152. Weil sie es berührt hatte?

James

Lachend genossen wir das Essen. Ich liebte es sie lachen zu hören. Ihr helles, glockenklares Lachen. Wie ihre Augen immer wieder strahlten und den Sternen am Himmelszelt Konkurrenz machten. Wie sie amüsiert die Nase krauste und jedesmal außer Atem etwas erwiderte. Auch wenn ich immer wieder das Selbe dachte, war es nie das gleiche Gefühl. Jedes Mal aufs Neue verursachte sie in mir andere Gefühle. Andere gute Gefühle. Sogar ihre kleinen Fehler waren mir egal. Ob sie nun manchmal recht wählerisch oder hochnäsig rüber kam. Dabei war sie das gar nicht. Sie war alles andere als hochnäsig und arrogant. Sie sorgte sich immer um ihre Freunde und Familie. Nie stellte sie sich in den Vordergrund. Hasste es geradezu im Mittelpunkt zu stehen.

Lächelnd beobachtete ich sie, wie sie ihr letztes Stück des Schnitzels aß. Ich war schon fertig, quatschte mit ihr noch immer angeregt. Bisher musste ich wirklich zugeben, dass es genauso lief, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nein. Es lief noch viel besser.
Ich hatte mir im vornherein unglaublich viele Gedanken gemacht und war unnormal nervös gewesen. An diesem einen Abend wollte ich nun mal alles richtig machen. Wirklich alles. Schon den gesamten Vormittag hatte ich hier aufgeräumt, geputzt und eingekauft. Ich wollte etwas besonderes für sie. Etwas an was sie sich noch ewig erinnern wird. Und im Moment war alles perfekt. In meinen Augen jedenfalls. Aber in meinen Augen war auch einfach alles perfekt was sie tat.

„Wollen wir abwaschen?", holte mich Lily wieder aus meinen Gedanken. Die ganze Zeit hatte ich sie lächelnd angeschaut. Und diesmal störte es mich nicht, dass sie es möglicherweise mitbekommen hatte. Mir war es egal. Sie sollte wissen, dass ich sie gern ansah. Dass ich sie gern ansah, weil sie wunderschön war.
„Ja. Wir können es aber auch einfach nur hinstellen. Das mach ich dann morgen.", winkte ich ab und schaute in ihre intensiv grünen Augen. Sie leuchteten mal wieder so stark und schon den gesamten Abend überlegte ich, welchen Ausdruck in ihren Augen lag. Diesen einen bestimmten, undefinierbaren Ausdruck.
„Nein. Wir machen das jetzt. Du wirst ja wohl nicht alles allein machen.", antwortete sie direkt darauf. Lächelnd blickte ich in ihr entschlossenes Gesicht. Eigentlich hätte ich mir das denken können. Wie gesagt, sie war unabhängig. Sie wird garantiert nie eine Hausfrau sein, das wäre ja sich schlimm!
Aber sie wird auch nie den anderen alles machen lassen. Das bewunderte ich an ihr. Auch wenn sie wahrscheinlich keinen Bock darauf hatte jetzt abzuwaschen, half sie trotzdem. Weil sie sich immer selbst überlegt, wie es wäre es allein zu machen.

„Wenn du meinst. Aber es wäre wie gesagt kein Problem.", erwiderte ich darauf, bekam jedoch nur einen entschlossenen Blick entgegen. Sie erhob sich als Erste, nahm ihr Geschirr in die Hände, welche sie gerade so balancieren konnte, und begab sich Richtung Küchenzeile.
Grinsend ging ich ihr hinterher und betrachtete schmunzelnd die Szene vor mir. Alles in den Armen haltend versuchte sie alles im Ganzen ans andere Ende des Raumes zu bringen. Und hätte ich ihr jetzt angeboten ihr zu helfen, dann wäre garantiert ein Nein danke zurück gekommen.

So standen wir nun an der Spüle und wuschen ab. Ich war mal wieder derjenige der abtrocknete. Aber ganz ehrlich? Ich hatte damit kein Problem. Lieber das saubere Geschirr abtrocknen, als das dreckige sauber zu machen. Zwar hätte ich auch das gemacht, aber wenn sie das so dirigiert hatte, warum sollte ich dann widersprechen?

Gerade war ich dabei alles wegzuräumen, als ich Lily's interessieren Blick auf mir spürte. Sie saß mal wieder auf der Arbeitsplatte der Küche. Lächelnd blickte ich zu ihr und begegnete wieder diesem undefinierbaren Ausdruck. Wie gern ich jetzt wüsste, was er bedeutete.
Kurz wandte ich meinen Blick wieder von ihrem lächelndem Gesicht ab. Wenigstens den letzten Teller musste ich noch in den Schrank räumen. Danach drehte auch ich mich um und blickte nun, ebenso wie Lily, in den Raum hinein. Der helle Lichtschein des Mondes schien durch die Fensterfront und erhellte den Raum mit dem angenehmen Licht der Lampe. Der See lag ruhig unter dem Sternenhimmel und spiegelte die Bäume rings herum geheimnisvoll. Es war wirklich schön hier. Viel zu selten verbrachten meine Eltern und ich noch Wochenenden oder Urlaube hier.

„James? Magst du mir vielleicht was vorspielen?", vernahm ich die süße Stimme des hübschen Mädchens neben mir. Mein Blick wanderte wieder zu ihr, und ich sah, wie sie ihren auch gerade von der an der Wand stehenden Gitarre abwandte. Lächelnd blickte ich in ihr fragendes Gesicht. Darin konnte ich ihr Interesse ablesen. Dann war es wohl doch keine Schnapsidee gewesen, die Gitarre mitzunehmen. Grinsend nickte ich, griff nach ihrer weichen Hand und ging auf die hölzernere Gitarre zu. Diese nahm ich in die andere Hand und führte die glücklich lächelnde Lily zur Couch. Sofort verkroch sie sich in eine Ecke und blickte mich wieder mit diesem undefinierbaren Ausdruck an. Diesem Ausdruck, welcher mit all den anderen schönen versteckt war. Diesen freudigen, interessierten und glücklichen Ausdrücken. Doch nur diesen einen konnte ich nicht definieren. Diesen einen.
Ich setzte mich ein Stück weiter weg und bette die Gitarre auf meinen Oberschenkeln. Mittlerweile wusste ich, was sie am liebsten hört, weshalb ich gar nicht erst fragte, sondern sofort begann zu spielen. Sobald meine Fingerkuppen die Saiten der Gitarre berührten war ich wie immer woanders. In meiner Welt, meiner kleinen, bunten Welt. In der Welt, wo nur der Klang meiner Gitarre eine Rolle spielte. Wo ich ohne eine genaue Absicht auf ein bestimmtes Lied, sofort mitsang.

Doch trotz des ganzen Abschottens, spürte ich noch immer den Blick von Lily auf mir. Er störte nicht, machte mich nicht nervös, verlieh mir sogar irgendwie Flügel. Von einem Lied ging ich ins nächste über, war wie in Trance, genoss den Moment. Während des ganzen Spielens kam ich runter. Die anhaltende, kleine Nervosität war wie verschwunden, existierte nicht mehr. Alles war verschwunden. Nur eines nicht, die Anwesenheit von Lily. Sie beruhigte mich und entspannte mich in einem Sinne, wie nur sie es konnte.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, wusste nicht wie viele Lieder ich gesungen hatte, als ich meine Fingerkuppen von den Saiten meiner Gitarre löste und zum ersten Mal wieder die Augen öffnete. Und erst jetzt fiel mir auf, dass ich sie geschlossen hatte. Die gesamte Zeit über, hatte ich sie geschlossen gehalten, hatte nur die Musik meiner Gitarre wahrgenommen und den angenehmen Blick von Lily auf mir gespürt. Wie aus dieser Trance erwacht blickte ich nun selig zur Seite, zu dem wunderschönen Mädchen. Auch wenn Lily lächelte und ihre Augen strahlten, war das Erste was mir auffiel, was ich registrierte, dass sie weinte. Augenblicklich stellte ich die Gitarre beiseite und schaute sie voller Sorge an.
„Alles gut? Was ist los? Hab ich, hab ich was falsch gemacht? Hast du Schmerzen?", sprudelte es aus mir, als ich sogleich näher zu ihr rückte. Ich machte mir wirklich Sorgen. Fast schon Vorwürfe, weil ich es nicht mitbekommen hatte, das sie neben mir weinte.

Ich bemerkte wie ein amüsiertes, aber auch dünnes Lachen ihre Lippen verließ. Ihre lächelnden Lippen. Noch immer wusste ich nicht weshalb sie weinte. Und gleichzeitig lächelte. Hatte ich so schlecht gesungen? So schlecht, dass es sowohl amüsant, als auch zum weinen war?
„Das war echt schön.", schniefte sie lächelnd und wischte sich die Tränen weg. Oder wollte es jedenfalls. Denn das Einzige was ihre Hand fand, war meine, welche auf ihrer Tränennassen Wange lag. Augenblicklich durchfuhr mich ein elektrischer Impuls, bescherte mir eine Gänsehaut. Mein aufgeregtes Herz schlug zwar noch immer vor Besorgnis, doch sobald ihre Hand meine berührte, schlug es anders. Anders. So, wie sie es immer verursachte.

Noch immer blickte ich sie besorgt an. War mir nicht sicher, ob sie wirklich in Ordnung war. Hatte noch nicht einmal verarbeitet, was sie mit diesem Satz gemeint hatte.
„James, alles gut. Ich weine weil ich davon gerührt war.", erklärte sie nach einiger Zeit, in der wir uns nur in die Augen gesehen hatten. In der ihre Hand auf meiner lag und ein Kribbeln im ganzen Körper auslöste.
Eine ganze Weile brauchte ich, um zu verstehen, was sie gesagt hatte. Sie weinte weil es ihr gefallen hatte? Weil sie es berührt hatte?
Zur Bestätigung ihrer Aussage erkannte ich ein leichtes Lächeln auf ihren geschwungenen Lippen. Ihren so weichen und schönen Lippen. Wo ich mal wieder zu lang hinschaute...

Grinsend erwiderte ich ihr lächeln und strich ihre übrigen Tränen weg. Selbst wenn sie weinte war sie meines Erachtens wunderschön. Wunderschön in allem was sie tat. In allem was sie ausmachte.

Kurz darauf fasste ich einen Entschluss, griff lächelnd nach ihrer Hand. Verwundert blickten ihre kleinen Augen mich an. Ein fragender Ausdruck lag in ihnen, als ich sie mit mir hochzog und sie breit anlächelte.
„Komm mit. Ich muss dir was zeigen.", meinte ich und zog sie mit mir mit. Lächelnd und mich auf ihre Reaktion freuend.

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