Kapitel 28: Die Wahrheit hinter allem
» Es waren bereits vier Tage seit der Begegnung mit Zhao Jun vergangen. Vier Tage in denen sich Prinzessin Aera mit jedem Tag schlechter fühlte. Tiefe Gewissensbisse plagten die Prinzessin noch immer, vorallem ihrem ältesten Bruder gegenüber.
Prinz Bogyeong hatte sich nach dringendem Rat seitens Prinzessin Meili vollständig zurück gezogen und nahm sich seit zwei Tagen die Ruhe, die er benötigte.
Es fiel ihm schwer bei klarem Verstand zu bleiben, da er nach und nach realisierte, wen er verloren hatte und was er zu verantworten hatte. «
Stille lag in der Luft, als Prinzessin Meili mein langes Haar sorgfältig bürstete. Den Umständen entsprechend war es mir möglich, ein wenig Entspannung zu finden, während ich auf den großen See blickte, in welchem einige der Kinder spielten. Seit Bogyeongs Zusammenbruch und der Verlobungsentscheidung, welche Prinzessin Meili und er getroffen hatten, hatte es sich Prinzessin Meili zur Aufgabe gemacht, Bogyeong so viele Lasten abzunehmen, wie sie konnte. Und eines konnte jeder hier bejahen: Niemand kümmerte sich so intensiv, gerecht und fürsorglich um die Geflüchteten, wie sie zu diesem Zeitpunkt.
,,Woher wusstet Ihr, dass ich ein Kind erwarte?", fragte ich nach einer Weile die Frage, die mich seit Tagen beschäftigte, wandte meinen Blick allerdings nicht vom See ab. Es war erfrischend den Kindern dabei zu zusehen, wie sie unbeschwert im Wasser spielten.
,,Eure Ausstrahlung hatte sich verändert, nachdem ich Euch und Taehyung in dieser Nacht allein gelassen hatte. Zwar stand Euch die Angst vor meinem Bruder noch immer in Euer Gesicht geschrieben, doch hattet ihr eine andere Aura um Euch. Außerdem bin ich als Frau eher in der Lage, eine Veränderung zu erkennen als so mancher Mann", erklärte Prinzessin Meili ruhig und flechtete meine Haare im nächsten Moment gründlich zu einem Zopf zusammen.
,,Ich danke Euch, Prinzessin Meili."
,,Was meint Ihr?"
,,Ihr hättet Euch nicht für mich und Euren Bruder opfern brauchen, genauso wie Bogyeong der Verlobung nicht hätte zustimmen müssen. Und denoch habt Ihr es getan. Dafür möchte ich mich aus tiefstem Herzen bedanken."
,,Ich habe es gerne getan." Verwundert drehte ich mich zu Meili um, welche lächelnd zum See sah.
,,Es ist leichter sein restliches Leben mit einer Person zu verbringen, die Euren Schmerz wie seinen eigenen kennt. Ich habe nicht Euch und meinen Bruder gerettet Aera. Ich habe mich und Euren Bruder gerettet. Nichts frisst ein Herz so sehr auf, wie die Einsamkeit. Es war ein eher egoistischer Gedanke, als dass Ihr mir für meine Tat danken solltet." Wortlos wandte ich meinen Blick ab und empfand ihre Worte als die wirkliche Antwort, auch wenn ich ihren Gedanken nicht teilte, dass es eine egoistische Tat war.
Laute Stimmen weckten meine und Prinzessin Meilis Aufmerksamkeit. Auch die Kinder hatten mit dem Spielen aufgehört. Plötzlich ertönte ein lauter Gong.
,,Bringt sofort alle Frauen und Kinder hinein!", brüllte Youngsik plötzlich, was eine Welle von Panik auslöste. Erschrocken sprangen Prinzessin Meili und ich hinaus, um die Kinder hinein zu bringen und im folgenden Moment wieder hinaus zu laufen. Alle kampffähigen Männer hatten sich mit Schwertern und Speeren bewaffnet und bildeten eine Schutzlinie vor dem Anwesen. Kurz tauschte ich einen Blick mit Taehyung aus, welcher mir signalisierte, dass ich hinein gehen sollte. Doch seufzte er im nächsten Moment bloß, als ich meinen Kopf schüttelte. Prinzessin Meili begab sich ebenfalls nicht hinein. Weit am Horizont erblickte ich nun zwei Gestalten, die sich angestrengt in unsere Richtung schleppten. Immer wieder brachen sie zusammen, während die bewaffneten Männer auf Bongjus Befehl warteten, welcher wie gebannt in Richtung der Feinde blickte.
,,D-das kann doch nicht-" Tränen stiegen mir in die Augen und verließen diese unkontrolliert. Mein Herz zog sich zusammen, doch hielt mich dies nicht davon ab, loszurennen. Ich rannte los in Richtung der zwei Gestalten, die sich weiterhin in unsere Richtung schleppten.
,,Aera!", rief Bongju entsetzt und versuchte mich zu packen, doch missglückte im dies. Niemand konnte mich abhalten. Immer weiter und schneller lief ich, stolperte immer wieder und fiel zu Boden, richtete mich jedoch schnell wieder auf und lief weiter. Mein Herz fühlte sich mit jedem Schritt wieder vollständiger an. Die Gestalten wurden immer klarer, ihre Kleidung war zerfetzt und ihre Haut mit Wunden übersäht. Doch dann bildete sich plötzlich ein erschöpftes und glückliches Lächeln um die Lippen der männlichen Gestalt.
,,Du lebst!", rief ich schluchzend, als ich meinen Bruder erreicht hatte und diesem schluchtzend in die Arme sprang. Kräftig umschloss er mich, zerdrückte mich beinahe vor Freude. Durch seine glasigen Augen sah Byeongsu mich an, ließ mich im nächsten Moment jedoch ruckartig los, als die Frau neben ihm zu Boden fiel.
,,Hye! Ist alles in Ordnung?!" Erschöpft betrachtete ihn die Frau, deren Gesicht von weitaus mehr Wunden übersäht war als Byeongsus. Dunkle Augenringe hatten sich unter ihren dunklen Augen gebildetet und ihr Haar schien verfilzt zu sein. Dreck klebte an ihrer Kleidung und hing ihr sogar in ihren Haaren. Was war bloß mit ihr geschehen?
» Nach und nach trafen die Männer bei den Zwillingskindern des Königs an und brachten die beiden Verletzten zum Anwesen, um ihre Wunden zu heilen.
Doch schuldete Prinz Byeongsu den Anwesenden eine Erklärung.
Wutentbrannt blickte Prinz Bogyeong der jungen Frau in die Augen, deren Volk für den Tod seiner Geliebten verantwortlich war.
Pure Verachtung füllte das Herz des sonst so weisen und gütigen Thronfolgers und drohte dessen Liebe mit Hass zu ersetzten. «
Wie erstarrt blickte ich auf den Kopf von Hye, welche gemeinsam mit Byeongsu hierher geflohen war. Kraftlos kniete sie vor Bogyeong nieder, gefesselt und umringt von allen Anwesenden des Anwesens. Einige bewarfen sie mit Eiern, andere schmissen mit Gemüse nach ihr.
,,Lasst sie in Ruhe!", brüllte Byeongsu über die Beleidigungen hinweg, die ihr zugerufen wurden. Er versuchte sich von zwei Cheon loszureißen, doch schaffte er es nicht. Es war ein schreckliches Szenario, doch verstand ich den Schmerz jedes Einzelnen.
Hye war eine Wokou- eine Angehörige des Clanes, der ihnen ihre Familien genommen hatte. Still ließ Hye die Beleidigungen und die Schmerzen über sich ergehen, senkte ihren Kopf, doch konnte Byeongsu dies nicht zulassen. Gewaltsam befreite er sich letztendlich doch noch von den Cheon und umschloss Hye schützend, sodass Byeongsu für einen Moment die Eier und das Gemüse abbekam.
,,Geht es Euch gut?" Kraftlos nickte Hye Byeongsu zu, welcher sie noch immer schützend im Arm hielt. Mein Herz schmerzte bei ihrem Anblick.
,,Byeongsu, geh beiseite", befahl Bogyeong bedrohlich, hielt sein Schwert geradewegs auf Byeongsu gerichtet. Mutig trat Byeongsu vor Hye, sodass die Klinge von Bogyeongs Schwert seine Brust berührte.
,,Verzeih, aber du wirst mich erst töten müssen, damit du an Hye heran kommst. Ich habe gesehen, was deinen Augen verwehrt geblieben ist. Die Wokou haben keine Wahl, als dem Folge zu leisten, was Zhao Jun und seine Männer befehlen. Ich habe mit ansehen müssen, was mit denjenigen geschieht, die nicht Folge leisten. Ich lasse nicht zu, dass Hye für etwas zur Rechenschaft gezogen wird, dass zu Unrecht geschieht."
,,Ich sage es noch einmal: Geh beiseite." Ich konnte es nicht mit ansehen. Ich konnte einfach nicht mit ansehen, wie Bogyeong Byeongsu mit seinem Schwert bedrohte.
,,Bogyeong", erhob ich das Wort und umschloss furchtlos die scharfe Klinge seines Schwertes. Sofort durchströmte der Schmerz meinen Körper, doch war dieser nicht so groß, wie die Sorge um meinen Bruder. Er drohte unterzugehen.
,,Auch ich empfinde unbeschreiblichen Hass gegen die Wokou, weil sie an Gaeuns Tod Schuld sind. Weil sie an dem Tod von so vielen Menschen Schuld sind. Doch solltest du endlich aus der Finsternis erwachen. Siehst du nicht, dass du deinen eigenen Bruder bedrohst und ihm keinerlei Gehör schenkst? Das bist nicht du, Bogyeong. Das bist nicht du." Dankbar schaute ich Bongju an, welche Bogyeong vorsichtig das Schwert aus seiner Hand nahm und seinen älteren Bruder traurig ansah. Auch Bongju schien sich große Sorgen zu machen.
,,Aera hat Recht, Bogyeong." Verloren setzte Bogyeong sich zu Boden und fuhr sich mit seiner Hand durch sein Gesicht. Er war zu verloren, um seine Pflicht erfüllen zu können.
,,Sprecht", forderte Bogyeong Hye flüsternd auf und versuchte mit all seiner Kraft, seiner Wut entgegen zu wirken. Leicht hob Hye ihren Kopf an, um meinem Bruder in die Augen blicken zu können. Sie hatte geweint, ohne das es jemand gesehen, gar mitbekommen hatte. Sie musste schrecklich gelitten haben, wenn sie ihren Schmerz so gekonnt verbergen konnte.
,,Niemand von uns wollte einen erneuten Krieg oder Überfall auf euer Königreich vollüben. Wir wollten nach dem Friedensplan leben, den unsere Großväter einst geschaffen hatten. Doch dieser Mann...Dieser Mann tötete meinen Vater und somit den Anführer unseres Clans. Wir wehrten uns gegen dieses Scheusal, doch gelang es ihm, mit der Hilfe seiner Männer, die Frauen und Kinder meines Volkes in Gewahrsam zu nehmen und unsere Krieger mit ihren Familien zu erpressen. Tage lang musste ich mitansehen, wie mein Volk auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Sogar unsere ganz Kleinen wurden getötet- unschuldige Kinder die nicht einmal wussten, was Krieg ist. Nachdem ein Viertel meines Volkes brutal abgeschlachtet wurde, erreichte Zhao Jun die Nachricht, dass der Mann, den er suchte, in Hanyang sei. Einige unserer Krieger wollten sich wehren, doch wurden diese schnell zum Schweigen gebracht. Sie hatten keine Wahl und mussten seine Befehle befolgen, andernfalls hätten auch sie ihre Familien verloren. Nach ihrer Rückkehr aus Hanyang brachten sie Euren Bruder zu mir, mit dessen Hilfe ich es schaffte zu fliehen." Wehleidig blickte Hye zu Byeongsu hinauf, der ihr sanft zu lächelte, sie daraufhin weiter sprach.
,,Ich weiß, was mein Volk jedem Einzelnen der hier Anwesenden angetan hat. Ich weiß, wie sehr ihr mein Volk verabscheut. Doch flehe ich mit allem, was ich euch bieten könnte, sei es mein Körper oder mein Leben: Bitte befreit mein Volk aus den Fängen dieses Monsters. Und wenn es nur das Leben der Kinder sei. Ich flehe Euch an. Rettet sie."
Tränen liefen meine Wangen entlang, als mein Blick zu Taehyung wanderte, welcher weit abseits stand. Seit Tagen hatten wir kein Wort miteinander gewechselt, was mich zunehmendermaßen beunruhigte. Doch diese Schilderung seitens Hye erinnerte mich zu sehr an die Nacht, in welcher er sein ganzes Dorf verloren hatte. Und auch er schien an diese Nacht zu denken.
,,Wie viele Männer sind unter seinem Kommando?"
,,Ungefähr 50 seiner Männer und 120 Männer meines Volkes", antwortete Hye Bogyeong, welcher sich daraufhin schwerfällig erhob.
,,Bongju, ich überlasse dir das Kommando. Ich brauche Ruhe und Zeit, um mich wieder zu finden."
» Es brauchte seine Zeit, bis ein gebrochenes Herz wieder vollständig genesen war.
Doch hatte Prinz Bogyeong erkannt, dass er für niemanden eine Hilfe war- nicht solange der Hass in seinem Herzen wohnte.
So übergab er seinem jüngeren Bruder das Kommando, welcher mit Taehyungs Hilfe einen Plan schmiedete, um die Wokou zu befreien.
Ein Plan, welcher allerdings nicht ohne Taehyung ausgeführt werden konnte. «
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