3 Sake wa hyaku-yaku no chō.

┊  ┊  ┊          ★ HARRY

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„Nimm es mir nicht übel, Harry, aber so langsam wirst du plemplem", sprach Niall und machte sich mal wieder in meinem Hotelzimmer breit, statt in seinem eigenen. 

Yokohama und Osaka hatten wir mittlerweile hinter uns und dort je zwei Konzerte gespielt und zahlreiche Interviews gegeben.

Die TV-Shows lagen noch vor uns, doch jetzt durften wir uns erst einmal 24 Stunden im Gate Hotel Asakusa Kaminarimon in Tokio ausruhen. Morgen ging der irre Tag im Land der aufgehenden Sonne weiter.

Ich mochte Japan. Die Fans waren absolut durchgeknallt, das dortige Showbizz knallbunt und es gab einen ganzen Haufen Regeln und Verhaltensweisen, die mir total fremd waren. Dazu unglaublich viel Technikgedönse, Menschen, Menschen und noch mal Menschen und eine Sprache, die ich hinten und vorne nicht verstand.

Die gesamte Crew hatte vier Dolmetscher, damit wir uns nicht völlig blamierten. Was jedoch nicht bedeutete, das wir das nicht bereits getan hatten. Wir hatten lange geübt, um die Begrüßung in Form einer Verbeugung richtig hinzubekommen, schließlich gab es drei Arten wie man es richtig machte. 15 Grad, 30 Grad und 40 Grad der Vorbeugung und alles hatte eine andere Aussage.

Louis ignorierte das alles und schüttelte so heftig die Hand des Interview-Partners, als wollte er diesem die Hand auskugeln. Außerdem mussten sich Liam und Louis zum Rauchen in eine extra Zone begeben. Sich draußen schnell eine Fluppe anzustecken, war hier unglaublich verpönt.

„Überlass mal mir, wie ich langsam werde", antwortete ich und sah, wie sich Niall auf mein Hotelbett warf und nach der Fernbedienung angelte. „Wieso bist du hier und nicht in deinem eigenen Zimmer?"

„Hailee guckt irgend so einen Anime-Quatsch, ich ertrage das Gequietsche und Geschrei dort nicht weiter", gestand Niall und suchte nach dem japanischen Sportsender. Tja, das war eben der Nachteil, wenn man mit dem Partner auf Tour war. Hailee blieb unser Vorcast und niemand sah ein Problem dabei, dass sie und Niall sich regelmäßig die Zimmer teilten.

Baseball erschien auf dem riesigen Plasmabildschirm, doch statt sich darauf zu konzentrieren, rollte Niall sich auf den Bauch und betrachtete mich, wie ich ratlos aus der großartigen Fensterfront starrte. Der Himmel war so früh am Morgen noch grau und trostlos. Wolkenkratzer, so weit das Auge reichte und ich konnte Teile des Tokyo Towers erkennen.

„Hör mal, von hier aus kannst du eh nicht ändern, was Inge- ich meine Isabell passiert ist", sprach Niall. „Schick ihr ein paar Blumen, das zieht immer. Nimm die Blossom Box, die macht Eindruck."

Ich erinnerte mich an den Service, er war gut und die Blumen toll. Liam hatte Sophia damals nur so mit Blossom Boxes zugeworfen, als sich abzeichnete, dass sie ihn verlassen wollte.

Isabell Blumen zu schicken, daran dachte ich schon seit dem Tag als sie ins Krankenhaus kam. Und wahrscheinlich hätte ich auch schon Blüten in ihre Richtung geschossen, wenn ich da nicht dieses kleine Problem vor mir hätte.

„Du weißt nicht, was ihre Lieblingsblumen sind, richtig?", erriet es Niall scharfsinnig und ich presste die Lippen aufeinander um mir nichts anmerken zu lassen. Hinter mir seufzte mein Kumpel dramatisch: „Du machst es komplizierter als es ist, finde es doch einfach raus."

„Das kommt mir irgendwie sehr plump vor", meinte ich und ohne meine Erlaubnis angelte Niall nach meinem Tablet: „Gib mir ihre Adresse, ich erledige das für dich, während du zur Massage gehst."

„Ich will nicht zur Massage!", wehrte ich mich, außerdem hatte ich kein gutes Gefühl dabei Niall auch nur irgendetwas bezüglich Isabell zu überlassen. „Wenn ich könnte, würde ich direkt nach England fliegen."

„Du brauchst mindestens 35 Stunden Zeit, um hin und zurück zu kommen und nicht nur für eine Stunde in London zu bleiben", rechnete Niall mir vor. Natürlich war das alles Zeit, die ich nicht hatte.

Ich hasste es. Meine Freundin wurde angegriffen und ich... war auf der anderen Seite der Welt. Viel lieber würde ich sie besuchen und für sie da sein.

Niall hob den Kopf: „Komm schon, gib mir Isabells Adresse und du machst dich jetzt locker und nimmst die Massage. Ich buche mir für morgen früh eine Neue."

Obwohl ich den Kopf voll hatte mit anderen Dingen, allen voran mit Sorgen, knickte ich langsam ein. Denn mein Kumpel ließ nicht locker und ich ließ ihn Stein und Bein schwören, dass er mich wegen der Blumen nicht in die Hölle brachte.

Irgendwie hatte er schon recht. Wir hatten nur 24 Stunden Freizeit und die sollten wir nutzen, um unseren inneren Akku wieder aufzuladen. Louis verschlief wahrscheinlich jede Sekunde und Liam – keine Ahnung. Ich sah ihn Abseits der Arbeit eher weniger. Meistens verschwand er und tauchte zum nächsten Termin pünktlich auf.

In Jogginhose und Shirt nahm ich den Fahrstuhl und betrat wenig später den Wellnessbereich. Ich kannte das Spa in Japan nur mäßig, abgesehen von den heißen Quellen, den Onsen, hatte ich noch nie etwas ausprobiert.

Laut Niall hieß die Massage Namikoshi, ich sollte versuchen abzuschalten. Im Spa selbst gab es kunstvoll bemalte Trennwände mit japanischen Samurai drauf und die Luft roch schwer. So als würden Raucherstäbchen brennen.

Am Empfang begrüßte mich eine ganz in weiß gekleidete Frau und führte mich in einen halbdunklen Raum. Kerzen brannten, seltsame Musik lief und in einem piepsigen Englisch erklärte mir die Dame, dass ich mich hinter einer dieser Trennwände ausziehen musste, ein Handtuch bereit lag und sie alles vorbereiten würde.

So ganz verstand ich sie nicht, denn was wollte sie da vorbereiten? 

Ich musste mich schließlich nur irgendwo drauflegen und die Augen schließen. Doch irgendwie schien das hier in Japan anders zu laufen. Hinter dem Raumtrenner legte ich meine Klamotten ab und band mir das Handtuch um die Hüfte.

Die helle Stimme der japanischen Dame piepte zu mir herüber. Nämlich, dass sie sich entfernte und ich mich schon einmal entspannen sollte.

Sichtlich irritiert trat ich hinter dem Raumtrenner hervor und sah, dass die Bambusmatten am Boden entfernt worden waren und sie legten nun eine Art Whirlpool frei. Das Wasser war seicht und machte die Luft im Raum noch drückender und wärmer.

Na dann, auf ein Bad.

Das  Wasser sorgte jedoch dafür, dass ich mich entspannte. Der Whirlpool war bequem, man konnte sich gut zurücklehnen und ich zwang mich, zumindest jetzt, nicht daran zu denken wie gerne ich mit Isabell telefonieren würde.

Aber das würde mir kaum helfen, denn sie verstand mich kaum. Auch Skype machte es nicht so viel besser. Isabell musste sich anstrengen mich per Skype zu verstehen und im Moment sollte sie sich erholen.

Der Neid auf Louis wurde größer. Denn er konnte Eleanor immer sehen, ihre Stimme hören und mit ihr reden. Vielleicht fand ich mit Isabell noch eine Lösung, denn auf die Dauer nur zu schreiben, machte mich unzufrieden und sie hoffentlich auch.

Mich lullte die schwere Luft ein und kurz fühlte ich mich, wie in einem Dampfbad. Dazu diese komische Musik und nach und nach dämmerte ich fast weg. Mein Haar kringelte sich stärker als sonst, obwohl ich den Kopf nicht einmal unter Wasser gehalten hatte.

Ein Geräusch, das nicht zur Musik gehörte, holte mich träge aus dem Dämmerzustand zurück. Jemand kniete sich hinter mir, ich hörte jemanden murmeln.

Ach ja, sicher der Masseur.

Oder eher die Masseurin.

Die Finger waren schmal, doch dafür kräftig. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich zurück und spürte die Fingerspitzen an meinem Kopf. Es fühlte sich fast so an, wie beim Frisör. Mein Nacken war als nächstes dran und als schließlich meine Schultern massiert wurden, da war ich mir sicher bis zum Morgen definitiv wieder voll da zu sein.

Ich sollte mich nachher bei Niall entschuldigen und ihm das langweilige Sportprogramm überlassen. Meine Muskeln gaben unter den feinen Händen fast nach wie Knete. Es wirkte, als würde sie mich neu formen.

Der Dämmerzustand fand jedoch ein jähes Ende. 

Schlanke Beine glitten neben mir ins Wasser, ich spürte nackte Brüste an meinem Rücken und schlagartig riss ich die Augen auf. Sichtlich geschockt wollte ich aufstehen und herumfahren, doch meine Beine ließen im zu warmen Wasser wie Gummi nach.

Ungeschickt stolperte ich und stürzte auf die andere Seite des Whirlpools. Ich schluckte das trübe Wasser und mir war ganz schummrig. Mein Puls schoss durch die Decke und ich blinzelte zweimal.

Eine schöne Japanerin, völlig unbekleidet, mit glänzenden schwarzen Haaren saß auf dem Rand des Whirlpools und sah mich überrascht mit dunklen Augen an. Dann lächelte sie und machte eine laszive Handbewegung, die andeutete, ich solle zu ihr zurückkommen.

Doch ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, stattdessen sah ich, wie sich die junge Frau nun direkt vor meinen Augen einseifte und dabei keinerlei Hemmung hatte. „Komm", sprach sie mit sanfter Stimme. „Lass mich dich waschen."

Mein Hirn befreite sich nur langsam aus diesem Nebel an Dunst und Räucherstäbchen.

Scheiße!

Wo war ich hier gelandet?

Splitterfaser nackt kletterte ich umständlich aus der übergroßen Wanne und grapschte nach dem Handtuch. Ich hätte fast die Trennwand umgeworfen und zog mir dahinter so hastig die Jogginhose an, dass ich quasi klatschnass dieses komische Spa verließ. Sofort saugte sich der Stoff mit Wasser voll und ohne auch nur ein Wort zu verlieren stampfte ich am Empfang vorbei.

Wahrscheinlich ignorierte ich gerade einen Stall voller japanischer Höflichkeiten, aber ich war so wütend, dass das Land der aufgehenden Sonne von Glück reden konnte, wenn sie mich gleich nicht in Resten von der Wand kratzen mussten.

Fast hätte ich die Tür zu meiner eigenen Suite aufgetreten. Gerade noch konnte ich mich zurückhalten und hörte, dass der Sportsender noch lief. Niall lag noch immer auf dem überbreiten Bett und starrte sichtlich gelangweilt abwechselnd auf sein Handy und das Baseballspiel.

Verblüfft sah er mich an: „Wieso bist du denn schon wieder-!"

Ich ließ ihn nicht ausreden, sondern fuhr ihn an: „DU VERDAMMTES AMÖBENHIRN!" 

Automatisch griff ich nach einem Kissen, ich würde ihn ersticken und dann sämtliche Spuren verwischen. Am Ende sähe es so aus, als sei er im Spa auf ein Stück Seife ausgerutscht und er in der Brühe dort ertrunken.

Überrumpelt dauerte es etwas, bis Niall sich wehrte und versuchte das Kissen von sich zu drücken. Hysterisch fragte er: „Was ist los? Hör auf! Wieso-!"

„Du hast gesagt, du überlässt mir eine blöde Massage! Eine MASSAGE!"

„Ja, eine Namikoshi-Stunde", verteidigte Niall und ich schaffte es, dass er nun unter mir lag, seine Dummheit ließ mich fast explodieren: „Dann lässt du dir jedes Mal den Rücken und den Schwanz schrubben, wenn du dir eine Namikoshi-Stunde buchst? Was für ein Schwein bist du eigentlich!"

Machte ihm ein bisschen Fremdgeblase- und Gerubbel Spaß? Wenn er mich in seinen Scheiß reinziehen wollte, dann hatte er sich damit aber gewaltig geschnitten.

„W-Warte!", keuchte Niall unter dem Kissen hervor und rollte sich umständlich auf den Bauch, mit der linken Hand tastete er nach der Nachtkonsole am Bett. Ich gab ihm die Chance und Niall dieser klappte etwas aus der Schublade auf, das aussah wie das Buch einer Speisekarte.

„Scheiße!", entwich es meinem Kumpel wenig später und er wandte sich zu mir um: „Tut mir leid, Harry! Ich habe zwei japanische Zahlen durcheinander gebracht und aus Versehen eine Art Sōpurando gebucht und keine Namikoshi-Massage."

Meine Wut verpufft langsam. „Was zur Hölle ist Sōpurando?"

„Ähm...", kam es zögerlich von Niall. „... Sōpurando wird in Massagesalons benutzt, bei denen... äh... offiziell der Körper, einschließlich Geschlechtsteile zwecks Befriedigung, gereinigt werden..."

Das erklärte Einiges.

Gestresst ließ ich das Kissen sinken und breitete mich klatschnass, wie ich war, auf meinem Bett nieder. So viel dazu, dass ich Niall noch danken wollte.

Niall zwang sich zu einem schiefen Grinsen: „Sorry, wirklich! Das war sicher nicht lustig." Seine Miene sah ganz anders aus, er verkniff sich nur mühsam einen Lachanfall. Frustriert raffte ich mich auf und warf ihm einen angepissten Blick zu. Ich musste duschen und den merkwürdigen Geruch von Räucherstäbchen und Ekel von mir waschen.

Doch Niall war noch immer da, als ich in frischen Klamotten und sauber zurück ins Zimmer kam. Jedoch stellte er den Fernseher auf lautlos und sprach: „Lass mich den Schock wieder gut machen, Harry. Ich möchte nachher undercover durch Tokio streifen und ich habe von Preston die Erlaubnis für sechs Stunden bekommen."

„Ohne Personenschützer?", das klang nicht besonders gut. Doch der Ire nickte heftig: „Ja, mit Mundschutz und Mütze natürlich. Du hast es doch vorgemacht, als wir für den Film This is us gedreht haben."

Stimmt, damals funktionierte es gut. Wir müssten uns nur unauffällig kleiden, dann würden wir im Meer der Menschen untergehen. Sicher würde Preston wollen, dass wir das GPS anhatten und uns ein paar Mal meldeten.

Ich musterte Niall: „Wo genau willst du hin?"

„Och, hier und da was entdecken. Hauptsache ich kann dich ein Bisschen ablenken und du hast deinem Mädchen was zu erzählen", blieb er vage, setzte dann aber hinzu: „Sake wa hyaku-yaku no chō!", und schmunzelte. 

Ich dagegen rollte mit den Augen: „Lass das, dein Japanisch ist nicht besonders gut, wenn du nicht einmal gescheit zählen kannst."

Er nahm mir das nicht übel, doch trotzdem wollte ich wissen: „Und was heißt Sackaw hiaku-dingsda?"

„Sake ist unter hundert Arzneien die Beste."

Ab da hätte mir klar sein müssen, dass Sōpurando-blabla erst der Anfang war. Niall wollte aus Japan einen Abenteuerspielplatz machen. Stattdessen brachte er uns in Teufelsküche. 

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