111. Augen

Lily

Ich war gerade mit meinen Aufsätzen fertig, als ich beschloss meine Kleidung für den heutigen Abend auszusuchen. Somit gab ich James, welcher noch fleißig schrieb, bescheid und suchte mein Schulzeug zusammen. Als ich das dann alles auf dem Arm hatte, brachte ich es in mein Zimmer und packte einfach alles auf einen Haufen. Ja, so sah mein Zimmer im Moment wirklich aus. Wie ein einziger Haufen. Ich sollte hier vielleicht wirklich mal aufräumen...Aber egal, ich kann drin Leben.

Danach begab ich mich in meinen Ankleideraum und stand nun vor meinem Schrank, um meine Kleider zu betrachten. Eines war schwarz, wo der Rock leichte Wellen schlug. Es erinnerte mich irgendwie an eine kleine Feier im Sommer, als meine Eltern Verwandte eingeladen hatten. An diesen Gedanken musste ich selig lächeln. Damals war ich mit Marlene spazieren gegangen, weil uns die ‚alten Leute' alle so genervt hatten. Doch nun war sie nicht mehr da. Kopfschüttelnd versuchte ich diesen Gedanken wegzubekommen und blickte wieder in meinem Schrank.
Das Kleid daneben war grün, und war enganliegend. Ich hatte es mir im letzten Jahr gekauft, weil Hestia es unbedingt so wollte. Das hatte ich bisher noch nicht angehabt. Verständlich oder? Damals hatte sie darauf plädiert, dass ich es unbedingt bräuchte, um mal mit ihr feiern gehen zu können. Ich hatte damals schon gelacht. Ich und feiern. Mich besaufen bis ich nicht mehr gerade stehen konnte. Hahaha. Das war nicht meine Vorstellung vom Abschalten und Spaß haben. Ich glaubte so langsam hatte sie das auch wirklich verinnerlicht.
Jedoch hatte ich auch noch ein anderes grünes Kleid, welches recht angenehm war und nicht zu viel zeigte. Auch, wenn es etwas Ausschnitt hatte und bis kurz vor die Knie reichte, war es ein sehr hübsches Kleid. Doch war das eher für größere Veranstaltungen gedacht, weil es schon etwas nobler aussah.
Naja, dann besaß ich noch ein Roséfarbendes Kleid, welches abgetragen von meiner Schwester war. Doch auch das hatte ich noch nie angehabt, weil es sich schrecklich mit meinen Haaren biss.
Ach ja, und dann noch mein Ballkleid. Aber das wäre zu überzogen. Und an diesen Moment damals musste ich breit grinsen. Es war, als würde ich zurück versetzt zu diesem Moment und tanzte gerade mit James. Wie wir uns in die Augen schauten und er mich federleicht über die Bühne führte. Noch jetzt spürte ich seine starken Hände um meinen Hüften und wie er mich überraschenderweise hochgehob.
Lächelnd kehrten meine Gedanken wieder zum hier und jetzt zurück. So wie es schien, hatte nur ein Kleid wirklich Potenzial.

Also muss wohl das leger Schwarze hinhalten. Irgendwie war es klar, dass es das werden würde. Ich zuckte mit den Schultern und hing es aus dem Schrank an meine Tür. Und jetzt bräuchte ich noch eine dünne Jacke für das kurzärmlige Kleid. Somit ging meine Suche im begehbaren Kleiderschrank weiter und schließlich hielt ich ein grünes Frauenjackett in der Hand. Ich hing es mit zu meinem Kleid an die Tür. Lächelnd benickte ich meine Auswahl und setzte mich nun vor den Schminktisch, um mich etwas Normal aussehen zu lassen.

Als ich gerade dabei war, mir auf dem Zweiten Auge Wimperntusche aufzutragen, wurde jedoch die angelehnte Tür auf gemacht. Ich drehte mich um und schaute James fragend an. Er sah etwas angespannt aus und hatte einen entschuldigenden Blick aufgesetzt. Wahrscheinlich, weil er mich gerade bei etwas störte. Aber egal. Es war ja nicht so, dass ich nackt war. Also von daher. Außerdem hatte ich noch genügend Zeit.

„Du Lily? Was zieht man zu solchen Feiern eigentlich an?", fragte mich der sich am Hinterkopf kratzende James. Er stand im Türrahmen recht unangenehm berührt und nervös da. Innerlich musste ich wieder lachen, beließ es jedoch nur bei einem fetten Grinsen. Früher schien für sowas immer Remus hergehalten zu haben. Und das für drei der Sorte. Irgendwie tat er mir noch etwas mehr leid als sonst.
Also stand ich auf und meinte dann, immer noch mit nur einem Auge Mascara drauf, zu James: „Was hast du denn im Schrank?", als ich mich an ihm vorbei in sein Zimmer drängte.

Abwartend stand ich wieder in seinem Zimmer und blickte mir mal wieder die Bilder an seiner Wand an. Als er kam, wandte ich meinen Blick sofort ab und er öffnete mir eine Schrankhälfte, wo sich lauter Hemden, Jacketts und Anzughosen befanden. Ich staunte nicht schlecht. So viele Anzüge? Und da wusste er nicht was er anziehen sollte? Ich dachte immer Jungs wären die unkomplizierten beim Thema Kleidung.
„Also dort im Anzug aufzukreuzen wäre etwas übertrieben. Ich denke ein hübsches Hemd, mit einer unauffälligen Jeans und ner ordentlichen Jacke oder auch Jackett wäre in Ordnung.", sprach ich meine Gedanken aus und suchte gleich ein helles neutrales Hemd mit einer ordentlichen schwarzen Jeans heraus. Ich ging jetzt mal davon aus, dass es in Ordnung war, dass ich hier rumkramte.
Nach einiger Zeit durchstöberte ich auch die vielen Jacketts und fand schließlich ein dunkelblaues, welches etwas lässiger aussah. Das legte ich dazu aufs Bett und grübelte dann. Da fehlte doch noch was. Krawatte? Nein. Fliege? Um Gottes Willen. Ah! Ein Gürtel!

„Sag mal, hast du hier auch irgendwo Gürtel?", fragte ich ihn interessiert, vernahm jedoch nur einen entsetzten und verwirrten Ausdruck in seinem Gesicht. Und erst jetzt fiel mir ein, wie falsch man diesen Satz sehen konnte... Aber warum musste er denn immer gleich so pervers denken?! Wir waren hier dabei ein Outfit zusammenzusuchen und er dachte an Bettgeschichten?! Bei Merlin!
„Das sieht besser und ordentlicher aus, wenn du das Hemd rein steckst und einen Gürtel anhast.", erklärte ich neutral, so als hätte ich es nicht mitbekommen. Sein Gesicht wandelte sich nun nur noch ins lächelnde und er nickte. Jungs müsste einer mal verstehen. Wirklich.
„Klar.", sagte er schlicht und öffnete eine kleine Schublade. Wieso besaß dieser Junge so viel Kleidung?! Schon wieder erblickte ich zig Gürtel, nahm mir jedoch einen einfachen schwarzen heraus. Das war bei ihm ja fast schlimmer, als bei Hestia, so viele Klamotten besaß er.

Als ich diesen nun auch dazu gelegt hatte, musterte ich das Outfit nochmals. Ja, das müsste so gehen. Ich nickte lächelnd und schaute nun zu James auf. Er stand noch immer an Ort und Stelle und beobachtete viel eher mich, als das was ich rausgesucht hatte. Hallo?! Ich hatte gerade was für ihn gemacht und er schenkte dem nicht mal Beachtung?! Ein verträumter Ausdruck lag in seinem Blick und so langsam verlor ich echt die Geduld.
„James? Ist das so in Ordnung?", fragte ich ihn, als ich keine Reaktion von ihm bekam. Ertappt schaute er auf und wandte seinen Blick zu den rausgesuchten Kleidungsstücken. Ebenso lief er nun auf mich zu und stellte sich neben mich, um eben diese besser Mustern zu können. Nach einigen Sekunden zierte ein Lächeln seine Lippen, ehe er seinen Kopf leicht zu mir drehte.
„Ja. Super. Danke Lily.", strahlte er und blickte mir nun in die Augen.

Erst jetzt wurde mir bewusst, wie nah wir beieinander standen. Es war, als würden wir uns anziehen, als wäre durch sein direktes zuwenden ein Magnetfeld entstanden. Gegenseitig schauten wir uns einfach nur in die Augen. Und wieder geschah das, was ich eigentlich immer verhindern wollte. Ich verlor mich in ihnen. In seinen rehbraunen Augen. Seinen Augen, welche so viel mehr waren, als nur Augen. Mein Herz Pumpte so stark, dass ich Angst hatte, es würde rausfallen. Rausspringen und direkt vor seinen Füßen landen. Dabei wollte ich das nicht. Wollte meine Liebe nie jemandem zu Füßen legen. Nur mein Herz schien das alles anders zu sehen. Nein, meine Augen sahen das, was mein Herz so zum pumpen brachte.
Seine Augen strahlten Wärme, Geborgenheit und Liebe aus. So viel Liebe lag in ihnen. Sie strahlten so viel aus. Die Wärme, das Wohlfühlen, Hingabe, aber auch Schmerz. Ich kam nicht umhin nicht zu lächeln. Diese Augen sagten so viel mehr über ihn aus, als es tausend Worte jemals könnten.

Goldene Sprenkel. Goldene Sprenkel gingen von seiner Pupille aus. Sie waren winzig, nicht sehr dicht, doch wunderschön. Nur wenn man genau hinsah, konnte man die Schönheit erkennen. Wieder durchfuhr mich ein angenehmer Schauer. Er hatte wunderschöne Augen. Solch warmherzige Augen hatte ich noch nie gesehen. Es schien zu stimmen, dass die Augen der Spiegel der Seele seien. Seiner unglaublich guten Seele.

Ich merkte, wie sich seine Hand leicht auf meine Wange legte und sanft eine Strähne zur Seite schob. Bei seiner Berührung hatte ich das Gefühl von elektrischen Impulsen, welche eine angenehme Gänsehaut ausbreiteten. Es war verrückt wie sehr mein Körper auf ihn reagierte. Diese Blitze und dieses kribbeln. Die Wärme und die Empfindung, meine Haut würde unter seinen Berührungen brennen. Hinzu kam diese Gänsehaut jedes Mal und das Herzklopfen, welches ich in meinen Ohren hörte. Ich vernahm, wie allein durch diese Geste mein Atem ins Stocken geriet und sich somit meine Atmung unwillkürlich etwas beschleunigte.

Ich wusste nicht, wie lange wir hier gestanden hatten und uns in die Augen geschaut hatten, doch merkte ich nun, dass unsere Köpfe immer näher zueinander gewandert waren. Das abwenden meiner Augen zu seinen Lippen war mir schon fast gar nicht aufgefallen. Immer wieder huschten sie zu seinen Augen -seiner Seele- und zu seinen Lippen, seinen so vollen Lippen, über die nur wunderbare Worte kamen.
Ebenso schien es bei James zu sein, was einen erneuten Wärme Schub in mir verursachte. Nicht mehr viel trennte uns, doch überkam mich Verunsicherung. Was sollte ich tun? Ich war komplett überfordert. Also hielt ich inne. Blickte nur auf seine Lippen. Und entschied mich dazu, mich zu räuspern.

„Äh...ich...ich werd mich..mich fertig machen gehen.", flüsterte ich am Ende schneller werdend und trat einen Schritt zurück, wodurch seine Hand meine Wange verließ, und mich somit wieder die Kälte umfing. Das kribbeln ließ an Stärke nach und ein kalter, unangenehmer Schauer überkam mich.
Auch James' Augen verließen den verträumten Blick, ehe er seine Augen wieder kurz den Kleidungsstücken auf seinem Bett zuwandte und sagte: „Ja...Ja klar."

Ich drehte mich nickend um und lief recht zügig wieder in mein Zimmer, wo ich die Tür schloss. Schwer atmend lehnte ich mich an diese und bemerkte erst jetzt, dass ich die Luft angehalten hatte. Um mich zu beruhigen, schloss ich die Augen. Sammle dich Lily. Sammle dich. Das war nichts, rein gar nichts. Also bleib ruhig.

Meine Brust hob und senkte sich im raschen Tempo. Ich musste den fehlenden Sauerstoff in meine Lungen bekommen. Noch immer klopfte mein Herz, doch nicht mehr so stark wie noch vorhin. Ich musste an etwas anderes denken. An etwas anderes, als an diese Augen.
Bücher? Ja, Bücher. Nein, keine Bücher. James hatte mir aus einem vorgelesen gehabt. Dann...dann Kräuterkunde! Nein, nein ich hatte immer versucht es zu hassen. Wegen James... Ok, ok, konzentrier dich. Konzentrier dich. Alte Runen! Da war er in keiner Erinnerung dabei! Super. In Gedanken ging ich das Alphabet durch, ehe ich merkte, wie sich alles etwas entspannte.
Zittrig wurde mein Atem langsamer und ich spürte, wie auch mein Herzschlag sich langsam normalisierte. Wieso reagierte mein Körper so auf ihn? Wieso hatte ich die Luft angehalten und musste nun um Luft ringen? Es war doch nur James gewesen. Er hat doch nur vor mir gestanden.

Ich öffnete meine Augen wieder und setzte mich vor meinen Schminktisch. Und verfluchte mich gerade, dass nur ein Auge Mascara drauf hatte... dabei betonte doch gerade das die Augen. Ich dummes etwas!
Mich selbst immer noch etwas darüber aufregend, warum auch immer, fragt nicht, beendete ich mein Make-up und zog meine Kleidung an. Danach ging ich nochmals ins Bad, um mir etwas Parfüm aufzutragen. Das tat ich nicht oft, nur zu besonderen Anlässen. Vielleicht lag es daran, dass es auch recht teuer war. Oder, dass ich es auch oft vergaß...das war wohl wahrscheinlicher.
Bevor ich das Bad verließ putze ich mir nochmals meine Zähne. Mundgeruch ging schließlich überhaupt nicht. Oh man, hatte ich vorhin Mundgeruch gehabt?! Hatte ich?!

Bei Merlin! Jetzt beruhig dich doch mal!

Ja, ja du hast recht. Ich spuckte die Zahnpasta aus und spülte meinen Mund. Einmal tief durchatmen. Ich schaute auf und betrachtete mich kurz im Spiegel. Ja, so konnte man hingehen. Nicht zu gewagt aber auch nicht zu umhüllt.

Danach begab ich mich wieder in mein Zimmer und suchte das Wichtigste für meine kleine Handtasche zusammen, ehe ich mir Schuhe raussuchte.
Kurz bevor ich aus meinem Zimmer trat, nahm ich mir noch den gewaltigen Blumenstrauß, welchen ich vorhin schon gezaubert hatte. Ich hoffte echt, dass dieses Geschenk in Ordnung ging.

Als ich hinaus trat, wartete dort schon James. Wiedermal beschleunigte sich ungewollt mein Herzschlag und ich musste lächeln. Man könnte meinen, es wäre ein Date, wenn man den Anlass unseres Aussehens nicht kennen würde. Zumal ihm dieser Aufzug unglaublich gut stand.

Ok, nicht sabbern Lily.

Ja, das war mal ein guter Rat. Du lernst dazu stimme. Wirklich!

„Hübsch siehst du aus.", meinte er grinsend. Ich merkte wie mir die Röte ins Gesicht stieg und hoffte, dass das Make-up mal nützlich wäre.
Leicht musste auch ich grinsen und erwiderte das Kompliment. Wie ich Komplimente hasste, ich wusste immer nicht, wie ich damit umgehen sollte.
„Dazu hab ich wenig beigetragen. Deswegen danke ich der Zusammenstellerin.", lachte er kurz, was mich auch ansteckte. Ich ging zu ihm und er bewunderte mal wieder meinen Blumenstrauß. Bei Merlin! Es war nur ein Blumenstrauß! Man konnte echt in alles etwas hineininterpretieren!
„Hast du dein Geschenk?", fragte ich deshalb kurz darauf. Er nickte lächelnd und hob das Buch, welches wir vorhin rausgesucht hatten, hoch. Nach dieser Situation vorhin konnten wir zum Glück ausgelassen reden und lachen, weshalb allein der Weg in die Kerker angenehm war.

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