VI. Kapitel

Als schließlich Azhral zurückkehrte, brachen wir wieder auf. Der junge Mann hatte mir ein trockenes Stück Brot in die Hand gedrückt, wie einem hungrigen Hund die Reste der Mahlzeit. Wieder waren wir Stunden gelaufen, ohne Rast, ohne Pause, bis wir plötzlich hielten. In der Ferne war eine kleine Stadt zu sehen, die geschützt zwischen den Bergen und dem Meer erbaut worden war. Schmerzlich erinnerte mich dieser dort an Troja. So friedlich und doch so belebt. Der Ort, nach dem man Heimweh hat, die Stadt, in der man sich geborgen und zuhause fühlt. Neue Trauer überfiel mich.

Schnell verwarf ich diesen Gedanken, schüttelte die Trauer von mir ab. Ich durfte keine Schwäche zeigen. Um meiner Familie Willen. Ich würde meine Rache bekommen, dem war ich mir gewiss. Unauffällig sah ich zu den beiden Männern neben mir, die wieder flüsternd angefangen hatten zu reden.

Wenige Minuten später setzten wir uns wieder in Bewegung und passierten so schließlich das gewaltige Stadttor. Irgendwie fühlte es sich seltsam an, wieder unter so vielen Menschen zu sein, die fröhlichen Kinder spielen zu sehen und glückliche Frauen schwatzen zu hören. So ein unbeschwerter Alltag wie ich ihn auch hatte, bevor die Griechen kamen und mir alles nahmen.

Wir durchquerten Straßen und schlenderten über Märkte bis wir uns schließlich in einem heruntergekommenen Wirtshaus niederließen. Es roch nach Rauch und Bier und die hölzerne Tür knarrte beim öffnen. Einige Augenpaare beäugten uns interessiert, übel aussehende Typen unterbrachen ihre Gespräche um uns zu beobachten. Mir war mulmig zu Mute und ich wünschte, diesen Ort schnellstmöglich wieder zu verlassen. Doch danach sah es nicht aus. Azhral führte uns zu einem wackligen Holztisch in einer dunklen Ecke und bedeutete mir, mich zu setzten.

Nachdem Philemon bei dem schmuddeligen Wirt Wein, Brot und Schafskäse bestellt hatte, kam er zu uns zurück und begann mit leiser ernster Stimme das Gespräch.
„Mädchen", sagte er herb, „Wie du sicher gemerkt hast sind wir keine gewöhnlichen Soldaten." Hilfesuchend sah er zu seinem Gefährten, welcher
ihm ermutigend zunickte.
„Wir haben die Armee heimlich verlassen."
„Deserteure also", fasste ich gedankenversunken zusammen.
„Unterbrich mich nicht wenn ich mit dir rede", ein Schlag traf mich am Kopf und ich zuckte zusammen.
„Du wirst unser Weg in ein neues, freies Leben sein", ein sehnsüchtiger Blick lag auf seinem Gesicht, „Doch wir dürfen nicht von der Armee entdeckt werden. Man würde uns umbringen lassen. Wir vermuten dass nicht alle mit den Schiffen gefahren sind. Einige nehmen den beschwerlichen Landweg zurück nach Griechenland. Sie könnten uns entdecken", schloss er ab.

„Deshalb dürfen wir hier nicht auffallen. Wir werden uns verkleiden und du wirst alles tun was wir dir sagen, sonst wird es dir leidtun", beendete Azhral die Worte seines Gefährten.

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