kapitel neununddreißig, EIN SCHLOSS OHNE SCHLÜSSEL.













EIN SCHLOSS OHNE SCHLÜSSEL.

Das Böse führt die Menschen zusammen.

ARISTOTELES







19. Dezember 1978

EDEN WEISS NICHT, WANN DER der Moment gekommen war, als man Regulus für die Ewigkeit als Todesser gezeichnet hat. Sie vermutet seit einiger Zeit, dass es existiert, irgendwo. Eden hatte das Gemunkel gehört, dass der Dunkle Lord die Todesser brandmarkt, um sie unwiderruflich an sich zu binden. Der Gedanke lässt sie schaudern.

In der vorherigen Nacht jedoch, hatte sie durch Zufall die hässliche, schwarze Tinte auf seinem Unterarm gesehen. Fast schlimmer allerdings, ist, dass es sie nicht überrascht, nicht geschockt hat. Eden nahm es hin, dass Regulus ein schlechter Mensch zu werden scheint. Einer, der vor grausamen, blutigen Taten an den Schwächsten unter ihnen nicht zurückschreckt.

DIE TAPETE IST VERBLASST und sieht an einigen Stellen so aus, als hätten Doxys versucht, sie zu fressen. Nichtsdestotrotz, das goldene Garn, mit dem es kunstvoll bestickt isr, funkelt hell genug, um den Familienstammbaum zu erkennen, der bis ins Mittelalter zurückreicht.

Folgende Worte sind in den Teppich gestickt...

Das fürnehme und gar alte Haus der Blacks.
Toujours pur.

     Eden tritt einen Schritt näher und verfolgt mit weiten Augen die verschiedenen Zweige, welche Eltern mit ihren Kindern, Brüdern mit ihren Schwestern und Männer mit ihren Ehefrauen verbinden.

     Mit einem Finger fährt sie den feinen Zweig entlang, welcher sie mit Regulus verbindet. Das Zeichen der Heirat.

     Nur wenige Zentimeter daneben hätte sich Sirius befunden, wäre er nicht vor einigen Jahren von Zuhause weggelaufen. Der Brandfleck ist dunkel und hässlich. Walburga Black hat dafür gesorgt, dass nichts mehr von ihrem verdorbenen Sohn auf dem Teppich zu erkennen ist. Die Schande, welche er hinterlassen hat, bleibt bestehen allerdings bestehen. Das Feuer, mit dem man Sirius Gesicht ausgebrannt hat, muss sich durch den Teppich gefressen haben, denn das R in Regulus ist durch eine Rußspur entzwei geteilt. Ein bitteres Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht, als sie einen erneuten Blick auf den Wandteppich wirft. Welch eine Ironie, denkt Eden still und leise. Sirius und das Feuer, das Feuer und Siriusbeide haben einen unwiderruflichen Riss in Regulus hinterlassen.

     Regulus Eltern sind verreist und somit kann es nur er sein, dessen gedämpfte Schritte sie die Treppe hinunterkommen hört. Das Quietschen der Tür signalisiert ihr, dass er eingetreten ist.

     „In der Nacht, in der er verschwand, hat es geschneit. Schwere, weiße Schneeflocken fielen vom Himmel herab," fängt seine Stimme hinter ihr an. „Mutter hatte ihn hoch in sein Zimmer geschickt, als Strafe für etwas, an das ich mich nicht erinnere. Am nächsten Morgen war er fort und all seine Sachen mit ihm. Ich wusste, dass er niemals zurückkehren würde. Mutter brannte seinen Namen noch vor dem Mittagessen vom Stammbaum, und beim Abendessen war es, als hätte er nie existiert. Wie schnell das alles geschah, erschreckte mich mehr als alles andere. Mutter hat mich dabei beobachtet, wie sie ihn tötete." Er stockte. „Zumindest erschien es mir so, als wäre er gestorben. Wir alle wussten, dass man ohne eine Familie ein Niemand ist in diesen Zeiten. In dem Moment in dem er vom Baum verschwunden war, hörte Sirius in diesem Haus auf zu existieren."

Er tritt neben sie. „Um die Trauer darüber zu verdrängen, begann ich, ihn zu hassen. Es half, ihn nicht mehr als meinen Bruder anzusehen." Regulus räuspert sich, als sei es ihm unangenehm, so viel preiszugeben. „Es war egoistisch von ihm, mich zu verlassen. Doch ich verstehe es nun."

Verwundert dreht Eden sich zu ihm. „Was hat sich geändert?" fragt sie ihn, doch er schüttelt nur abweisend den Kopf.

Für einige Minuten herrscht Stille zwischen ihnen, während Eden weiterhin den Stammbaum studiert. Sie weiß, dass sie ihm Zeit geben muss.

„Ich habe deine Blicke erkannt," beginnt er dann. „Du hast mein Dunkles Mal gesehen."

„Dein Dunkles Mal," wiederholt Eden. „Ein netter Titel."

Aus den Augenwinkeln sieht sie, dass Regulus Mundwinkel amüsiert zucken. Langsam krempelt er den Ärmel seines Hemdes hoch.

Die Ränder der schwarzen Tinte sind ausgefranst und ein brennendes Rot schmückt sie. „Darf ich?" fragt sie zögerlich und streckt eine Hand aus.

Auf sein stockendes Nicken hin, fährt sie sanft mit ihrem Daumen über die Narben auf seinem Unterarm.

„Er fragt nach dir."

„Wer?" fragt Eden, obwohl der Ausdruck auf Regulus Gesicht ihr die Antwort gibt, bevor er sie aussprechen kann. Kalte Angst durchfährt ihre Knochen bei dem Gedanken an Lord Voldemort.

„Der Dunkle Lord."

„Was könnte er von mir wollen?" Kurz fragt sie sich, ob Regulus sie jemals vor ihm beschützen und verteidigen würde. Sie versucht, den Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben, denn die Antwort würde ihr mit Sicherheit nicht behagen.

„Er macht sich Sorgen, dass du mich von meinen Pflichten der Zaubererwelt gegenüber ablenken könntest." Regulus scheint ihr nicht in die Augen blicken zu können, als er dies sagt.

„Der reinblütigen Zaubererwelt, meinst du wohl," korrigiert sie ihn freudlos. „Bemerkenswert, wie sehr er sich um dein Wohlbefinden kümmert. Sag, von was für Pflichten spricht er da?"

Erneut weicht er ihrer Frage aus. „Er wird mich fragen, Sirius zu töten, eines Tages. Dessen bin ich mir sicher. Es wird die finale Aufgabe sein, mit der ich mich beweisen muss."

Eden muss akzeptieren, dass er ihr gegenüber nicht die komplette Wahrheit preisgeben wird. Sie darf deswegen nicht wütend werden, das weiß sie, ansonsten würde er sich von ihr abwenden.

„Meine eigene Familie," flüstert Regulus beschämt. „Ich könnte es nicht tun..."

Es gibt vieles wofür er sich schämen darf, denkt Eden. Doch das ist nicht eines davon. „Ich bin mir sicher, dass der Dunkle Lord keine Fehler vergibt."

Regulus lächelt. „Nein, mit Sicherheit nicht. Genauso wenig wie meine Eltern, auch wenn ihre Strafe wohl weniger tödlich ausfallen würde."

„Sag so etwas nicht," antwortet sie harsch. „Ich werde nicht vor 20 meinen Ehemann verlieren und eine Witwe werden."

„Dann muss ich wohl noch einige Jahre mit meinem Verrat warten," schmunzelt er.

Eden weiß nicht, was passiert ist, dass Regulus sein Lächeln wiedergefunden hat. „Das hoffe ich doch. Frühestens wenn deine Eltern verstorben sind, schließlich will ich reichlich des Black Vermögens erben."

Nun beginnt er tatsächlich lauthals zu lachen und schließt sie grinsend in seine Arme. Für eine Weile lauscht Eden seinem Herzschlag, dann seufzt er schwach. „Ich möchte meine Eltern nicht enttäuschen."

Sie versteht die Last auf seinen Schultern, auch wenn sie schwerer wiegt, als die, die ihre Eltern Eden aufgelastet haben. „Es ist nicht wichtig, wofür die Welt dich hält. Es ist wichtig, wer du wirklich bist." Ihre Stimme bricht. „Du hast so viel Gutes in dir," flüstert sie. „So viel Gutes."

     „Und mindestens genauso viel Schlechtes." Mit seiner Hand streicht er ihr eine Strähne aus der Stirn. „Ich denke das gleicht sich aus. Was übrig bleibt ist die dunkle Tinte auf meinem Arm und die Sünden, die ich begangen habe."

     Ein Teil von ihr weiß, dass Regulus die Wahrheit spricht, auch wenn sie es nicht glauben will. Denn nur er selbst weiß, was er getan hat, um die Gunst des Dunklen Lords zu gewinnen.

Wie sooft fällt ihr die Außergewöhnlichkeit seiner Gesichtszüge auf. Seine grauen Augen sind durchzogen von einem hellen Blau und umrahmt von dichten, dunklen Wimpern. Die hohen Wangenknochen ähneln den ihren und sie hat das Bedürfnis seine Konturen mit einem Finger nachzuziehen. Die vollen Lippen und geschwungenen Augenbrauen. Er hat seine schwarzen Haare in den letzten Wochen wachsen lassen und sie lassen sich schon jetzt hinter seine Ohren streichen. Bald würden sie bis auf seine Schultern reichen.

Eden wünscht sich, ihn lieben zu können. Ein Teil von ihr hat dies möglicherweise einmal getan, tut es noch immer.

Doch sie braucht Sirius Licht und nicht Regulus Dunkelheit. Sie braucht Hoffnung — und nur Sirius kann ihr diese geben.

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