kapitel dreiunddreißig, DIE ZEIT ZWISCHEN DEN FINGERSPITZEN.
DIE ZEIT ZWISCHEN DEN FINGERSPITZEN.
Es sind jene, mit denen wir leben
und die wir lieben, die wir übersehen.
NORMAN MACLEAN
30. Juni 1978
DER HERZSCHMERZ IST AM NÄCHSTEN Morgen noch da, doch es ist nur noch ein dumpfes Pochen in ihrer Brust.
Ihre Koffer hat Eden schon am Nachmittag zuvor gepackt und somit weiß sie nichts mit sich anzufangen, als sie allein im Gemeinschaftsraum sitzt. Der Kamin brutzelt laut, während sie ein letztes Mal in einem Roman blättert, den sie vor der Abreise noch zurück in die Bibliothek bringen muss. Ihre Augen gleiten über das Papier, doch mit ihren Gedanken ist Eden weit weg.
Eden hatte zusammen mit Lucius Malfoy den Ball als letztes verlassen und ein bisschen betrunken waren sie nach Mitternacht noch über die Ländereien gelaufen. Sie spürt den Feuerwhisky auch jetzt noch, in der Form von leichten Kopfschmerzen und einer pochenden Übelkeit.
Irgendwann fing es an zu regnen und der Wind zerrte an ihnen. Das Schloss sieht bei Nacht noch schöner aus als am Tag, das hat Eden an dem Abend gelernt. Die Türme hatten hell im Licht des Mondes geglänzt und sich gegenseitig überragt. Die gewaltigen Mauern sind ihr Zuhause geworden, durch und durch.
Eden hört leise Schritte hinter sich, aber damit rechnend, dass es ein Drittklässler ist, der seine Hausaufgaben irgendwo liegen gelassen hat, dreht sie sich nicht um.
Erst als Sirius in ihr Blickfeld gelangt, hebt sie erstaunt den Kopf. Sie seufzt.
Kurz sieht er so aus, als würde er sich neben sie setzen wollen, doch dann scheint er es sich anders zu überlegen. Er reibt sich verzweifelt die Augen.
„Rede mit mir, Lya. Bitte."
Eden sieht ihn lange an, bis sie schlicht nickt und das Buch zuklappt. Sie zwingt sich, ruhig zu bleiben.
Sirius fragt sich, wo ihre Wut ist, die Enttäuschung, welche er an jenem Abend in ihren Augen hatte lesen können.
Es scheint, als hätte sie seine Gedanken gelesen, als sie schließlich etwas sagt. „Ich war wütend. Merlin, und wie. Vor allem auf mich selbst, weil ich mich in dich verliebt habe." Eden atmet tief durch und betet, dass ihre Stimme nicht zittert. „Alice hat gesagt, ich soll ehrlich zu dir sein. Also kommt hier die Wahrheit. Das hier ist nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber ich werde auch diesen Weg nehmen. Vielleicht weil ich weiß, dass ich es nicht mehr ändern kann oder vielleicht weil ich es endlich verstehe. Nicht jedermanns Leben ist für die Liebe gemacht. Nicht alle von uns landen am Ende ihrer Tage in den Armen ihres Seelenverwandten, aber das ist in Ordnung. Denn ich habe mehr Liebe in meinem Leben als viele andere und ich bin dankbar."
Sie stockt kurz, bevor sie fortfährt. „Vielleicht bist du die Liebe meines Lebens, vielleicht ist es auch nur ein jugendlicher Rausch, aber so fühlt es sich nicht an. Was wir hatten, war etwas gutes und ich dachte, dass es mehr sein könnte, als das hier. Ich lag falsch und es tut mir leid, weil ich wusste, dass du nie lange bleibst und trotzdem habe ich es erwartet."
Ihre Stimme bebt und sie weint und Sirius will ihr die Tränen von den Wangen wischen, aber er weiß, dass er kein Recht hat, sie zu trösten. Nicht mehr.
Als sie weiterspricht sind ihre Tränen getrocknet und ihre Stimme fest. „Ich hoffe, dass du glücklich wirst, irgendwann, so sehr wie ich hoffe, dass ich mit Regulus glücklich werden kann. Ob mit ihr oder jemand gänzlich anderem, denn das hast du verdient, Sirius."
„Auch du verdienst es, glücklich zu sein."
„Das Leben ist nicht gerecht," antwortet Eden. Ihr Lächeln ist traurig, aber aufrichtig. Sirius kommt es vor wie ein Abschied. Er will ihr widersprechen, ihr sagen, dass das nicht die Wahrheit ist, doch er lässt sie gehen.
Und sie lässt ihn los.
IN EDENS AUGEN SIND ERNEUT TRÄNEN, als sie sich ein letztes Mal in der Großen Halle umsieht. Sie ist bunt gefüllt mit ihren Mitschülern und dessen Familien, die sich alle fröhlich miteinander unterhalten.
Auch ihre Eltern sind dort und obwohl sie den Gedanken nicht loslässt, dass an ihrer Seite auch Filip sein sollte, kann sie lächeln. Ihre Vater strahlt, als wäre er noch nie stolzer gewesen, als an diesem Tag und ihre Mutter fängt an zu weinen, als sie ihre Tochter in die Arme schließt und Eden fühlt sich geliebt und unendlich glücklich.
Sirius Eltern sind nicht anwesend, aber es macht ihm nichts mehr aus, hat er doch in seinen Freunden eine eigene Familie gefunden. Professor McGonagall nimmt ihn in den Arm, als sie ihm sein Hogwarts Zeugnis überreicht und das ist genug für ihn, um seine grausame Mutter und seinen griesgrämigen Vater aus seinen Gedanken zu verbannen.
Eden erblickt James, der Lily gerade offiziell seinen Eltern als seine feste Freundin vorstellt und sie kann nicht anders, als lauthals zu lachen, als Euphemia Potter fast in Freudentränen ausbricht. „Mein kleiner James!" ruft sie begeistert aus und nimmt zuerst ihren Sohn in den Arm, während dieser aussieht, als würde er am liebsten im Erdboden versinken, und dann eine schmunzelnde Lily.
Als sie Regulus kalten Blick trifft, stirbt das Lachen auf ihren Lippen. Er würde erst im nächsten Jahr seinen Abschluss machen, aber Eden weiß, dass dies nicht passieren wird. Er rechnet fest damit, noch diesen Sommer in die Reihen Lord Voldemorts aufgenommen zu werden und nie wieder nach Hogwarts zurückkehren zu müssen.
Eden versucht, die dunklen Gedanken aus ihrem Kopf zu verscheuchen und wendet sich von Regulus ab.
Warme Hände bedecken auf einmal ihre Augen von hinten und sie kommt zurück in die Realität. „Wer bin ich?" fragt sie jemand mit verstellter Stimme.
„Dumbledore? Ihre Haut fühlt sich super an für 140. Was für eine Creme benutzen Sie?" Mit einem breiten Grinsen dreht Eden sich zu Remus um, der beleidigt dreinschaut. Er rollt mit den Augen und schnaubt, bevor er sie mit sich zieht.
Sie nähern sich ihren restlichen Freunden, die nun zusammen etwas abseits stehen.
„Es waren gute sieben Jahre," hört sie James feierlich in die kleine Runde sagen, in Erinnerungen schwelgend. „Und ich hoffe, dass noch viele weitere folgen werden."
Sie alle sind voller Hoffnung an die Zukunft, als sei sie aus Gold.
Und die Zukunft ist zum Greifen nah, doch schaffen sie es nicht sie einzufangen, und so müssen sie zusehen wie sie ihnen entgleitet, wie Sand zwischen den Fingerspitzen verrinnt.
Erst als sie zurückblicken können sie sich ihre Fehler eingestehen, ihre jugendliche Naivität.
Hätte man einen von ihnen gefragt, später, während der dunklen Zeiten, was sie tun würden, wenn sie die Vergangenheit verändern könnten, dann hätten sie keine Antwort gehabt, für die Frage, die sie sich jeden Tag selber stellten. Aber daran denken sie noch nicht, weder Lily oder Alice, noch einer der Rumtreiber. Einzig Eden wird es schwer ums Herz mit Furcht, als sie ein letztes Mal gemeinsam mit ihren Familien in die rote Dampflok steigt, welche sie nach Süden trägt, und Hogwarts von Bergen und Wäldern verschluckt wird.
Hätte Eden gewusst, dass es das letzte Mal sein würde, hätte sie vielleicht ein wenig länger hingesehen.
JENSEITS VON EDEN.
Holla die Waldfee, das war's! Die Zeit in Hogwarts ist um und die nächsten Kapitel werden über die Zeit danach berichten.
Und keine Angst, das ist noch nicht das Ende von Sirius und Eden ;)
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