161. Unbegründet

Lily

Seit einer gefühlten Ewigkeit führte ich jetzt schon diesen Streik durch. Keine Ahnung, ein paar Tage auf jeden Fall. Meine Mutter verzweifelte schon, weil ich einfach zu keinem Essen erschien und mich in meinem Zimmer verschanzte. Doch so lang mein Vater nicht von selbst mit mir sprechen wollte, würde ich es weiterhin durchziehen, spät in der Nacht, wenn alle schliefen, mit Vorräte für den folgenden Tag zu holen. Ja, ich war nicht dumm. Ich wusste zwar, dass ich keine Super Figur hatte, aber ganz aufs Essen wollte ich dann auch nicht verzichten. Das würde ich nebenbei bemerkt auch gar nicht aushalten. Am Ende würde es noch so kommen, dass ich diesen Streik unterbrach auf Grund von Hunger. Nene, so weit kommt's erst nicht.
Der einzigen Person der ich meinen momentanen Krieg mitteilte waren hierbei, Überraschung, nicht Hestia oder Anna. Tada: Es war James. Natürlich ließ ich den wirklichen Grund des Streits zwischen mir und meinem Vater aus. Er dachte noch immer, es würde daran liegen, dass mein Vater mit ihm vor unserem Date gesprochen hatte. Ich mein, so sehr gelogen war das ja auch gar nicht.

Der Grund warum ich sowohl Hest, als auch An davon nichts mitteilte? Weil deren Problem seit Tagen war, dass sie erst durch Sirius, welcher es durch Zufall durch James erfahren hatte, mitbekommen hatten, dass James und ich uns nun dateten. Ich mein, taten wir das überhaupt? Es war bisher eine Date gewesen. Und was war eigentlich die Definition von Daten? Keine Ahnung. Jedenfalls hatte ich anfangs immer nur auf andere Themen geantwortet und hatte die Fragen bezüglich des Dates ignoriert. Doch nun schrieben sie nur noch darüber. Was so viel hieß wie: sie bekamen keine Antworten mehr auf ihre Briefe. Punkt. Ich würde den das schon alles selbst und von Angesicht zu Angesicht mitteilen. Mich regte es schon auf, dass Sirius seine verdammte Klappe nicht halten konnte. Er hatte mir das Vergnügen genommen, ihre Gesichter zu sehen, wenn ich es ihnen sagte. Der würde sich auch noch was anhören können! Glaubt mir.

Naja, jedenfalls war ich gerade auf dem Weg zum vierten Mal in dieser Woche hinunter. Leis schlich ich mich zum Kühlschrank, ehe ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer machte, um mir ein paar Süßigkeitenvorräte zu schnappen. So allein im Haus, wenn alles dunkel und duster war, schien es schon irgendwie angsteinflößend. Lediglich der leichte Schein des Mondes und der Sterne erhellte das Haus. Wäre James jetzt neben mir, wäre das alles überhaupt nicht angsteinflößend oder so, da war ich mir sicher. Doch jetzt gruselte es mich schon irgendwie. Wobei es auch irgendwo witzig war, ein bisschen hatte ich schon das Gefühl ein James Bond oder so zu sein. Ich weiß, bescheuert.

Ich tapste vorsichtig ins Wohnzimmer, alles schien wie immer. Schien. Denn urplötzlich wurde das Licht angemacht und ich musste gezwungenermaßen meine Augen schließen. Dieses grelle Licht! Argh! Aber das hieß doch...nein! Wieso? Jetzt war ich aufgeflogen! Wieso war ich so dumm?!
„Guten morgen Lily.", vernahm ich die männliche Stimme meines Vaters. Na super! Auch noch er! Blinzelnd versuchte ich mich an das Licht zu gewöhnen, ehe ich ihn genervt in die Augen blickte.
„Glaubst du echt, dass wir dir abkaufen, dass du dort oben einen Hungerstreik durchführst?", fragte er mal wieder wie gewohnt lustig. Doch mir war nicht nach lachen zumute. Jeden gottverdammten Tag hätte ich darüber gelacht, doch das war jetzt überhaupt nicht das, was ich wollte. Und das sah er auch. Ich war verletzt, gedemütigt und hatte das Gefühl nicht richtig wahrgenommen zu werden. Und jetzt wäre seine Chance mit mir zu reden. Also entweder er fing langsam damit an, oder ich würde mit meinen Armen voller essen an ihm vorbei in mein Zimmer gehen.

„Hey Lily, hör zu bitte. Das, das war alles nicht so gemeint...", begann er. Doch mir stiegen schon wieder Tränen in die Augen. Ich hasste es zu weinen! Seit wann war ich so anfällig dafür geworden?! Und allein diese Aufregung, dass ich mal wieder kurz davor war loszuheulen, war noch nerviger.
„Was war nicht so gemeint Dad?! Wir wissen beide, dass du es genau so gemeint hast, wie du es gesagt hast. Und indem du mich jetzt anlügst machst du das alles auch nicht besser!", meinte ich mit erstickter Stimme, noch immer krampfhaft mein Essen umarmend. Ich würde stark bleiben und garantiert nicht schon wieder in Tränen ausbrechen. Denn dann sah ich nicht nur schwach aus, ich war es dann auch. Und das wollte ich nicht. Nicht hier und nicht jetzt.
„Hör zu, bitte. Ich möchte dir das erklären. Lass uns uns doch hinsetzten?", versuchte er vorsichtig. So langsam schien er also wirklich begriffen zu haben, wie sehr er mich damit verletzt hatte. Ein Wunder war geschehen. Nach vier Tagen!

Leicht nickte ich. Hier im stehen wäre es das bestimmt nicht vorteilhaft zu erklären. Behutsam ging er auf den Sessel zu. Und ich setzte mich ihm gegenüber auf die Couch. Das Essen mit einem Kissen eintauschend. Ich brauchte im Moment einfach etwas, um mich festzuhalten. Irgendwas. Am besten wäre jetzt ein Arm. Nein, nicht irgendein Arm. Sondern sein Arm. James Arm. Doch ich wusste, dass ich dort jetzt allein durch musste. Und ich wusste, dass ich es schaffen würde.

„Lily, es...es tut mir leid. Okay? Ich weiß ich hab mich daneben benommen. Komplett. Aber, aber es ist einfach so...so seltsam dich mit einem anderen Jungen zu sehen.", fing er an. Seltsam? Was dachte er denn bitte?! Wieder verhärtete sich mein Gesicht. Also wenn er vorhatte mich noch mehr zu demütigen, dann könnte ich auch auf der Stelle ausziehen!
„Nein, nein nicht so seltsam. Einfach ungewohnt. Bitte versteh mich nicht falsch. Für mich bist du eben noch mein kleines Mädchen. Meine kleine Prinzessin.", fuhr er mit unsicherem Gesichtsausdruck fort. Auch wenn die Erinnerungen an meine Kindheit wieder hervor kamen, linderte es nicht meine Wut. Früher hatte er mich immer Prinzessin genannt. Genauso wie Petunia. Nur hatte es bei mir länger angehalten. Tuni wollte irgendwann nicht mehr so genannt werden. Ich fand es damals immer wohlig, wenn ich von Hogwarts zurück kam. So, als hätte sich nichts geändert. Doch versetzte es mir im Moment einen kleinen Stich. 

„Ich, ich weiß nicht was du in Hogwarts machst. Habe keine Ahnung, wie es dort ist. Wie du dort lernst oder wie deine Mitschüler mit dir umgehen. Ich, ich hab keine Ahnung was alle anderen dort machen. Weiß nicht genau, was du dort machst und uns möglicherweise nicht erzählst. Da,das soll nicht heißen, dass ich denke du tust sonst irgendwas. Ich weiß, dass du vernünftig bist. Aber im Grunde habe ich das Gefühl, nicht zu wissen wie deine Jugend war, oder ist. Ich, ich habe das Gefühl immer nur Ausschnitte zu sehen. Versteh mich nicht falsch, ich bin unheimlich stolz auf dich, doch bereitet es mir einfach Angst nicht ein wenig lenken zu können, was du in Hogwarts machst. Mit wem du was machst. Wer dein Umgang ist. Sowas eben.", erzählte er behutsam weiter. Und du blieb weiterhin still. Still, weil ich mir vorgenommen hatte, ihn aussprechen zu lassen. Mich nicht von meinen Gefühlen leiten zu lassen. Er sollte auch eine Chance haben sich zu erklären.

„Und ich kenne James nicht. Da hast du recht. Und im inneren weiß ich auch, dass du nie mit jemanden ausgehen würdest, wenn du ihn nicht mögen würdest. Es ist nur so, ich habe von ihm bisher nur schlechtes gehört. Lediglich Hestia hat im Sommer gemeint er wäre total nett. Doch weiß ich, dass das täuschen kann. Ich war mir eben nicht sicher, ob er sich in deiner Gegenwart nicht doch wieder anders verhalten würde. Ich hatte einfach Angst um dich. Wie gesagt, ich kenne ihn nicht richtig. Und ich weiß, dass es heutzutage der Fall ist, erst im Nachhinein der Familie seinen möglichen Freund vorzustellen. Aber ich wollte auch nicht, dass du verletzt wirst. Das wäre das schlimmste für einen Vater. Weißt du, es ist immer das eine selbst eine Freundin oder Frau zu haben. Doch es ist was anders, wenn es um seine Tochter geht. Auch ich war früher kein Unschuldslamm, das muss ich offen zugegeben. Doch wenn ich jetzt dich und Petunia ansehe, dann wünsche ich keinem das, was die Mädchen früher vielleicht gefühlt haben. Ich möchte eben nicht, dass du wegen eines Jungen, abends im Bett liegst uns weinst, weil er dir das Herz gebrochen hat. Und er selbst aber schon wieder im nächsten Club unterwegs ist. Das was ich versuche dir zu sagen ist, dass ich dich nur beschützen möchte. Doch ich weiß nun, dass es nicht richtig war, wie ich es versucht habe. Ich weiß, dass du niemals so dumm wärst und dich für jemanden entscheiden würdest, wenn er dir nicht gut täte. Ich mein, ich hab am Bahnhof gesehen wie wichtig du ihm zu sein scheinst, aber das ändert eben doch nichts daran, dass du nicht verletzt werden sollst. Ich, ich...es tut mir leid Prinzessin. Ich hatte sowas nicht fragen dürfen. Mir war spätestens nach dem Gespräch am Samstag klar gewesen, dass er vernünftig zu sein scheint, aber als ich deine blauen Flecken gesehen habe, da habe ich Angst bekommen. Ich...es tut mir leid. Wirklich.", sagte er und ich meinte zu erkennen, dass er glasige Augen hatte. Genauso wie ich. Doch nun nicht mehr vor Wut, sondern vor Rührung. Er hatte sich wirklich gesorgt. Gesorgt und instinktiv gehandelt. Es war zwar trotzdem nicht in Ordnung was er vermutet hatte, doch wusste ich, dass niemand perfekt war. Jeder hatte seine Fehler.

Keine Ahnung wie, aber schlussendlich nickte ich einfach schwach. Mir hatte es so viel Kraft gekostet diesen Streik durchzuführen und meinen Vater zu ignorieren. Ich liebte ihn und genau deswegen war es so schwer. Doch das was er gesagt hatte, hatte er mir noch nie erzählt. So viele Dinge hatte er nie erwähnt. Und gerade, als ich mich in seiner festen Umarmung wiederfand, kam ich nicht umhin zu lächeln. Warum? Weil James mal wieder recht gehabt hatte. Er hatte sich einfach Sorgen gemacht. Doch eines wusste ich, sie waren unbegründet. Vollkommen.

„Dad? Er ist wirklich in Ordnung. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", grinste ich mit erstickter Stimme. Sein erleichtertes Lächeln wurde breiter, als er noch immer vor mir gehockte zu mir hinauf schaute.
„Ja?", fragte er nochmals mit glänzenden Augen kurz nach. Breit lächelnd nickte ich. Bei der Erinnerung an James wurde mir immer warm ums Herz. Egal in welcher Situation.
„Okay.", flüsterte er und zog mich wieder in eine feste Umarmung. Wie ich das vermisst hatte. Seine Umarmungen. Wieso stritt ich mich eigentlich in der Zeit mit ihm, wo ich doch eh nur so wenig Zeit zu Hause hatte?

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