II. KAPITEL

Mit hasserfülltem Blick drehte ich den Kopf und sah dem Mann direkt in die Augen. Strahlend blaue Augen. Ich überlegte nicht lang und schleuderte die Ziegel nach ihm. Mit einem hässlichen Geräusch traf sie seinen Kiefer und er fiel zu Boden. Doch meine Wut war zu groß. Ich nahm eine zweite Ziegel und schleuderte sie auf die hilflose, sich windende Person am Boden, eine dritte. Bis sich der Mann plötzlich nicht mehr rührte. Ich sprang vom Dach herab und nährte mich der Gestalt am Boden vorsichtig. Der Mann war tot, er lag schlaff auf dem Boden, sein Kiefer grässlich verbogen. Es war ein griechischer Soldat, noch ziemlich jung, etwa Anfang zwanzig. Seine silberne Rüstung glänzte matt, seine Haut war bronzefarben und seine Haare fielen ihm in kastanienbraunen Locken bis auf die Schulter.

So still lag er da und regte sich nicht mehr. Ich hatte einen Kloß im Hals. Was war nur mit mir los? Dies war einer der Männer, der meine Heimat zerstört und so viele Menschen getötet hatte, wie konnte er mir leidtun. Er hatte nichts als den Tod verdient. Doch irgentetwas war falsch daran wie er da lag. Irgentetwas erfüllte mich mit Trauer. Ich wimmerte leise und unterdrückte die Tränen, welche erneut auszubrechen versuchten. Ich hatte einen Menschen getötet! Diese Worte schallten wie ein Echo durch meinen Kopf. „Einen Menschen getötet... getötet... getötet..." Vielleicht hatte er eine Familie gehabt, die nun vergeblich auf ihn wartete, Kinder und eine Frau die um ihn weinten. Vielleicht wollte er mir gar nichts tun, vielleicht war er zu all dem gezwungen worden.

Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Ein Wimmern entbrach meiner Kehle, dann ein Weinen.
Ich wünschte ich könne einfach sterben. Ich Schloss meine Augen und ließ mich von meinem Schmerz und meiner Trauer leiten. Wieso hatte ich dass alles überlebt, war dem Feind entkommen um so zu enden?
Aber es war ja noch nicht vorbei. Noch konnte alles gut werden. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Der Geruch des Meeres wurde von dem des Rauches überlagert. Überall Rauch. Die Stadt stand in Flammen. Ich könnte fliehen, mich in Sicherheit bringen, doch irgentetwas hielt mich zurück. Ich wollte nicht gehen. Ich würde sterben, hier, an dem Ort der mir am meisten bedeutete, neben dem Menschen, für dessen Tod Ich verantwortlich war. Es würde vorbei sein. Dessen war ich mir sicher.

Ich sah das Meer, die unendlichen blauen Weiten. Ich sah den Horizont und die Sonne, die langsam im Ozean verschwand. Der Himmel war von Rosa-, Rot- und Orangetönen durchzogen und eine leichte salzige Brise wehte mir mein schwarzes Haar ins Gesicht. Alles war friedlich, unendlich friedlich.

Dann drehte ich mich um und blickte auf ein Meer aus Flammen und Zerstörung. Im Rauch sah ich die Gesichter jener, die ich verloren hatte: Meine Mutter, die starb als ich noch klein war, mein Vater, der in der Seeschlacht gegen die Griechen gefallen war, mein Bruder, der zum Feind übergelaufen war um mein Leben zu retten, letztendlich aber doch verraten wurde, und zuletzt der Mann, den ich getötet hatte.

Ich hörte ihre Stimmen, dröhnend und schreiend in meinem Kopf und die Flammenwand kam immer näher und verschlang alles in ihrem Umfeld. Zuletzt auch mich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top