32 Rotblondes Märchen.

┊  ┊  ┊            ★ HARRY

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„Okay, noch mal zum Mitschreiben, ich habe keine Zeit", erklärte ich nachdrücklich. Zusammen mit Louis, Niall und Liam stand ich im Fahrstuhl des Hotels. Sichtlich beleidigt verschränkte Louis die Arme vor der Brust: „Du hast für gar nichts Zeit. Setzt mal deine Prioritäten neu."

„Ach komm schon Harry", fiel auch Niall mit ein. „Wir wollen nur was Trinken gehen. Müssen wir uns jetzt in deinem Terminkalender umsehen, wann da eine Lücke ist?"

„Womit füllst du deine Zeit eigentlich?", schaltete sich auch Liam ein. „Geht die komplett für deine Freundin drauf?"

„Natürlich nicht", gab ich zu. „Ich habe einfach mehr Projekte, die ich während der Solo-Zeit angefangen habe und jetzt zu Ende bringe." Die Wahrheit war, dass es zu viele Dinge gab, die ich noch machen wollte. Als One Direction in die Pause ging, da konnte ich mir die Arbeit selbst aussuchen und fand Spaß daran mich auszuprobieren. Diese Eigenständigkeit wollte ich jetzt nicht wieder einbüßen.

Der Fahrstuhl hielt an und wir traten aus. Die Fernsehaufzeichnung hatte lange gedauert, genauso die Termine beim Radiosender. Zum Glück spielten wir das Konzert später. Sonst wäre ich erst kurz nach Mitternacht zu Isabell gekommen. Schon im Auto schrieb ich meiner Freundin, dass ich in einer halben Stunde da war und jetzt ließ ich sie schon über zehn Minuten warten.

Ich drehte mich zu meinen Freunden um: „Neuer Vorschlag, in Vegas unternehmen wir etwas und ich gebe aus."

„Auf dein Wort!", drohte Louis und ich lachte: „Ja, ja. Bis Morgen, ihr Nervensägen."

„Loser!", grölte Niall viel zu laut. Sie zogen ab und ich kramte nach der Magnetkarte, um die die Junior Suite zu betreten. Meine Vorfreude war enorm, fast schon erschreckend. Denn Isabell war so etwas, wie mein innerer Akku.

Ich spürte die Erschöpfung stark durch meinen Körper kriechen, aber immer, wenn ich sie in der Nähe hatte, dann verschwand die Erschöpfung. Plötzlich waren meine Glieder nicht mehr schwer und mein Gemüt nicht mehr lustlos, sondern ich fühlte mich, als würde man mich fest umarmen.

Noch nie hatte ich so etwas für einen Menschen empfunden, wie ich es bei Isabell tat. Manchmal erschreckte mich das selbst und ich musste sie wie einen Schatz mit beiden Händen festhalten.

Ich stieß die wuchtige Tür auf und hielt mich gerade noch davon ab, nach meiner Freundin zu rufen. Sie würde sowieso nicht antworten. Mein Blick glitt durch die Suite. Ihr Rucksack lag in einem Sessel und fast wäre ich über ihre bemalten Chucks gestolpert. Die Fenster standen weit offen und Isabell hatte die Klimaanlage ausgeschaltet.

Von draußen war ganz leise Musik zu hören und ich trat ans Fenster, das ich schließen wollte. Dabei bemerkte ich, dass die Zwischentür zum Schlafzimmer auf war. Mitten in meiner Bewegung hielt ich inne und musste Blinzeln. Automatisch beschleunigte sich mein Puls und einmal mehr wurde mir bewusst, wieso Isabell so erfrischend war.

Sie machte nie das, was ich von ihr erwartete und wurde trotzdem nicht anstrengend dabei.

Splitterfaser nackt lag meine Freundin auf dem Bauch auf dem Bett und hielt den Reader in ihren Händen, den ich ihr eins zu Weihnachten schenkte. Sie trug nichts anderes als den dunkelbraunen Cowboyhut auf ihrem Kopf, den ich ihr besorgt hatte.

„Wow", entwich es mir, doch Isabell schien mich nicht zu bemerken und las einfach unbekümmert weiter. Sie knickte ihre Beine an und kreuzte die Knöchel in der Luft. Meine Augen glitten über den blassen, aber hübschen Körper meiner Freundin. Automatisch biss ich mir auf die Unterlippe. Ihr Körper war wie eine geschwungene Landstraße. Es kribbelte in meinen Fingern und mein Hals wurde trocken.

Ich trat zu ihr und ging vor meiner Freundin in die Hocke. Nun hob sie den Kopf, tippte mit dem Zeigefinger gegen den Cowboyhut und verzog die Lippen zu einem süffisanten Grinsen: „Du hast dir Zeit gelassen."

„Ist dir nicht kalt geworden?", fragte ich und sie prustet: „Wir sind in Texas, frag lieber, warum ich noch nicht geschmolzen bin. Das hier ist nur mein So-halte-ich-es-aus-Aufzug."

„Meinetwegen kannst du die ganze Woche so bleiben", verriet ich ihr und merkte selbst, dass mir das Blut in eine andere Region schoss. Automatisch glitten meine Finger zum Hemd und öffneten die ersten Knöpfe. Ich war so scharf auf sie, dass ich nicht mehr länger warten wollte. Gerade beugte ich mich vor, um Nägel mit Köpfen zu machen, als Isabell mich aufhielt.

„Ach, das kannst du dir sparen", sprach sie gespielt ernst und ich hob verblüfft die Augenbrauen. Dann beobachtete ich, wie meine Freundin sich lasziv auf den Rücken drehte. Ich hörte auf zu atmen und sie schob hinterher: „Du hast so lange gebraucht, da habe ich schon angefangen und bin fertig geworden, bevor du auftauchen konntest. Dein Verlust."

Sie war so schön, so... meine Gedanken brachen ab, ihr zarter Duft vernebelte meinen Verstand und ich küsste sie endlich. Isabells Lippen bewegten sich perfekt gegen meine. Sich von ihr in einen Sog der Verführung ziehen zu lassen, war so kinderleicht, wie meiner Schwester die Süßigkeiten wegzufuttern.

Mit den Fingern strich ich bedächtig über ihre Haut und malte Muster, als wäre sie eine Leinwand. In Hamburg waren wir hastig übereinander hergefallen, aber heute wollte ich mir alle Zeit der Welt lassen. Die Geräusche von Draußen verschwanden, alles, auf das ich mich konzentrieren konnte, war Isabell.

Ihre Hände, die mich genüsslich auszogen, der Geschmack auf ihren Lippen und all das Herzrasen, das sie mir bescherte, nahmen jeglichen Stress von mir. Zwischen all den Liebkosungen verlor ich mich völlig und kostete jeden Herzschlag aus. Mit Isabell zu schlafen war jedes Mal anders, nur die Hochgefühle nicht, die sie mir bescherte. Verschwitzt lagen wir irgendwann nebeneinander. 

Ich war mal wieder an ihren CI's hängen geblieben und obwohl ich wusste, dass sie mich nicht hörte, wusste ich, was sie dachte als sie mich ansah. Wir fingen lachend von vorne an und schließlich, als ich zum zweiten Mal an diesem Abend nach Luft schnappte, da sah ich zufrieden an die Decke und schloss kurz die Augen. Rotblondes Haar kitzelte mich und ich spürte, wie sich meine Freundin aufrichtete.

Sie suchte ihre Hörhilfen, die beim Sex irgendwie verloren gegangen waren. Der Cowboyhut lag nun auf dem Boden.

„Denkst du, wir kriegen noch etwas zu Essen in diesem Hotel?", fragte Isabell, als sie akustisch wieder auf Sendung war und ich merkte, dass mein Magen für Kalorien dankbar wäre. Breit grinste ich: „Sieh an, du hast deinen Frieden damit geschlossen das teure Hotelessen zu bestellen."

„Das nicht, aber ich habe echt Hunger", gab sie zu und sie sah mich auffordernd an, aber ich regte mich nicht. Erst als Isabell tief seufzte, da hob ich die Hand: „Gib mir das Hoteltelefon, ich riefe an der Rezeption an. Die Karte des Zimmerservices ist in der oberen Schublade der Nachtkonsole."

Isabell ließ sich neben mir auf den Bauch fallen und blätterte durch die Speisekarte, sie schlug die Platte mit Fajitas vor und ich bestellte wenig später noch eine gute Flasche Rotwein dazu. Wir zogen die weißen Bademäntel des Hotels an, die viel zu warm waren und verzogen uns zum Essen ins Wohnzimmer. Von dort aus beobachteten wir unauffällig die Leute um den Pool.

„Siehst du den Blonden, der mit der Brünetten flirtet?", fragte sie mich und ich reckte den Kopf. „Der will eigentlich was von ihrer Freundin, die danebensteht und versucht dem Kellner zu signalisieren, dass sie weitere Cocktails bestellen will."

Ich schmunzelte: „Na ja, der Weg über die Freundin ist oft leichter."

„Aber ist das nicht total fies, wenn die Freundin sich Hoffnung macht?"

Diese Dialoge liebte ich. Genauso wie die Tatsache, dass Isabell tatsächlich aß und zwar worauf sie Hunger hatte. Da war kein Kalorienzählen, kein Blick, der mir imaginär mein Essen aus der Hand riss und kein Gelaber darüber, welche Lebensmittel dick machten und welche grenzwertig waren. So etwas wollte ich in meiner Freizeit nicht hören. Nach dem Essen, einer langen Dusche und in gemütlichen Klamotten zog ich Isabell zurück ins Bett.

Es gab nichts Schöneres, als lauter kleine Zärtlichkeiten mit ihr auszutauschen, sie immer wieder zu entdecken und mit ihr Luftschlösser zu malen. Meine sorgenfreie Zeit änderte sich jedoch just, als Isabell mich wegen meiner Freizeit aushorchte. Sie lud mich zur Sommerparty der WG ein und zum Reibekuchenessen ihrer Familie.

„Aber wenn dir das zu eng wird, terminlich, dann... könntest du dir in Chicago vielleicht Zeit nehmen und mit mir den Deaf Slam besuchen? Es ist das Finale, Noah tritt auf und ich fände es toll, wenn du mitkommen würdest", mit großen Kulleraugen sah sie mich an.

Scheiße.

Auch Niall hatte den Deaf Slam schon angesprochen und gehorcht, ob ich vielleicht hingehen würde. Aber die Wahrheit war, meine Motivation dort tatsächlich aufzutauchen, hielt sich in Grenzen. Der Deaf Slam in London hatte mir gereicht, mir dauerte die Veranstaltung zu lange und ich verstand sowieso nichts. Außerdem würde Isabell den Slam sicher mehr genießen, wenn sie für mich nicht ständig übersetzen müsste.

„Wann genau ist er denn?", wollte ich wissen und sie kramte direkt unsere Handys hervor: „Ist ein Freitag und er beginnt um 15 Uhr, das Ende ist offen. Doch danach gehen wir sicher alle etwas Trinken und feiern. Ach Harry, es wäre so großartig, wenn du dabei wärst."

Wir würden sehen.

„Ich glaube, dass Niall auch Interesse hätte", wich ich aus und gemeinerweise bemerkte meine Freundin es nicht, sie verzog nur verwundert das Gesicht: „Ach echt? Ich gucke, dass ich für ihn noch eine Karte auftreibe, den kriegen wir auch noch reingeschmuggelt. Niall war in London beim Puh-Pasch dabei, hat er dir das erzählt?"

„Jap, in allen Einzelheiten", nun musste ich breit grinsen: „Schiffterblut ist ihm nicht gut bekommen." Ich wechselte das Thema und wurde ernst: „Ich muss leider morgen ab zehn Uhr schon arbeiten und spiele am Abend ein Konzert. Hast du Lust den Vormittag etwas mit Arlo zu unternehmen?"

Isabell musterte mich einen Moment schweigend, dann sah ich das Lächeln, das nicht ganz so aufrichtig war, wie ich es von ihr gewohnt war: „Ja, sicher. Es sei denn der kleine Furz kann sich von seinem heißgeliebten Onkel Harry trennen."

„Ihr könnt ja abends zum Konzert kommen", schlug ich vor. Meine Freundin rollte sich auf den Rücken: „Hm... ich denke, ich kann ein Konzert von dir überbieten."

Prompt schnaubte ich: „Willst du mich beleidigen? Was ist besser als ein Konzert von mir?"

„Ein Abend vor der Glotze mit Disney und sämtlichen Eissorten, die man liebt. Dazu Chips, Sahne, Schokolade und Weingummis", sinnierte sie und schloss genießend die Augen.

„Klinkt eher nach Bauchschmerzen und nachts über der Kloschüssel zu hängen", fand ich. Isabell schnippte mit dem Finger: „Du bist ja auch keine Fünf mehr."

Neben Isabell schlief ich die Nacht wie ein Toter und war fast schon enttäuscht, als ich wach wurde und sie nicht neben mir lag. Ihr schwaches Parfüm hing in der Luft und ich wühlte mich aus dem Bettzeug. Dann bemerkte ich, was mich geweckt hatte.

Ein helles Kinderlachen.

Es war halb acht morgens und ich schwor mir, dass ich Cal einen Tritt in den Hintern gab. Arlo kreischte vergnügt auf und ich hörte auch Isabell lachen. Was trieben sie da?

Schwerfällig kämpfte ich mich aus dem Bett und öffnete die Türen aus Fensterglas. Barfuß, in einem ausgeleierten Shirt und kurzen Schlafshorts mit bunten Herzchen drauf, stand meine Freundin vor der Glotze. Ihr Haar war zu einem zerzausten Dutt gebunden und in ihrem Gesicht waren noch Schlafspuren zu sehen, trotzdem war sie für mich schön.

Ich hätte nie gedacht, dass ich so leicht glücklich sein konnte.

Arlo und Isabell spielten Wii Tennis und störten sich dabei gegenseitig, indem sie sich anstießen. Mein Patenkind hopste auf und ab und meine unsportliche Freundin schnappte knallrot nach Luft.

„Du bist fünf, wieso kannst du Tennis spielen?", sprach sie entsetzt und Arlo kicherte: „Das kann doch jeeeeder!" Sein blondes Haar stand in alle Richtungen ab und trotz der Uhrzeit war er voll auf der Höhe.

„Onkel Harry!", jodelte er und ließ die Wii fallen. Überschwänglich stürzte er in meine Arme: „Sie hat gesagt ich darf dich nich' wecken!" Sie wurde vorwurfsvoll angesehen. Komisch, dass er sich mit Isabell verstand, wenn ich nicht dabei war, aber sobald ich aufkreuzte, schien sie der Feind zu sein.

Ich ließ Frühstück kommen und völlig ungehemmt stopfte sich Arlo mit Speck und Würstchen voll. Mit vollem Mund plapperte er vor sich hin und ich musste ihm mehrmals sagen, dass er erst aufessen sollte.

„Wollt ihr euch das NASA Space Center ansehen?", fragte ich und Arlo runzelte konzentriert die Stirn: „Was ist das Nase Späiz Center?"

„Da geht's um den Weltraum, man sieht echte Raketen", versuchte ich ihn zu begeistern, doch Arlo nickte nur: „Ach so." Dann spachtelte er weiter Essen.

„Hm, ich fände das Aquarium interessanter", warf Isabell ihre Idee in den Ring. „Echte Haie, Rochen und eine Eisenbahn fährt durch das Meer."

„So echt?", wollte der Dreikäsehoch wissen und hob die Augenbrauen. „Aber sind Haie nich' böse?"

„Tja... ich bin noch keinem Begegnet. Würden wir ins Aquarium gehen, könnten wir uns selbst überzeugen."

„Dann geh'n wir doch!"

Damit ging mein Ruf als ultra super cooler Onkel, der nie überboten wurde, in die Binse.

Für Cal war es in Ordnung, dass Isabell seinen Sohn ins Meer entführte und als Isabell sich umgezogen hatte und ihren Rucksack samt Fotoapparat einpackte, da sprach ich: „Nimmst du Jerry mit ins Downtown Aquarium?"

„Ist das wirklich eine Frage, oder willst du nur höflich sein?", konterte sie und sah mich dabei nicht an. Ich wusste, sie hatte immer das Gefühl Jerry von seinem eigentlichen Job abzuhalten, doch ich war froh, dass sie sich zumindest darauf einließ ihn mitzunehmen und mir keine Szene zu machen.

Fertig gemacht schulterte sie ihren Rucksack und versuchte einen Tobsuchtanfall von Arlo zu verhindern.

„Wieso kommst du nie mit?", meckerte er und sah mich beleidigt an. Ich seufzte tief und hielt die Hand zum High Five hin: „Weil ich heute arbeiten muss, genau wie dein Dad. Aber heute Abend sehen wir uns, oder?"

Arlo musterte mich, dann schob er die Unterlippe hervor und spazierte stur an mir vorbei. „Aquarium, Aquarium und wehe es gibt keinen Hai!"

Damit schien Arlos Tag fast gelaufen. Sieben Stunden später war es meiner auch.

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