13 Frankfurt am Main.

┊  ┊  ┊          ★ HARRY

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Die Stimmung war übels geladen. Wir waren erst knapp vierundzwanzig Stunden in Frankfurt und es fühlte sich an, als würde jeden Moment eine Bombe hochgehen. In der Commerzbank Arena war es dann so weit.

Schon vor dem Konzert lag Spannung in der Luft, dann in der 94 Minute passierte es.

Bereits beim Soundcheck hatte unser Chef-Techniker Nelson uns darauf hingewiesen, dass es die eine oder andere Änderung gab, bezüglich des Feuers und einigen Effekten. Der Amerikaner mit den weißen Dreadlocks gab die Hinweise mit Nachdruck, damit uns nichts passierte. Wir sollten uns klar an den Ablauf halten, nicht dass wir am Ende genau dort standen, wo wir uns schließlich verbrennen konnten.

Es hielten sich alle dran.

Alle außer Niall.

Die Flammen schossen hoch und im ersten Moment bekam ich den Vorfall nicht mit. Drag me down sollte für Stimmung sorgen, doch stattdessen fing Nialls Shirt Feuer und Louis war es zu verdanken, dass Niall nicht völlig zur Fackel wurde. Hastig riss er ihm das Shirt vom Leib und leerte die nächste Wasserflasche auf ihn aus.

Das war riesiges Glück im Unglück, doch der Schock saß tief. Um keine Panik zu verbreiten, sorgten Liam und Louis für ein paar witzige Minuten. Ich half Niall hinter die Bühne, wo sofort ein Arzt alarmiert wurde. Zur Abwechslung musste man sich um den Hauptact kümmern und nicht um ohnmächtige erste Reihen.

Rita schickte mich hastig auf die Bühne zu den anderen und mit schlechter Ablenkung hielten wir unsere Fans bei Laune. 51.000 Leute im Schach zu halten, war fast unmöglich. Gott sei dank kehrte Niall schließlich zurück. Er grinste, als wäre nichts passiert. Doch ich sah ihm an, dass er keine 100% mehr gab.

Verschwitzt, total rot im Gesicht und etwas vorsichtiger mit den Bewegungen schloss er sich uns wieder an und gab den Fans keinen Grund zur Besorgnis. Ich sah aus der Nähe, dass ein paar Haare angekokelt waren und würde später einen ordentlichen Schnaps auf Louis' schnelle Reaktion trinken.

Zuverlässig brachten wir das Konzert mit zwei Zugaben zu Ende. Dann verschwanden wir hinter die Bühne in den abgesonderten Backstagebereich. Aber dieses Mal war die Wartezeit, bis sich die Halle leerte und die Bühnenarbeiter die Technik und übliches Gedöns einpackte, nicht zur Erholung.

Die Bombe entlud sich.

Außer sich knallte Liam die Tür hinter sich zu und mir dröhnte der Kopf vom Knall. Nach einem Konzert hatte ich oft das Gefühl, als würde es in meinen Ohren rauschen. Ruhe tat danach immer gut, aber das konnte ich nun vergessen.

„WAS ZUM TEUFEL IST LOS MIT DIR!", fuhr Liam Niall an. „Hast du nicht gehört, was Nelson uns beim Soundcheck gesagt hat! Wo bist du mit deiner verdammten Matschbirne, wenn man uns etwas erklärt!"

Niall hatte Schwein gehabt und nur Verbrennungen ersten Grades. Die betroffenen linke Seite des Rippenbogens hatte der Arzt bereits mit Salbe behandelt und mit Verbandsmaterial abgedeckt. Wahrscheinlich würde Niall morgen noch einmal zur Kontrolle in die Klinik fahren. Um das angesenkte Haar würde sich Judy kümmern.

„Es ist das achte Mal, dass du dich an einen Platz auf der Bühne aufhältst, wo du nicht sein solltest!", fauchte Liam Niall an und gab ihm einen groben Stoß, sodass dieser regelrecht ins Polster des knallroten Sessels stürzte.

„Hey!", mischte ich mich nun ein. Denn ich sah, dass Niall vor Schmerz leicht das Gesicht verzog. An der Schulter riss ich Liam herum: „Beruhige dich mal wieder!"

Wütend schlug er jedoch meine Hand weg und mir wurde klar, dass es da eine ganze Menge angestauten Frust bei Liam ab. „Ich habe die Schnauze so voll davon! Nicht einer von euch funktioniert, wie er es tun sollte!"

„Das sagt der Richtige", spottete Louis und suchte nach Zigaretten. Erschöpft ließ er sich auf dem Sofa fallen, welches den halben Raum einnahm und steckte sich die Kippe an. „Du bist es doch, der direkt zur Diva wird, wenn du meinst, du kriegst da draußen nicht genug Aufmerksamkeit."

„Hör auf so einen Scheiß zu labern!", verlangte Liam, doch Louis schnaubte nur: „Ist doch wahr! Gestern beim Interview hast du dich unmöglich aufgeführt und Harry dreimal hintereinander unterbrochen. Meinst du, es checkt von uns keiner, dass du Angst hast, man würde dich nicht genug beachten?"

Damit brachte er Liam erst richtig gegen sich auf: „Kümmere du dich mal besser darum, dass man dich hört, wenn wir live spielen! Du wirst immer leiser – bald können wir auch zu dritt da rausgehen. Sport und weniger Nikotin wären echt angebracht!"

Wir ignorierten mal, dass Liam selbst rauchte. Allerdings war seine Stimme kräftig wie eh und je. Ich nutze den Moment und half Niall dabei sich vorsichtig richtig hinzusetzten. Mein Kumpel glühte förmlich, weshalb ich raunte: „Geht's dir wirklich gut?"

Er winkte schwach ab und ich nahm eine der kalten Wasserflaschen und hielt sie ihm in den Nacken. Kurz fröstelte Niall und ich hörte ihn sagen: „Tut mir leid, der Schock war größer als alles andere."

Louis und Liam bekamen davon nichts mit, zu sehr waren sie damit beschäftigt sich gegenseitig in die Pfanne zu klatschen.

„Mich hört man sehr gut! Vielleicht solltest du deinen Testosteronspiegel runterfahren, was Essen oder dir mal ordentlich die Birne voll knallen", schlug Louis ihm angepisst vor. „Denn seit wir in Deutschland sind, bist du nur noch am-!"

„SAG DU MIR NICHT WAS ICH TUN SOLL!", brüllte Liam ihn an und ich hatte nun endgültig genug. Mir dröhnte der Schädel und ich wollte wirklich dringend duschen.

„Liam", sprach ich betont ruhig. „Bitte, es gibt keinen Grund die Stimme zu heben. Es war ein langer, stressiger Tag und-!"

Erneut wurde ich unterbrochen. Langsam gewöhnte ich mich daran.

„ICH NUTZE MEINE STIMME, WIE ICH ES WILL! UND WENN ICH VON HIER BIS LONDON BRÜLLEN WILL, DANN WERDE ICH DAS TUN!", wurde ich angepfiffen.

Ich gab es auf Liam zu verklickern, dass er sich im Ton vergriff, doch nicht nur mir reichte sein Egotrip.

„Kannst du aufhören dich so respektlos zu verhalten?", mischte sich nun Niall ein. „Wir sind nicht irgendwelche Leute, die du bezahlst, damit du sie anschreien kannst."

„Vielleicht ist es genau das was du brauchst!", zischte Liam. „Alles, was man dir in normaler Lautstärke verklickert, ignorierst du! Ich habe das Gefühl du kriegst gar nichts mehr mit!"

Jetzt sahen wir alle Niall an und dieser erschrak über so viel plötzliche Aufmerksamkeit. Liam verschränkte die Arme vor der Brust und Louis beugte sich vor. Letzter fragte: „Woran liegt das?"

Überfordert rieb Niall sich mit den Händen erneut über das Gesicht: „Ich habe viel um die Ohren, okay? Und es fällt mir schwer mich daran zu gewöhnen, dass wir uns die Bühne wieder teilen."

„Falsch", behauptete Louis, „das ist ein Problem von Liam, aber-!"

„DAS IST NICHT WAHR!"

Und schon ging das wieder von vorne los. Ich schritt zum Tisch, wo sich belegte Brötchen, Süßkramscheiße und Getränke befanden. Ich neigte nun wirklich nicht zu einem Wutausbruch, aber anders wusste ich nicht, wie ich Liam endlich dazu brachte sich abzuregen. Heftig schüttelte ich eine große Wasserflasche mit Kohlensäure und betrachtete ihn, wie er weiter abwechselnd Louis und Niall anblökte.

Was für ein Schwachsinn.

Er sollte sich seine Energie sparen und in etwas Sinnvolles investieren. Oder einfach mehr mit Paddy joggen gehen. Mittlerweile verzog Louis schon das Gesicht und ich kannte den Ausdruck. Normalerweise genoss ich es wenn Louis so hilflos aussah, aber wenn Eleanor es war, die ihn zusammenstauchte, dann war es lustiger.

Bei Liam waren die Gründe einfach zu dumm.

Als hätte jemand einen Stöpsel aus seinem Arsch gezogen und nun würde sich negative Luft verbreiten. Wurde Zeit ihn abzukühlen. Ich öffnete die Wasserflasche und hielt sie in Liams Richtung. Er war so überrumpelt und überrascht, dass er nicht auswich.

Stattdessen starrte er mich wie ein begossener Pudel an, als käme ich vom Mars. Das Wasser hatte ihn direkt im Gesicht getroffen und durchnässte seine Klamotten.

„Okay", sprach ich langsam, „wenn du jetzt nicht runter kommst, dann schlage ich dir eine rein und das meine ich ernst."

Angestrengt atmete Liam ein und aus. Hinter ihm hatte Niall Mühe nicht in Gelächter auszubrechen und bemühte sich verzweifelt um eine ernste Miene. Ich konnte selbst kaum glauben, was nun aus meinen Mund kam, aber es musste raus: „Liam hat in gewisser Weise recht. Es läuft nicht so rund, wie es laufen sollte." Mein Blick glitt zu Niall: „Heißt dein Stress zufällig Hailee?"

Etwas nervös strich Niall sich mit der Hand über den Nacken: „Es ist schwer sich zu entspannen, weil sie ständig um mich herumschwirrt und ich versuche sie ein Bisschen auf Abstand zu halten. Auf ein Bisschen viiiiel Abstand. Aber das geht nicht."

In diesem Moment runzelten sowohl Liam, Louis aber auch ich die Stirn. Keiner von uns sagte etwas, bis Louis als Erster den Mund aufmachte: „Was meinst du mit viel und doch nicht so viel Abstand?"

„Ich will sie absägen!", platzte es aus Niall raus. „Doch das geht gerade nicht, ihr wisst, wir sind auf Tour, sie bleibt bis in die Staaten unser Voract und-", er machte einen gequälten Gesichtsausdruck, dann gestand er endlich: „- ich will nur mal ne' Nacht durchpennen!"

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?", fragte ich.

„Sie saugt mir das Leben aus den Körper, Mann!", sprach er in die Ecke gedrängt. „Es ist, als würde sie riechen, dass ich vorhaben sie abzuservieren und jetzt liege ich gefühlt jede Nacht auf dem Rücken und das Blut in meinem Hirn wandert-"

„Stopp!", unterbrach Liam ihn prompt. „Ich denke wir sind im Bilde."

Mehr als genug.

„Das ist alles?", horchte Louis und Niall schnaubte: „Ich will mal wissen, wie du drauf bist, wenn El beschließt, dass du ab jetzt nichts mehr zu melden hast und alle Entscheidungen, die gerade so anstehen dein Schwanz für dich übernimmt. Egal wie oft du ihm sagst, dass er sich nicht melden soll!"

Na ja, wahrscheinlich hatte Louis auch so nicht viel zu sagen, trotzdem bekam ich eine vage Vorstellung davon, wie anstrengend es sein musste, wenn man keine besonders erfolgreiche Gegenwehr leisten konnte. Das würde ich wahrscheinlich auch nicht tun. Mein Blut würde auch in die falsche Richtung laufen, Isabell müsste nur die richtigen Knöpfe drücken und schon hatte ich keine Chance mehr.

Tief holte Liam Luft, dann sagte er zum ersten Mal an diesem Tag etwas Vernünftiges: „Gib Hailee den Laufpass, wenn du das wirklich willst. Für den Rest der Tour bis nach Amerika pennst du dann bei mir."

„Sicher?", Niall blieb skeptisch. „Nicht, dass du plötzlich das Verlangen hast mich im Schlaf zu würgen, weil ich es gewagt habe auf der Bühne in die falsche Richtung zu hopsen."

„Blödsinn", wehrte Liam ab. „Du kriegst genug Schlaf und ich habe keinen Grund mehr an die Decke zu gehen. Gleichung gelöst."

Na endlich.

Mir lag es auf der Zunge zu fragen, warum Cheryl ihn nicht besuchte. Sie könnte Bear doch den Großeltern überlassen oder ihn einfach mitnehmen. Würde ihm zumindest gut tun in Paris etwas Gesellschaft seiner Freundin zu haben.

„Aber was dich angeht-", Liam wandte sich nun Louis zu, „-achte mehr auf deine Gesundheit, sonst gehst du ein, wie eine trockene Pflaume. Außerdem hast du El und Fizzy eh versprochen, dass du aufhörst zu rauchen. Halte deine verdammten Versprechen."

Man sah Louis das schlechte Gewissen an und wie ich es erwartet hatte, traf Liams Blick nun mich. Mein Herz begann zu rasen, meine Hände wurden schweißnass, er würde doch nicht-

„Hoffen wir, dass Paris besser für uns läuft", sprach er stattdessen und mir purzelte ein Container Last von der Schulter. Hatte ich Liam wirklich zugetraut, dass er mich so eiskalt in die Pfanne haute und Louis verriet, dass ich mit Eleanor geschlafen hatte?

Er hatte mir in Tokio die Pistole auf die Brust gesetzt, aber er war auch mein Freund. Natürlich würde er so etwas nicht tun und es mir überlassen die Wahrheit auszusprechen. Auch, wenn ich eine Deadline im Nacken hatte.

„Ja", stimmte ich Liam also zu. „Gestern und heute war anstrengend und morgen geht es schon wieder weiter. Lasst uns einfach versuchen über Nacht einen Zaubertrank zu trinken, damit wir den Videodreh durchstehen." Außerdem wollte ich endlich ins Hotel zu Isabell.

Louis räusperte sich und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich: „Ist... äh... zwischen uns jetzt alles klar und in Ordnung?"

„Wieso sollte es das nicht sein?", stellte ich die Gegenfrage und Louis wirkte auf einem Schlag etwas nervös: „Weil wir uns in letzter Zeit nicht mehr zusammen gesetzt haben, dabei wollten wir doch genau das auf Tour machen. Mal wieder zusammen schreiben, etwas als Gruppe unternehmen."

Das stimmte. Betreten tauschten wir alle einen Blick miteinander aus und dann schlug Niall vor: „Wir sind eine Woche in Paris. Also reservieren wir einen Abend, an dem wir uns zusammen finden."

Nur mit Mühe und Not verkniff ich mir den Einwurf, dass ich meiner Freundin so viel wie möglich von der Stadt zeigen wollte und Paris etwas Besonderes werden sollte. Doch wenn ich jetzt mit der Freundinnen-Nummer kam, dann tickte Liam sicher wieder aus. Also nickte ich nur. Wir machen die Mitte der Woche aus und erklärten den Abend zur stressfreien Zone.

Endlich ging es zurück ins Hotel und obwohl wir von Rita einen merkwürdigen Blick bekamen und Jerry horchte, ob alles Okay war, verriet niemand von diesem merkwürdigen Ausraster. Im Foyer des Steigenberger Frankfurter Hofs trennte ich mich von den Jungs und so blieben Liam und ich im Fahrstuhl alleine zurück.

„Danke für die Abkühlung", sprach er, „die habe ich scheinbar echt gebraucht."

„Schon gut", meinte ich. Die Fahrstuhltüren schlossen sich. „Für einen Moment dachte ich echt, dass du mich Louis auslieferst."

Überrascht wandte Liam sich mir zu: „So ein Arsch bin ich auch wieder nicht. Trotzdem halte ich es nicht für richtig darüber zu schweigen. Ich meine, kommt es dir nicht komisch vor ihm ins Gesicht zu blicken und zu wissen, dass du mit seiner Freundin geschlafen hast?"

„Sie war es nicht, als es passiert ist", korrigierte ich kleinlich. Daraufhin zuckte Liam mit den Schultern: „Es ist trotzdem geschehen und das ist scheiße."

Der Fahrstuhl hielt und Liam stieg aus. Ich blieb zurück und wusste, dass er recht hatte. Es war Louis gegenüber nicht fair und der unglückliche Zufall hatte Liam zum Mitwisser gemacht. Er konnte nicht gleichzeitig Louis und mir gegenüber loyal sein. Der Fahrstuhl spukte auch mich in einem oberen Stockwerk aus und ich trat in den leeren Flur.

Tief, erschöpft und ausgelaugt atmete ich durch. Was für ein furchtbarer Tag. Und das wirklich schlimme? Es fühlte sich nicht an, als wäre er schon vorbei.

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