42 Altes neues Leben.
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Zurück in mein altes Leben zu kehren war schmerzhafter als ich glaubte. Die ersten Tage lief ich wie auf Autopilot und wartete jede Minute auf ein Lebenszeichen von Harry. Auf eine kleine dumme Nachricht.
Aber sie kam nicht.
Oft genug tippte ich sie selbst ein, doch bevor ich sie abschicken konnte löschte ich sie wieder. Das war nicht Sinn und Zweck der Tatsache, dass diese eine Nachricht mir Harry zurückbringen würde. Im Gegenteil, es würde bedeuten, dass wir wieder genau dort standen, wo wir uns getrennt hatten.
Und wer sagte, dass Harry etwas von mir hören wollte?
Richtig, niemand.
Dabei wollte ich Harry zurück. Es war, als wäre ich in einem Kreislauf gefallen.
Ich konzentrierte mich auf mein eigenes Leben und versuchte alles zu ignorieren, das auch nur in irgendeiner Form mit Harry zu tun hatte. Aber ich wollte und konnte Fizzy und Sunny nicht aus meinem Leben streichen. Zu meinem Glück schnitt zumindest Fizzy niemals das ‚Harry Potter' – Thema an.
Und Letzte hatte sowieso einen ganz anderen Fokus. Nämlich Niall.
»Irgendwann werde ich mich revanchieren«, gebärdete Sunny überdreht, als wir mal wieder bei einem Hearzone-Dreh landeten.
Es war unglaublich schwül, der Abend hatte angefangen und wir befanden uns alle an der Themse. Zum Glück war kaum etwas los, die Menschen mussten in der Woche arbeiten. Wir konnten sicher zahlreiche Luftballons, gefüllt mit Helium, am Geländer befestigen. Aber wir hatten auch welche mitten auf dem Gehweg verteilt. Wie Hindernisse schienen sie etwas fehl am Platz und wir wussten, dass wir uns beeilen mussten.
Es war nur eine Frage der Zeit bis sich jemand beschwerte.
»Schon gut, Blauauge war mir etwas schuldig«, antwortete ich und zupfte an meinem viel zu kurzen blauen Sommerkleid herum. Als Soyun es mir für den Dreh unter die Nase hielt, war ich kurz davor mich zu weigern. Die Alternative wäre jedoch ein Badeanzug oder Bikini gewesen.
»Ich wünschte, er wäre auch mir mal etwas schuldig«, sinnierte Sunny.
Mittlerweile wusste mein Umfeld, dass ich meine CI's nicht mehr nutzen konnte. Meine Welt war plötzlich verstummt. Doch zu Hause in London machte mir das herzlich wenig aus. Im Gegenteil umgeben von Gleichgesinnten vermisste ich Lärm und Lautsprache nicht unbedingt.
Ganz kurz spielte ich sogar mit dem Gedanken einfach auf eine Reimplantation zu verzichten. Aber meine Mutter würde an die Decke gehen, wenn ich das wirklich in Erwähnung zog. Für sie war es auch nach über zwanzig Jahren noch wichtig, dass ich zur Hörenden Welt Zugang hatte.
Auch wenn dieser Zugang immer sehr anstrengend blieb.
Gerade kletterte Noah nur in Badeshorts und einem hellblauen Sommerhemd auf die Brüstung des Geländes an der Themse. Er tat sich schwer damit das Gleichgewicht zu halten, aber für ein paar Standaufnahmen sollte er versuchen zu balancieren.
Summer Jam von The Underdog Project ließ sich relativ gut gebärden, weshalb Benny schnell zufrieden mit uns war.
Um ein bisschen Fanservice mit reinzubringen, hatte man Mozzie überredet nur in knallroten Baywatch-Shorts mitzuwirken. Nach einigem Hin und Her war er tatsächlich einverstanden und Soyun und ich hatten nur einen kurzen Blick miteinander austauschen müssen. Denn Mozzie konnte sich durchaus sehen lassen.
»Das ist mein Kerl«, lächelte unsere Nicht-Technik-begeisterte-Asiatin.
Ich musste zum Glück nur aus dem kleinen Meer an Ballons hin und her springen und super gut gelaunt aussehen. Nach fast drei Stunden war der Dreh fertig und wir ließen die Ballons in den Himmel fliegen. Prompt fühlte ich mich an Harrys Geburtstag erinnert und verdrängte den merkwürdigen bitteren Geschmack auf der Zunge.
»Feierabend«, erklärte Benny. »Ab nach Hause!«
So kam es, dass Soyun und Mozzie händchenhaltend von dannen zogen und Noah Fizzy dabei half Sunny in das Auto zu bugsieren. Zurück blieben Benny und ich. Er schulterte seine Tasche mit der Kamera und dem Zubehör, und ich packte den Rucksack mit allerhand Schnickschnack.
Gerade wollte ich mich nach der Reisetasche bücken, in der Klamotten für den nächsten Dreh waren die wir anprobieren sollten, als Benny mir zuvorkam. »Lass mich das tragen.«
Darauf antwortete ich nicht, sondern ging Richtung Tube-Station. Seit ich wieder zurück war, war ich ihm so gut es ging aus dem Weg gegangen. Doch ewig würde ich das nicht durchziehen können. Er folgte mir nun und holte mich schnell ein.
Völlig überraschend gebärdete er: »Es tut mir leid, dass ich in Chicago so... dämlich war. Du weißt schon, dass ich Harry Potter... ja...«
Der Streit mit Harry über den dämlichen Kuss mit Benny hatte ich nicht vergessen. Es war nur normal, dass Harry empfindlich darauf reagierte. Ich wäre an seiner Stelle auch an die Decke gegangen.
»Das war hässlich von dir«, antwortete ich.
»Ja«, gab Benny ohne zu zögern zu. »Ich habe mich später vor mir selbst geschämt.«
Was sollte ich darauf sagen? Es war ganz sicher alles andere als seine Sternstunde. In nur wenigen Schritten überholte er mich fast und musterte mich mit ernster Miene: »Bitte lass es mich wiedergutmachen.«
Kurz hielt ich inne und atmete tief durch. Die Hitze war schrecklich, das kurze Kleid klebte mir fast am Körper und ich wollte eigentlich nur noch nach Hause und mich abkühlen. »Es spielt keine Rolle mehr.«
»Wir könnten ins Speck-Eck und ich zahle!«, versuchte es Benny erneut. Als ich nicht drauf reagierte, stellte er sich mir in den Weg, sodass ich stehen bleiben musste. »Bitte Foxy, mir tut das wirklich leid. Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, damit... du mir vielleicht ein klitzekleines bisschen verzeihst?«
Ob Benny es wirklich ehrlich meinte, konnte ich nicht sagen. Aber ich war es leid sauer oder wütend auf etwas zu sein, was jetzt egal war. »Nicht heute, okay?«
»Aber ganz bald?«
Sein hilfloses Gesicht ließ mich beinahe schmunzeln, deshalb nickte ich und den Rest des Weges nach Hause sprachen wir kein Wort mehr miteinander. Benny schien das hinzunehmen und einträchtig schwiegen wir in der Bahn nebeneinander.
In der WG angekommen ging ich mit Fluffy noch einmal eine Runde spazieren, nahm eine Wasserflasche mit, weil die drückende Schwüle auch dem Hund zu schaffen machte. Mittlerweile war ich mit ihm beim Hundefrisör gewesen und hatte sein Fell stutzen lassen.
Es war eine Tortour, weil Fluffy Angst vor der Schneidemaschine hatte und sofort auf Flucht schaltete. Ich hatte viel gutes Zureden und Geduld gebraucht, bis er sich furchtbar weihleidig in die Hände des Frisörs begab.
Noahs erster verwirrter Kommentar war gewesen: »Was ist denn das für ein Hund?«
Mit seinem Sommerschnitt hatte er Fluffy schlicht nicht erkannt.
Im Park ließ ich Fluffy schnüffeln und ein wenig toben. Müde setzte ich mich auf eine Parkbank und sah ihm dabei zu, wie er einem Schmetterling friedlich hinterherdackelte. So viel dazu, dass dieses Pony mich vor irgendjemanden beschützen sollte.
Ich fühlte mich merkwürdig leer und beinahe, als würde ein Teil von mir fehlen.
Harry zu verlassen war absolut richtig gewesen, aber so fühlte es sich nicht an. Es wurde nicht besser. Mir erschien jeder Morgen merkwürdig blass und farblos. Mit Harry war auch die Farbe in jedem Sonnenlicht verschwunden.
Immer, wenn ich auf mein Regal gesehen hatte, wo das Schiff im Glas stand, der Cowboyhut lagen und all die kleinen Schätze, da hatte es mir die Luft abgeschnürt. Mittlerweile verstauten diese Dinge sicher in einer Kiste im Keller.
Das ist normal – redete ich mir ein. Normal für jeden, der das erste Mal richtig verliebt war und liebte, und plötzlich davon Abstand nehmen musste.
Ich hatte es vermieden mir anzusehen, was Harry gerade trieb. Twitter und Instagram würden mir jeder Zeit einen Überblick geben, denn das One Direction – Fandom schlief nie.
Doch ich wusste nicht, ob ich es ertragen würde, wenn ich Harrys Gesicht sah oder er... zufrieden wirkte. Dass es ihn nicht so sehr mitnahm, wie mich. Oder er mich sogar schon ersetzt hatte durch eines dieser klapperdürren, mit riesigen Augen und Endlosbeinen Gestell.
Ihn nicht zu sehen schien mir die beste Lösung.
Fluffy kehrte zurück und legte mir stolz einen halben Ast vor die Füße. Tief seufzte ich und kraulte ihn so, wie er es am liebsten mochte. Dann öffnete ich die Wasserflasche und sorgte dafür, dass er trank. Hoffentlich waren diese Hitzetage bald vorbei.
Eher mäßig motiviert trottete der Hund vor mir zurück nach Hause und ich lieferte ihn bei Mr Murray ab. Der alte Vermieter brummte mürrisch, ließ Fluffy in seine Wohnung und schlug mir unhöflich die Tür vor der Nase zu. Da schien auch jemand einen spitzen Tag gehabt zu haben.
Schwerfällig schleppte ich mich die Stufen hoch und hielt inne. Denn noch bevor ich ganz oben ankam, da entdeckte ich Noah auf der Treppe. Er schien auf mich gewartet zu haben.
»Hast du noch Pläne für den Abend?«, fragte er mich und ich nickte: »Doctor Who und ich haben ein Date und danach nehme ich Arrow mit ins Bett.«
»Vergiss Oliver Queen, du verbringt deine Nacht mit mir«, bestimmte er dreist und bevor ich auch nur etwas sagen konnte, hob er mich hoch und schleppte mich die Stufen wieder runter. Unten im Erdgeschoss stellte er fest: »Du solltest echt weniger essen.«
Dem würde ich weniger Essen geben!
»Beginnen wir im Speck-Eck. Wir lassen uns dort heute mal so richtig volllaufen«, erzählte mir Noah von seinen Plänen. »Danach machen wir irgendetwas Dummes.«
»Ich weiß nicht, ob das gerade das ist, was ich brauche«, warf ich ein, doch er winkte ab: »Doch tust du. Glaub mir.«
Im Speck-Eck setzten wir uns direkt an die Theke und als Noah verkündete, dass die Rechnung komplett auf ihn ging, da sah ich ihn irritiert an: »Hast du Kohle veruntreut, die du jetzt loswerden musst?«
»Nein«, gab er zu und überflog kurz die Karte, obwohl wir beide ganz genau wussten, dass er dasselbe wie immer bestellte. Endlich ließ er die Katze aus dem Sack: »Weißt du noch, als ich diesen Ärger hatte wegen Apple hatte und du mir das Schreiben von denen erklärt hast?«
»Du hast irgendeinen Fehler bei denen Gefunden. Im System oder so was?«
Noah lachte, weil ich es so stumpf beschrieb, doch von Informatik hatte ich einfach absolut keine Ahnung: »Ja, ich bin zu diesem Treffen mit Dolmetscher hin und durfte ein ‚System'«, er machte Gänsefüße in der Luft für das Wort System, »-nachschauen. Dort habe ich denselben Fehler noch einmal gefunden und sie boten mir eine feste Stelle bei ihnen an. Jedenfalls haben sie mir gutes Geld für den kleinen Aufwand bezahlt.«
Das erklärte seine Großzügigkeit. Noah erzählte mir, dass er von dem Preisgeld beim Deaf Slam und von Apple seine Bafög-Schulden zurückzahlte und noch ein Teil davon übrig war. Den wollte er mit mir jetzt ankratzen.
Während ich ihn gebärden ließ und immer wieder wissen wollte, was genau er bei Apple getan hatte, da wurde mir klar, dass ich meinen besten Freund vielleicht all die Jahre unterschätzt hatte. Er war schon immer gut mit Zahlen und technischen Schnickschnack gewesen, löste meine PC-Probleme in fünf Minuten und ich hatte seine Programmiersprache immer als Nerd-Ding abgetan.
»Du wirst also für Apple arbeiten«, fasste ich es zusammen. »Und das mit einem einfachen Bachelor.«
»Nur für ein Jahr«, schraubte er das gleich runter. »Ich hatte Glück und es war Zufall.«
Nein, im Gegenteil, er war aufmerksam und sah in diesem Bereich vor allem die Details.
»Und kontrollierst du da nun...«, ich wusste nicht genau, wie man das nannte und ließ das Wort in der Luft hängen. »Oder machst du andere Dinge.«
Noah ging nicht direkt drauf ein, aber er verriet mir: »Ich würde am liebsten Spiele für das Smartphone programmieren.«
»Klingt nach einem richtig guten Traum, den du riskieren solltest«, fand ich und bestellte zu unserem Essen zwei Bier. Noah nickte und grinste: »Finde ich auch. Ich bleibe ein Jahr bei Apple und ist es doof, verschwinde ich da und komme schon wo anders unter.«
Er klang so optimistisch und mutig, dass ich ihn prompt fest drücken musste. Ich war unglaublich stolz auf ihn und versuchte seinen verwirrten Blick nicht als Beleidigung aufzufassen.
Wir bekamen unsere typischen Fish and Chips und stießen mit unserem Ale an. Als Noah den ersten Gin bestellte, da dachte ich mir nichts dabei. Doch nach der zweiten Runde verdoppelte er und ich runzelte die Stirn: »Du hast das ernst gemeint, mit dem volllaufen lassen?«
»Ja«, bestätigte er und ich wollte wissen: »Warum?«
Mein bester Freund zögerte. Schließlich gab er nach und rückte mit der Wahrheit raus, warum wir hier saßen: »Ich weiß, dass ich dich nicht danach fragen darf, was in Vegas passiert ist. Mit dir und Harry Potter.«
In meinem Hals bildete sich einen Kloß.
»Das werde ich auch nicht«, schob Noah hastig hinterher. »Aber ich weiß, dass du den Gin heute brauchen wirst.«
Ich reichte dem Wirt meinen leeren Teller und schwieg. Also fügte er hinzu: »Harry Potter und du seid auseinander. So viel habe ich mittlerweile auch begriffen. Und dass du allem aus dem Weg gehst, was mit One Direction zu tun hast. Kein Twitter, kein Instagram, ich bin nicht mal sicher ob du noch deine Emails liest.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Dass du dich nicht für immer verstecken kannst und wir in England leben, dem Zuhause der One Direction-Manier. Irgendwann wirst du News über Harry erfahren und vielleicht wäre es besser, wenn du das einfach hinter dich bringst.«
Seit 25 Tagen hatte ich es geschafft der One Direction-Manier den Mittelfinger zu zeigen. Aber Noah hatte recht, ich konnte nicht den Rest meines Lebens jedes Mal eine 180 Grad Kehrtwende machen, wenn an der Tube Werbung lief oder ich an Klatschzeitschriften vorbei musste. Auch wollte ich irgendwann meinen Instagram-Account wieder nutzen.
Ich leerte das Glas Gin und bestellte einen Neuen.
»Deshalb das Besäufnis?«
»Du wirst es brauchen.«
Magenschmerzen bereiteten sich bei mir aus und Noah drehte sich an der Theke zu mir: »Ich werde dich nie anlügen und ich sage dir direkt, dass du irgendwann über deinen Schatten springen musst. Sieh dir an, was Harry treibt. Dann schließ damit ab und-«, er machte die Gebärde für weiter. »Denn ganz ehrlich, dieser Liebeskummerwahnsinn ist bei dir nur eine Papierwand entfernt und du schaltest gerade alles buchstäblich auf taub. Das wird dauerhaft nicht funktionieren.«
Da hatte er recht.
»Wir gucken zusammen und danach helfe ich dir beim Ausflippen. Dir wird es besser gehen als jetzt. So auf autopilot laufend.«
Tief holte ich Luft, dann kramte ich nach meinem Handy. Jedoch zögerte ich und spürte Noahs geduldigen Blick auf mir. Bevor ich das Handy entsperrte, da setzte er hinzu: »Mach es kurz und schmerzlos. Du weißt-«
»Ja, ja, schon klar«, gab ich zu und schließlich überwand ich mich.
Ich wusste, dass es schlimm wurde.
Aber es traf mich richtig übel.
One Direction führte ihre Amerika-Tour durch, ein Tempo ohne Ende, denn es gab 15 Zusatzkonzerte und die Presse schrieb, dass überlegt wurde nach Miami noch einmal etwas draufzuschlagen.
»Zum Glück bist du da raus«, fand Noah und ich musste knapp nicken. Dann ging es weiter. Die folgenden Schlagzeilen sorgten dafür, dass meine Papierwände einrissen. Zahlreiche Bilder von Harry ploppten auf.
Er war mit Kaia Gerber unterwegs gewesen. Nette Strandfotos grinsten mich an und in meinem Kopf rauschte es. Die war doch erst 18 Jahre alt! War das eine Verarsche?
Vielleicht war er auch nur so mit ihr unterwegs. Er war schließlich mit der Mutter befreundet. Im Endeffekt machte ich mir etwas vor, es sollte mir egal sein, aber das war es nicht. Besonders als ich die nächste Schlagzeile las.
Georgia May Jagger war definitiv keine harmlose Begleitung, denn die Bilder zeigten sie und Harry in einem Club in einer netten, eindeutigen Szene. Die Presse traf es auf den Punkt, er feierte sein Entkommen aus der kurzen Strohfeuerbeziehung mit mir.
Das war genug. Ich musste nicht mehr sehen. Sofort machte ich mein Handy aus und legte es wie einen heißen Stein auf die Theke. Plötzlich war die Luft im Speck-Ecke sehr stickig und ich musste mehrmals blinzeln.
Noah bestellte Gin. Er riss keinen blöden Spruch und auch wenn ich mich fühlte, als hätte man mir in den Magen getreten, so hatte Noah doch einfach recht. Es war richtig sich das anzusehen und es passierte nur das, wovor ich mich bislang nur gedrückt hatte.
Meine Blase war geplatzt.
»Cheers«, verkündete ich und Noah schloss sich einfach an. Wir kippten einen Gin nach dem Nächsten. Zwischenzeitlich gab uns der Wirt Tequila aus. Es war dumm das alles durcheinander zu trinken, aber das verdrängten wir.
»Weißt du, du solltest froh sein Harry Potter los zu sein«, fand Noah irgendwann. »Du atmest definitiv weniger Flugzeugluft ein.«
Albern prustete ich in mein Ale. »Du spinnst!«
Heftig schüttelte Noah den Kopf: »Jetzt kannst du wieder richtig gute Partys besuchen, wo du auch etwas mitbringen kannst und nicht irgendwelche abgewackten Stars mit Oreos pokern.«
»Wir pokern immerhin um Geld!«
»Kleinzeug, aber Kohle!«, bejahte Noah. Dann schnippte er mit dem Finger: »Und denk an diesen Twitter-Wahnsinn und diese ganzen Postings. Jetzt kannst du wieder ungekämmt aus dem Haus gehen und kein Schwein interessiertes.«
Ich riss die Augen auf: »Genial!«
»Außerdem hängst du nicht mehr auf Konzerten ab, auf denen du eh nichts verstehst. Jetzt kannst du sinnvolleres mit deiner Zeit machen.«
»Zum Beispiel für den Triathlon trainieren!«, ich schlug motiviert mit der flachen Hand auf die Theke und nun war es Noah, der sich vor Lachen verschluckte: »Ich dachte eher an fett werden.«
»Das ist auch eine Möglichkeit. All die Chips, Schokolade, Kuchen... meinst du, wir kriegen jetzt noch Kuchen?«
»Nein, aber ich weiß etwas Besseres. Vorher trinken wir noch aus«, er bestellte für uns noch eine Runde Gin. Der wievielte das war, konnte ich nicht sagen. Ich kippte mir das Zeug feierlich hinter die Binde. Der Abend war sowieso gelaufen.
Der Boden unter meinen Füßen war sehr wackelig und eine fiese Stimme in meinem Kopf flüsterte, es wäre besser nach Hause zu gehen. Aber stattdessen ignorierte ich das Stimmchen, ließ Noah bezahlen und wir traten in die schwüle Nacht hinaus.
Mein bester Freund griff nach meiner Hand und wir spazierten schwankend durch die Straßen.
»Wirst du jetzt, wo du Kohle hast, ausziehen?«
»Spinnst du?«, empörte er sich. »Ich spare was ich kann. Außerdem würdest du einen Mord begehen, wenn ich nicht da bin. Also bleibe ich da wohnen, bis mir Mr Murray sein Haus vererbt.«
»Demnach für immer. Der wird nie sterben«, orakelte ich. Ich schwankte und kurzerhand nahm Noah mich Huckepack. Keine Ahnung, wo er hinwollte und wieso er noch einen Fuß sicher vor dem Nächsten setzten konnte.
Ich hatte so Abende sehr vermisst.
In einer dunklen Straße wurde er langsamer und setzte mich wieder ab. Eine Straßenlaterne flackerte, es stank nach Pisse und Noah vollführte einen albernen Tanz. Dann zog er dicke schwarze Eddings aus seiner Hosentasche.
Nur langsam verstand ich.
Direkt hinter Noah erstreckte sich eine Wand für Werbeplakate. »Hier, meine Beste, schreit alles danach, dass du kreativ wirst.«
Ich musste laut lachen und schlug dann erschrocken die Hände vor den Mund. »Wenn wir erwischt werden-«
»Scheiß drauf!«
Langsam nervte es, dass er immer recht hatte. Ich schnappte mir einen Edding und musterte dieses übels sexy Plakat von Little Mix. Wurde Zeit die Mädels etwas anzuziehen. Als ich damit fertig war ihnen Klamotten zu verpassen, da widmete ich mich Lewis Capaldi. Sein Albumcover sah aus, als würde er Werbung für Herr der Ringe machen. Das unterstützte ich künstlerisch.
Neben mir schmierte Noah Sprechblasen zwischen zwei Politikern Die armen Kinder, die nun hier dran vorbei gehen mussten und den Schweinekram stotternd lesen lernten.
Einträchtig hübschten wir nebeneinander die Plakate auf und schließlich, nach drei weiteren Kunstwerken, einmal an irgendeinen Typen, den ich nicht kannte und an zwei Damen mit Schmollmund, da ließ ich die Hand mit dem Edding sinken.
»Ich habe geglaubt, dass sich Liebeskummer schlimmer anfühlen würde«, gestand ich langsam. Noch immer glaubte ich ein wenig neben mir selbst zu laufen und alles wirkte merkwürdig surreal.
Noah tätschelte mir den Kopf. Schließlich verriet er mir: »Ach Foxy, es ist noch gar nicht richtig losgegangen. Das ist erst der Anfang.«
Großartig!
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Hallo ihr Lieben :)
Ist noch jemand da?
Endlich gab es die Möglichkeit hier gemütlich weiter zu schreiben und ich hoffe, es war nicht allzu schwer den Anschluss erneut zu finden >///< ich habe es genossen Isabell und Noah zusammen zu schreiben, sie sind einfach immer irgendwie 'leicht'.
Kennt ihr das, wenn der Liebeskummer noch gar nicht richtig an der Tür klopft, aber schon ein Einschreiben geschickt hat?
Was habt ihr gemacht, wenn es euch böse erwischte?
PS: Vielen lieben Dank für all eure Kommis, Zusprüche und Votes! Die Antworten kommen und eure Worte haben mich sehr motiviert und happy gemacht <3
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