120. Schatz

Lily

„Lily, wach auf. Wir sind gleich da.", vernahm ich eine raue und sanfte Stimme dumpf. Immer wieder wurde mein Name wiederholt, bis ich ihn deutlich hörte. Leicht öffnete ich die Augen. Immer mal wieder blinzelte ich und erkannte nun, wo ich war. Im Abteil. Auf James Schoß. Zwar war es draußen noch dunkel, doch spendete das kleine Licht im Abteil einen Schein, welcher alles unglaublich gemütlich machte. Noch immer blinzelnd steckte ich mich und konnte danach klar sehen. James schaute mich von oben herab lächelnd an und mir wurde plötzlich unglaublich unangenehm.
„Guten Morgen.", lächelte er mich an. Leicht erwiderte ich das Lächeln und erhob mich schnell, um meine Haare etwas zu richten.
„Morgen.", meinte ich kurz angebunden und fuhr mir gleich durch die Haare. Ich wollte gar nicht wissen wie die aussahen. Nach dem schlafen kam ich mir immer wie ein Struwwelpeter vor. Oder wie James mit guten Haaren...
Ich bemerkte nun, dass ich nicht nur von James gemustert wurde, sondern auch von Hestia und Sirius, welche mich amüsiert anschauten. Oh man. Das wurde immer peinlicher. Ich unterließ es nun durch meine Haare zu fahren und lächelte in den Raum hinein. So langsam verhielt ich mich echt wie eines dieser verknallten Mädchen, die nicht mehr normal sein konnten.

Remus war gerade dabei An zu wecken und Peter schnarchte noch immer vor sich hin. Etwas angewidert von dem Speichel, welches ihm am Kinn hinunterlief, blickte ich wieder weg. Es war so unglaublich still hier drinnen. Lediglich das unverkennbare Klackern, wenn ein Zug über Schienen fuhr, war monoton zu hören. Und diese Stille war nicht gerade sehr förderlich im Bezug auf meine momentane Nervosität. Wo auch immer die gerade her kam. Ich war schon so oft mit James gemeinsam aufgewacht. Ja klar, noch nie in einem Zug. Aber auch noch nie vor meinen Freunden...meinen Freunden, die mich immer noch schief lächelnd ansahen. Naja, abgesehen von James, er musterte mich noch immer leicht lächelnd und auch irgendwie verräumt...denke ich, von der Seite.

„Und? Wie lange fahren wir noch?", fragte ich, um die mir sehr unangenehme Stille zu brechen. Das war doch eine gute Frage. Eine neutrale, und normale Frage. Dort konnte man nichts hineininterpretieren oder sowas. Eine ganz schlichte und vernünftige Frage...
Wieso dachte ich jetzt darüber nach, was diese Frage aussagte?! Es war nur eine Frage!
„Wahrscheinlich nur noch eine halbe Stunde.", meinte der neben mir sitzende James lächelnd. Ich nickte, grinste ebenso wie er und hatte schon wieder das Gefühl von seinen Augen angezogen zu werden. Doch ehe ich in diesen Bann, vor meinen Freunden, verfallen konnte, wandt ich meinen Blick schnell wieder ab und schaute zu An, welche gerade wach geworden war. Um Himmels Willen. So langsam wurde ich echt verrückt!

Nach einer nun nicht mehr schweigsamen halben Stunde, kamen wir gut gelaunt am Bahnhof an. Bei mir hatte sich zum Glück diese Nervosität gelegt, weshalb ich nun lachend mit meinen Freunden aus dem Zug ausstieg und mein Gepäck hinter mir her zog. Insgeheim verfluchte ich mich schon wieder so viele Bücher mitgenommen zu haben. Aber ich musste Aufgaben über die Ferien erledigen. Zudem musste ich meinen Lernplan einhalten.

Schon im Zugabteil hatte ich mich von meinen Freundinnen mit einer Umarmung verabschiedet, weshalb ich sobald ich meine Eltern gesichtet hatte, lächelnd zu lachen winkte und meinte: „Tschüss. Schöne Weihnachten euch!" Ich war schon eins, zwei Schritte gegangen, da rief James meinen Namen und griff meinen freien Arm. Verwirrt drehte ich mich in dem Getümmel um und sah ihn fragend an. War noch etwas? Hatte ich etwas vergessen?
Doch kaum hatte ich in seine haselnussbraunen Augen geschaut, waren alle Fragen verschwunden. Wieder war ich so hypnotisiert von ihm und blendete alles um uns herum aus. Ich erkannte wieder diese Wärme und wollte nichts anderes tun, als ihn mein gesamtes Leben lang anzuschauen. Dieses kribbeln welches jedes Mal ausgelöst wurde. Oder dieses aufstellen der Nackenhaare, wenn er mich so ansah. Allein seine Augen ließen mein Herz so sehr pumpen, dass ich meinen Herzschlag in den Ohren dröhnen hörte. Alles blieb stehen. Nur wir waren noch da. In unserer Seifenblase. In der Seifenblase wo nichts außer uns beiden wichtig war.

„Bekomm ich nicht mal eine Abschiedsumarmung?", fragte er schmollend. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, wusste nicht, wie lang wir uns einfach nur angeschaut hatten, aber diese Frage holte mich ins hier und jetzt zurück. Auf einmal bemerkte ich das Laufen vereinzelter Schüler um uns und bemerkte, dass es viel weniger als am Anfang waren. Es schien wirklich viel Zeit vergangen zu sein.

Wieder mit klarem Blick schaute ich in sein Gesicht und erinnerte mich an seine Frage. Ah ja. Ich lächelte ihn an, wodurch sein schmollender Blick zu einem breiten Grinsen wurde. Lächelnd umarmte ich ihn und drückte ihn fest an mich. Ich genoss diese Nähe einfach mal wieder zu sehr. Diesen Duft, diese Wärme und diese Fürsorglichkeit die er ausstrahlte. Augenblicklich wurde mir bewusst, dass wir uns eine ganze Weile nicht sehen würden. Unbewusst drückte ich ihn noch mehr an mich. Eine ganze Weile ohne diesen Duft, diese Wärme und Fürsorglichkeit. Ohne seine Nähe. Ohne ihn.

Nach einer ganzen Weile lösten wir uns wieder und lächelten uns einfach nur an. Im Moment war ich einfach nur froh, dass er noch vor mir stand und ich nicht schon zu meinen Eltern gegangen war. Ich wollte gar nicht wissen, wie es gewesen wäre, wenn wir uns nicht richtig verabschiedet hätten.
„Du kommst zu Silvester wirklich, oder?", fragte James mich besorgt. Natürlich würde ich kommen. Das war der Grund, weshalb ich nicht in Hogwarts geblieben war. Ich freute mich schon seit der Einladung auf diese Feier. Warum also, sollte ich schlussendlich doch nicht dort aufkreuzen?
„Klar.", meinte ich schlicht und grinste ihn an. Noch immer hatte er meine freie Hand in seiner und allein dieses schlichte Händchen halten erfüllte mich mit Glück.
„Super.", grinste er wieder, ehe er schließlich meinte: „Ich schreib dir nochmal alles genau ja? Schöne Weihnachten dir!" Ich nickte, erwiderte es und drehte mich als erste um, löste meine Hand aus seiner und ging zu meinen Eltern. Auch wenn mich seine so berauschende Wärme verließ, war ich vom Glück erfüllt. Ich würde ihn bald wiedersehen können. Außerdem spürte ich noch immer seinen Blick auf mir.

Als ich vom Boden auf sah, erkannte ich meine Eltern sofort. Lediglich ein paar Personen befanden sich noch auf der Plattform, weshalb mir sogleich mulmig wurde. Sie mussten das alles gesehen haben. Wie das wohl ausgesehen haben musste? Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ging lächelnd auf sie zu, ehe ich beide in den Arm schloss. Es tat gut sie wieder zu sehen. Ich hatte sie unglaublich vermisst. Mein Vater gab mir wie immer einen Kuss auf die Schläfe und meine Mutter musste mal wieder ein paar Tränen vergießen. Doch etwas anderes hätte ich nicht erwartet. Und wäre es anders, würde es mich auch traurig stimmen.

„Ist das James?", fragte meine Mutter mal wieder neugierig und deutete hinter mich. Es war ja wohl klar, woher ich meine Neugierde hatte oder?
Als ich mich umdrehte stand James noch tatsächlich an der selben Stelle wie noch zuvor und musterte mich. Ich lächelte ihn kurz an, ehe ich mich wieder meiner Mutter zuwandte und nickte. Ich bemerkte, wie mein Vater ihm einfach nur zunickte und meine Mutter in anlächelte. Als ich mich wieder umdrehre sah ich, wie James sowohl das fromme Grüßen, als auch das leichte lächeln erwiderte. Nun musste ich noch breiter lächeln. Diese Gesten zeigten schon irgendwo, dass sie sich gegenseitig akzeptierten.

„James? Kommst du Schatz?", vernahm ich eine erwachsene Frauenstimme. Mein Blick zischte in die Richtung des Rufs und ich erkannte eine groß gewachsene und stark aussehende Frau, welche ihm zulächelt. Ich erkannte sie von den Fotos von James wieder und identifizierte sie als Euphemia Potter. James hatte manchmal ein wenig von ihr erzählt. Sein warmes Lächeln hatte er wirklich von ihr geerbt.
Ich sah wie James, etwas rosa anlief auf Grund des Anhangs Schatz und zu seiner Mutter und die daneben quatschenden Sirius und Fleamont Potter ging. Auch bei ihm wusste ich sofort, dass es sein Vater war. Diese verstrubbelten Haare waren eindeutig das männliche Markenzeichen der Potters. Kaum war James bei seinen Eltern angekommen umarmte er beide und grummelte irgendetwas zu seiner Mutter, woraufhin sie lachen musste. Wahrscheinlich war James nicht allzu einverstanden mit Schatz gewesen.
Sie redeten kurz, ehe sie sich in Bewegung setzten. Jedoch drehte James seinen Kopf nochmals und lächelte mich an, ehe er neben seiner Mutter zum Portal spazierte.

„Und? Wie war dein Schuljahr Schätzchen?", wurde ich aus meinem starren gerissen, als auch wir uns zum Portal begaben. Ich wandte meinen Blick wieder lächelnd zu meinen Eltern, mit denen ich plaudernd aus dem Bahnhof lief. Viel hatte ich zu erzählen. Schließlich war ich Schülersprecherin. Doch ließ ich all die Angriffe aus. Sie sollten nichts davon wissen. So wie ich sie kannte, würden sie mich nicht mehr dorthin zurück lassen. Außerdem hatten sie schon genügend Stress. Laut den Erzählungen meiner Mum war Petunia in Hinsicht ihrer Hochzeit sehr anstrengend und wählerisch. Ja, das konnte ich mir vorstellen. Wenn sie heiratete, dann musste alles perfekt sein. Wirklich alles.
Lächelnd hörte ich sowohl meiner Mutter, als auch meinem Vater zu und freute mich einfach, dass James mich überredet hatte doch zu meinen Eltern nach Haus zu fahren. Ich gab es nicht gern zu. Aber er hatte mal wieder recht gehabt. Naja, irgendwer musste ja recht haben, wenn ich einmal falsch lag, oder?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top