie immer der Fall.
„Nein, nein natürlich nicht! Wie kommt ihr denn jetzt auf die Idee?!", meinte ich voller entsetzten und schaute verwirrt in die Runde. Bei Merlin, wenn's mir so gehen würde, dann würde ich bewusst mit den beiden privat reden und das ausdiskutieren. Zumal ich ja wohl nie der Typ Mensch war, der sehr gern vor Mädchen über meine Gefühle sprach.
„Naja, es ist nur komisch. Du konntest dich noch nie in jemand anderen hineinversetzen.", erklärte mir Moony nun. Ja klar. Als ob ich mich gut in Lily hinein verstehen konnte. Das ist so unwahrscheinlich wie der Versuch Zaubertränke zu verstehen.
„Oh glaub mir, ich kann mich in niemanden hineinversetzen und schon gar nicht in Lily. Sie ist der komplizierteste Mensch überhaupt. Es hat sich mir nur logisch ergeben. Das Beispiel mit Snape war gut.", tat ich es ab und schaute noch immer verwirrt in die Runde. Bei Merlin, manchmal fragte ich mich echt, ob mich meine Freunde wirklich kannten. Doch das war jetzt nicht wichtig. Wichtig war jetzt Lily. Und so langsam schaffte ich es auch nicht mehr nicht zu wissen was sie gerade tat. Allein. Und ohne Freunde.
„Ich glaube ich sollte jetzt zu ihr gehen, bevor sie noch die ganze Wohnung mit ihrem Temperament zerstört.", sagte ich deshalb und begab mich mit einem milden Lächeln auf dem Gesicht aus dem Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Und kaum war ich aus diesem hinaus getreten, konnte ich meine Sorge nicht mehr aufhalten. Zügigen Schrittes lief ich durch die Korridore, schnell auf den Weg zu Lily seiend. Hoffend, dass sie dort wirklich war.
Hochroter Kopf. Tränenströme die ihre Wangen hinunter liefen. Schluchzer die ihrer Kehle entflohen. Wütend auf den an die Decke gezauberten Boxsack einschlagend. Wunde Hände. Wunde Hände, die immer wieder auf den Boxsack einschlugen und heftigere Weinkrämpfe in ihr auslösten.
Wie eingefroren stand ich in unserem warmen Wohnzimmer, blickte auf das sonst so fröhliche Mädchen und konnte nicht klar denken. Der Schock ließ mich die Luft anhalten, ließ mein Herz kurzzeitig stehen bleiben und mich selbst für meine Dummheit ohrfeigen, ihr nicht gleich hinterher gerannt zu sein.
Plötzlich kam leben in mich. Noch immer geschockt, lief ich auf die rothaarige zu und rang nach Worten. So konnte sie nicht weiter machen. Dann entzündeten sich ihre Hände nur noch mehr, würden beginnen zu bluten und auch den Schmerz den sie seelisch verspürte nach außen hin sichtbar machen.
„Lily! Komm Hör auf.", sprach ich auf sie ein und stand noch immer unbeholfen neben ihr. Ich wollte sie abhalten, wollte, dass sie ihren Händen eine Pause gönnte. Wollte, dass sie aufhörte sich selbst nur noch mehr wehzutun.
„Das geht aber nicht! Ich bin doch an allem schuld! Meine Schwester, meine Freunde, ihr, meine Eltern, alle haben Sorgen und der einzig logische Grund bin ich! Ich! Ich bin schuld!", rief sie unter Schluchzern und schlug wie verrückt auf den Boxsack ein. Nicht einmal ließ sie ihn aus den Augen. Wobei ich stark bezweifelte, dass sie unter den Tränen noch etwas erkennen konnte. Schmerzen machten sich in meinem Herzen breit. Sie so zu sehen, dass sie sich an allem die Schuld gab, tat mehr weh, als jeglicher körperlicher Schmerz.
Sie konnte so nicht weiter machen. Ich konnte sie sich doch nicht einfach selbst überlassen. Sie erlitt oder war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Doch wollte ich sie nicht noch weiter bedrängen. Ihr noch mehr Grund zum kämpfen geben.
Aus einer Kurzschlussreaktion griff ich mit meinen Hände nach ihren geschundenen und versuchte sie so zu stoppen. Ihre windenden Hände in meinen von dem Boxsack fern zu halten. Ihr zu zeigen, dass das keine Lösung war. Dass sie aufhören musste.
„Lily! Du bist an gar nichts schuld! Lily! Guck mich an!", erhob ich meine Stimme, wollte ihre Aufmerksamkeit. Doch stattdessen blickte sie stur auf den Boxsack, wand sich unter mir und wollte sich losreißen. Doch würde ich sie nicht noch weiter auf den Boxsack einschlagen lassen. Beherrscht nahm ich meine Hand unter ihr Kinn, hob es an und zwang sie mich anzuschauen. Sich bewusst zu werden, dass ich da war und sie sich beruhigen sollte. Dass sie nicht allein war.
„Du bist an nichts schuld! Hörst du? An gar nichts.", versuchte ich ihr klar zu machen. Schaute sie an und hoffte einen Schimmer des verstanden Habens darin zu erkennen. Doch nichts dergleichen zeigte sich. Zu ihrem stetigen winden, erlitt sie weitere, heftigere Heulkrämpfe. Ich wollte sie umarmen, sie trösten. Doch stand hier vor mir Lily Evans. Sie würde mich wegstoßen. Mich vollmauln und sich am Ende verkriechen. Und trotz dessen, ich musste ihr helfen. Instinktiv nahm ich sie in den Arm. Hielt sie fest und hoffte, dass sie aufhörte sich zu wehren. Dass sie akzeptierte, dass ich da war und ihr nicht von der Seite weichen würde. Hart schlug sich mich ein paar mal gegen die Brust, benutzte mich als Boxsack. Doch hinderte es mich nicht daran, sie nach jedem Schlag noch fester in den Arm zu nehmen. Sachte streichet ich ihr über das rote Haar, welches so schien, als hätte es den Glanz verloren. Den Glanz, den Lily ausmachte.
„Alles ist gut Lily. Du bist an nichts schuld.", wiederholte ich immer und immer wieder, spürte wie sie unter mir ruhiger wurde. Die Schläge nachließen und schlussendlich aufhörten. Wie sie sich stattdessen an mich krallte, nach halt suchend gegen meine Brust schluchzte und Tränen ihre Wangen verließen.
„Willst du dich hinsetzten Lily?", flüsterte ich gegen ihr Haar, als die Schluchzer nachließen und nur noch vereinzeltes schniefen zu vernehmen war. Sachte, kraftlos und kaum merkbar nickte sie gegen mein tränennasses Shirt und veranlasst mich dazu, sie auf den Arm zu nehmen. Erschrocken sog sie Luft ein, schien jedoch nicht fähig sich darüber zu beschweren, dass ich sie zur Couch trug. Und auch wenn sie ruhiger geworden war, hieß das noch lange nicht, dass ihre Gedanken ruhiger geworden waren. Und allein der Gedanke, dass in ihrem Kopf das reinste Chaos herrschte, ließ mich beruhigend auf sie ein reden.
„Alles ist gut, es wird alles wieder gut.", flüsterte ich sanft gegen ihren Kopf, ehe ich mich sachte, mit ihr auf dem Arm, auf die Couch setzte. Schützend nahm ich sie in den Arm, wollte alles schreckliche von außen von ihr fern halten. So, als wollte ich ein Schutzschild der aufkommenden Gedanken sein. Doch war das nur Wunschdenken. Jedem Kind war bewusst, dass es so nicht funktionierte. Dass ich sie noch so sehr in meinen Armen wiegen konnte, sie beschützen wollte. Vor ihren eigenen Hirngespinstern konnte ich sie nicht beschützen.
„Möchtest du darüber reden?", fragte ich leis, sie noch immer fest umklammernd. Und auch wenn wir uns so nah wie nie zuvor waren, kam mir nicht einen Moment dieser Gedanke. Viel zu sehr war ich um Lily besorgt, als um mein erringen.
„Vielleicht später.", durchbrach ihre dünne Stimme meine Sorgen und ließ mich meine Arme noch fester um sie drücken. Nickend strich ich ihr übers Haar, spürte wie ihre Atmung ruhiger wurde. Wie sie langsam in meinen wiegenden Armen einschlief. Mich wach und vollkommen beschäftigt zurück ließ.
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