c a n ' t

»Na, hast du schon auf mich gewartet?«

»Ich genieße es, alleine zu sein.«

»Aber du genießt es ebenfalls, mit mir zu sein, oder?«

»Es ist ganz okay.«

»Ganz okay? Das hört sich so an, als müsste ich dich erst von mir überzeugen.«

»Gut, tu das.«

»Okay, wir stellen uns abwechselnd eine Frage, die wir anschließend beide beantworten. Du darfst anfangen.«

»Was führt dich hierher?«

»Gute Wahl, die Frage hätte ich auch als erstes gestellt. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken, also habe ich mich gestern zu einem Nachtspaziergang entschieden. Dabei habe ich dich hier auf der Bank sitzen sehen und mich zu dir gesetzt. Und du?«

»Vor einem halben Jahr ist etwas Einschneidendes in meinem Leben passiert. Ich wollte versuchen, damit abzuschließen, weshalb ich jede Nacht in diesen Park kam, um über den Vorfall und das Leben nachzudenken.«

»Was sagen deine Eltern dazu, dass du jede Nacht ausgehst?«

»Zu meinem Vater habe ich keinen Kontakt und meine Mutter hat häufig Nachtschicht, weshalb sie so gut wie nie zu Hause ist. Und du?«

»Ich lebe mit meinem Bruder zusammen. Meine Eltern sind tot.«

»Mein Beileid. Geht es dir denn gut?«

»Würde ich sonst mitten in der Nacht auf dieser Bank sitzen und mich mit einem fremden Mädchen unterhalten, anstatt friedlich in meinem Bett zu schlafen?«

»Mir geht es ebenfalls beschissen. Mein bester Freund hat sich vor sechs Monaten das Leben genommen. Ich sage mir jeden Tag, ich hätte ihm helfen können, hätte ihn davon abhalten können. Ich habe seine Probleme nie als Grund gesehen, um nicht mehr leben zu wollen. Ich dachte immer, es wäre nicht so schlimm. Hätte ich bloß früher erkannt, wie es ihm wirklich ging.«

»Hey, mach dir keine Vorwürfe. Vielleicht hättest du ihn eh nicht davon abhalten können. Vielleicht hatte er schon vor langer Zeit entschieden, diese Welt zu verlassen.«

»Wenn dieses Wörtchen vielleicht nicht wäre...«

»...«

»...«

»Vor einem Jahr und einem Tag sind meine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen. Ich dachte die ganze Zeit, meinem Bruder würde es gut gehen, bis ich ihn gestern auf dem kleinen Hügel fand, unter ihm der Fluss. Er hatte so glasige Augen und so einen emotionslosen Blick. Ich habe nicht lange gebraucht, um festzustellen, dass er sich das Leben nehmen wollte

»Deine Eltern sind an Heilig Abend gestorben? Das ist ja schrecklich!«

»Noch viel schlimmer ist, dass mein Bruder ebenfalls an Weihnachten sterben wollte. Nie hat er mir davon erzählt. Von seinen Gedanken, seinen Gefühlen, seinen Qualen. Nie hatte ich eine Ahnung, wie schrecklich es ihm geht. Was bin ich denn für ein Bruder

»So war das bei meinem besten Freund auch. Ich habe das Gefühl, dass ich an allem Schuld bin. Immerhin konntest du deinen Bruder aufhalten.«

»Ich habe lange mit ihm geredet, bis ich sicher war, dass er es nicht noch einmal tun wird. Ich habe an seinem Bett gewartet, bis er eingeschlafen ist. Danach bin ich hierher gekommen

»Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind so sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt, dass wir die der anderen gar nicht erkennen. Das Schlimme dabei ist, dass die anderen oft viel größere Probleme haben, doch wir uns um unsere so unwichtigen viel mehr kümmern.«

»Du hast ja so Recht. Ich bin froh, dich gestern kennengelernt zu haben

»Ich auch. Eigentlich fällt es mir immer schwer, mit jemandem über den Tod meines besten Freundes zu sprechen. Aber nicht mit dir. Es tut gut, jemanden zum Reden zu haben.«

»Ich muss los. Gute Nacht, Quinn

»Gute Nacht, Mike.«

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