182. Starke, unabhängige Frau
Lily
„Lily!" Und da war sie. Die schüchterne, schon fast flehende Stimme. Die Stimme, mit der ich leider Gottes sogar gerechnet hatte. Die Stimme, die mir mehr leid als jede andere angetan hatte. Die Stimme, die nicht mehr meinem besten Freund gehörte.
Ich wusste, dass ich es nicht sollte, doch konnte ich nicht anders. Ich blieb stehen. Blieb stehen und drehte mich um. Direkt zu der Person, die mir mehr leid zugefügt hatte, als jede andere Person. Direkt zu demjenigen, dessen Anblick mich nun anwidert. Ich blickte genau in seine Augen, seine schwarzen und leeren Augen. Die Augen, die genau zu der Hackennase passten, die mir damals ins Auge gesprungen war. Direkt zu der Person, die mich ansprach.
„Lily.", wiederholte die mir so vertraute Stimme. Noch immer hingen seine Haare fettig herunter und ließen den vor mir stehenden Jungen nicht gerade attraktiv wirken. Wie ich es doch hasste, wenn er mich so nannte. Ich war nicht mehr Lily für ihn. Ich war Evans.
„Was willst du Snape?!", fragte ich mit kräftiger Stimme. Ich würde mich nicht unterkriegen lassen. Nicht von ihm. Nicht nochmal. Nicht nachdem er mich so verletzt hatte.
„Alles gute zum Geburtstag.", meinte die Stimme fröhlich, meine Aggressivität zuvor in der Stimme ignorieren. Alles Gute zum Geburtstag. Das ich nicht lache. Zauberer wie er wünschten sich doch nur, dass wir nie geboren werden.
„Das kannst du dir sonst wo hin stecken Snape.", erwiderte ich hart und drehte mich um. Er sollte mich in Ruhe lassen. Wie oft musste ich ihm das noch verklickern? Er hatte mich verletzt. Vor der ganzen Schule gedemütigt. Mich hintergangen.
„Lily! Warte bitte.", vernahm ich die flehende Stimme. Und ich blieb wiedermal stehen. Es war ein Reflex. Ein Reflex, den ich nicht ausschalten konnte. So sehr ich das auch wollte.
„Verdammt für dich heiße ich Evans! Und jetzt lass mich in Ruhe!", rief ich ihm entgegen. Es reichte mir. Er sollte mich in Ruhe lassen. Mit jedem Wort das er sprach verletzte er mich. Mit jedem Wort das er trotz meiner Ablehnung sprach, kochte es in mir. Ich wusste nicht, wieso ich so dumm war und meinen Freunden gesagt hatte, ich wolle nur kurz allein in die Bibliothek. Wieso ich heute so dumm war. Es war klar, dass Snape mich aufsuchen würde. So, wie er es seit drei Jahren tat.
„Er färbt auf dich ab.", riss mich seine bittere Stimme aus meinen Gedanken. Wie bitte?! Was wollte er denn jetzt schon wieder?! Er sollte verschwinden. Abhauen zu seinen Todesserfreunden.
„Wie bitte?!", fragte ich verständnislos. Es blieb nicht verborgen, dass es mir nicht recht war, dass er noch immer hier stand. Eine ungewohnte Unhöflichkeit schwang in meiner Stimme mit und die Aggressivität in mir, bleib auch nicht verborgen, als ich mich rasch umwandte.
„Er färbt auf dich ab...Potter.", erklärte er mit trauriger, jedoch auch harter Stimme. Er sollte die Klappe halten. Seine verschissene Klappe.
„Hör auf damit! Lass mich in Ruhe. Und lass es James ständig in den Dreck zu zeihen! Denn dort gehörst du hin!", rief ich aufbrausend. Ja, ich verteidigte James. Er war mein Freund. Und ich verteidigte jeden meiner Freunde. Es war das eine mich zu beleidigen, doch es war etwas anderes meine Freunde zu beleidigen. Meinem Freund zu beleidigen.
„Also stimmt es? Ihr seid wirklich zusammen? Bist du jetzt auch auf ihn reingefallen?! Das ich nicht lache. Er hat dich auch um seinen Finger gewickelt und springt vermutlich gerade mit der nächsten ins Bett!", verspottete er mich. Und da war es wieder. Das wahre Gesicht. Sein wahres Gesicht. Das er sich sowas erlaubte! Er sollte die Klappe halten. Im Gegensatz zu ihm würde James mir nie wehtun. Im Gegensatz zu ihm, war James ein richtiger Freund.
„Halt deine Klappe! Du hast keine Ahnung wovon du redest! Du verurteilst ihn ohne Grund! Er ist anders als du dachtest! Er ist anders, als du es mir eingebläut hattest! Er ist der liebenswürdigste und beste Mensch den ich kenne! Und im Gegensatz zu dir ein richtiger Freund!", keifte ich ihm entgegen, meine Stimme im Korridor widerhallend. Er regte mich auf, brachte mich zur Weißglut und ließ mich vor Wut kochen. Dieses Arsch! Er sollte sein Maul halten!
„Ach ist er das ja? Kannst du jetzt etwa auch bestätigen, dass er ach so gut im Bett ist? Hat er dich schon so weit bekommen? Bist du wirklich schon so tief gesunken, um mit ihm eine Beziehung einzugehen? Er meint es nicht ernst, verarscht dich nur. Genauso wie dieser Blutsverräter mit Jones! Du bist blind! Blind weil du dich in das größte Arschloch der gesamten Schule verliebt hast! Es ist traurig wie tief du gesunken bist!", erwiderte er. Und ich hatte wie aus Reflex meinen Zauberstab gegriffen. Wenn mich jemand aggressiv machte, dann er. Er mit seinen Beschuldigungen an meine Freunde. Und vor allem an meinem Freund! Wütend griff ich nach dem Zauberstab. Wollte ihn schon zu, schweigen bringen.
Doch dann stand urplötzlich jemand vor mir. Wie in Zeitlupe kam es mir vor. Mir wurde die Sicht versperrt, ich erkannte seinen Geruch und seine Hand an meinem Arm. Meinem erhobenen, den Zauberstab haltenden Arm.
„Lily, alles gut. Ich bin's. Lass es. Du solltest das nicht machen.", flüsterte mir seine vertraute Stimme zu und senkte sanft meinen Arm. Wärme durchfuhr diesen und holte mich aus meiner Trance. Was tat ich hier?
„Na? Hast du jetzt was du wolltest Potter?! Deine kleine Schlammblut-Freundin ist genauso wie du! Hast du jetzt alles was du wolltest?!", vernahm ich die keifende Stimme Snapes, hinter James' Rücken. Ich zuckte zusammen, als ich den Hass und die Abscheu in seiner Stimme hörte. In mir ratterte es. Jegliche Wut war verflogen und machte nun für Gefühle platzt, die ich nie wieder spüren wollte. Für Angst, Enttäuschung und Scham. Scham, weil ich genau das war. Ein Schlammblut. Weil ich jeden mit meiner Existenz gefährdete.
„Hau ab Snape!", vernahm ich die raue Stimme meines Freundes, welcher mich schützend in den Arm genommen hatte. In den Arm, in welchen ich jetzt weinte. Weinte und schluchzte und mir wünschte nicht hier zu sein. Lieber ein gewöhnlicher, gehasster Muggel, als eine begabte und gehasste Hexe.
Ich spürte wie mich James noch fester an sich drückte und vernahm schnelle und aufgeregte Schritte im Korridor widerhallen. So lange, bis nur noch mein stummes, und verletztes weinen zu hören war. Mein klägliches und von Schluchzern getränktes weinen.
„Lily, alles gut. Ich bin hier. Er ist weg. Hör nicht auf ihn. Das alles stimmt nicht. Du bist wundervoll. Hör auf das zu glauben, was er dir sagt.", sprach James liebevoll auf mich ein. Doch ich schüttelte nur den Kopf. Ich war tief gesunken. Ich hätte ihn beinahe verhext. Dabei wollte ich das nie. Och wollte nie jemanden verletzten. Und dabei hätte ich das fast getan!
„Nein James, er hat recht! Ich bin so tief gesunken! Ich hätte ihn fast verletzt. Sowas will ich doch gar nicht. Ich will niemanden verletzten.", schluchzte ich und schaute hinauf in seine haselnussbraunen Augen. Sie waren so voller Sorge und Liebe, doch auch Mitglied und Schmerz waren darin zu erkennen.
„Nein Lily, du hast ihn nicht verhext! Okay? Es geht ihm gut. Er hat dich verletzt. Und das sollte er nicht. Du sollst vergessen was er dir an den Kopf wirft. Du bist wundervoll. Vergiss das nicht. Niemand hat das Recht doch so zu nennen. Du bist wunderbar. Der größte Schatz den es gibt. Er ist nur neidisch, weil er dich hat gehen lassen. Und so bringt er es zum Ausdruck. Mit Dingen, die er nicht so meint und die er niemals sagen sollte. Du bist wunderbar. Bitte hör auf zu weinen. Er ist es nicht wert. Jede dieser Träne sollte vor Glück und nicht vor Trauer fließen.", wisperte er mir liebevoll und mit Ehrlichkeit in der Stimme zu. Mit seiner Hand wischte er meine Tränen weg und hinterließ stattdessen ein Brennen. Er hatte recht. Snape war es nicht wert. Ich sollte diesen Tag heute genießen und nicht mit weinen verbringen.
Entschieden nickte ich, straffte meine Schultern etwas und zwang mir ein mildes Lächeln ab. Ich sollte das alles vergessen. Die Zeit mit ihm. Das Vertrauen zu ihm. Ihn allein sollte ich vergessen. Ich musste irgendwie darüber hinweg kommen.
„Danke James.", meinte ich, mit versucht starker Stimme. Wieder erkannte ich den stolzen Ausdruck in seinen Augen. Und genau das brachte mich zu einem breiteren und ehrlicheren Lächeln. Er hatte recht. Ich sollte mich von niemandem unterkriegen lassen. Ich war eine starke, unabhängige Frau, die selbst Entscheidungen traf.
„Wofür? Das ich eine solch wundervolle Freundin habe?", lächelte James mich an und strich sanft meine Wange entlang. Tränen flossen nun nicht mehr darüber, doch fühlten sie sich noch immer warm und geschwollen an. Ebenso wie meine Augen. Leicht lachend drückte ich ihn nochmals fest. Er war mir wichtig. Wichtiger als es sonst jemand war, ist und sein wird. Er beruhigte mich auf eine Weise, wie es niemand anderes schaffte. Durch seinen Duft, seine Wärme und sein Dasein. Ihn durfte ich niemals gehen lassen.
„Alles wieder gut?", fragte mein Freund nun lächelnd. Ich nickte kräftig und bekam einen stolzen Kuss auf die Stirn. Lächelnd genoss ich diese Zärtlichkeit und schloss für wenige Sekunden genießerisch meine Augen. Mich durchfuhr wieder das angenehme und beruhigende Brennen. Kurz darauf bekam ich wieder diese wohlige Gänsehaut, ehe ich das Kribbeln in meinem Bauch verspürte.
„Ja. Ich sehe nur wahrscheinlich schrecklich aus. Lass uns in die Schulsprecherräume gehen, bevor wir die anderen besuchen. Ich sollte mich etwas frisch machen.", lächelte ich nun auch wieder breiter und erntete eines dieser schönen Lachen von James.
„Du siehst immer wunderschön aus, mein Engel.", nuschelte er an meine Lippen, ehe er mir einen zaghaften Kuss gab. Lächelnd erwiderte ich diesen und genoss für kurze Zeit das liebe Kompliment. Und kurz darauf kuschelte ich mich auch schon wieder an ihn, bevor wir uns auf den Weg zu unseren Räumen machten. Was würde ich nur ohne ihn tun?
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