kapitel zwei, VERLORENE KINDER.













VERLORENE KINDER.

Jemand hat mir von einem Mädchen erzählt,
mit Liebe in den Augen und Blumen im Haar.

LED ZEPPELIN






6. September 1977

ES WAREN EIN PAAR TAGE vergangen, doch als Eden schläfrig die Augen öffnete, brauchte sie noch immer einen Moment, um zu realisieren, wo sie sich befand. Noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt, im Gryffindor Mädchenschlafsaal aufzuwachen, statt in ihrem Bett in Stark Manor oder im Nynorsk Institut, wo jeder Schüler sein eigenes Zimmer hatte.

Schon jetzt schmerzte die Erinnerung an ihre Familie, denn ihr war bewusst, dass sie diese frühestens in den Winterferien wiedersehen würde. Sie war noch nie so lange von ihren Eltern getrennt gewesen—in ihrer alten Schule durften die Schüler auch über das Wochenende nach Hause fahren—und auch wenn sie sich in den letzten Wochen nicht besonders blendend verstanden hatten, würde Eden sie doch vermissen, dessen war sie sich sicher.

     Doch der Gedanke an einen neuen Lebensabschnitt ließ sie selig lächeln. Obwohl sie keinen blassen Schimmer hatte, was sie in diesem letzten Schuljahr erwartete oder was sie danach machen wollte, konnte sie nicht abwarten es herauszufinden. Und somit schlich sie sich auf Zehenspitzen in das geräumige Bad, während die anderen vier Mädchen noch schliefen.

       Nachdem sie mit Duschen fertig und umhüllt von einer Duftwolke ihres Shampoos war, trocknete sie sich nur noch schnell mit einem Schwung ihres Zauberstabes ab und dankte ihren Eltern mal wieder dafür, dass sie mit Magie im Blut gesegnet wurde.

Mit schnellen Schritten verließ sie leise den Schlafsaal. Das Feuer im Gemeinschaftsraum brannte schon munter, als sie dort ankam und durch die riesigen Fenster schien das orangene Licht der aufgehenden Sonne. Nachdem sie ein paar Tage Zeit gehabt hatten, sich wieder einzuleben, würde heute endlich der Unterricht anfangen.

       Erst als sich dann die Porträtöffnung hinter ihr schloss, fiel ihr ein, dass sie überhaupt keinen Schimmer hatte, wie sie zur Großen Halle kommen sollte. Orientierungslos ging sie ein paar Meter und blickte dann mit großen Augen auf die zahlreichen Treppen herab. Am ersten Abend war sie so müde gewesen, dass sie diese nicht zu würdigen wusste, doch nun staunte sie, wie schon in den letzten Tagen. Es waren hunderte und sie alle bewegten sich im Sekundentakt.

Doch obwohl Edens Anerkennung für das Schloss stieg, wusste sie noch immer nicht, wie sie sich dort zurechtfinden sollte ohne ihre Freunde. Sie war noch nie gänzlich allein durch die Gänge geirrt, doch in ihren Gedanken entstand eine Vorstellung von dem Weg zur Großen Halle und noch immer unsicher nahm sie eine der Treppen, die weiter nach unten führte und nach einiger Zeit hatte die Blondine tatsächlich das Gefühl, ihrem Ziel ein wenig näher gekommen zu sein. Irgendwann jedoch wurden die Gänge dunkler und die Temperaturen sanken und somit wurden auch ihre Zweifel wieder größer.

Es dauerte noch ein paar Minuten bis sie Schritte hörte und mit klopfendem Herzen wartete sie darauf, das jemand um die nächste Ecke kommen würde.

In der Dunkelheit dauerte es einige Sekunden, bis sie erkannte, dass Regulus Black und Lucius Malfoy ihr entgegenkamen.

Merlin sei Dank, ich dachte ich würde hier sterben," murmelte sie.

Die beiden blieben mit hochgezogenen Augenbrauen vor Eden stehen. „Was machst du in den Kerkern?" fragte Lucius sie mit einem breiten Grinsen.

„Ich glaube sie hat erkannt, wohin sie in Wahrheit gehört," feixte Regulus. „Oder sie hat sich verlaufen. Auf jeden Fall ist es kein Wunder, dass sie nicht in Ravenclaw gelandet ist." Mit diesen Worten drängelte er sich an Eden vorbei.

Augenrollend folgte sie den beiden Slytherins. Es dauerte nicht lange, bis sie am Eingang der Großen Halle angekommen waren. Eden drehte sich zu den beiden, um sich zu bedanken, doch Lucius kam ihr zuvor. „Ich hoffe, du weißt, was du machst, Lya." Er sah sich um und seufzte dann. „Es gibt viele, die du mit deiner Häuserwahl verärgert hast."

Genervt schnaubte sie. „Meine Familie wird es akzeptieren und somit ist es mir gleich, wer es nicht tut." Und ich hoffe, dass du nicht zu diesen Personen zählst, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Deine Eltern, genau wie du, werden erkennen müssen, dass sich einiges geändert hat. Ich hoffe um deinetwillen, dass du dich so schnell wie möglich daran gewöhnst," sagte Regulus mit einem bitteren Lächeln und fügte dann schnaufend hinzu: „Und dass du von nun an nicht mehr alleine durch die Gänge schleichst."

Als sie kurze Zeit später am Gryffindortisch ankam, waren ihre Freunde schon dort und sie spürte ihre fragenden Blicke auf sich, doch sie winkte ab. Wie die anderen auch, fing sie an zu essen, wurde jedoch nach wenigen Minuten von ihrer Hauslehrerin unterbrochen, welche jedem von ihnen den jeweiligen Stundenplan für das Schuljahr reichte.

Peter Pettigrew, welcher neben Sirius saß, fing an zu stöhnen. „Wir haben gleich Zaubertränke," sagte er mit einem Schmollmund, „mit den Slytherins!" fügte er dann verzweifelt hinzu.

Der Rest des Frühstücks verlief in Stille, keiner der Anwesenden wach genug, um ein Gespräch in Gange zu kriegen, und erst als sie sich auf den Weg zum Klassenraum machten, kam wieder Bewegung in die kleine Gruppe. Als sie kurze Zeit später dort ankamen, wo Eden sich schon früher am morgen hin verlaufen hatte, war es das erste Mal, dass ihr tatsächlich bewusst wurde, wie tief die Feindschaft zwischen Gryffindor und Slytherin ging. Vor dem Klassenzimmer warteten schon die Slytherins auf sie. Niemand sagte ein Wort, doch Eden konnte die hasserfüllten Blicke auf sich spüren. Regulus und Lucius hatten Recht gehabt; sie würde eine Wahl treffen müssen, zu wem sie gehören wollte.

Bellatrix Black war die erste, welche das Schweigen durchbrach. „Noch immer ein Blutsverräter im neuen Schuljahr, liebster Cousin?" gackerte sie, doch ihre Augen hielten keine Freude. Als sie Eden erblickte, erstarb ihr schiefes Lachen. „Du musst es ihm nicht nachmachen, ich hoffe das ist dir bewusst. Für dich gibt es immer einen Platz auf der richtigen Seite."

Im selben Moment rauschte Professor Slughorn, Hauslehrer der Slytherins, mit wehendem Umhang an ihnen vorbei und Eden atmete tief aus, dankbar, dass sie nicht antworten musste.

„Guten Morgen, meine Lieben. Kommt nur herein, kommt nur herein," winkte er die Schüler einladend durch die Tür. Nachdem die Schüler unter großem Gedrängel sich endlich an den Vierertischen verteilt hatten, sah er sich um und rief dann entzückt: „Ein neues Gesicht und noch dazu ein so schönes, wie herrlich! Eden Stark, nicht wahr?" fragte er sie zwinkernd. „Jawohl, ich unterrichtete schon Ihren Vater, toller Mann und so begabt was das Tränke brauen angeht, wie nur wenige vor ihm! Ich bin mir sicher, dieses Talent haben Sie von ihm geerbt?"

Die Angesprochene hatte die ganze Zeit über strahlend gelächelt, bei der Frage allerdings verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse, woraufhin einige ihrer Mitschüler anfingen zu lachen und aus den Augenwinkeln sah sie sogar Lucius, welcher nur einen Tisch weiter saß, schmunzeln. Dieser wusste nur zu gut, wie oft sie ihre Eltern, insbesondere ihren Vater, in die Verzweiflung getrieben hatte.

„Nun ja, ansonsten haben Sie sich ja mit Miss Evans eine glänzende Tischnachbarin ausgesucht!" bei seinen Worten fingen seine Augen wieder an zu strahlen.

Nach einigem Geplapper, begann der Unterricht und obwohl Eden im Nynorsk Institut gedacht hatte, dass der Zaubertrank Unterricht schwer war, fiel sie hier fast von ihrem Holzstuhl. Es schien Professor Slughorn vollkommen gleich zu sein, dass sie alle aus den Sommerferien kamen und sich mit großer Wahrscheinlichkeit an keinen einzigen Trank des letzten Schuljahres erinnern konnten.

Eden war froh, dass sie einigermaßen mithalten konnte und als der Hauslehrer der Slytherins ihr nach einer besonders schweren Frage, welche sie beantwortet hatte, einen beeindruckten Blick zuwarf, wusste sie, dass sie sich bewiesen hatte. Die Schweißperlen auf ihrer Stirn wischte sie sich mit dem Handrücken weg und drehte sich dann zu Alice, die rechts neben ihr saß. „Bitte sag mir, dass er nicht immer so motiviert ist."

„Tut mir leid, da muss ich dich enttäuschen," antwortete sie mitleidig. „Aber falls es dich aufmuntert, ich verstehe noch viel weniger von dem was das alte Walross dort vorne redet als du." Sie tätschelte ihre Hand und machte sich dann zusammen mit Lily auf den Weg zum Zutatenschrank. Ihr Professor hatte der Klasse die Aufgabe gegeben, den Zaubertrank Amortenia zu brauen.

Als die Beiden wieder an ihrem gemeinsamen Tisch ankamen, grinste Lily schon fröhlich. „Er wird dir ganz sicher eine von seinen berüchtigten Slug Club Einladungen geben," feixte sie. „Dann bin ich zumindest nicht mehr so alleine bei seinen Treffen."

Bei Edens verwirrtem Gesichtsausdruck fingen ihre Freundinnen an zu lachen, winkten dann jedoch ab und wandten sich ihrem Kessel zu. Zu dritt dauerte es nicht lange, bis ihr Trank die gewünschte Farbe annahm und sie sich bis zum Unterrichtende zurücklehnen konnten.

Als Eden sich umsah fielen ihr als erstes Remus, Sirius und James ins Auge. Die drei Rumtreiber saßen an einem der hinteren Tische. Remus hatte die anderen zwei rücksichtslos zur Seite geschoben unf arbeitete nun alleine, da James und Sirius scheinbar nicht das Verlangen nach Arbeit hatten und sich nun damit begnügten, die Slytherins in der Reihe vor ihnen mit herumliegenden Drachenlebern abzuwerfen.

Während Eden der salzige Geruch vom Meer und frischen Blumen in die Nase zog, fragte sie sich, was die Anderen wohl rochen.

      Im nächsten Moment schallte die Stimme des Zaubertränkemeisters durch den Kerker „Die Zeit ist um, ich hoffe Sie sind einigermaßen weit gekommen. Füllen Sie mir bitte ein bisschen Eures Trankes in ein Gefäß und gebt es nach der Stunde bei mir ab."

Und Lily sollte Recht behalten, denn als Eden zusammen mit ihr und Alice aus den Kerkern ging, hatte sie eine seiner Slug Club Einladungen in der Hand.

DER ERSTE SCHULTAG WAR HÄRTER gewesen, als Eden vorher vermutet hatte und das einzige was die Vorstellung an ein gutes Buch in ihrem Schlafsaal noch übertreffen würde, wäre sich mit einem guten Buch und Schokolade im Bett zu verkriechen.

     Peter hatte ihr schon erzählt, dass Remus derjenigen von ihnen war, der normalerweise immer Schokolade parat hatte, allerdings auch erwähnt, dass sich im Moment kein einziger, einsamer Schokofrosch mehr unter seinem Bett, wo er seine Lieblingssüßigkeit bunkerte und vor den anderen Rumtreibern versuchte zu schützen, versteckte.

Gerade war ihre letzte Stunde zu Ende gegangen und verzweifelt suchte Eden ihre rothaarige Freundin. „Lily?" schrie sie über die immer mehr werdenden Köpfe in den Gängen hinweg.

„Ja, Lya?" kam es rechts von ihr und Eden kam nicht umhin lächelnd mit den Augen zu rollen, als ihr neuer Spitzname wieder zum Vorschein kam.

„Ach, da bist du ja ... Magst du mir sagen, wie ich zur Bibliothek komme, ohne am Ende in den Kerkern oder irgendeinem Turm zu landen?"

Mit einem Arm zog Lily sie hinter sich her. „Ich komme einfach mit, ich muss sowieso noch ein paar Bücher zurück bringen. Das hatte ich über die Ferien komplett vergessen. Ich rate dir so etwas zu vermeiden, Mrs. Pince dreht mir den Hals um."

Zusammen schlenderten sie zum Gemeinschaftsraum zurück, wo sie ihre Taschen achtlos auf eines der Sofas schmissen und sich dann gleich wieder auf den Weg machten, nachdem Lily ihre Bücher aus dem Schlafsaal geholt hatte. Auf halbem Weg begann Lily zu reden. „Ich weiß, dass wir uns noch nicht besonders lange kennen, aber ich habe das Gefühl, dass ich mit dir darüber reden kann," fing Lily zögernd an. „Die Slytherins mögen dich behandeln, als würdest du zu ihnen gehören, aber seit dem Zeitpunkt, ab dem du dich für Gryffindor entschieden hast, tust du es nicht mehr. Und ich habe erlebt, wie sie mit Sirius umgegangen sind, nachdem er sich von ihnen abgewendet hat. Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist."

Für eine Zeit lang war es still zwischen den beiden, man hörte nur das Geräusch ihrer Schuhe, wenn sie den Boden berührten, dann antwortete Eden leise. „Ich bin mit diesen Menschen aufgewachsen. Ich kannte sie noch, als sie unbedarft gelacht und eine riesige Blätterschlacht veranstaltet haben," versuchte sie es zu erklären. „Mir ist bewusst, wozu sie im Stande sind, aber es ist schwer jemanden zu hassen, mit dem man jahrelang gespielt hat; der dir geholfen hat, als du das erste Mal vom Besen gefallen ist."

     „Ich denke nicht so wie die Rumtreiber, ich hoffe das weißt du. Ich finde es ist ganz allein dir überlassen, mit wem du befreundet sein möchtest, egal ob Gryffindor, Slytherin oder ein anderes Haus. Pass nur auf dich auf." Lilys Lächeln war aufrichtig und zeigte ihr, dass sie vielleicht doch besser verstand, als Eden glaubte. Als die beiden Freundinnen die Bibliothek erreichten, hatten sie kein Wort mehr gewechselt, aber es gab auch nichts mehr zu sagen. Sie würden noch das gesamte Schuljahr dafür Zeit haben.

     „Das ist sie also, die Bibliothek," konnte man James Potter aus dem Inneren ebendieser hören und Lily und Eden blickten sich verwundert an. „Witzig, ich dachte immer, sie wären ein Stockwerk tiefer," sagte er voller Erstaunen.

     „Das kommt davon, dass du den ganzen Tag mit dem Kopf in den Wolken und mit dem Arsch auf dem Besen bist, Prongs," bemerkte daraufhin die Stimme von Sirius Black.

„Du bist hier seit fast sieben Jahren und hast noch nie einen Fuß hier reingesetzt?" fragte Remus schockiert. Doch dann schien er es noch einmal zu überdenken. „Nein, tatsächlich überrascht es mich nicht im Geringsten. Du schreibst einfach immer bei mir ab."

„Warum ein System vernachlässigen, welches sich als überaus vertrauensvoll herausgestellt hat?" Eden konnte sich vorstellen wie James hinter der geschlossenen Tür sorglos grinsend mit den Schultern zuckte, woraufhin sie die Tür aufstieß.

     „Merlin muss heute besonders gütig sein, dass er mich mit eurem Anblick beschenkt," sagte James schwungvoll und mit skeptischen Blicken ließen die beiden Mädchen die Rumtreiber hinter sich und verschwanden stattdessen hinter den Regalen.

     Sie schafften es schnell wieder im Gemeinschaftsraum zu sein, sich darüber freuend, den Rumtreibern nicht noch einmal begegnet zu sein. Nachdem sie sich jedoch auf das breite Sofa legten, welches sich direkt vor dem großen Kamin befand, in dem es bruzelte, standen die vier mit verschränkten Armen und hochgezogen Augenbrauen vor ihnen. „Das sind unsere Plätze, die ihr euch da gerade geschnappt habt," begann die vorwurfsvolle Stimme von einem beleidigt dreinschauenden James Potter. Unter seinem Arm hatte er einen Haufen von Schokolade und Eden merkte, wie sie anfing zu grinsen.

„Wir wären sicherlich bereit, ein kleines bisschen zu rutschen, solange wir etwas von eurer Schokolade abbekommen," gab sie unschuldig zurück.

    Wie ein kleines Kind verzog James das Gesicht, gab sich dann jedoch geschlagen und legte beiden Mädchen eine Tafel in den Schoß, während er sich zwischen sie quetschte.

Peter und Sirius hatten sich auf die Sessel gesetzt, nachdem Remus Lily mit Leichtigkeit zur Seite geschoben und sich mit auf das Sofa gedrückt hatte.

     „Ich wusste schon damals, als ich die vier das erste Mal zusammen gesehen habe, dass sie Chaos bedeuten würden," erzählte Lily ihr, während sie sich zurücklehnte, Augen angestrengt geschlossen. „Alle anderen waren so begeistert von den Rumtreibern und ihren albernen Streichen. Sieh' wohin es uns gebracht hat, dass mir nie jemand geglaubt hat."

      Als Eden sich umsah, kam sie nicht umhin zu lächeln. Jeder im Raum hatte sie aufgenommen, als wäre sie schon seit ihrem ersten Schultag vor sechs Jahren an ihrer Seite und Eden war dankbar.

Es gab noch Momente in denen sie sich fühlte wie die Fremde, die sie in Wirklichkeit war, doch das machte ihr nichts aus. Sie würde ihr ganzes Herz darin stecken, diese Freundschaften auf ewig zu behalten.

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