18 Sous le ciel de Paris.
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Paris war ein Traum.
Ich verliebte mich in die Stadt. Die Sprache verstand ich nicht, ich konnte kaum die Wörter auseinander halten, aber das war mir egal. Mir ging die Stadt mit ihren ersten Schatten direkt unter die Haut.
Es überraschte mich nicht, dass die Unterkunft, das Four Seasons Hotel George V eine enorm kostspielige Nummer war. Die große Empfangshalle, geschmückt mit wunderschönen Blumen, die hohen Bogentüren, lauter edle Fresken an der Decke und die doppelseitigen Flügeltüren hatten etwas aus der Zeit von Ludwig XIV.
Der Hammer war der Ausblick aus der Suite. Denn man konnte den Eiffelturm sehen. Mich interessierte die helle und elegante Suite, mit all ihren Luxus nicht. Ich musste als erstes die Fenster weit öffnen und den leuchtenden Eiffelturm in der Dunkelheit bestaunen.
Eine gefühlte Ewigkeit stand ich am offenen Fenster und ließ mich vom Pariser Wahrzeichen berieseln und verführen. So lange, bis Harry schließlich mit einer dicken Decke von hinten kam und mich einrollte, wie eine Frühlingsrolle. „Du frierst hier an."
„Ach, das ist mir doch egal", behauptete ich, doch er zerrte mich nach einer Stunde vom Fenster weg und versprach, dass wir uns den Eiffelturm zusammen ansehen würden.
„Ich nehme dich bei Wort", warnte ich ihn. „Wenn wir das nicht schaffen, dann bin ich richtig, richtig angepisst."
„Ein Mann, ein Wort", erklärte er selbstbewusst.
Doch ich wusste mittlerweile, dass es für Harry nicht so einfach war sein Wort zu halten. Schon am nächsten Tag musste er direkt nach dem Frühstück arbeiten. TV-Aufzeichnungen, Radio-Interviews und das erste Konzert am Abend wartete auf ihn. Ich würde mir das letzte Konzert in Paris am Ende der Woche von One Direction ansehen.
Deshalb stand der Tag frei vor mir. Eleanor begleitete Louis zu all den Terminen, aber ich wusste, dass mich dort die Langeweile umbringen würde. Warten, warten, warten und kuriose Leute treffen. Darauf konnte ich verzichten. Jerry schien happy darüber, dass wir uns im großen Foyer trafen und wir uns die ganze One Direction – Hysterie sparten.
„Wir haben tolles Wetter und der Reiseführer ist unendlich lang", sprach er erfreut und hielt mir eine bunte Broschüre unter die Nase. „Aber wir können natürlich auch einfach dorthin, wonach uns gerade ist."
Na ganz so der Nase nach mussten wir nicht auf die Straße. Das Erste, was ich aufsuchen wollte, war das Louvre. Ich brauchte keine fachliche Führung. Alles, was ich wissen wollte, hatte ich mir selbst rausgesucht. Jerry und ich hatten unglaubliches Glück, denn das Museum war nicht hoffnungslos überlaufen. Ich konnte das Louvre nicht beschreiben, mir fehlten schon zu Beginn die Worte.
Eine wunderschöne, klare Architektur zog sich durch das Museum. Jerry und ich redeten nicht viel miteinander. Vielmehr schlenderten wir staunend durch die ewigen Korridore der Kunstwerke. Wunderschöne, eindrucksvolle Skulpturen säumten unseren Weg. Die Antike Sieg von Samothrake, Aphrodite, bekannt als Venus von Milo, den Geflügelten androcephaler Stier und die große Sphinx von Tanis waren nur ein Teil von erhaltener Kultur.
Es war dumm, aber umgeben von so viel Kunst und Geschichte war ich unglaublich glücklich. War es nicht wunderbar zu wissen, dass wir Respekt vor solch alten Schätzen hatten und sie sich ein jeder ansehen konnte? Von meinem Vater wusste ich, dass viel zu viele Kunstwerke in privaten Sammlungen ein Schattendasein fristeten.
„Eine Schande", murmelte ich zu mir selbst.
Vor der Mona Lisa stand ein Pulk aus Leuten und schon von Weitem verlor ich schnell das Interesse an diesem Bild. Es war klein und überhaupt nicht so eindrucksvoll, wie man es vielleicht glaubte.
Leider waren die Werke von Vincent van Gogh an das Louvre Abu Dhabi ausgeliehen und wir konnten sie uns nicht ansehen. Doch das dämpfte meine Begeisterung nicht. Die viele Lauferei erschöpfte mich jedoch, weshalb ich mich bei den Gemälden auf eine der rot bezogenen Bänke setzte. Geprellte Lungen brauchten wirklich gefühlt ewig, um richtig auszuheilen.
Ich sah direkt auf das große Bild von Jacques-Louis David. Es zeigte Napoleons Körnung und als ich all die kleinen Details betrachtete, schmunzelte ich. Für mich hatte dieses Bild eine ziemlich kitschige Bedeutung, denn hier hatten sich meine Eltern vor dreißig Jahren kennengelernt.
Meine Mutter war auf Klassenfahrt in Paris gewesen und hatte sich an einem Tag heimlich von ihrer Klasse abgeseilt, damit sie sich die Kunst im Louvre noch einmal in Ruhe ansehen konnte. Schon damals war mein Vater Kunsthändler und für ihn war es Tradition nach einem geschäftlichen Termin durch das Louvre zu gehen.
Sie kamen ins Gespräch und er begann meiner Mutter einige Bilder an Interpretationen zu erklären. Aber weder das Floß der Medusa, Veronese Hochzeit zu Kana oder der Tod des Sardanapal war ein Gemälde, an das meine Mutter sich auch nach dreißig Jahren noch besonders gut erinnerte.
Doch die Krönung in Notre Dame konnte meine Mum auch heute noch analysieren und ausführlich beschreiben. Meistens schmunzelte sie dabei, wenn sie von dem Bild sprach. So wie ich jetzt.
Ich hatte gehofft hier zusammen mit Harry hingehen zu können, aber wie so oft, wurde da einfach nichts raus. Wenn das so weiter ging, dann gewöhnte ich mich daran ohne Harry zu reisen, oder mir zumindest einen Bruchteil des Landes anzusehen, in dem wir waren. Irgendwie dachte ich immer, dass es ein wenig anders lief, wenn ich ihn auf Tour besuchte.
Ich dachte an die Zettel, die wir beschriftet und mit Ballons an Harrys Geburtstag hatten fliegen lassen. Dort standen all die Dinge drauf, die wir zusammen machen wollten. Bislang gab es keinen einzigen Punkt, den wir als verbucht abhaken konnten.
„Jerry, könntest du ein Foto von mir vor diesem Bild machen?", fragte ich den Personenschützer und reichte ihm mein Handy. Völlig übertrieben legte ich beide Handflächen auf meine Wangen und riss den Mund auf. Jerry grinste und wenig später schickte ich meiner Mutter auf WhatsApp das Foto. Ich war mir sicher, dass sie sich freuen würde.
Fast den ganzen Tag verplemperten wir im Louvre. Es war einfach gigantisch. Erst, als mein Magen knurrte, da horchte ich ganz dezent bei Jerry nach, ob er in der Stimmung für Futter war. Erleichtert stieß er die Luft aus: „Ich dachte, du fragst nie. Ich schmachte, seit wir an Milos Venus vorbei marschiert sind."
„Das war vor drei Stunden", stellte ich belustigt fest. Um ihn zu entschädigen, fragte ich: „Wollen wir auf der Panoramaterrasse des Kaufhauses Printemps Mittagessen?" Ein sehr spätes Mittagessen, aber Hauptsache wir bekamen bald was zwischen die Zähne.
„Nein, auf der Terrasse kann man nicht so gut essen, dass man satt wird", sprach Jerry. „Aber nicht weit von hier in einer Seitenstraße gibt es das Petit Boutary und da können wir preisgünstig spachteln."
Als ich das Petit Boutary betrat, ein kleines und feines Ding, und die Preise sah, da wurde mir klar, dass Jerry etwas anderes als günstig ansah, als ich. Doch er winkte ab und erklärte: „Ich lade ein. Das nächste Mal bist du dran und wir sind quitt."
Das wiederum klang gut. Jerry war bereits mehrmals in Paris gewesen und erklärte mir die französische Karte. Am Ende bestellte er einen leckeren Weißwein und ich probierte zum ersten Mal das französische Nationalgericht Coq au Vin. Alleine beim Duft Hühnchen und Gemüse im Tontopf lief mir das Wasser im Mund zusammen.
Da das Restaurant nicht besonders voll war, verstand ich Jerry gut, aber die meiste Zeit verkündeten wir uns nur gegenseitig, wie lecker wir etwas fanden. Weniger geschwächt verließen wir das Petit Boutary und ich stellte fest, dass es mittlerweile dämmerte und kühler wurde. Meine Füße waren müde und ich merkte selbst, ich hatte genug erlebt für heute.
Es ging zurück ins Hotel. Noch immer war Harry nicht zurück und ich erinnerte mich daran, dass es für ihn heute sehr spät werden würde. Geschafft ließ ich mich auf die elegante Couch der Suite fallen und verschnaufte.
All die Räume für sich alleine zu haben war noch immer befremdlich. Mein schlechtes Gewissen sorgte dafür, dass ich meine Uni-Unterlagen ausbreitete und versuchte mich ein Bisschen zu konzentrieren. Ich sollte es zumindest endlich schaffen meine Literatur zu halbieren. Doch stattdessen dachte ich an Niall.
Glaubte er wirklich, dass er für den Rest seines Lebens mit seiner Ausredenmasche durchkam?
Es musste doch furchtbar anstrengend sein so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Dieses, sich nicht erwischen lassen und etwas zu leugnen, was zu einem gehörte, war aufwendig. Ich konnte mich zu gut erinnern, wie sehr ich das auf den ersten beiden Fachschaftspartys an der Uni versuchte.
Im Endeffekt stand ich den ganzen Abend in einer Ecke, hielt mich an meinem Bier fest und hoffte, dass mich niemand in der lauten Umgebung ansprach, damit ich nichts falsch machen konnte. Dumm lächeln und möglichst nicht auffallen war eine simple aber wirksame Strategie.
Doch Niall konnte sich nicht unsichtbar machen.
Wie wollte er das Dauerhaft schaffen?
Lügen, sich verstecken und tausend Ausreden zu haben, konnte dermaßen schlauchen, dass er irgendwann ganz sicher ausflippte oder sich in seinem Netz verfing. Aber was wusste ich schon. Mir war Harrys Welt schließlich so fremd, wie Narnia.
Trotzdem machte ich mir Sorgen, obwohl mich das alles nichts anging.
Ich klappte frustriert meine Literatur zu und beschloss mich anders zu beschäftigen. Den dummen High-Tech-Fernseher bekam ich zwar an, aber ich stieg nicht durch dieses Menü. Radio, Sprache, tausend Sender. Noch dazu erkannte ich, dass man den Untertitel einstellen konnte, raffte nicht, was ich anklicken musste, damit er auch eingeblendet wurde.
„Ich will kein Radio hören!", fauchte ich das Ding an. „Wieso muss ich mich erst durch 300 Sprachen klicken?" Prompt wurde mir eine japanische Gameshow gezeigt. Doch statt sinnvoll zappen zu können, blendete sich japanischer Untertitel ein.
Nach einer halben Stunde gab ich völlig entnervt auf. Ich wollte gerade meinen Laptop aufklappen und schauen, ob irgendeiner meiner Freunde auf Skype online war, als mir die Flasche Rotwein auf der Kommode auffiel. Daran klebte ein Zettel mit einer weiblichen Schrift.
'Für einen entspannten Abend, bis zu unserem nächsten Saufgelage ~ Eleanor'
Prompt musste ich lächeln und machte mich sofort daran die Flasche Wein zu öffnen. Ich goss mir ein Glas ein und schlenderte ins Bad. Es war riesige und ich wollte es endlich einmal richtig ausnutzen. Die gewaltige Wanne mit den vergoldeten Füßen stand direkt im Raum. Überall lagen flauschige Handtücher und standen weiße Kerzen, die ich nur anzünden musste.
„Okay, bringen wir hier Mal ein bisschen Romantik rein", sprach ich mit mir selbst. Ich ließ heißes Wasser in die Wanne laufen, nutze eine der zahlreichen Proben und sah, wie der Schaum sich ordentlich auftürmte. Geduldig gruppierte ich die Kerzen, zündete sie an und drehte meine langen Haare zu einem hohen Dutt.
Schließlich, als die Wanne voll war, machte ich das große Licht aus und legte meine CI's sicher im Schlafzimmer auf die Nachtkonsole. Ich zog mich aus und versuchte mich mit dem Weinglas in die Wanne zu setzten. Doch noch war das Wasser zu warm und ich zog scharf die Luft ein.
„Scheiße ist das heiß!"
Der fruchtige Duft des Badezusatzes stieg mir in die Nase und als ich mich zurücklehnte und im Schaum versank, da entspannte ich mich. Mir war, als könnte ich tief durchatmen. Mein Fuß hörte auf zu pochen und meine Schultern lockerten sich.
Ich hatte immer noch mit den Nachwirkungen des Sturzes zu kämpfen, aber es ließ mehr und mehr nach. Jeden Tag wurde es ein Bisschen besser. Aktuell fühlte ich mich wie Julia Roberts in Pretty Women, nur ohne den anrüchigen Hintergrund.
Der Wein begann besser und besser zu schmecken und ich schloss die Augen. Das Glas stellte ich vorsichtig auf dem breiten Rand der Wanne ab. Ich ließ die Hände durch das Wasser gleiten und fing an zu gähnen.
Hach, hier könnte ich drin schlafen. Jetzt bereute ich es mir in Hamburg und Frankfurt nicht ebenfalls Zeit für ein Bad genommen zu haben. Gerade, als ich nach einigen gefühlten Minuten glaubte wegzudämmern, legte sich eine kalte Hand auf meine Wange.
Erschrocken riss ich die Augen auf und rutschte ein paar Zentimeter tiefer ins Wasser. Schaum stieg mir in die Nase und ist hustete. Ich fuhr herum und mein rasendes Herz beruhigte sich wieder. Lachend stand Harry hinter mir und sagte etwas. Leider achtete ich nicht schnell genug auf seine Lippen.
Verschwitzt strich er sich das unordentliche Haar nach hinten und füllte mein Weinglas wieder auf. Ich beobachtete ihn dabei, wie er mehrere Schlucke trank und ich sprach: „Ich dachte, du kommst später."
Dieses Mal konzentrierte ich mich auf sein Mundbild und verstand: „Es ist halb zwölf."
Hoppla.
Er hielt mir das Weinglas hin und dann zog er sich das bunte Hemd über den Kopf und warf es achtlos zu Boden. Beinahe hätte ich ihn dümmlich gefragt, was er da tat. Gespielt kindisch hielt ich mir die Hand vor Augen: „Hör sofort auf damit."
Die Hose landete bei seinem Hemd und ich spürte seine kalte Hand auf meiner nackten Schulter. Er schob mich weiter nach vorne und wenig später ließ Harry sich hinter mir in der Wanne nieder. Obwohl ich ihn nackt kannte, so fühlte sich dieses Bad unglaublich intim an. Unsicher lehnte ich mich zurück. Muskulöse Arme umfingen mich und ich spürte Harry tief durchatmen.
Seine Finger streichelten von meinen Schultern meinen Armen entlang und kurz erschauderte ich. Ich spürte seine Lippen leicht an meinem Hals und musste lächeln. Endlich hatten wir wirklich Zeit für uns. Keine Missverständnisse, keine Anspannung, nur wir beide, so wie in London.
„War das Konzert gut?", fragte ich. „Habt ihr es reibungslos überstanden?"
Harry sorgte dafür, dass ich meine linke Handfläche öffnete und er schrieb mit seinen Zeigefinger die Antworten. Ein knappes Ja für die erste Frage und es folgte ein K.O. Seine seltsamen Arbeitszeit konnte ihm keiner abnehmen, aber er wurde auch großzügig dafür bezahlt.
Wir vernichteten den Wein, leerten zusammen das Glas und spielten mit den Schaum. Harry baute Türmchen auf meinen Haaren und ich ließ den Schaum durch die Gegend fliegen.
Irgendwann spürte ich Harrys Lippen über meinen Hals streichen und leicht an der Haut saugen. Mein Herzschlag beschleunigte sich sofort. Doch erst, als seine Hände auf Wanderschaft gingen, da wurde mir klar, dass er so K.O. wie er behauptete zu sein, heute nicht war.
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