kapitel dreizehn, DIE STILLE IM SCHLOSS.













DIE STILLE IM SCHLOSS.

Alles wahrhaft Böse wird aus Unschuld geboren.

ERNEST HEMINGWAY






28. November 1977

EDEN KONNTE SICH NICHT MEHR daran erinnern, wie man sie in das Schloss gebracht hatte. Als sie zu Bewusstsein kam, war alles nur dunkel und kalt. Sie hörte nur ihren eigenen Atem, flach und schnell. Sie konnte nichts spüren, außer die Schmerzen, die sie noch immer umgaben, sie wieder einlullten und ins schwarze Nichts zogen.

     Das nächste Mal als Eden aufwachte, pochte ihr Kopf dröhnend, als würde er jederzeit zerspringen. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, obwohl es ihr noch immer nicht möglich war, diese zu öffnen. Sie kämpfte, doch wurde sie immer schwächer und letztendlich ließ sie das Hämmern gewinnen, wurde erneut verschluckt vom süßen, traumlosen Schlaf, der ihren Schmerz nehmen würde.

     Doch nur für eine gewisse Zeit, denn als Eden ein weiteres Mal erwachte, brannten ihre Gliedmaßen, als ständen sie unter Feuer. Unerträgliche Schmerzen empfingen sie, als sie ihre Augen öffnete. Sie blinzelte und langsam wurde alles schärfer, doch blieb der Wunsch, wieder abzutauchen in die Leere, die so beruhigend gewesen war.

     Ihre Augen trafen auf eine sterile, weiße Decke, die nur die des Krankenflügels sein konnte. Und mit einem Schlag krachte alles auf sie herein, warum sie hier war, was geschehen war.

     „Nicht so eilig, meine Liebe," stoppte sie eine sanfte Stimme, als Eden versuchte, sich aufzurichten. „Deine Wunde ist noch nicht komplett verheilt, Ruhe is nun essenziell."

     Sie öffnete den Mund, doch kam nur ein Krächzten heraus, woraufhin die Krankenschwester, die an ihr Bett geeilt war, ihr schnell ein Glas Wasser in die Hand drückte, welches sie in wenigen großen Schlucken getrunken hatte.

     „Wo sind die Anderen?" war das Erste, was Eden fragte. Ihre Augen hatten den Krankenflügel nach bekannten Gesichtern durchsucht, doch war jedes Bett von Vorhängen umgeben.

     „Deine Freunde warten vor der Tür. Soll ich sie holen?" fragte Madame Pomfrei, doch machte sie sich schon auf den Weg, wusste sie die Antwort natürlich schon.

     Als sie ihren Kopf durch die Tür steckte, um den Wartenden Bescheid zu sagen, konnte Eden ihre warnenden Worte hören, sie bloß nicht in Erregung zu versetzten oder aufzuregen. Nachdem Lily Madame Pomfrey mit samtiger Stimme versprochen hatte, nichts dergleichen zu tun, ließ diese sie zögerlich in den Krankenflügen.

     Doch im Gegensatz zu der jungen Krankenschwester waren Edens Freunde nicht zögerlich oder zaghaft, sondern zogen sie alle nacheinander in eine ruppige Umarmung.

     „Wie geht es—"

     „Hast du Schmerzen—"

     „Wie fühlst du—"

     Jeder plapperte drauf los, doch bevor die Angesprochene in irgendeiner Weise reagieren konnte, war ein Zischen aus Madam Peomfreys Richtung zu hören, woraufhin sie alle nacheinander verstummten.

Eden war ausgelaugt und die Erinnerungen an letzte Nacht, welche langsam zurückkehrten, machte sie nur noch unglücklicher mit ihrer jetzigen Situation.

     Als sie sprach war ihr Stimme rau. „Gibt ... es jemanden, der es nicht geschafft hat?"

      An den Blicken, die sich ihre Freunde zuwarfen, wusste sie, dass die Antwort Ja lauten würde. „Wie viele?" fragte Eden also daraufhin.

     Es war Remus der das Wort ergriff. „Drei." Er räusperte sich und fügte dann hinzu, „Niemand den wir kannten."

     Von Eden fiel die Anspannung ab und sie schloss kurz die Augen. Sie war sich sehr wohl bewusst, wie egoistisch es war, doch kam sie nicht umhin, dankbar zu sein. Dass sie niemanden betrauern musste.

               AM NÄCHSTEN MORGEN WAR EDEN schon wieder auf den Beinen. Obwohl Madame Pomfrey ihr stark davon abgeraten hatte, hielt sie es nicht länger im Krankenflügel aus und so war sie zusammen mit Lily und Alice auf dem Weg zur Großen Halle.

     Die Stimmung in Hogwarts war noch immer angespannt, man hörte kein Lachen in den Gängen, welche wie ausgestorben schienen. Die Schüler blieben lieber in den Gemeinschaftsräumen oder gingen schnellen Schrittes, den Kopf gesenkt, zum Essen.

      Doch an diesem Morgen war es anders. Denn Albus Dumbledore hatte angedeutet, eine Ansprache zu halten, zu Ehren der Verstorbenen.

     Als Eden die Große Halle betrat drehten sich viele Köpfe zu ihr um. Der Schnitt, welcher über ihre Wange verlief, war noch nicht verheilt, genauso wenig wie die aufgeplatzte Lippe.

     Schnell begaben die drei Mädchen sich zum Gryffindor Tisch, wo die Rumtreiber und Frank schon auf sie warteten.

     Es schien, als habe der Schulleiter nur auf sie gewartet, denn als sie sich gesetzt hatten, schob er seinen Stuhl zurück und begab sich vor den Lehrertisch.

      „Vor uns liegen dunkle, schwere Zeiten. Das hat uns diese fatale Nacht in Hogsmeade, bei der drei unserer Mitschüler von uns gegangen sind, gelehrt. Kit Midgeton, Jean Buchanan und Celeste Hunt hatten noch ihr gesamtes Leben vor sich, bevor es ihnen genommen wurde. Der Schmerz, den wir alle über diese Verluste empfinden, erinnert mich, erinnert uns, daran, dass wir uns schon bald entscheiden müssen, zwischen dem richtigen Weg und dem Leichten. Im Licht der jüngsten Ereignisse dürft ihr eines jedoch nicht vergessen: Ihr seid nicht allein."

     Professor Dumbledore sah müde aus, als er seine Rede beendete. Es war das erste Mal, dass Eden realisierte, dass möglicherweise nicht einmal er sie beschützen konnte, vor dem, was außerhalb der Mauern Hogwarts auf sie wartete.

     Während er gesprochen hatte, war ihr Blick zum Tisch der Slytherins gehuscht. Sie kam nicht umhin, zu bemerken, dass die Worte ihres Schulleiters viele von ihnen nicht bewegten, stattdessen redeten sie untereinander leise, hier und da sah sie sogar ein Lachen aufblitzen.

„EDEN."

     NACH DEM ESSEN HATTE sich Eden von ihren Freunden verabschiedet und war in die Bibliothek verschwunden. Dort konnte sie am besten vergessen, ihre Gedanken verdrängen.

     Mittlerweile fing die Dämmerung an, einzusetzen und als ihr Magen geknurrt hatte, machte sie dich auf den Weg zur Großen Halle, um noch etwas vom Abendessen abzukriegen. Doch sie hätte wissen müssen, dass ihre Albträume sie irgendwann einholen würden, dieses Mal in der Form von Regulus Black.

     Sein eiserner Griff wandte sich um ihr Handgelenk und bevor sie vor Schreck aufschreien konnte, hatte er sie in ein leeres Klassenzimmer geschoben.

     „Was für eine schöne Art mit mir unter vier Augen zu reden, Regulus," giftete sie ihn an.

     Doch er reagierte überhaupt nicht auf ihre Wut. Er stand mit dem Rücken zu ihr und ließ nur ein verächtliches Schnauben hören.

     Für eine kurze Zeit herrschte Schweigen, bevor es Eden zu lächerlich wurde und sie ihre Hand nach dem Türknauf ausstreckte, um zu verschwinden.

     „Du wirst jetzt nicht einfach gehen." Seine Stimme war ruhig und kalt und ihre Hand zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt.

     „Dann rede mit mir!" Sie hatte keine Lust Spielchen mit ihm zu spielen.

     Er rang mit sich, als würde er nicht die richtigen Worte finden, um auszudrücken, was er auf dem Herzen hatte.

„Du weißt, wessen Werk der Angriff in Hogsmeade war?" fragte er sie dann, eine Spur wärmer.

Eden jedoch konnte ihn nur fassungslos ansehen. „Ob du es glaubst oder nicht, auch ich, als schändliche Gryffindor besitze noch einige funktionierende Gehirnzellen," antwortete sie somit ironisch.

Glaubt er wirklich, ich wäre so dämlich?

„Oh, Potter scheint mir manchmal besser im Kindergarten aufgehoben zu sein, bei seinen geistigen Fähigkeiten," schoss er zurück.

Doch die Angesprochene rollte nur genervt mit den Augen und verschränkte die Arme. „Du hast mich nicht hierher geschleppt um mit mir über James akademischen Leistungen zu sprechen, Regulus."

„Nein, das habe ich in der Tat nicht," sagte er dann, auch er hatte sich beruhigt, wenn auch seine Haltung noch immer abweisend war. „Eigentlich wollte ich mich vergewissern, dass es dir gut geht, allerdings habe ich meine Meinung in den letzten paar Minuten geändert und nun würde ich gerne mit dir über die Weihnachtsferien sprechen."

Eden wusste natürlich, wovon der Slytherin sprach, doch wollte sie es aus seinem Mund hören. „Was meinst du?" fragte sie also scheinheilig.

Natürlich wusste Regulus, dass sie nicht so dumm war, wie sie tat. „Ich dachte du wolltest keine Spielchen spielen."

„Ich denke nicht, dass wir einen Grund haben, über unsere Verlobung zu reden," sagte sie also trotzig, wie ein kleines Kind.

Nun war er es, der die Augen verdrehte. „Ich werde nicht mit ansehen, wie meine baldige Verlobte ihren und somit auch meinen Ruf in den Dreck zieht, nur weil sie der Meinung ist, ein wenig rebellieren zu müssen und mit Blutsverrätern und Schlammblütern anzubandeln."

„Leider ist es mir komplett egal, was du oder irgendein anderer von euch Todessern von mir hält!" antwortete sie darauf zornig. „Sieh, du bestreitest es nicht einmal! Du kannst es gar nicht abwarten vor dem Dunklen Lord auf die Knie zu fallen."

„Vielleicht solltest du noch einmal überlegen, nicht das selbe zu tun. Ansonsten könnte es sein, dass du sehr bald für einen Platz in dieser Welt kämpfen musst." In Regulus grauen Augen stürmte es und auch er musste seine Wut unterdrücken.

„Dann kämpfe ich nunmal, auch wenn es gegen dich ist. Oder, hilf mir auf die Sprünge, haben wir das etwa schon in Hogsmeade? Warst es vielleicht du, der mir den Bauch aufgeschlitzt hast?" Die beiden waren sich immer näher gekommen und standen nur noch wenige Meter voneinander entfernt. Diese überbrückte Regulus mit schnellen Schritten.

„Ich würde dir niemals etwas antun," waren seine Worte auf Edens Anschuldigung. Seine rechte Hand hatte sich um ihren Nacken gelegt, um sie daran zu hindern, zurückzuweichen.

„Bist du dir sicher?", flüsterte sie. „Wenn du erst einmal einen Schwur geleistet hast, ihm deine Treue geschworen hast ..." Sie ließ den Rest des Satzes offen, doch natürlich konnte Regulus sich denken, was sie sagen wollte. Ihre Augen waren traurig.

Mit einem Ruck ließ er sie los, doch entfernte er sich keinen Zentimeter von ihr.

Seine schwarzen Haare waren zerzaust, sein Atem ging schnell und sein Mund war geöffnet. Er hatte den Ansatz eines Bartes, leichte Stoppel und Eden kam nicht umhin, mit ihrem Daumen über seine Wange zu streichen.

Regulus schloss die Augen, wollte er sie doch so sehr küssen, dass er sie nicht mehr ansehen konnte, ohne die Kontrolle zu verlieren. Er wollte sie so küssen wie er es einmal getan hatte, als sie noch jünger waren. Doch dieses Mal würde es nicht harmlos und unschuldig sein. Er wollte sie spüren, ihre vollen Lippen und ihre Hände in seinem Haar.

Als sie anfing zu reden, zitterte ihre Stimme und ihre Hand fiel schlaff wieder an ihre Seite. „Ich habe meinen Vater darum gebeten, weißt du? Vor einigen Jahren, ich war so jung und dachte, dass man nur heiratet, wenn man verliebt ist, da habe ich meine Eltern angefleht, mich mit dir zu verloben." Er hatte seine Augen wieder geöffnet und sah sie mit diesen verständnislos an, als würde er nicht ihre Sprache sprechen, nicht glauben, was Eden ihm dort erzählte. „Doch ihre Antwort war immer die gleiche und sie brach mir mein naives Herz. Du wirst einen Black heiraten, nur leider den anderen," sie lachte freudlos bei diesen Erinnerungen, an die sie schon so lange nicht mehr gedacht hatte. „Und jetzt, Jahre später, denke ich, vielleicht hätte ich es andersherum machen sollen."

„Liebst du ihn?" fragte er heiser.

„Ich weiß es nicht."

„Wirst du mich jemals lieben können?"

„Ich weiß es nicht."





JENSEITS VON EDEN.    anmerkungen.

Ich versuche Regulus wirklich so darzustellen, dass es realistisch erscheint, dass er eines Tages Todesser wird und trotzdem so, dass er kein schlechter Mensch ist.

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