105. Niemals
Lily
Die erste Nacht in meinem eigenen Bett war schon etwas anderes. Jedoch schlief ich nach einiger Zeit recht schnell ein. Auch wenn es ungewohnt war, James nicht mehr um einen zu haben, war es okay. Ich hatte schließlich seinen Pulli und die Jogginghose behalten...
Die letzten Tage waren recht gut verlaufen. Der Unterricht war recht einfach und besonders lang saß ich auch nicht am Nachholstoff dran. Ebenso gab es keine Überfälle seit meinem mehr. Doch leider hatte ich einfach noch keine Zeit gefunden mit meinen Freundinnen zu reden.
Doch wachte ich in den letzten Tagen immer mal wieder mitten in der Nacht auf. Schweißgebadet und mit pochendem Herz. Bisher war ich dem entgangen, doch seit James nicht mehr bei mir schlief war es normal geworden.
Nun lag ich mal wieder nach einem Schultag, Freitag Nacht, in meinem Bett und versuchte mich zu zwingen einzuschlafen. Die Träume waren immer schlimmer geworden und ich fürchtete mich fast davor, weil sie immer so real schienen. Jedes mal überkam noch kurz vorm einschlafen so ein beklemmendes Gefühl. Zum Glück war es bisher keinem aufgefallen. Naja, abgesehen von den besorgten Blicken Seiten James...
Jedesmal, wie auch heute, versuchte ich mich an schöne Dinge vor dem einschlafen zu konzentrieren. Doch das hatte die letzten Male auch nicht geholfen. Mal wieder drehte ich mich hilflos in meinem Bett auf die andere Seite und schloss zum gefühlt zehnten mal die Augen. Irgendwie schienen sie immer ganz von selbst wieder auf zugehen.
Genervt stöhnte ich auf, als ich nach einer halben Stunde immer noch nicht schlief. Ich war erschöpft und müde, doch wehrte sich alles in mir zu schlafen. Ich wollte diese Träume nie wieder. Nie wieder. Es war immer so gewesen, als würde ich das alles nochmal durchleben.
Also stand ich auf und suchte mir ein Buch raus. Das einzige was mich abzulenken schien. Es war halb eins, dann waren es ja nur noch acht Stunden ehe ich mich fertig machen könnte. Yay!
Nun war es acht Uhr. Mir waren ein paar mal die Augen zugefallen, doch waren sie ebenso schnell wieder offen gewesen. Die Geschichte schaffte es zumindest, dass ich die bisherigen siebeneinhalb Stunden überstanden hatte. Das Buch hatte ich auch schon fast durch, doch wirklich zu wissen, was nun die Handlung war, konnte ich nicht von mir behaupten. Naja egal. Jetzt konnte ich immerhin aufstehen.
Somit suchte ich mir warme Klamotten raus und verschwand ins Bad. Heute würde ich wohl kalt duschen müssen. Na gut.
Das kalte Wasser regnete auf mich herab und machte mich putzmunter. Schneller als irgendjemand fliegen konnte, war ich wieder fertig aus der Dusche gesprungen. So würde es immerhin niemand bemerken.
Frisch geduscht begab ich mich wieder vor den Spiegel und zog mir meine Sachen an. Danach schaute ich auf, in den Spiegel, um meine Zähne zu putzen.
Bei Merlin! Schock meines Lebens! Da müsste ich mich wohl doch an einem Samstag schminken... Bei den Augenringe würde jeder denken ich sei ein ausgehungerter Vampir.
So begab ich mich nach dem Zähneputzen wieder aus dem Bad und ging, immer noch mit nassen Haaren, zu meinem Schminktisch. Zum Glück war James noch nicht wach. Seinem forschenden Blick konnte ich nie standhalten. Was war dieses nasse etwas auf meinem Rücken eigentlich? Ich drehte mich kurz vor meinem Spülen und fasste mir vors Gesicht. Meine Haare! Wieso hatte ich eigentlich nich nasse Haare? Oh man, mir fehlte wirklich der Schlaf.
Somit zauberte ich meine rote Mähne erst einmal trocken, ehe ich anfing Concealerschichten auf meine Augenringe zu klatschen. Naja, nach einer gefühlten Ewigkeit sahen die nicht mehr soooo schlimm aus. Wobei ich damit unter normalen Umständen auch nicht mein Zimmer verlassen würde.
Als ich dann gegen neun Uhr mein Zimmer verließ und einem verschlafenen James, welcher nur eine Boxershorts trug nebenbei erwähnt, erblickte, konnte ich mir leider kein Starren verkneifen. Wieso musste er so gut gebaut sein?! Und warum musste er, wenn er genau wusste wie er aussah, auch noch so in unserer Wohnung rumlaufen?!
Ich schloss meine Augen um mich zu sammeln und wünschte ihm dann einen guten Morgen. Er erwiderte es grinsend, wissend, dass ich ihn angestarrt hatte.
„Ich werd dann mal zum Frühstück gehen.", meinte ich, um mich aus dieser unangenehmen Situation zu retten. Er schaute mich etwas traurig an. Hatte ich was falsches gesagt?
„Willst du nicht noch kurz auf mich warten?", fragte er schmollend und ich musste mich beherrschen, meinen Blick nicht von seinen Augen abzuwenden. Wobei diese auch wunderschön waren.
„Wenn du dich beeilst.", meinte ich schließlich Schulterzuckend. Auf einmal strahlte er und erwidere mit erhobenem Zeigefinger: „Ich bin schneller, als du Quidditch sagen kannst!" Ich musste grinsen. Ah ja, klar. Er drehte sich schnurstracks um und lief zum Bad.
„Quidditch!", rief ich und er steckte seinen Kopf augenverdrehend und die Zunge rausstreckend, aus der Tür, ehe er diese schloss. Na gut. Dann würde ich mich wohl noch auf die Couch setzten, ehe ich etwas zu essen bekommen würde.
James
So schnell ich konnte hatte ich mich geduscht und fertig gemacht. Nach zehn Minuten, ich muss sagen das ist Rekord, war ich fertig und trat aus der Tür. Diesmal jedoch mit etwas mehr Kleidung. Obwohl ich den Blick von Lily sehr genossen hatte...
Ich erkannte meinen Rotschopf auf der Couch sitzend und meinte dann, als sie sich nicht regte: „So, wir können." Jedoch reagierte sie wieder nicht. Ich ging um das Sofa herum und sah, wie Lily verkrampft in der Couch hing und ihr Gesicht schmerzverzerrt war. Sorgen machten sich in mir breit. Was war los?! Hatte sie irgendeinen Anfall, der von dem Fluch zurückgeblieben ist?! Sie gab erstickte Laute von sich, so, als würde sie weinen.
Ich schaute genauer hin. Sie weinte. Und nun vielen mir die wirklichen Ausmaße ihrer Augenringe auf. Ich hatte schon die letzten Tage mitbekommen, dass sie unglaublich müde war und vollkommen fertig aussah. Doch diesmal schien sie es sogar versucht zu haben zu überschminken. Hatte sie denn überhaupt nicht geschlafen diese Nacht?
Erst als ich direkt vor ihr kniete sah ich, dass sie zu schlafen schien. Doch sie quälte etwas. Hatte sie wieder einen Alptraum? Einen Alptraum von den Ereignissen?
Besorgt versuchte ich sie zu wecken. Griff sachte nach ihrem Arm und rüttelte etwas daran.
„Lily. Wach auf. Wach auf.", sagte ich sorgenvoll. Wieso sagte sie nicht, wenn sie etwas so sehr quälte? Ich dachte wir wären weiter.
„Lily. Wach auf.", wiederholte ich. Langsam schien sie aufzuwachen und blickte mich dann mit glasigen Augen an. Doch das kam nicht davon, dass sie verschlafen war, sondern, weil sie weinte. In ihrem Gesicht zeichnete sich Angst und Furcht ab. Innerhalb von Sekunden rennen ihr Tränen die Wangen hinunter und ich umschloss sie. Weinend und krampfend krallte sie sich an mir fest und ich drückte sie einfach noch mehr an mich.
Langsam ich zog sie auf den Boden und auf meinen Schoß. Es zerriss mich wie sie versuchte stark zu sein, es sie jedoch von innen hinaus zerbrach. Und es zerriss mich, dass sie es mir nicht anvertraut hatte, dass sie es mir nicht vorher gesagt hatte. Denn ich hatte es gemerkt, hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, wollte nur mal wieder, dass sie selbst auf mich zu kam. Ich Dummkopf. Hätte ich nur eher mit ihr gesprochen. Wieso war ich so ein Idiot?!
„Sch. Ganz ruhig. Ich bin da. Das war nicht real. Du bist hier. In Sicherheit.", flüsterte ich ihr zu, als ich sie in meinen Armen wiegte. Mit der Zeit des summen meines Liedes, wurden ihre Weinkrämpfe weniger und sie schluchze nur noch ein paar mal. Doch jeder dieser laute zerriss mich immer weiter von innen heraus.
„Alles okay, ja? Ich bin hier. Das war nur ein Traum.", murmelte ich wieder gegen ihren Kopf. Fest drückte ich sie noch immer an mich. Einen Arm um ihre Taille geschlungen und mit der anderen Hand drückte ich ihren Kopf gegen meine Brust. Ich spürte ein leichtes Nicken und vernahm keine Schluchzer mehr. Zwar schniefte sie noch ein paar mal, doch ließ mich meine Hand von ihrem Kopf los und schaute sie traurig an. Ich strich ihre roten Strähnen beiseite und ließ meine Hand einfach an ihrer rechten Wange liegen, um die vereinzelten Tränen wegzuwischen.
„Wieder dieser Traum?", fragte ich leise und konnte auch die Sorge in meiner Stimme nicht mehr verstecken. Es machte mich einfach verrückt ihr nicht helfen zu können.
Leicht nickte sie gegen meine Wange und traute sich nicht aufzuschauen.
„Wie lange hast du die schon?", fragte ich wieder flüsternd. Sie blinzelte ein paar mal. Antwortete jedoch nicht. Innerlich stöhnte ich auf. Warum sagte sie nichts?! Sie hätte die ganze Zeit zu mir kommen können. Egal wann. Ich hätte alles stehen und liegen gelassen.
Ich hob ihr Gesicht, sodass sie mich nun anblicken musste. Auch, wenn sie versuchte überall, nur nicht zu mir zu schauen, schien es nach einiger Zeit nicht zu funktionieren.
„Wie lange?", fragte ich nochmals und schaute sie forschend an. Sie schloss gequält die blutunterlaufenden Augen und einzelne Tränen zierten ihre Wangen wieder.
„Seit, seit Sonntag.", schniefte sie und blickte mich wieder an. Wieso? Wieso hatte sie nichts gesagt? Doch ich nickte nur sorgvoll und strich ihr wieder die hineingefallenen Strähnen aus dem blassen Gesicht.
„Und heute hast du gar nicht geschlafen?", fragte ich kurz darauf. Das musste schließlich so sein. Noch nie hatte ich solch tiefe Augenringe gesehen.
Leicht nickte sie wieder. Sie hatte Angst. Angst vor dem Traum. Das verstand ich. Früher hatte ich auch immer Alpträume wie meine Eltern bei Einsätzen umkamen.
„Meinst du nicht du solltest etwas schlafen?", fragte ich wieder. Ich wusste, dass das eine bekloppte Frage war. Aber was sollte ich sonst sagen?
„Wie denn? Sobald ich die Augen zu mache, seh, seh ich wieder diese, diese Szene und spür, spür diese Schmerzen.", sagte sie verzweifelt und schaute mich Hilfesuchend an. Ich suchte in ihren Augen nach etwas Hoffnung, doch ich fand nichts. Nicht einen Schimmer Hoffnung, es würde anders sein.
Traurig zog ich sie wieder näher zu mir und wiegte sie wieder. Den Vorschlag, den ich eigentlich machen wollte, würde aber bestimmt voll schwachsinnig rüber kommen. Doch mir fiel nichts anderes ein.
„Wovor hast du genau Angst?", fragte ich flüsternd, ihren Kopf streichend. Ich spürte wie sie schwer atmete, ehe sie antwortete.
„Allein zu sein.", gab sie schweren Herzens zu und drückte sich nich mehr gegen meinen Oberkörper. Wieso hatte sie davor Angst? Ich bin doch da. Und ich würde immer für sie da sein. Egal was passieren würde.
„Und wenn ich sage wir legen uns gemeinsam hin und ich passe auf? Ich bin bei dir und werde nicht einen Schritt weggehen. Du wärst nicht allein und hättest jemanden, wenn du wieder aufwachst.", schlug ich vor. Nicht besonders hilfreich, doch hoffte ich, dass sie wenigstens so ein wenig Schlaf abbekäme.
Ich merkte wie sie den Kopf hob und mich mit großen Augen ansah. Sie sah so erschöpft und fertig aus, dass ich es mir gar nicht vorstellen wollte, wie viel Angst sie vor diesem Traum haben musste, wenn sie sich mit jeder Faser ihres Körpers dagegen wehrte.
„Das würdest du machen?", fragte sie erstaunt. Dachte sie ernsthaft, ich würde sie jemals allein lassen? Doch ich nickte nur schlicht. Es war mir wichtig, dass sie wusste, dass sie nicht allein war. Dass sie das niemals wäre.
Unglaublich schnell drückte sie sich wieder an mich und flüsterte erfreut Danke. Danke James. Auch wenn es mich immer noch fertig machte, sie so am Boden zu sehen, musste ich leicht schmunzeln.
„Dann würd ich sagen du gehst schon mal in dein Zimmer. Ich schreib nur noch eine Nachricht an die anderen, dass du dich ausruhen musst. Okay?", meinte ich und sie nickte. Nochmals strich ich ihr über den Kopf, ehe wir uns lösten und eben dies taten.
Keine zehn Minuten später lagen wir aneinander gekuschelt und zugedeckt in ihrem Bett. Ich merkte wie sie sich dagegen sträubte die Augen länger zu schließen, doch nach vielem zureden und versprechen, dass ich da war, klappte es auch nach einiger Zeit. Immer wieder strich ich ihr übers Haar und summte nebenbei die Melodie meines Songs, wodurch sie sich immer mehr beruhigte und ihr Atem am Ende langsam und gleichmäßig ging.
Es war bereits ein Uhr und sie schlief immer noch tief und fest. Zum Glück. Sie war erst einmal aufgeregt wach geworden, schlief dann jedoch recht schnell wieder ein, durch mein Zureden und beruhigen. Die gesamte Zeit hatte ich mir Gedanken über sie gemacht. Wie gern ich es doch hätte, dass sie alles mit mir besprach. Oder, dass wir nur noch so gemeinsam einschlafen würden. Ich wusste nicht, wie es weiter ging, doch hoffte ich, dass es ihr mit der Zeit half, dass ich da war. Und sie irgendwann keine Angst mehr vorm einschlafen hatte.
Man sollte meinen, ich hätte Hunger, doch erstaunlicherweise war das nicht der Fall. Es reichte mir vollkommen Lily so ruhig zu sehen. Wie sie süß grinste und beim schlafen wieder schmatze. Das reichte um alles zu vergessen. Wichtig war nur, dass Lily wusste, dass ich nie von ihrer Seite weichen würde. Niemals.
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