8 Erzähl mir von morgen.
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„T-Tut mir leid... ich... hasse den Geruch von Nikotin."
Das war aber ein enormer Hass, wenn sie so darauf reagierte. Ich streckte die Beine aus und stellte mich darauf ein, dass wir besser eine Weile sitzen blieben. Ich reichte ihr die Wasserflasche und sie nahm sie an, nachdem sie sich das feuchte Haar aus dem Gesicht strich.
Dann stellte ich eine Frage, der Fizzy schon seit Monaten heimlich und mit allen Tricks auswich.
„Was... ist der Grund, ich meine, es musst doch etwas passiert sein?"
Fizzy schwieg betreten und strich sich immer und immer wieder durch das feuchte Haar. Sie war blass wie die Wand und zwang sich kontrolliert zu atmen. Es war furchtbar sie so zu sehen. Deshalb befeuchtete ich die Lippen und sprach: „Es ist in Ordnung, wenn du mir das nicht sagen willst, aber vielleicht solltest du mit jemanden reden, dem du so sehr vertraust, dass du... na ja, Hilfe bekommst."
„Darum habe ich mich gekümmert", sprach sie trocken und ich runzelte die Stirn: „Worum genau?"
Sie war ein Buch mit sieben Siegeln und zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie wenig ich doch eigentlich über Fizzy wusste.
Kurz sah sie ins Leere und ich glaubte fast, dass sie mir etwas erzählte, als sie doch bockte. Stattdessen fragte sie: „Können... wir etwas Trinken und das von eben vergessen?"
Nein, ich würde ganz sicher nicht diese Panikattacke aus meinen Kopf löschen, doch mit drängen kam ich ganz sicher nicht weiter und am Ende ließ sie mich hier noch stehen und haute ab.
Ich schlug also vor: „Ich weiß etwas noch Besseres als das Speck-Eck. Resteessen in der WG ist sowieso billiger und mir ist nicht wohl dabei, wenn du jetzt noch Auto fährst. Lass mich nur fix Noah fragen, ob er auch bereit dafür ist."
Benny war nicht da, er kam erst Ende der Woche zurück, also hatten wir so gesehen sogar Sturmfrei. „Wir lassen uns von ihm bekochen und machen bis morgen früh einfach gar nichts."
Zuerst sah mich Fizzy irritiert an, doch sie warf auch nichts ein und so kam es, dass eine halbe Stunde später ein ziemlich angepisster Noah auf uns vor Fizzys Wagen wartete. Ich wollte nicht, dass sie heute noch Auto fuhr und da ich selbst mir das mit der verstauchten Hand und dem humpelnden Fuß nicht zutraute, übernahm er das.
In einer WhatsApp-Nachricht hatte ich ihn um einen großen Gefallen gebeten, ohne Rückfragen zu stellen. Das war einer unserer Deals – ohne Rückfragen hieß schlicht ein guter Freund zu sein. Ganz egal zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort sich jemand befand.
Das erste Mal, als Noah diesen Deal nutzte zog ich ihm Kaltwachsstreifen vom Rücken und den Beinen. Wie die da hingekommen waren, hatte er mir bis heute nicht erklärt und ich fragte, wie versprochen, nicht nach.
Solche Deals waren einfach praktisch, wenn man vor Scham im Boden versinken wollte oder in meinem Fall dringend 300 Pfund brauchte, weil man bei, shoppen auf Amazon den Kopf verloren hatte.
Ich zahlte Noah das Geld zurück und der Harry-Potter-Jumpsuit zum schlafen lag heilig verstaut in meiner Schrankschublade. Wer konnte schon in 300 Pfund Goldstoff ein Auge zumachen? Leider war mir das Ding außerdem noch zu klein und ich hatte es nicht übers Herz gebracht es zurück zu schicken.
»Was eine krasse Karre«, gebärdete Noah, als Fizzy ihm den Autoschlüssel gab und er damit fahren durfte. Seine Augen glänzten vor Vorfreude. Männer und ihre großen Spielzeuge.
Fizzy schrieb Eleanor, dass sie bei uns übernachten würde und nachdem ich die Stufen im Treppenhaus angestrengt bekämpfte, da kam ich keuchend in der Wohnung an. Es war furchtbar spät und normalerweise wäre ich direkt ins Bett gegangen, doch so fragte Noah: »Dickkopf, gibt es etwas, was du nicht essen magst?«
Verwirrt wiederholte Fizzy: »Was bedeutet-«, sie machte die Gebärde für Dickkopf und ich lachte: „Das ist die Geste für Dickkopf."
„Und wieso nennt er mich so?"
Nun hielt ich beschämend inne und erklärte: „Ähm... das ist... dein Gebärdenname."
Zuerst blinzelte Fizzy nur, doch dann kicherte sie: „Im Ernst? Wie cool ist das denn!" Sie wirkte stolz und wiederholte einige Male die Gebärde für Dickkopf.
Vorsorglich gab ich Fizzy eine bequeme Leggins und ein Shirt zum schlafen. In gemütlichen Klamotten hockten wir uns in die kleine Küche. Dort gab es heißen Tee und Noah hatte sich ebenfalls locker gemacht. Er nahm unseren Vorrat unter die Lupe und suchte zusammen, was wir noch an Reste hatten.
„Macht ihr so etwas oft?", fragte Fizzy und ich knallte meinen Tee mit Zucker voll: „Meistens am Ende eines Monats und Noah hat es drauf aus Resten etwas zu zaubern."
Nachdenklich musterte sie meinen besten Freund, dann seufzte sie: „Ja... ich kenne das. Mum nannte es immer unser Vier-Sterne-Essen. Sie war am Ende des Monats immer klamm, wenn der Unterhalt nicht rechtzeitig eintraf. Aber ich habe diese Essen geliebt. Pfannkuchen, Toast Hawaii, heißen Vanillepudding – lauter so Sachen."
„Was hindert dich daran, so etwas wieder zu kochen?", horchte ich und Fizzy zuckte mit den Schultern: „Weil ein Resteessen nur dann richtig schmeckt, wenn es Reste sind und auf Sparflamme laufen wir nicht mehr, seit Louis bei X Factor war."
Noah wandte sich um und fragte Fizzy: »Irgendwelche Allergien?«
„Irgendwelche was?", machte sie klar, dass sie das Wort 'Allergie' nicht in Gebärdensprache kannte. Ich räusperte mich: „Allergien auf Lebensmittel?"
Heftig schüttelte sie den Kopf und dann sahen wir dabei zu, wie Noah Nudeln kochte, diese dann in den Wok knallte und dazu allerhand Zeug hinzufügte. Schinken, Eier, Sahne und Käse. Dann klatschte er Ketchup drauf. Als Fizzy aufstehen wollte, da wedelte Noah mit einer Hand: »Wir fressen aus der Pfanne.«
»Wieso, ihr habt doch Teller?«
»Aber die müssen wir spülen und so«, warf Noah ein. Aus dem Wok zu essen war sowieso viel besser, man fühlte sich gleich wie ein unsoziales Experiment. Aber es sorgte auch für entspannte Stimmung. Noah erzählte von Hearzone und immer wieder bat Fizzy ihn, dass er inne hielt, weil ihr ein Wort fehlte.
Doch sie lernte schnell und bevor ich mich versah, lehnte ich mich zurück und beobachtete wie gut sich beide miteinander unterhielten. Fizzy fragte, ob Noah Interesse daran habe Sam Smith live zu sehen und noch einmal das Vibrationsfeld in der O2 Arena zu nutzen. Sie könnte etwas arrangieren.
„Allerdings ist das Konzert, wenn du Harry besuchst", sprach sie und bewegte dabei ihre Hände weiter. Bruchstücke des Satzes standen, sodass Noah ihr durchaus folgen konnte. Ich winkte ab: »Erzählt mir dann, wie es war.«
Mein bester Freund grinste wie ein Honigkuchenpferd. Denn ein weiteres Konzert zu erleben stand auf seiner To Do Liste für das Jahr. Er versprach Fotos zu machen und wollte sich hinter seinen Laptop klemmen, um sich mal genauer anzusehen, wer Sam Smith eigentlich war.
Satt und müde schleppten Fizzy und ich uns in mein Zimmer. Ich bezog eine weitere Decke und als sie sich in die hintere Ecke gerollt hatte, sah sie an die Decke: „Danke, dass ich hier schlafen darf."
„Du kannst mein Zimmer gerne für die Zeit haben, während ich Harry besuche", sprach ich und merkte, wie glücklich ich sie damit machte: „Wirklich?"
„Wieso nicht. Drei Tage die Woche ist Benny weg und Noah ist nur Abends zu Hause. Von denen hat sicher keiner was dagegen, immerhin kennen sie dich."
Eleanor flog mit mir zusammen nach Hamburg und wie ich erfuhr, sollte für diese Zeit Lottie auf Fizzy achtgeben. „Ich liebe meine große Schwester, aber ich überlebe sie nicht länger als drei Tage."
Ja, das konnte ich verstehen. Flint fing auch an zu nerven, wenn man ihn länger um sich hatte. Schwerfällig kroch ich unter die Decke und spürte nun die Erschöpfung des Tages. Mein Fuß pochte, meine Schulter schmerzte und ich atmete nur noch flach.
Scheiß Schmerzen.
Bevor ich ins Flugzeug stieg würde ich ein paar Tage blau machen und mich fit schlafen. „Sag mal, Fizzy, muss ich irgendetwas beachten, wenn ich Harry auf Tour besuche?"
„Hm", sie neigte leicht den Kopf. „Ich kann dir nur sagen, was El immer macht, wenn sie zu Louis fliegt. Nämlich sich vorab informieren, was in der Stadt so los ist. Oft geht sie shoppen oder schaut sich die Sehenswürdigkeiten an. Manchmal arbeitet sie auch im Hotelzimmer, zumindest das, was sie am Laptop erledigen muss."
Ich runzelte die Stirn: „Verbringt sie überhaupt Zeit mit Louis?"
Nun rollte sich Fizzy auf die Seite und sah mich an: „Ich zerstöre nur ungern deine Illusionen, aber wenn du Harry auf Tour besuchst, dann arbeitet er auch und ist meistens erst sehr spät Abends da oder zwischendurch für ein, zwei Stunden. Und ich würde ihn an deiner Stelle nicht zu jedem Interview oder Konzert begleiten. Das ist anstrengend und irgendwann nur noch langweilig."
Da war sie, die ehrliche und ungeschönte Wahrheit.
Ich hatte mir schon gedacht, dass das kein echter Urlaub werden würde. Trotzdem wollte ich unbedingt zu Harry fliegen. Wenn ein paar Stunden alles waren, was ich kriegen würde, dann nahm ich sie mir. Das war besser, als überhaupt nichts.
Ich würde mir viel zu tun mitnehmen und Fizzys Rat beherzigen und mir in den jeweiligen Städten raussuchen, was ich da Mittags unternehmen konnte.
Ganz, wie ich es vorausgesagt hatte, sah Noah kein Problem darin, wenn Fizzy mein Zimmer nutzte während ich weg fuhr. Vermutlich hoffte er, sie würde öfters den Kochlöffel schwingen. Hoffentlich schnitt er sich nicht ins eigene Fleisch.
Die Tage vor dem Flug waren unglaublich stressig. Ich musste zu zwei Nachuntersuchungen und bekam Stress mit dem Arzt. („Mehr Ruhe!") Allerdings bekam ich zumindest sein Okay für die Reise. Vorher musste ich auf das Grab von Dumbledore schwören, dass ich eine Praxis oder Krankenhaus aufsuchte, sollte es mir im Urlaub schlechter gehen. Für die Medikamente gab er mir eine extra Bescheinigung.
Alleine dieser kleine Besuch hatte mich mehr geschafft, als ich es zugeben wollte. Erledigt saß ich ziemlich lange an der Bahnstation der Tube und machte Pause. Erst dann raffte ich mich auf nach Hause zu fahren.
Eleanor war mir eine große Hilfe, sie beantwortete meine gefühlten 100 Fragen, was ich alles für den Besuch bei Harry mitnehmen sollte. Welche Schuhe, welche Jacke, wie viel Kram zu wechseln und ab wie viel Uhr ich den Flug buchen sollte.
„Du buchst hier gar nichts!", stemmte sich Eleanor mir entgegen als sie in meinem Zimmer über den Koffer stieg. „Ich habe die Tickets schon."
„Was kriegst du wieder? Ich kann dir das direkt überwei-!"
Sie sah mich so böse an, dass ich stoppte. Irritiert runzelte ich die Stirn: „Wer hat die Tickets bezahlt?"
„Unwichtig", fand sie, doch ich konnte ihr nicht zustimmen. Aus Eleanor war kein Wort rauszukriegen und ich schwor mir, dass ich das Geld für den Flug an die richtige Adresse zurückschicken würde.
„Übrigens, ich bin sehr froh, dass Fizzy so lange hier einziehen kann, wenn wir weg sind. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob sie und Lottie sich nicht die Köpfe einschlagen werden", gab Eleanor zu und schüttelte den Kopf, als ich ihr zwei Mäntel präsentierte. „Eine Jacke reicht. Nimm die Schwarze, die passt zu allem und die Hälfte muss aus seinem Koffer wieder raus, weil du ja auch unterwegs ein bisschen was kaufst. Lass mich mal eben-"
Und schon machte sie sich an meinen Koffer zu schaffen.
Ich war ganz froh drüber und ließ mich aufs Bett fallen. Fluffy war mein Babysitter und war bereit zum kuscheln und spielen. Während ich ihn kraulte, hörte ich Eleanor plappern und verstand nicht alles. Nur so viel, dass sie mich mit ihrem Wagen abholen würde und wir zusammen zum Flughafen fuhren.
Meine Vorfreude auf Harry wuchs in unermessliche. Amanda riet zum Beauty-total-Tag. Leider war der wirklich anstrengend, wenn man sich nicht richtig bewegen konnte und im Bad auf dem Rasierschaum für die Beine fast ausrutschte und die verdammte Haarpackung in die Augen bekam.
Am Ende hatte ich mich mit dem Rasierer mehrmals am Knie und Knöchel geschnitten, bemerkte blaue Flecken, die nicht an meinem Oberkörper sein sollten und dann war da noch der ekelhafte Pickel am Kinn, den nur ich zu sehen schien.
Dabei wollte ich hübsch sein, wenn ich Harry wieder sah. Ein blöder Gedanke, denn mir wäre es auch egal, wenn Harry einen dämlichen Pickel auf der Stirn hätte. Pickel wollte ich verdammt noch mal trotzdem nicht!
Die Nacht, bevor es losging konnte ich kaum schlafen. Mein Gepäck hatten die Jungs am Vorabend bereits bis nach unten ins Treppenhaus gebracht. Ich musste also nur noch meinen Rucksack selbst schleppen.
Viel zu früh saß ich kerzengerade im Bett und ging noch einmal alles Wichtige durch. Pass, Reader, Lesestoff, CI-Batterien, Medikamente, Geld, Handy – mir schwirrte der Kopf. Nur mit Mühe und Not bekam ich mein Frühstück runter, verabschiedete Benny und Noah, machte Platz für Fizzy und hockte schließlich auf den Stufen im Treppenhaus.
Hoffentlich wurde der Besuch bei Harry auf Tour gut. Und hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich ging nichts schief. Ich wollte Zeit mit ihm, so viel, wie nur möglich war. In meinem Magen flatterte es vor Vorfreude und mein Herz raste alleine bei dem Gedanken Harry endlich wieder gegenüber zu stehen.
Völlig neben der Spur rieb ich meine eiskalten Fingerspitzen aneinander. Ich dachte kurz an Fizzy und hoffte, dass sich ihre Panik nicht wiederholte, wenn sie mein Zimmer bezog. Auch schweifte ich kurz zu meiner Mutter. Sie sollte Harry kennenlernen und selbst feststellen, dass mein Freund an anständiger Kerl war. Vielleicht war die Vorstellung Wunschdenken, doch ich wollte optimistisch bleiben.
Ein Auto fuhr vor. Eleanor war da.
Endlich ging es los.
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