Kapitel 6: Aera
»Ein Sturm wütete in der Prinzessin, während sie und ihr Krieger den Weg zum Schloss zurück ritten.
Nie zuvor hatte sie überhaupt mit dem Gedanken gespielt, gegen einen ihrer Brüder das Wort zu erheben. Doch wusste sie, dass der Sturm erst vorrüber sein würde, wenn sie das aussprach, was sie zu sagen hatte. Auch wenn sie mit möglichen Folgen rechnen musste.«
Mutig und von meiner Wut, die durch meinen Körper wie das Adrenalin floss, geleitet, schlug ich die großen Türen zum Thronsaal auf, in welchem sich Bogyeong und Bongju gerade befanden. Zwar hatten die Wachen Anstalten gemacht, mir die Tür zu öffnen, jedoch war ich schneller gewesen.
,,Bongju!", rief ich wütend und zog sowohl seinen, als auch Bogyeongs verwunderten Blicke auf mich.
,,Aera, was-?"
,
,Wie zum Teufel können es Soldaten deiner Einheit wagen, einen kleinen Jungen beiseite zu treten, nur weil er ihm im Weg war!"
Meine Wut brannte in meinem Körper, wie das loderne Feuer eines Lagerfeuers und es kam mir vor, als würden die Funken ebenfalls überspringen, da Bongju einen Schritt zurück wich.
,,Wovon redest du?", fragte Bogyeong verwundert und stellte sich zwischen Bongju und mich, wahrscheinlich mit der Absicht, uns auseinander zuhalten, wenn dies von Nöten werden würde. Erzürnt erzählte ich von den Ereignissen, die Taehyung und mir in der Stadt wiederfahren waren und beobachtete Bongju dabei, wie sein Kopf immer röter und sein Gesichtsausdruck immer wütender wurde.
,,Ich denke nicht, dass du mir irgendetwas zu vorzuwerfen hast! Sei gefälligst ruhig und halte dich aus Dingen heraus, von denen du keine Ahnung hast!", herrschte er mich an, weshalb ich erschrocken zusammen zuckte.
,,Du und dein Bruder können froh sein, dass ihr überhaupt hier lebt! Wärt ihr doch nur wie eure Mutter-"
,,Schweig Bongju!", brüllte nun Bogyeong rasend vor Wut und brachte Bongju sofort zum schweigen. Es war jedoch zu spät. Die Tränen waren mir bereits in die Augen gestiegen, weil ich gabz genau wusste, was er im Inbegriff war zu sagen. Ich wandte meinen Blick von Bongju ab. Ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, ihn meine Tränen sehen zu lassen.
»Der König hatte einst zwei Königinnen an seiner Seite.
Die eine adliger und reicher als die andere und die andere schöner und gütiger als die eine.
Die eine Königin war eine Tochter eines der reichsten Familienhäuser des Landes.
Seit klein auf hatte sie nur das Beste vom Besten bekommen und wurde eines Tages mit dem zukünftigen König bekannt gemacht.
Eine pompöse Hochzeit wurde arrangiert und obwohl die Adlige und der König keine Gefühle für einander hegten, heirateten sie einander und bekamen zwei Söhne.
Doch die Frau des Königs wusste, dass sie im Palast nicht glücklich werden würde, dass sie für immer gefangen sein würde.
So zog sie fort in ein Anwesen ihrer Familie, als der König eine weitere Frau heiratete.
Die zweite Frau des Königs war des Königs wahre Liebe, jedoch war sie eine Frau mit nur minderem Adelsstand.
Doch spielte dies keine Rolle für den König, denn für ihn war sie eine Frau von unglaublicher innerer und äußerer Schönheit.
Auch sie gebar ihm zwei Kinder, doch als sie starb, kümmerte er sich fort an gemeinsam mit seiner Mutter um seine Nachkömmlinge.
Zwei Kinder, in denen er immer wieder seine verstorbene Frau erkannte.«
,,Bongju kümmer dich um den Mann, der das Kind verletzt hat. Wenn du das erledigt hast, melde dich bei mir", befahl Bogyeong streng, woraufhin sich Bongju widerwillig entfernte. Als ich den befreienden Ton der zufallenden Türen hörte, ließ ich meinen Tränen freien Lauf und wurde von Bogyeong schützend in die Arme genommen.
,,Aera... Nimm dir seine Worte bitte nicht zu Herzen. Du weißt, wie er ist, wenn er wütend ist", bat Bogyeong ruhig und strich mir über mein Haar, so wie er es früher immer getan hatte, wenn ich in seiner Gegenwart zu weinen begonnen hatte.
,,Wieso hasst er Byeongsu und mich so sehr? Wieso verabscheut er uns?"
,,Ich wünschte ich könnte dir eine Antwort auf deine Fragen geben, doch weiß selbst ich keine Antwort auf sein Verhalten. Vielleicht liegt es an unserer Mutter, bei welcher er Jahre lang war. Vielleicht hat er dadurch ihre Sichtweise auf die Welt angenommen."
,,Aera!" Verblüfft drehten Bogyeong und ich uns um und schauten in Byeongsus vor Sorgen verzogenes Gesicht, als dieser Schweiß gebadet mit Taehyung und Gaeun den Saal betrat.
,,Danke, Gaeun", bedankte sich Bogyeong sanft bei meiner Kriegerin, ehe sich Gaeun verbeugte. Er hatte sicherlich nach Byeongsu schicken lassen. Als meine jüngere Hälfte mich erreichte, nahm er mein Gesicht in seine von Kratzern und Blut übersehten Hände.
,,Was ist passiert? Wieso weinst du? Geht es dir gut? Hat Bongju wieder etwas fieses gesagt? Wenn ich ihn sehe-"
,,Dann wirst du nichts machen", vollendete Bogyeong scharf den Satz, woraufhin Byeongsu seufzte und nickte.
,,Kümmerst du dich um Aera? Eine Pause würde dir sicherlich ebenfalls gut tun. Ich weiß, dass du seit Sonnenaufgang trainierst, obwohl Taehyung nicht anwesend war und dir gesagt hatte, du bräuchtest eine Pause."
,,Im Krieg bekomme ich auch keine Pause."
Ein belustigtes Lächeln legte sich um Bogyeongs Lippen, ehe er dem fast zehn Jahre jüngeren stolz auf die Schulter klopfte.
,,Würden doch bloß alle so denken wie du. Aber auch in einem Krieg muss man neue Kraft schöpfen."
,,In Ordnung. Komm Aera."
(...)
Wie gebannt lagen meine Augen auf Taehyung, welcher im Rahmen der Tür lehnte und seelenruhig auf den Teich schaute, während der frische Frühlingswind seine Haare durcheinander wirbelte.
,,Was hat Bongju zu dir gesagt?", verlangte Byeongsu nun zum fünften Mal zu erfahren, während Gaeun ihm seine Wunden säuberte. Zuerst sagte ich nichts, dann stieß Byeongsu mich aber mit seinem Fuß nach hinten, weshalb ich beinahe umfiel. Schmollend richtete ich mich auf, wurde jedoch wieder nach hinten gestoßen.
,,Byeongsu!" klagte ich lachend, als er es ein drittes Mal getan hatte und mich auslachte.
,,Lass das!", verlangte ich und setzte mich weiter weg von ihm, wodurch er nicht die Chance hatte, mich ein weiteres Mal nach hinten zu stoßen.
Grinsend schüttelte ich meinen Kopf und traf gerade noch Taehyungs weichen Blick, ehe dieser seinen Blick schnell wieder zum Teich drehte.
,,Bongju hat nichts gesagt", log ich und wandte meinen Blick Byeonsu wieder zu, der plötzlich eine Rolle des Verbandes gegen meinen Kopf warf.
,,Hör auf mich zu belügen. Ich bin dein Zwilling. Ich weiß, wenn du mich anlügst."
Seufzend reichte ich Gaeun die Rolle, die sie dankend entgegennahm und zurück zu den anderen Verbänden legte.
Bedrückt wandte ich meinen Blick hinaus zu dem Kirschblütenbaum, welcher bereits mit einigen blühenden Blüten beschmückt war und dessen Äste sich langsam im Wind auf und ab bewegten.
,,Er hat Mutter erwähnt", gestand ich letztendlich doch, als ich einige Blütenblätter dabei beobachtete, wie der Wind sie fort trug. Nur das Pfeifen des Windes füllte die Stille, die uns plötzlich umgab. Nur wenn es um unsere Mutter und mich ging, wurde mein Bruder wirklich ernst und ruhig.
,,Sie wäre sicherlich nicht glücklich, wenn sie uns sehen würden, wie wir jedes Mal einen trauernden Gesichtsausdruck annehmen, wenn wir an sie denken..." Schweigend betrachtete ich Byeongsu, dessen Gesicht voller Bedauern verzehrt war, der jedoch auch keine Worte fand.
»Niemand konnte und könnte jemals wirklich sagen, was die Toten den Lebenden wünschten.
Doch nur wenn man versuchte glücklich zu leben, konnte man sich von den Toten unterscheiden.
Denn selbst wenn man körperlich lebendig war, konnte man dennoch seelisch tot sein.«
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