100. Sie ist mein Leben.

James

Der Tag verging und abgesehen von den kurzen Treffen des Essen Bringens zu Lily, konnten wir heute noch nicht besonders viel miteinander reden. Zwar sah sie um einiges fitter aus, als es noch gestern der Fall war, doch war mir immer noch nicht wohl dabei, dass sie schon wieder so viel lernte. Jedoch konnte ich sie davon wohl nicht abbringen.
Was mich dennoch etwas glücklicher stimmte war, dass sie noch immer meinen Pulli und kurze Jogginghose trug. An den Gedanken daran, musste ich sogar in der letzten langweiligen Stunde Zauberkunst grinsend.
Es waren nur noch ein paar Minuten des Zuhörens unseres Professors, ehe ich mich zügig auf den Weg zu Lily machen würde.

„Hey, du musst doch nicht gleich rennen. Die zwei Minuten kann sie doch auch noch warten.", lachte Remus, als ich aus dem Raum stürmte. Ich drehte mich um, grinste blöd und rief noch: „Ich aber nicht!" Auch wenn ich das amüsierte lachen meiner Freunde vernahm machte ich mich trotzdem schnellen Schrittes auf den Weg zu Lily.

„Hey. Wie war der Unterricht?", wurde ich begrüßt, als ich durch das Porträtloch trat. Ich lächelte und zuckte mit den Schultern.
„So wie immer. Langweilig.", erzählte ich kurz und setzte mich direkt neben die immer noch lernende Lily auf die Couch. Ihre Haare lagen offen über ihren Schultern, welche von meinem Pullover überdeckt wurden. Sie war so schön.
„Na dann wirst du mir das doch bestimmt alles erklären wollen, nicht wahr?", kommentierte sie lächelnd, was ihre Erscheinung nur noch vervollständigte. Strickt schüttelte ich den Kopf. Garantiert nicht.
„Vergiss es. Du wirst heute nicht mehr lernen!", sagte ich eisern. Ich sah den flehenden Blick ihrerseits, schüttelte aber kompromisslos den Kopf. Sie hatte heute genügend für die Schule gemacht.
„Dann bist du aber schuld, wenn ich schlecht abschneide!", erwiderte sie anklagend, den Zeigefinger erhoben. Ich lachte und nickte. Sie würde sowieso mit Bestnoten die Schule verlassen. Also war ich da schön fein raus.
„So. Ich geh mich umziehen. Räum du mal alles zusammen hier.", sprach ich, als ich mich erhob und zeigte auf das durcheinander auf dem Wohnzimmertisch. Ergeben nickte sie und begann sogleich damit.

„Willst du vielleicht auch noch was anderes zum anziehen?", fragte ich noch kurz bevor ich in meinem Zimmer verschwand. Ich sah wie sie überlegte, doch schließlich grinste sie nickend.
„Ein Shirt wär cool.", ließ sie verlauten und ich ging kopfschüttelnd, aber grinsend, in meinen Raum. Sie musste mir nur ihr Passwort sagen und ich würde ihr etwas von sich holen. Aber wenn sie das nicht wollte. Ich zuckte mit den Schultern. Dann trug sie immerhin meine Klamotten. Darin sah sie sowieso super aus.

Schnell tauschte ich die Schulkleidung gegen ein Shirt und eine Jogginghose um, ehe ich mit einem meiner Shirts in der Hand in den Gemeinschftsraum trat. Ich warf ihr das T-Shirt entgegen, welches sie geschwind auffing. Schon etwas verwundert über ihre schnellen Reflexe schaute ich sie komisch an.
„Denkst du ernsthaft ich würde nicht fangen können, Potter?!", fragte sie spaßig. Nun musste auch ich lachen. Naja, wie gesagt, Lily überraschte mich immer wieder.
„Also entweder du gehst raus oder ich geh ins Bad mich umziehen.", ließ sie verlauten, bevor ich mich auf die Couch fallen lassen konnte. Stimmt, da war ja was. Ich hielt inne und wog sowohl die eine, als auch die andere Variante ab, ehe ich wieder Wortlos zurück in mein Zimmer ging.

Wartend überlegte ich schon, wie ich das Gespräch beginnen sollte. Zwar ging es ihr besser, doch sah ich noch immer ihr Unbehagen in ihren Augen. Ich machte mir noch immer Vorwürfe, auch wenn alle das Gegenteil sagten, und ich selbst wusste, dass es falsch war. Doch trotz dessen machte ich mir nun mal Vorwürfe. Mir war mulmig im Bauch. Den gesamten Tag wollte ich unbedingt mit ihr reden, hatte mich darauf gefreut, wieder mit ihr Zeit verbringen zu können. Doch nun war ich derjenige der nervös war.
„Du kannst wieder rein kommen!", hörte ich Lily's klare Stimme und wurde wieder in die Realität zurück geholt. Noch einmal tief durchatmend öffnete ich die Tür und ging wieder lächelnd auf das Sofa zu.

Als ich mich setzte, sah ich schon die Ernsthaftigkeit in ihrem Gesicht, aber auch die Bitte, nicht darüber zu reden. Doch es ging nicht anders, wir mussten darüber sprechen. Außerdem hatte ich es mir ganz fest vorgenommen.
„Du Lily. Ich weiß das du darüber wahrscheinlich nicht reden willst. Aber es hilft. Wirklich. Und ich kann dir auch nicht helfen, wenn ich nicht weiß, was in deinem Köpfchen vor geht.", begann ich. Ich war nervös. Sehr. Zumal ich mir jedes Szenario den gesamten Tag lang ausgemalt hatte.

Doch trotz meiner Anspannung, versuchte ich sie beruhigend und offen anzuschauen. Ich bemerkte wie sie schwer schluckte und ihren Blick nun auch mir zuwandte.
„Also...", fing sie mit brüchiger Stimme an. „Ich... Ich habe Angst. Tierische Angst.", bestätigte sie das leichte Nicken von gestern. Wieder schaute sie beschämt weg. Sie gab ungern zu, Furcht zu verspüren, weshalb ich schon unglaublich erleichtert war, dass sie es aussprach. Beistehend legte ich meine Hand sachte auf ihren Unterarm, hoffend, sie würde ihn nicht wegziehen. Und das tat sie auch nicht. Weshalb ich den Mut fasste und weiter sprach.
„Aber wovor genau?", fragte ich sachte weiter. Sie zog ihre Beine an sich. Natürlich fühlte sie sich unwohl und es kostete ihr eine Menge Überwindung mit mir darüber zu sprechen, doch ich sah, dass sie es versuchte. Und es freute mich, denn sie schien es mir anvertrauen zu wollen.
„Weißt du...gestern, ich...ich weiß nicht warum...aber, ich hatte Angst, weil... weil  ich vor dem was...was passiert war...befürchtete...es nochmals zu, zu erleben.", sprach sie auf den Boden schauend. Sanft Stich ich mit meinem Daumen über ihren Arm. Sie tat mir so leid. Und doch war sie niemand, der Mitleid wollte. Aufmunternd schaute ich sie an, als sie ihren Blick kurzzeitig zu mir wandte. Wieder schluckte sie schwer. Ich glaubte, um die Beklemmung los zu werden.
„Als, naja, als ich... als ich den Cruciatus abbekommen habe...", begann sie wieder und einzelne Tränen flossen stumm über ihre Wangen. Sanft strich ich sie weg. Sie sollte nicht so leiden müssen. Sie hatte etwas besseres verdient.
„Ich...ich hab noch nie...nie sowas... sowas gefühlt.", schluchzte sie. Ich nahm sie in den Arm, einfach nur, weil ich nicht wollte, dass sie dachte, sie wäre mir egal. Denn das war sie nicht. Es brach mir fast das Herz, wie sie hier wie ein Frack saß und weinte. In mir breitete sich zum einen Hass, gegen diesen Angreifer aus, und zum anderen einfach Fürsorge. Ich wollte einfach, dass sie wieder glücklich war, dass sie das hinter sich lassen konnte und wieder so schön lachen durfte.
Und wiedermal wünschte ich, ich wäre derjenige gewesen, der den Fluch abbekommen hätte.  Ich wollte nicht, dass sie solch schreckliche Erfahrungen macht. Die sollte sie niemals machen müssen.

Leicht löste sie sich wieder von mir und schaute mich aus roten Augen an. Auch wenn sie unglaublich erschöpft aussah, war sie für mich immer noch das schönste Mädchen der Welt. Nur plagte sie schreckliches. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wollte ihre Sorgen, ihre Angst wegzaubern. Nie wieder aufflackern lassen.
„Es...es tat enorm weh. Es waren unerträgliche Schmerzen. Es war wie in Zeitlupe. Alles... alles hat sich zusammen gezogen um...um dann...dann wieder plötzlich auseinander zu...zu reißen. Ich...ich konnte nicht...nichts sehen und, und nur dieses...dieses grässliche... grässliche Lachen, hören. Ich hatte das Gefühl...nichts, nichts spüren...spüren zu können. Alles hatte sich...sich verkrampft...dann...dann wieder nicht und...und dann diese...diese stechenden Schmerzen...die, die überall waren.", erzählte sie und ließ ihrem Kummer mit den Tränen freien Lauf. Ich wollte gar nicht wissen, wie es sich angefühlt haben musste. Ihre Erzählungen und verängstigten Gesichtsausdrücke waren unglaublich schlimm. Doch ich musste für sie stark sein. Musste ihr Mut und Hoffnung geben, auch wenn ich mich nicht dazu im Stande fühlte.
„Meine...meine Lungen waren...waren wie zugeschnürt...und, und ich... dachte ich... ich könnte nicht atmen.", versuchte sie beherrscht zu erklären. Ich wusste, dass sie es los werden musste, doch wollte ich im Grunde nichts davon hören. Weil ich mir immer wieder selbst sagte: Wärst du es doch statt ihrer gewesen. Nun weinte sie wieder bitterlich und ich nahm sie wiegend in den Arm. Ich wollte nicht, dass sie so litt. Wollte nicht, dass sie davon verfolgt werden würde.

„Am...am...am Ende...", versuchte sie aufgeregt wieder Luft zu holen. Wiedermal überkamen sie Weinkrämpfe, jedoch wollte sie weiter sprechen.
„Scht. Scht. Ich bin da. Ganz ruhig.", unterbrach ich sie schließlich. Sie war zu aufgeregt, um auch nur etwas sagen zu können. Ich merkte, wie sie sich nach Halt suchend an meinem Shirt festklammerte und ihren Tränen freien Lauf ließ. Auch ich hatte Tränen in den Augen, doch musste ich jetzt stark sein. Stark für Lily.

„Am, am Ende...konnte ich...konnte ich kurz... kurz Luft holen. Doch... doch mir war schlecht und...und ich... ich hatte das...das Gefühl nicht...nicht zu existieren. Als, als wäre es zu Ende.", nuschelte sie an mein Shirt, doch ich verstand es. Wieder plagten sie Weinkrämpfe und ich drückte sie Trostspenden noch fester an mich. Leis fing ich an die Melodie meines Liedes zu summen, was sie augenblicklich ruhiger werden ließ. Wieso waren Menschen nur so schrecklich? Wieso dachte man solch eine wunderbare Frau wäre weniger wert als alle anderen? Wieso musste man sie so sehr foltern? Wieso? Sie war doch das beste, klügste und schönste Mädchen überhaupt. Es machte mich mindestens so sehr kaputt wie sie, dass sie das alles abbekam. Weil es für mich, nicht nur ein Angriff auf sie war, sondern auch auf mich. Denn sie war mein Schwachpunkt. Wer ihr weh tat, tat mir weh.

„Es...es war alles so kalt und...und ich war, war so erschöpft. Ich...ich weiß nicht...ich hatte mich...mich allein gefühlt. Und... und hilflos. Ich...ich konnte nichts...nichts machen.", erzählte sie weiter. Doch diesmal mit festerer Stimme als zuvor. Sanft strich ich über ihr rotes Haar und wiegte sie noch immer. Sie sollte sich nie hilflos und allein fühlen. Denn das war sie nicht. Sie war stark, selbstständig und eine außerordentlich grandiose Hexe. Eine Hexe, die Freunde hatte, die wussten, wie besonders sie ist. Wie wertvoll.

„Ich...ich hab Angst. Angst...vor...vor der Kälte und...und der...der Einsamkeit. Dabei...dabei seid ihr ja...seid ihr ja alle da.", teilte sie mir ihre Gefühle mit. Es war schrecklich. In dem Moment hatte sie sich einsam gefühlt, weil ich nicht da gewesen war. Weil ich es nicht geschafft hatte sie zu retten. Ich wusste nicht was ich machen konnte. Sie schniefte und ich wollte ihr am liebsten zeigen, dass wir da waren, dass sie nie wieder davor Angst haben müsse.
„Lily? Ich bin da. Immer. Ich werd immer da sein. Und Hestia und Anna und Remus, Sirius und Peter auch. Wir sind immer für dich da. Wenn was ist komm zu uns. Zu mir. Ich will nicht, dass du das je wieder empfinden musst.", flüsterte ich ihr zu und hielt sie so fest ich konnte im Arm. Hielt sie einfach nur im Arm und ließ sie ihren Frust ausweinen. Summte Melodien und wiegte sie streichelnd im Arm. Spendete ihr Trost, Zuneigung und Liebe. Wollte, dass sie wusste, dass ich für sie da war. Denn das war ich, bin ich und würde ich immer für sie sein. Sie ist Lily Evans. Sie ist mein Leben.

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