24 Kummer zweiter Reihe.
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Ich hatte Isabell wirklich vermisst.
Nicht, dass ich Fizzys Anwesenheit blöd fand, aber es gab gefühlt hundert Kleinigkeiten an die ich mich einfach gewöhnt hatte. Isabell machte automatisch eine Tasse Tee am morgen mehr, sie sorgte für eine Basisordnung, ganz nebenbei und mir fehlten die gemeinsamen Heimfahrten, Abende in der Kneipe und der Streit drum, nicht ob wir uns was zu Essen bestellten, sondern wo.
Aus Deutschland schickte sie ein Päckchen mit Schneekugeln, einem Flaschenboot und zwei blauweißen Fischerhemden. Benny und ich fanden sie ziemlich cool und waren gespannt, was Isabell aus Frankreich mitbrachte. Da sie auf Instagram keine Bilder postete, machten wir uns ab und an etwas Sorgen.
Gleichzeitig ging ich ungern auf ihre Instagramseite, weil sich dort wirklich hässliche Menschen austobten. Am liebsten würde ich diesen ganzen Mobbern antworten und in den Arsch treten, aber es waren zu viele. Ich würde beschäftigt sein, bis ich 30 wurde.
Du bist fake! - Hässlich – Stirb! - Larry is fucking real – es ging immer so weiter. Unter einigen Bildern hatte sie schon die Kommentarfunktion ausgestellt.Es wurden Beleidigungen vom Stapel gelassen, dass ich mich fragte, wieso Isabell ihren Account nicht löschte und sich einen neuen anlegte.
Fakt war, sie kam nach Hause und schlief elf Stunden durch. Als sie die zwölfte Stunde ankratzte, da jagte ich Fluffy zu ihr ins Zimmer. Er war ein gutes Stück gewachsen und hopste eiskalt auf ihr Bett. Ich zog die Rollos hoch und stellte eine heiße Tasse Tee auf ihren Nachttisch ab.
Mürrisch kroch Isabell unter ihrer Bettdecke hervor und ich setzte mich in den wackeligen Ohrsessel: »Wenn du noch länger pennst, dann wirst du mit deinem Bett eins.«
»Ach, das ist okay«, fand sie und ließ sich von Fluffy kuscheln. Das Baby war schwer geworden und Isabell musste ihn etwas von sich runter schieben. Ihr fiel das Glas auf ihrer Kommode auf, in dem das Schiff stand. Als das Paket ankam, da hatten Benny und ich es vorsichtig ausgepackt.
»Und jetzt wach auf, ich will wissen, wie die zwei Wochen waren«, zumal ich wirklich neugierig war. »Abgesehen von Sexdetails will ich alle Einzelheiten.«
Sie lachte und ich grinste.
Und dann malte sie mir mit Worten die Bilder vor Augen. Isabell schwärmte von Hamburg, von Döner, der Rickmer Rickmers, dann von Frankfurt und der Sauftour mit Eleanor. Jetzt begriff ich auch, weshalb sie eine Kiste mit diesen Brausepulver nach Hause schickte.
Besonders war Paris.
»Ich liebe das Louvre und möchte noch einmal hin.« Meine beste Freundin strahlte regelrecht. Sie schwärmte vom Eiffelturm, der kleinen Galerie, in der sie mit Harry war und schließlich vom Moulin Rouge.
»Ich glaube, dass man sich für das richtige Paris mehr Zeit nehmen muss, denn nur die Touristenmagnete sind auf Dauer ermüdend.« Sie nippte an ihrem Tee und kraulte Fluffy. Ich musterte sie und fand, dass sie trotz Schlaf erschöpft aussah: »War der Flug anstrengend?«
Isabell zögerte und dieses Zögern machte mich misstrauisch: »Nein, es war gestern nur ein langer Tag. Packen, Konzert, Flug.«
»Ah, okay. Wir drehen morgen wieder, meinst du, du kannst am Start sein?«
»Ja klar!«
Das Problem wurde jedoch, dass Isabell 2 ½ Wochen später nach Italien fliegen wollte, um für vier Tage bei Harry sein zu können. Das hieß, sie würde eine weitere Woche ausfallen und wir mussten vordrehen.
Begeistert darüber war vom Deaf Studio niemand. Benny verzog zwar keine Miene, als ich es ihm erklärte, doch ich merkte, dass Mozzie genervt die Augen verdrehte, Soyun verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und Fizzy schien nur tief Luft zu holen.
Wir legten drei Nachtschichten ein und als ich mir Bennys Auto lieh, um Isabell drei Wochen später zum Flughafen zu fahren und dann zum Fußballtraining aufzubrechen, da meinte mein bester Kumpel: »Wird das jetzt ein Dauerzustand? Sie ist kurz da und dann wieder weg? Weil wenn sie Harry Potter jetzt ständig hinterher reisen will, dann sollten wir uns einen dauerhaften Ersatz für die Videos suchen.«
Auf dem Fußballfeld passten wir uns zum aufwärmen gegenseitig den Ball zu und ich verzog das Gesicht: »Wir ersetzten Foxy nicht, dafür bringt sie die Lyrik zu gut rüber.«
»Aber sie ist gedanklich nicht mehr anwesend, der Dreh hat echt lange gedauert, weil wir immer wieder wegen ihr unterbrechen mussten. Den Text und Sound hatte sie nicht drauf«, beschwerte sich Benny und ich wusste, dass er recht hatte.
»Sie ist verliebt in Harry Potter und das ganze Drumherum ist eben schwierig«, nahm ich Isabell in Schutz.»Du würdest auch nicht anders handeln.«
Darauf antwortete Benny nicht sofort, stattdessen meinte er: »Es kann so nicht bleiben. Wir können nicht jedes Mal alle unsere Kalender nach Foxy richten, nur weil sie sich Harry Potter anpasst. Das ist ein Job, für uns alle. Wie soll das laufen? Sollen wir uns von diesem Managment nicht gleich den Jahreskalender geben lassen, damit wir jedes Mal in vier Tagen vier Videos drehen?«
Ich wusste nicht, ob aus ihm die Eifersucht sprach oder nicht, aber Fakt war, dass auch ich mir besseres vorstellen konnte, als ständig auf den letzten Meter ein Video zu produzieren. Eigentlich hatten wir eine Elton John – Reihe produzieren wollen. Drei Songs von ihm. Danach wollten wir schauen wie es ankam und mit anderen Künstlern nachziehen. Doch „I'm still standing" war aufwendig und bunt, aber weil Isabell wenig Zeit hatte, wichen wir aus.
Stattdessen wichen wir auf Rag'n'Bone Man mit seinem Song „Human" aus. Der Vorteil war, dass wir alle den Beat auf den Boxen spüren konnten, aber wir mussten das Video sehr schlicht halten. Mit Erlaubnis waren wir auf einem Fabrikgelände, wo wir nicht störten. Es gab keinen Ortswechsel, lediglich zum Refrain änderte sich etwas an der simplen Gebärde.
Zuerst waren Mozzie, Isabell und ich gehemmt, wir tanzten nicht gerne, wenn uns jemand zusah. In einer Gruppe war das okay. Noch dazu wussten Mozzie und ich nicht, wie wir den richtigen Beat halten sollen, ohne den Beat tatsächlich live zu spüren. Fizzy hatte dann den Plan, dass sie uns den Beat vormachte, damit wir uns alle dran orientieren konnten. Sie hörte das Lied und tanzte hinter Benny und wir taten es ihr gleich.
Zuerst kamen wir uns ziemlich albern vor, doch nachdem Benny das Video geschnitten hatte, war ich schwer beeindruckt. So ulkig sah es nicht aus und mein bester Kumpel meinte: »Kein Plan, was du immer hast, ich sag doch, dass du dich gut der Musik anpassen kannst.«
Jetzt fühlte es sich jedoch so an, als würde Deaf Studio in die erste Krise schlittern. Unser Boss, Dicky, fand das Video zwar wirklich gut und die Klicks sprachen für sich, aber der Stress war es nicht wert.
»Ich bin tot ins Bett gefallen«, beschwerte sich Benny und ich stimmte zu: »Ja, ich auch, ich habe nicht mal gemerkt, als mein Wecker am Morgen geblitzt hat.«
»Rede mit Foxy! Weil, sonst wird es ungemütlich.«
Ich musste nicht mit ihr reden. Denn als sie aus Italien zurückkam, da erwischte ich sie nach einem langen Bib-Tag, wie sie fix und fertig ihren Koffer im Treppenhaus stehen ließ und auf die Stufen sank. Die Verletzungen von dem gefährlichen Sturz waren verheilt. Das, was mir jetzt Sorgen bereitete war die Tatsache, wie kaputt sie war.
Ohne großes Theater nahm ich den Koffer und trug ihn ihr hoch. In der WG angekommen gebärdete ich: »Geh duschen, ich kochte in der Zeit etwas.«
»Du bist der Größte!«
Nein, ich merkte nur, in was sie da hinein schlitterte. Frisch geduscht schlief sie fast am Tisch ein, als ich ihr die Nudelpfanne hinstellte. Ich hatte alle Reste unseres Kühlschranks dort reingepackt, was irgendwie gepasst hatte. Als Isabell aus Paris gekommen war, hatte ich diese kleinen Zeichen Erschöpfung in ihrem Gesicht gesehen, die ein langer Aufenthalt unter Hörenden so mit sich brachte. Aber bei der ersten Reise schien sie Pausen für sich gehabt zu haben.
Denn jetzt könnte man meinen, sie habe ein Festival hinter sich. Ich ließ sie essen und dann ins Bett verschwinden. Erst am nächsten Tag, als ich dran war das Bad zu putzen, sah ich sie wieder. Fluffy lag an der Türschwelle, wohl wissend, dass das Bad für ihn tabu war. Obwohl Isabell zehn Stunden Schlaf hinter sich hatte, sah sie immer noch genauso fertig aus, wie am Vortag.
Ich hatte gerade die Wanne eingesprüht und hielt inne, als sie sich im Schlafanzug auf das geschlossene Klo setzte. Sie sah aus, als wäre sie bei der Schlacht um Winterfell dabei gewesen.
»Wie war Italien? In welcher Stadt warst du überhaupt?«, wollte ich wissen. Sie rieb sich über das Gesicht und korrigierte: »Städten. Rom, Turin, Mailand, Neapel.«
Jetzt blinzelte ich: »Hä? Du warst doch nur sieben Tage weg und vier davon in Italien.«
»Strenger Zeitplan. Es war furchtbar«, gab sie zu. »Ich habe nur die Hotels gesehen und die Konzerthallen. Dazwischen saß ich im Tourbus.«
»Klingt stressig«, ich hockte mich auf den Badewannenrand und ließ das Putzmittel einwirken. Meine beste Freundin strich sich durch das lange zerzauste Haar. Ihre Nase sah aus, als wäre sie zu. Wahrscheinlich hatte sie sich im Flugzeug erkältet. Regungslos sah sie ins Leere.
Ich wusste nicht, wie ich das Thema passend ansprechen konnte und gerade, als ich es wollte, da gebärdete Isabell: »Harry Potter hat mich gefragt, ob ich ihn in Griechenland und Österreich besuchen würde. Für einen längeren Zeitraum.«
Oh, oh... die anderen sprangen sicher im Dreieck. »Und, willst du?«
Isabell ließ sich Zeit mit der Antwort. Dann hob sie schwerfällig die Arme: »Eigentlich schon. Ich möchte Harry Potter wirklich gerne sehen und Zeit mit ihm verbringen. Aber wenn ich mir seinen Terminkalender ansehe, dann wird mir ganz anders.«
Mir ebenfalls. Das Ganze las sich wie eine To-Do-Liste, bei der es keinen Spielraum gab. Es gab Wochen, da war er in vier verschiedenen Hotels. Penibel genau hatte Isabell sich im Handy notiert, wann ihr Kerl wo war und wo es sich vielleicht lohnte ihn zu besuchen.
Ich beugte mich vor und deutete auf eine Lücke: »Da sind doch fünf Tage frei. Kann er dann nicht mal nach London kommen?«
»Nein, er muss nach Los Angeles zu seiner Plattenfirma. Geht noch um seine Solo-Projekte. Diese hin und her Fliegerei frisst Zeit und er hat dort zwei Termine. Es ist zum Kotzen«, fand sie treffend. »Theoretisch könnte ich mit ihm fliegen, aber ich wäre dann schon wieder unterwegs und eigentlich wollte ich nicht wieder darum bitten, dass wir so komisch arbeiten.«
»Was meinst du?«
Tief holte Isabell Luft: »Ich muss endlich mit meiner Abschlussarbeit weiter machen, unterwegs komme ich zu nichts. Und die letzten Drehs für das Deaf Studio war die Hölle. Stress, Stress, Stress und davon habe ich echt die Nase voll.«
Wie gut, dass wir uns da alle einig waren. Ich schlug vor: »Du kannst das wieder gutmachen, wenn Puh-Pasch-Wochenende ist.« Ironischerweise war es genau dann, wenn Harry die Woche in Los Angeles war. Dann galt es Isabell sowieso abzulenken.
Puh-Pasch-Wochenende war einmal im Monat am Samstag. Dieser spezielle Tag existierte unter Gehörlosen und Hörgeschädigten schon ewig. Jeder, der konnte, kam in den Pub, man trank für zwei Pfund. Ein inoffizielles Treffen unserer Sippschaft. Die letzten Male hatten weder Isabell noch ich es dorthin geschafft. Die Uni und Arbeit funkte dazwischen.
Wieso es Puh-Pasch-Wochenende hieß, wusste ich nicht. Selbst die Absteige hatte einen anderen Namen, aber niemand schrieb in WhatsApp-Gruppen: 'Komm, lass uns im Flying old George treffen.'
»Ich soll euch allen eine Runde ausgeben, nicht wahr?«, fragte Isabell und ich winkte ab: »Du kannst auch das Essen vorher bezahlen.« Wir kamen vom Thema ab und ich ließ sie wissen: »Okay... sieh mal, ich verstehe, wenn du möglichst viel Zeit mit Harry Potter verbringen willst, aber du hast auch ein Leben hier.«
»Bin ich ganz deiner Meinung«, gab sie zu. »Außerdem ist... sind... die Leute anstrengend. Ich meine, sie sind nett und-«
»Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen, ich verstehe das«, unterbrach ich Isabell und sie sah aus, als würde ihr ein Fels von den Schultern purzeln. Also setzte ich noch einen drauf: »Allerdings finde ich, dass es so klingt, als würdest du dir ständig ein Bein ausreißen, damit Harry Potter und du Zeit miteinander verbringen könnt. Jetzt ist er Mal dran nach deiner Pfeife zu tanzen!«
Isabell lachte, aber es wirkte eher müde, statt offen und herzlich. Sie setzte den Tag aus, ging mit Fluffy spazieren und am Abend sah ich sie lange chatten. Ihre Laune wurde dadurch nicht besser, aber dafür unserer Kühlschrank. Er wurde wieder richtig gefüllt und die routinierte Ordnung kehrte zurück.
Wir fanden in unseren Alltag zurück Ich machte mich auf die Suche nach dem Thema meiner Abschlussarbeit und Isabell leistete mir zwischen all den Staubseiten in der Bibliothek Gesellschaft.
»Ständig suche ich euch, als würdet ihr mir Geld schulden«, zog Benny uns auf, weil wir morgens aufbrachen und abends erst wieder auftauchten. Dazu kamen die Videos, die wir drehten. Endlich fingen wir die Elton John – Reihe an. Mit viel Federarosa, aufwendigen Kostümen, die Soyun sonst wo her hatte und viel Mut wurde I'm still standing optisch aufgenommen. Wir nutzen dafür überwiegen das ewige Treppenhaus in der Uni und die Fahrstühle. Ab und an sah uns jemand dabei und amüsierte sich.
Isabell tankte ihren inneren Akku auf und kam mit ihrer Abschlussarbeit voran. Trotzdem erwischte ich sie immer mal wieder dabei, wie ihre Gedanken abdrifteten. Ich konnte verstehen, dass sie sich oft fragte, was Harry gerade machte. Noch vier Wochen würde sie allerdings ohne ihn aushalten, denn sie hatte entschieden, dass sie ihrem Kerl nicht Non-Stopp nachfliegen wollte und konnte.
Ab und an stalkte sie Harry und ich zog sie damit auf, dass die Fotos der Paparazzis nicht gerade schmeichelhaft waren. Sein Leben schien ganz weit weg zu sein und während eines produktiven Tiefs in der Bücherei fragte ich meine beste Freundin: »Findest du Harry Potters Leben interessanter, als deines?«
Isabell saß mir gegenüber und ließ ihr Handy sinken: »Interessanter, natürlich, er kommt viel herum. Aber ich würde nicht tauschen wollen. Dafür schlafe ich zu gerne in meinem eigenen Bett und dieser ganze Hype wäre es mir nicht wert. Vor allem dieses Stalking.«
»Ja, ja, ich habe die Stalkingfotos von dir gesehen, die man in Paris gemacht hat. Du siehst aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht.«
Missmutig verzog sie das Gesicht und murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht von den Lippen lesen konnte. Zum Glück verließen wir die Bibliothek heute eher. Das Puh-Pasch-Wochenende wurde eingeleitet und zu Hause ignorierte ich das Chaos in meinem Zimmer an Notizen, Büchern und Kisten mit neuen Apple-Material.
Ein frisches Shirt später verbreitete ich vor dem Bad Hektik, doch Isabell ließ sich nicht stressen. Sie machte sich in aller Ruhe die Haare und raste auch nicht die Treppen herunter. Stattdessen schien sie alle Zeit der Welt zu haben.
Erst als ich einwarf: »Ich glaube, dein Witzmädchen wollte heute auch kommen«, da ging sie schneller. Puh-Pasch würde werden wie ein Klassentreffen, nur Jahrgangsübergreifend. Das Flying old George war eine unauffällige Kneipe, man ging dran vorbei, wenn man nicht wusste, dass sie da war. Ein Bisschen, wie der Tropfende Kessel.
Wie immer mussten wir erst Eintritt bezahlen, bekamen einen Stempel auf die Hand und huschten dann in die Kneipe. Es war brechend voll. Man schob sich nur so durch die Leute. Im Gegensatz zu den üblichen Kneipen war dieser Pub nicht dunkel und verraucht. Man sah seinen Gegenüber recht gut und es roch nach Bier und Schnaps. Im hinteren Bereich gab es eine kleine Tanzfläche und als ich meine Hand auf die Holztheke legte, da spürte ich den Bass.
Überall entdeckte ich ein bekanntes Gesicht und es dauerte ewig die üblichen Verdächtigen zu finden. Die zwei Billardtische waren im Nebenraum belegt, genauso Darts und Kicker. An fast allen Tischen drängelten sich die Leute, die Wände waren beklebt mit Fußballpostern gerade, als ich mich zu Isabell umdrehen wollte, um ihr zu erklären, dass ich keine Ahnung hatte, wo unsere Freunde waren, da sah ich jemanden von der Treppe aus winken.
Mozzie gebärdete über die Köpfe hinweg: »Wir sind oben, könnt ihr Bier mitbringen?«
»Wie viel?«, fragte Isabell und reckte den Hals.
»So viel, wie ihr tragen könnt.«
Ich schnaubte und wir kämpften uns zurück zur Bar. Am Puh-Pasch bekam man das Bier in Kübeln und dazu die Becher, das Ganze hatte ein wenig etwas Amerikanisches. Isabell beugte sich über die Theke und bestellte drei Kübel für uns und ließ sich zahlreiche ineinander gesteckte Becher geben. Ale, Porter und Lager, balancierten wir nun zur Treppe, niemand konnte sich beschweren.
Die Treppen waren ein Hindernislauf und als wir im oberen Stock ankamen, da war es nicht mehr ganz so extrem voll. Trotzdem standen überall Leute und wir fanden unsere Freunde. Weil wir so viele waren wurden in der hinteren Ecke mehrere Bänke und Tische beschlagnahmt. Als wir das Bier abstellten wurden wir gefeiert.
»Leider haben wir keinen Tisch mehr an der Treppe bekommen«, erklärte Soyun. An der Treppe hieß, man konnte den unteren Puh-Pasch überblicken. Das Ganze funktionierte wie eine Galerie und man konnte sich mit den Leuten von unten nach oben unterhalten.
Benny fand das ganze nicht tragisch, denn während Mozzie uns allen ein Bier einteilte, meinte er feierlich: »Ist doch egal! Auf den heutigen Absturz!«
Die Gruppe lachte, denn dieser war definitiv sicher. Es gab kein Puh-Pasch-Wochenende ohne Klatsch, Gerüchte und böses Erwachen am Morgen. Amanda stieß Sekunden darauf zu uns, natürlich machte sie Witze auf meine Kosten, aber es störte mich nicht, denn ich traf alte Internatskollegen und horchte sie aus, was sie so machten.
Winnie und Albert wollten im Herbst heiraten, beide hatten um die Hüfte ordentlich zugelegt, seit sie ein paar waren. Hugo teilte uns mit, dass er nach London zurückzog, sobald er eine bezahlbare Wohnung gefunden hatte und Ibrahim erzählte, dass er das Haus seines Onkels geerbt hatte, es aber noch renoviert werden müsste. Er könnte fleißige Hände gebrauchen und wir klinkten uns ein. So ergab sich für Hugo ein neues Zuhause.
Immer wieder stießen neue Leute zu uns und andere verdufteten. Fast ging es bei uns am Tisch zu, wie auf einem Bahnhof. Zu trinken kam immer genug nach und neben Bier gab es nun Whisky und süßen Sherry.
Wir schwelgten in Erinnerungen, wer welchen Lehrer in Sport gehabt hatte, welche Party im Internat am Besten gewesen war und ich sah kurz, wie Benny auf sein Handy blickte, dann teilte er mit: »Dickkopf bringt ein paar Freunde mit, ist das okay?«
»Wer ist Dickkopf?«, wollte Hugo wussten und rieb sich über den Ziegenbart. Soyun erklärte: »Sie heißt Fizzy und ist eine Hörende.«
Die Gesichter in der Runde wurden ernst, Norman rülpsen, er stand hinter Isabell und war so breit, wie ein Schrank. Kaum zu glauben, dass er als Erzieher acht Stunden am Tag auf kleinen Stühlen hockte. »Hörende?«
»Sie ist total nett!«, verteidigte ich Fizzy. »Ihr werdet sie sicher mögen.«
»Genau«, stimmte Soyun zu. »Sie hilft uns bei den Videos.«
Ab da war das Thema Fizzy entschärft. Neugier um sie machte sich breit, denn ein neues Gesicht war in unserer kleinen Welt fast immer spannend. Benny nickte mit dem Kopf schließlich zur Treppe, es wurde Zeit neues Bier zu holen und endlich sammelten wir das Geld in einem leeren sauberen Trinkbecher. Jeder steuerte was dazu und wir nahmen raus, was wir brauchten.
»Scheiße, es wird immer voller«, fand Benny und ich grinste: »Du solltest Billard heute ausfallen lassen.« Sonst fand ich meinen besten Freund immer für eine Stunde sein Geld verzocken.
»Warum?«, fragte er misstrauisch und ich zwinkerte: »Weil Muskelhirn da ist.«
Muskelhirn, alias Glenn war nicht gut auf Benny zu sprechen, was allerdings verstärkt daran lag, dass seine Freundin Marnie jedes mal versuchte ihn anzugraben. Und leider tat Benny sich ziemlich schwer damit Marnie eine klare Abfuhr zu erteilen. Wie auch nicht, sie war blond, vollbusig, schmollmundig und ein feuchter Traum wert.
Wir schlängelten uns zur Bar und warteten darauf, dass wir dort bestellen konnten. Es dauerte ewig, wir hätten eines der Mädels mitnehmen sollen. Ich ließ den Blick schweifen und entdeckte eher zufällig ein bekanntes und leicht überfordertes Gesicht. Fizzy wusste überhaupt nicht wohin.
Sofort reckte ich den Arm in die Höhe um zu winken, sie sah mich und Erleichterung schien sie zu durchfluten.
»Die anderen sind oben, an der Treppe dann rechts«, erklärte ich ihr, damit sie nicht bis zu uns vorschieben musste.
»Danke! Bis gleich!« Strahlend wandte sie sich um und während Benny endlich das Bier bestellte, erkannte ich, wen Fizzy heute mitgebracht hatte. Die hübsche Brünette vom Deaf Slam folgte ihr gut gelaunt, dicht gefolgt von einem Kerl mit Snapback.
Augenblicklich versteifte ich mich. Prompt trat mir jemand imaginär in den Magen.
Was zur Hölle machte Niall hier?
Neben mir sah auch Benny nun zur Treppe, sichtlich amüsiert grinste er und noch bevor er auch nur irgendetwas äußern konnte, gebärdete ich: »Halt's Maul. Wehe du machst auch nur eine Andeutung.«
»Glaub mir, ich bin heute nicht dein Problem«, war er der Meinung.
Was für ein schlechtes Timing. Das Puh-Pasch-Wochenende eskalierte für irgendjemanden immer und merkwürdiger Weise hatte ich das nagende Gefühl, dass ich nun damit an der Reihe war das Opfer zu werden.
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Die wunderbare Grafik ist von horansuniverse <3 Ich danke dir dafür!
Antworten auf eure lieben Kommentare kommen noch, danke für die Votes :D
Endlich ist es so weit! Das war ein Kampf und auch mein kleines Etappenziel ;) Wir haben Niall und Noah in derselben Stadt. Leider musste ich das Tempo etwas anziehen, damit wir nicht Tag für Tag abklappern, ich hoffe, dass hat euch nicht gestört.
Übrigens, ein Puh-Pasch-Wochenende existiert in Essen wirklich. Ich weiß nicht einmal, ob ich das richtig geschrieben habe ;) weil man immer nur drüber spricht. Selbst an den Namen der Bar kann ich mich nicht erinnern xD
Fakt ist jedoch, ein Puh-Pasch-Wochenende brachte immer sehr viel Klatsch. Denkt ihr, dass das Pflaster gerade an mehreren Stellen heiß wird und wir getreut dem Ruf des Wochenendes ins Chaos stolpern?
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