kapitel dreiundzwanzig, LIEBESHYMNEN.












LIEBESHYMNEN.

In dem Moment,
in dem Menschen sich verlieben,
werden sie zu Lügnern.

HARLAN ELLISON






24. Januar 1978

EDEN IST FAST FROH, als der Tag kommt, an dem sie nach Hogwarts zurückkehrt. Natürlich wird sie ihre Familie schrecklich vermissen, doch sie hofft, dass sie das leere Gefühl, welches sie seit der Verlobungsfeier begleitet, in Hogwarts unter Hausaufgaben und lernen vergraben kann.

Ihre Freunde haben ihr viele Briefe in den letzten Tagen geschickt, doch hat sie keinem von ihnen beantwortet, schließlich weiß sie selbst nicht genau, wie sie auf das oft gefragte Wie geht es dir? antworten soll. Deswegen fühlt sich Eden zusätzlich noch schuldig, bei dem Gedanken, ihre Freunde wiederzusehen, um die sie sich in den letzten zwei Wochen so miserabel gekümmert hat.

Ihre Eltern verschwinden schon früh zur Arbeit und da auch Filip dieses Mal keine Zeit hat, sie zu begleiten, verabschieden Noah und sie sich schon vorher von ihnen und stehen nun einsam auf der Schwelle ihrer Haustür.

Noah seufzt schwer und dreht sich zu Eden. „Vater ist sehr stolz auf dich, weißt du. Er hat es mir selbst gesagt am Abend deiner Verlobung."

Fast lacht Eden als Antwort nur. „Er kann es so einfach sagen, schließlich hatte er die Wahl wann und mit wem er sein Leben verbringen würde ... Genau wie du sie haben wirst," gibt sie stattdessen zurück. „Und außerdem bringt mir sein Stolz meine Freiheit nicht zurück."

Sie will ihrem Bruder wahrlich kein schlechtes Gewissen machen, schließlich weiß sie, dass ihre Situation keineswegs seine Schuld ist, aber als sie es in seinen Augen sieht, nimmt sie ihre Worte nicht wieder zurück. Als er zu einer Antwort ansetzen wollte, steht jedoch bereits der Hauself neben ihnen, welcher sie zum Gleis 9 3/4 begleitet. Zusammen nehmen sie seine Hand und stehen innerhalb weniger ungemütlicher Sekunden mit einem Plopp vor der großen, roten Dampflok.

Sie nickt dem Hauselfen dankbar zu und dreht sich dann zu Noah. „Wir sehen uns," sagt sie und gibt ihm ein knappes Lächeln, doch damit ist er nicht zufrieden. Er zieht sie in eine feste Umarmung und Eden merkt, wie ihre Augen wässrig werden. Schnell wischt sie diese schnell an ihrem schwarzen Umhangärmel ab. „Pass auf dich auf," flüstert er, bevor er sie wieder loslässt und sie, wie sooft, getrennte Wege gehen.

Als sie die Stufen besteigt und im engen Gang ankommt, bleibt sie kurz stehen. Ein drückendes Gefühl von Heimat überkommt Eden und ihr wird kurz schummerig. Sie will in das Abteil ihrer Freunde, doch will sie nicht von Fragen über ihre Ferien gelöchert werden.

Die Entscheidung wird ihr abgenommen, als sich hinter ihr jemand räuspert und sich dieser jemand als eine breit lächelnde Alice herausstellt.

Genau wie Noah umarmt sie Eden lange. „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe," sagt sie und Eden merkt, wie ihr ein weiteres Mal die Tränen in die Augen steigen.

Merlin, flucht sie innerlich, so sentimental heute.

„Es tut mir so unglaublich leid, dass ich keinem von euch geschrieben habe —" fängt sie sofort an, doch Alice fällt ihr ins Wort. „Glaub mir, Lya, wir verstehen es. Mach dir keine Sorgen. Du kannst mit uns darüber reden, wann immer es dir passt und wenn das niemals bedeutet, dann akzeptieren wird auch das."

Mit diesen Worten nimmt Alice ihren Arm und zusammen machen die beiden sich auf die Suche nach ihren Freunden. Auf dem Weg bemerkt Eden die neugierigen, stechenden Blicke ihrer Mitschüler auf sich. Es scheint, als sei ihre Verlobung kein Geheimnis in den Reihen ihrer Mitschüler und Eden ist mehr als erleichtert, dass es nicht lange dauert, bis Alice eine der Türen aufschiebt und dahinter die Rumtreiber und Lily sitzen, welche die beiden lächelnd begrüßen. Auch sie machen nicht den Eindruck, als wären sie in irgendeiner Weise verärgert.

Einzig Sirius ist schweigsam, auch wenn er sich ein paar Mal an den Gesprächen beteiligte, ist er in sich gezogen. Seine Augen sind müde. Als er nach einer Weile das Abteil verlässt, beginnt die Sonne draußen langsam unterzugehen und tauchte sie alle in ein gleißendes, rotes Licht. Eden überlegt nicht lange und läuft ihm vor den Augen ihrer Freunde hinterher.

„Sirius," sagt sie und als er sich nicht umdreht, wiederholt sie seinen Namen etwas kräftiger. „Sirius!"

Abrupt bleibt er mitten im Gang stehen und auch Eden kommt stolpernd zu einem Stopp. Er steht mit dem Rücken zu ihr und vorsichtig hebt sie die Hand, um sie ihm auf die Schulter zu legen, lässt sie dann jedoch wieder fallen.

Innerlich flucht sie, weil sie keinen Schimmer hat, was sie ihm eigentlich sagen will.

Langsam dreht Sirius sich um und fährt sich ungeduldig durch seine schwarzen Locken. „Gibt es überhaupt noch etwas, das wir uns zu sagen haben?" fragt er sie leise mit zusammengezogen Augenbrauen.

„Es gibt so viel das ich dir sagen möchte," antwortet Eden und versucht die Verzweiflung aus ihrer Stimme zu vertreiben.

Sirius lächelt daraufhin leicht. „Aber würde es etwas ändern, wenn du es aussprichst?"

Nein, denkt sie bitter. Doch das heißt nicht, dass ich es nicht trotzdem sagen will.

„Vielleicht," flüstert Eden stattdessen. Doch genau wie sie weiß wuch er, dass es eine Lüge ist. Sie ist verlobt. Es gibt keine Zukunft für sie.

„Ich nehme es dir nicht ein mal übel, dass du denkst, aus uns würde je etwas werden. Dass ich einfach so darüber hinweg sehen könnte, dass du meinen Bruder heiraten wirst," sagt er. Zum Ende hin wird seine Stimme lauter und Eden erkennt erst jetzt, wie wütend er tatsächlich ist. Es tut ihr leid, dass sie ihm das Leben schwerer macht, als es sowieso schon ist. Sie hat sich selbst schon eingestanden wie selbstsüchtig es von ihr ist, ihn trotzdem nicht loszulassen.

Wieder erinnert sie sich an seine Worte. Ich liebe dich.

Wenn man jemanden liebt, muss man mutig sein. Mutig genug, um ihnen zu sagen, dass man sie liebt oder mutig genug, sie dabei zu sehen, wie sie jemand anderen lieben. Eden will Sirius lieben und sich von ihm lieben lassen. Und deshalb sagt sie es, mitten im Gang des Zuges, es ist ihr vollkommen gleich. „Ich liebe dich auch."

Mit zittrigen Finger fährt Sirius sich noch einmal durch die unordentlichen Haare, doch als er realisiert, was Eden gesagt hatte, lässt er sie schwach fallen und sieht sie nur ungläubig an. Verzweifelt schließt er seine grauen Augen und streicht sich langsam über's Gesicht. „Das ändert nichts," flüstert er, aber seine Stimme ist unsicher und als Eden einen Schritt näher tritt, seufzt er niedergeschlagen. „Es wird uns zerstören."

     Er hat sich oft genug in Gedanken ausgemalt, wie Eden seinen Bruder heiratet und jedes Mal hat es schrecklich geschmerzt. Er will sich nicht vorstellen, wie viel grausamer es in der Realität sein wird.

     Doch Eden ist seinen Schmerz wert. Er will das Risiko eingehen, dass sie ihm das Herz brach.

„Wir leben in gefährlichen Zeiten, Sirius. Manchmal müssen wir etwas riskieren," sagt sie und zieht ihn zu sich. Sie legt ihren Kopf auf seine Brust, welche sich langsam hebt und senkt. Seinem leisen Herzschlag zu lauschen, beruhigt sie und versichert ihr, dass sie die richtige Entscheidung trifft, auch wenn diese an ihr nagt. Denn Eden weiß, dass wann immer sie die stechend graue Augen von Regulus erblickt, die denen seines älteren Bruders so sehr gleichen, es sie daran erinnern wird, dass es für sie nie ein Was wäre wenn? gegeben hat. Einmal hat sie geträumt, wie es wäre zusammen wegzulaufen und alles hinter sich zu lassen und als sie mit einem seligen Lächeln aufgewacht war, hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Sie hat sich gesagt, wie kindisch ein solcher Traum sei und dass Träume nun mal auch Träume bleiben, wenn man in einer Welt wie ihrer lebt.

Schweigend kehren sie zusammen in das Abteil zurück, in dem noch immer ihre Freunde auf ihre Rückkehr warten. Es dauert einige Zeit, bis Sirius den Mut aufbringt, einen Arm um ihre Schultern zu legen, denn dies bedeutet, dass es kein Zurück mehr gibt. Aber wie könnte er ihr jemals widerstehen? Wie von selbst heben sich Edens Mundwinkel, als er sie zu sich zieht.

Die Sonne ist in ihrem Lächeln. Sirius weiß, dass er brennen wird, doch kann er nicht anders, als noch ein winziges bisschen näher an sie heranzurücken.

Eden werden seine Worte noch lange verfolgen. Es wird uns zerstören, hatte er gesagt und eines Tages wird sie ihm Recht geben.

     Es wird sie zerstören.






JENSEITS VON EDEN.

Erzählt doch mal ganz ehrlich: Was wünscht ihr euch für die nächsten Kapitel?

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