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Elsa
"Elsa?" fragt plötzlich eine Stimme durch die verschlossene Tür.
Es ist Anna.
"W-Was ist denn Anna?" frage ich mit zittriger Stimme und stehe ganz langsam aus der Zimmerecke auf. Dabei fällt mein Blick kurz um die Ecke herum. Ich stoße einen kleinen Schrei aus. Rund um die Ecke, in der ich gesessen habe, hat sich ein dicker Frostfilm gebildet.
Nein...
Sie...sie ist wieder da!
Die Angst!
Nein Elsa konzentrier dich, du darfst die Angst nicht Kontrolle gewinnen lassen. Lass die Angst nicht die Kontrolle bekommen!
"Elsa ist da drin alles okay?" fragt Anna während ich nach einer Antwort suche.
"Mach doch bitte die Tür auf."
"Nein ich werde die Tür nicht öffnen. Und ja es...es ist alles okay." sage ich und versuche meine Stimme fest klingen zu lassen, doch es funktioniert nicht.
"Ähm...Hildegard ist jetzt wirklich zu Schneeflocken zerfallen. Olaf...er ist am Boden zerstört. Möchtest du mal mit ihm reden?" fragt sie und mein Blick schnellt zu meiner Eisrose. Die Risse werden immer größer, aber die Rose ist noch nicht zersprungen.
"N-Nein Anna. Es tut mir leid. Ich kann nicht." sage ich und seufze.
"Aber wieso Elsa? Bitte sag mir was los ist. Schließ mich nicht aus. Lass mich herein." die letzten zwei Sätze singt Anna dann schon. So wie früher.
"A-Anna ich kann nicht." sage ich etwas lauter.
"Elsa bitte lass mich rein. Was ist denn mit dir los?" fragt Anna, dann herrscht ein Schweigen.
"Ist es wegen Jack? Ist ihm etwas passiert?" fragt sie jetzt, anscheinend hat sie gegrübelt.
Schon sein Name allein versetzt mir einen tiefen Stich in mein Herz.
"Bitte sag diesen Namen nicht." sage ich und meine Stimme bricht ab.
"Elsa ich...ich möchte dir doch nur helfen." sagt sie sanft und Tränen treten wieder in meine Augen.
Es ist genau wie damals.
"Du...du kannst mir aber nicht helfen. Es tut mir leid Anna. Lass mich jetzt bitte alleine." sagt ich und seufze. Dann höre ich Schritte, die immer leiser werden. Als ich sie nicht mehr hören kann, wende ich mich der Ecke zu, die immer noch mit dem Frost überzogen ist. Doch trotzdem zucke ich zusammen. Mein ganzes Zimmer ist nun von Frost überzogen und mein Fenster und meine Tür sind zugefroren. Ich laufe zu meinem Fenster und versuche es aufzubrechen, doch das Eis ist sicher ein paar Meter dick. Ich hämmere mit den Fäusten dagegen, doch das Eis bricht nicht. Schluchzend gehe ich zu Boden. Die Tränen laufen wieder heiß über meine Wangen und meine Kehle ist wie ausgedörrt. Ich denke an Jack, an die Zeit, als wir noch zusammen waren. Und nicht getrennt und weit voneinander entfernt, wie jetzt.
Ich ziehe meine Füße an mich heran und schlinge meine Hände um sie. Dann lege ich meinen Kopf darauf und seufze. Dann fällt mein Blick wieder auf meine Eisrose, die auf meinem Bett liegt und mich anfunkelt. Sie scheint förmlich zu sagen: "Es geht ihm nicht gut. Aber du kannst leider nichts daran ändern."
Das treibt mir weitere Tränen in die Augen, doch ich wische sie weg.
Ich gehe zu meinem Bett und nehme mir das Kissen mit der Eisrose. Dann gehe ich mit dem Kissen wieder zu meiner Kommode und lege es hinein.
Ich verschließe die Lade und gehe wieder zu meinem Bett. Ich setze mich darauf und atme tief ein und aus.
Ein bisschen Schlaf wird mir guttun...
Ich ziehe mir meine Schuhe aus und öffne meine Hochsteckfrisur zu meinem Flechtzopf. Dann lege ich mich in mein Bett und schließe die Augen.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
"Elsa?"
Ich schrecke hoch.
Ich reibe meine Augen und sehe um mich herum. Um mein Bett liegt Schnee. Ganz feiner, wunderschöner und aus tausend Schneeflocken bestehender Schnee.
"W-Was?" frage ich die Stimme, die mich aus dem Schlaf gerissen hat.
"Elsa! Ich bins Olaf. Kann ich reinkommen?" fragt er mit fröhlicher Stimme. Hoffentlich ist er nicht mehr allzu traurig wegen Hildegard.
Ich überlege kurz, dann steige ich aus meinem Bett und ziehe mir meine Schuhe wieder an. Als ich ins Bad gehe um in den Spiegel zu blicken erschrecke ich kurz. Meine Haare sind wahnsinnig verstrubbelt und unzählige lose Strähnen fallen aus meinem Zopf heraus.
"Warte kurz Olaf." sage ich etwas lauter, damit er mich hört.
"Ist gut." höre ich ihn rufen, dann wende ich mich meinen Haaren zu. Ich öffne den Zopf und bürste meine Haare. Dann flechte ich sie wieder zu einem Zopf und gehe aus dem Bad.
Als ich vor der Tür stehe zögere ich kurz, dann fasse ich einen klaren Gedanken.
Olaf darf rein...
Er ist der einzige, den ich in dieser Zeit bei mir haben möchte...
Dann entsperre ich die Tür und öffne sie.
Olaf steht vor ihr und lächelt. In seiner rechten Hand hält er ein Tablett.
"Was ist da drin?" frage ich ihn und runzele die Stirn.
"Nicht so wichtig. Darf ich jetzt reinkommen?" fragt er und sieht mich flehend an. Ich mache eine Geste, dass er reinkommen soll und er tritt durch die Tür.
"Wow. Was ist denn hier passiert?" fragt er und sein Mund steht so weit offen, dass er ein O formt.
"Naja..." murmele ich herum und schließe die Tür, aber Olaf winkt ab.
"Wenn du es mir nicht sagen willst, dann ist das auch okay." lächelnd sieht er mich an.
"Danke Olaf." sage ich und umarme den kleinen Schneemann.
"Also Olaf. Was ist jetzt unter dem Tablett?" frage ich und bemerke, dass der kleine Schneemann Kuchenkrümel um seinen Mund herum hat.
"Ach." sagt er und hebt den Deckel. "Anna meinte, dass ich dir etwas zu essen bringen sollte, aber ich hatte so einen Hunger und naja..."
Im Kuchen ist ein Loch, das Olaf gegessen hat.
"Ach Olaf. Das ist doch nicht schlimm. Du kannst ruhig noch mehr von dem Kuchen essen, wenn du willst. Ich habe sowieso keinen Hunger." sage ich und lächle ihn, wie zur Bestätigung, an. Daraufhin lacht Olaf und grinst.
"Danke Elsa." sagt er und stopft sich auch den restlichen Kuchen in den Mund. Bei diesem Anblick muss ich kichern und meine Stimmung bessert sich. Ich lasse mich währenddessen auf meinem Bett nieder und beteuere Olaf sich neben mich zu setzen.
Er setzt sich und dann dauert es ein paar Minuten, bis Olaf den ganzen Kuchen gegessen hat.
"Also." sagt er und schluckt den letzten Rest Kuchen. "Wie geht es dir?"
"Schrecklich. Meine Kräfte geraten wieder außer Kontrolle und ich kann sie nicht beherrschen. Und Jack ist auch nicht da um mir zu helfen und wahrscheinlich wird er auch bald nicht mehr da sein und dann gibt es niemanden mehr der mich versteht. Aber das darfst du bitte niemanden erzählen. Und wie geht es dir?" beim Sprechen bin ich immer lauter und hysterischer geworden, deswegen sieht Olaf mich erstmal geschockt an.
"Ähm...naja. Prinzipiell ist bei mir eigentlich alles okay." sagt er nachdem er das verarbeitet hat.
"Ähm...Olaf?" frage ich dann und nähere mich einem schmerzhaften Thema.
"Hm?" fragt er und blickt mir ins Gesicht. Sein Mund ist immer noch voller Kuchenkrümel, weshalb ich ein Grinsen unterdrücken muss.
"Wie...wie gehtes dir jetzt eigentlich so ohne Hildegard?" frage ich und schlagartig ist Olafs gute Laune verschwunden. Er senkt den Blick und seine Augen starren ins Leere.
"N-Naja. Hildegard hat mir ein bisschen was von Jack geschildert und mir gesagt, dass sie weil sie von ihm geschaffen wurde, mit ihm verbunden ist. Dann...dann hat sie mir das hier gegeben." sagt Olaf und hält mir seine geschlossene Hand hin. Neugierig schaue ich mir sie an, als er sie öffnet.
Hildegards Blume!
"Das ist ja ihre Blume." platzt es aus mir heraus und Olaf lächelt.
"Ja. Sie hat gesagt, dass die Blume mich an sie erinnern soll und dass sie sicher bald wieder da sein wird. Zumindest hoffe ich das. Kurz darauf ist sie gänzlich zu Schneeflocken zerfallen und ihre Schneeflocken wurden vom Wind fortgetragen. Ich...ich denke jede Minute an sie. Und ich weiß, dass sie irgendwann zurückkommen wird. Und Jack wird das sicher auch." sagt er und umarmt mich. Ich erwidere die Umarmung und denke über diesen Gedanken nach.
Ja...er wird zurückkommen.
Da bin ich mir ganz sicher.
Und in der Zwischenzeit habe ich eben Olaf...
"Ich...ich finde diesen Gedanken toll." sage ich und löse mich von Olaf.
"Warte kurz. Ich muss dir auch etwas zeigen."
Ich stehe von meinem Bett auf und gehe zu meiner Kommode. Ich öffne die Lade, in der sich das Kissen mit der Eisrose befindet und nehme es vorsichtig heraus. Kurz betrachte ich die Rose, die in der Zwischenzeit zum Glück keine weiteren Risse bekommen hat, dann schließe ich die Lade und gehe zurück zu Olaf. Vorsichtig lasse ich mich aufs Bett sinken und zeige Olaf das Kissen.
"Wow. Das ist ja wunderschön. Hast...hast du die gemacht?" fragt er und sieht mich aus großen Augen an.
"Nein." sage ich und lache kurz. "Natürlich nicht. Jack hat sie mir gegeben, bevor er zum Nordpol geflogen ist-"
"Und wieso hat sie so viele Risse?" unterbricht mich Olaf, doch es macht mir nichts aus.
"Die Risse hat sie, weil es Jack nicht gut geht. Sie zeigt mir sozusagen, wie es ihm geht. Vor ein paar Tagen war sie noch ganz. Dann sind plötzlich diese Risse entstanden, doch sie mal die Risse ziehen sich schon wieder ganz langsam zurück." sage ich und all meine Ängste sind verschwunden.
Jack geht es wieder besser!
Zumindest hoffe ich das...
"Das ist ja super!" platzt es aus Olaf heraus und er springt auf.
"Komm Elsa. Du kannst dich hier nicht die ganze Zeit einsperren. Wie wäre es, wenn wir zu zweit zum Eisschloss gehen. Da waren wir schon wirklich lange nicht mehr."
"Ja. Das ist eine tolle Idee." sage ich, lege die Eisrose weg und springe ebenfalls auf.
"Aber ich möchte mir vorher ein anderes Kleid anziehen."
"Klar doch. Ich warte vorm Marktplatz auf dich. Du versprichst mir, dass du raus kommst?" fragt er und ich lächle.
"Versprochen." sage ich und Olaf verschwindet durch die Tür.
Ich wühle in meinem Kleiderschrank und finde ein eisblaues Kleid, das an den Schultern und an der Taille feine Stickereien hat, die wie Schneeflocken aussehen. Außerdem hat es einen abnehmbaren Umhang. Die Eisrose lasse ich sicherheitshalber im Schloss. Schnell ziehe ich mich um und gehe aus dem Schloss. Ich versuche Anna auszuweichen, die im Schloss herumläuft und schaffe es zum Glück auch.
Olaf steht schon draußen und lächelt.
Ich gehe zu ihm hin und lächle.
"Bereit?" fragt er.
"Bereit."
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