33
"Er ist da drin Jax. Du darfst nicht so viel Lärm machen." Konnte ich Joshua flüstern hören.
"Sie muss da raus!" Brüllte Jax und hämmerte weiter gegen die Tür.
"Hör auf, er wacht sonst auf!"
Ich konnte alles hören was war hier nur los? Das Licht war von alleine angegangen. Ich konnte niemanden in diesem riesigen Raum entdecken. Ein großes Himmelbett stand ziemlich mittig platziert an der Wand des Raumes. Weiter hinten links stand ein großer Kiefernholz-Schreibtisch. Überall im Raum verteilt waren Zeichnungen. Zeichnungen von Städten, Gebäuden und Landschaften. Wunderschön. Sie waren sehr Detailgetreu. Neben dem Schreibtisch direkt auf Blickhöhe hing ein großes gezeichnetes Bild einer jungen Frau. Sie hielt ein Tier im Arm aber ich konnte nicht genau erkennen was es war, es hätte ein kleines Kälbchen sein können oder nein, wartet. Es war ein kleines Lamm, ein Babyschaf. Wunderschöne Zeichnung. Es war die einzige Zeichnung einer Person die ich hier im Raum fand.
"Ich rieche Angstschweiß und ein Hauch von Creed Millesime Aventus!" Flüsterte es aus einer Ecke. Ich zuckte zusammen, es war doch jemand in diesem Raum. Oh Mein Gott war das gruselig! Creed Millesime Aventus ist Jax Parfüm, damit sprüht er sich pro Tag bestimmt 10 mal ein. Wie kann eine Person sowas nur erriechen. Nun hörte ich langsame Schritte die auf mich zukamen. Ein älterer Herr nahe der 65 kam auf mich zu. Das muss Joshs Vater sein, anders kann ich es mir nicht erklären. Ich stand auf und lehnte mich an die Tür. Jax und Josh schienen verschwunden zu sein, ich hörte keinen Laut mehr. "Sind sie Dr. Lecter?" Jax meinte doch Joshuas Vater wäre Doktor und Psychiater. Das muss er sein. "Ja Dr. Hannibal Lecter, erfreut sie kennen zu lernen Miss-?"
"Sawyer, Josette Sawyer." Murmelte ich und sah zu wie Hannibal Lecter meine Hand nahm und auf ihr einen leichten Handkuss verteilte. "...Miss Josette Sawyer."
"Haben sie gerade diesen ohrenbetäubenden Lärm verursacht Josette?" Wie er meinen Namen betonte, es war beeindruckend und doch außergewöhnlich. Er sprach ruhig und gelassen, aber doch bestimmt.
"Jax Parker. E-Er ist mit mir hier." Stotterte ich und brach nicht einmal den Augenkontakt mit Dr. Lecter ab.
"Ahja, ich verstehe. Er ist ein übler Kerl, nicht wahr Josette?" Ich nickte leicht. "Woher kennen sie Jax? Waren sie sein Arzt? Sie kommen mir recht gelehrt vor."
"Das wollen sie nicht wissen Josette."
"Bitte Dr. Lecter."
"Quid pro quo." entgegnete mir Doktor Lecter. Er testete mich durch diese antwort. Ich wusste genau was er damit meinte.
"Dies für das. Sie erzählen mir was und ich ihnen!"
"Richtig, haben sie Kenntnisse in der Psychologie?"
"Ja, ich habe es als Wahlfach in der Schule. Ich wollte später Psychologin werden, aber das kann ich jetzt an den Nagel hängen."
"Warum denn das meine Liebe?"
"Sie sind dran Doktor, ich habe ihnen was erzählt und jetzt sind sie dran."
"Ich war in der Nervenheilanstalt nicht angestellt meine Liebe. Ich esse Menschen, deswegen war ich in der Anstalt, doch ich habe es geschafft zu entkommen."
Erschrocken blickte ich ihn an. Mein Puls stieg wieder an und ich fing an unkontrolliert zu atmen. Ich wusste kaum wo oben und unten war.
"Haben sie nun Angst Josette?"
"J-Ja. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll." Ich kenne ihn, er ist Dr. Hannibal Lecter, er war unter den zehn meistgesuchten Verbrechern des F.B.I.'s. Dort stand er in einer Liste. Im Psychologieunterricht haben wir jeden von ihnen analysiert.
"Sie wurden von Will Graham geschnappt. Sie waren sein Mentor und Vorbild und wollten ihn aufessen." Nachdem ich das gesagt hatte überlegte ich nochmal was ich überhaupt gesagt hatte. Er wollte seinen Schützling aufessen!
"Ich wollte nur sein Herz verspeisen, aufessen ist etwas anderes meine teuerste!"
Ich klammerte mich an den Türknauf und versuchte nicht durchzudrehen.
"Ich bin immer noch die gleiche Person wie vor einer Minute, ich verhalte mich gleich und bin ihnen kein Schritt näher gekommen. Also warum haben sie nun Angst vor mir Josette?"
"Sie sind ein Kanibale!"
"Sehen sie mich gerade, sagen wir es in ihren Worten einen Menschen verspeisen, Josette?"
"Nein Doktor." Verneinte ich und brach immer noch nicht den Augenkontakt ab. Sein Blick hat etwas fesselndes ich kann das einfach nicht beschreiben.
"Also Josette Sawyer, warum haben sie dann Angst?"
"Weil die Tatsache, dass ein Mensch den anderen verspeißt nicht üblich ist und wir sie im unterricht durchgenomen haben. Sie sind eine gefährliche Person Doktor Lecter."
"Vor ein paar Minuten haben sie vermerkt, das meine Wenigkeit ihnen sehr gelehrt vorkommt, und nun da sie wissen, dass ich gewisse Vorlieben habe, schrecken sie vor mir zurück. Und dabei habe ich nicht mal eine ausladende oder gefährliche Bewegung ihrer Seits getätigt. Ich werde ihnen nichts tun. Sie befanden sich keine Sekunde lang in Gefahr, ist das richtig Josette?"
"Uhm... ja Doktor Lecter."
"Also warum haben sie Angst?"
"Ich weiß es nicht." Murmelte ich und guckte das erste mal zu Boden.
"Sie versuchen meinen Fragen auszuweichen, da es ihnen unangenehm ist, nicht wahr?"
Ich nickte und guckte ihn wieder an. Vor mir steht einer der gefährlichsten Menschen der Welt und fragt mich warum ich Angst vor ihm hab. Super Psychiater, wirklich...
"Nun denn, quid pro quo, sie sind dran Josette."
"Wer ist diese Frau auf ihrer Zeichnung? Sie scheint ihnen was zu bedeuten."
"Wieso denken sie das?" Er testete mich wieder, ich merkte das einfach. Wenn ich es richtig analysieren würde, würde er mir die antwort verraten, doch wenn nicht dann habe ich es gar nicht verdient die Antwort zu wissen. Deswegen gilt quid pro quo hier erstmal nicht.
"Das Bild hängt genau auf Augenhöhe und zwar neben dem Schreibtisch. Das Bett steht zwar in der Mitte ihres Zimmers, doch der große Kieferntisch ist der eigentliche und sofortige Blickfang des Raumes. Das Bild hängt links von ihnen, sie hätten es auch rechts hinhängen können aber da würde man es nicht sofort sehen wenn man das Zimmer betritt, von links aus sieht man es sofort ohne dass man ein paar Schritte gehen muss. Außerdem ist sie die einzige die auf Augenhöhe bei ihnen im Zimmer hängt, die vielen Landschafts- und Städtezeichnungen hängen höher und sollen damit eine Fensterfunktion nachahmen. Das Bild hängt auch noch neben ihrem großen Bücherregal, da sie da schätze ich öfters dran gehen sehen sie es auch öfter als wenn es neben ihrem Kalender hängen würde. Entweder haben sie es bewusst gemacht oder unbewusst genau da hingegangen."
"Habe ich es bewusst oder unbewusst dort platziert Miss Sawyer?" Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Ich musste mich nochmal kurz umgucken und wusste dann was der Doktor hören wollte.
"Komplett bewusst! Sie wollen dass auch andere sie sofort bewundern wenn sie in den Raum kommen. So wie sie, sie bewundern diese Frau. Entweder aufgrund ihrer Stärke, ihrer Tapferkeit oder einfach wegen ihrer Schönheit. Sie hat eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt und das soll jeder wissen."
Doktor Lecters Augen bildeten dünne Schlitze, sein grinsen verging dabei aber nicht.
"Sie heißt Clarice Starling und ist Special Agent beim F.B.I."
"Hatten sie eine Liebesbeziehung mit ihr Doktor?"
"Quid pro quo Josette, sie sind wieder dran. Was führen sie für eine Beziehung zu Jax Parker."
"Er hat mich bei seinem Ausbruch einfach mitgenommen, ich war-"
"-Mit dem Psychologiekurs dort. Ich weiß, ich habe es in der Zeitung gelesen. Ich fragte was für eine Beziehung sie zu ihm haben." Verdattert guckte ich ihn an, dass hatte ich nicht erwartet. Wenn er weiß wer ich bin warum fragt er?
Damit er eine Vertrauensbasis mit dir aufbaut du dumme! Wofür hast du eigentlich Psychologie gewählt?
Toll jetzt mache ich mich schon über mich selber lustig.
"Ich hasse ihn aus tiefster Seele. Er ist eine grausame Person. Er macht mit mir was er will. Er verletzt und benutzt mich."
"Was hat er ihnen alles angetan Josette?"
"Er misshandelt mich, er demütigt mich und er vergeht sich uhm... er vergeht sich sexuell an mir." Ein paar Tränen verlor ich nach dem ich einem Kanibalen mein trauriges Schicksal erzählt habe.
"Da gibt es noch was was sie innerlich zerreißt. Sagen sie es mir Josette, was hat er getan was sie Nachts nicht schlafen lässt."
Jede neue Träne versuchte ich wegzuwischen. Dr. Lecter sollte mich nicht weinen sehen. Weinen ist ein Zeichen der Schwäche.
"Er hat meinen Vater umbringen lassen. Er ist tot nur durch ihn. Er hatte gar nichts mit der ganzen Sache zu tun und trotzdem ist er tot. Nur durch Jax Parker. Ich hasse ihn."
"Sie träumen Nachts davon, wie ihr Vater ihnen die Schuld für seinen Tot gibt, nicht wahr?" Ich konnte nur ein schüchternes Nicken hervor bringen. Hannibal Lecter ging ein paar Schritte auf mich zu und gab mir ein Taschentuch.
"Aber sie vertrauen ihm auch. Er ist in der Zeit ihre einzige Konstante geworden, hab ich recht."
"Ich habe kein Stockholm Syndrom, wenn sie darauf anspielen wollen Doktor."
"Vertrauen muss nicht immer was positives sein Miss Sawyer. Wenn sie darauf vertrauen, dass sie jedes mal gescheltet werden, wenn sie etwas falsches sagen, dann ist das bei weitem nicht positiv."
"Ja sie haben recht, ich vertraue jeden Tag darauf geschlagen und gedemütigt zu werden."
"Sie erinnern mich an Agent Starling, wissen sie das?" Mein Blick galt kurz der schönen Zeichnung und dann wieder Dr. Lecter. "Warum?" Stotterte ich leise. "In ihren Augen glüht das gleiche tapfere, aufmüpfige und sich auflehnende Feuer wie bei Agent Starling. Sie war einer der wenigen die sich nicht kaufen ließ und sich jedem entgegenstellte der sie nicht respektierte. Selbst gegen mich."
"Haben sie sie nicht respektiert?"
"Doch doch jederzeit, aber sie hat mich gehasst und trotzdem meine Person respektiert. Ich bin für sie immer noch ein Serienkiller. Aber trotzdem hat sie mich entkommen lassen."
"Haben sie Teile von ihr verspeist Doktor?
"Nein sowas hätte ich nie gemacht."
Nun wurde mir vieles klar.
"Sie lieben sie nicht wahr? Sie empfinden etwas für sie oder Dr. Lecter?"
"Quid pro quo Josette, sie sind dran, nicht ich. Sie würden in einem einzigen Raum eingesperrt mit Jax Parker immer versuchen zu entkommen, egal wie zwecklos es ist. Warum? Warum würden sie sich nicht ihm hingeben und tun was er verlangt? Es würde ihnen vermutlich viel Qual und leid ersparen."
"Meine Würde und mein Stolz ist das einzige was mir bleibt, ich habe sonst alles an Jax abgegeben Doktor. Ich kann mich nur noch daran klammern und mit dem Wissen handeln, dass ich niemals nachgeben werde. Ich werde niemals zulassen, dass er mir diese Dinge auch noch nimmt. Und wenn ich dafür sterben muss."
"Das glaube ich ihnen sogar. Josette es war mir ein Vergnügen mich mit ihnen zu unterhalten. Nur leider habe ich in zehn Minuten einen Termin mit einem alten Freund von mir."
"Ich kann da nicht rausgehen Dr. Lecter, Jax wird mich umbringen."
"Meine Teuerste, wenn er das jemals gewollt hätte, wären sie schon lange unter der Erde. Jax Parker würde ihnen alles leid der Welt antun, doch töten könnte er sie nicht, sonst ständen sie nicht mehr hier. Vertrauen sie mir, ich spreche aus Erfahrung." Er zwinkerte mir zu und wollte die Tür öffnen. Reflexartig legte ich meine Hand auf die seine und wollte ihn flehend davon abhalten die Tür zu öffnen. Doktor Lecter guckte mich sofort an und spielte mit seinen und meinen Blicken. "Vertrauen sie mir Josette, es wird alles gut. Sie schaffen dass. Sie sind stärker als Jax Parker es jemals sein könnte. Ihre Größe ist mit seiner nicht zu vergleichen." Ich merkte dass meine Hand immer noch auf seiner lag und nahm sie ruckartig weg. Dr. Lecter öffnete seine Zimmertür und betrat mit mir den Flur. Etwas hinter ihm laufend suchten meine Augen Jax Augen. Wo war er. Er hatte sich doch solche Sorgen gemacht?
"Da bist du ja. Ich dachte-"
"Dass ich sie verspeist hätte?" Ein finsterer Blick von Jax galt Dr. Lecter.
"Wenn er zu unhöflich wird, schreiben sie mir, ich verspeise dann sein Gehirn oder andere Dinge die er nicht braucht." Flüsterte Hannibal Lecter mir schelmisch grinsend zu. Es ist zwar sehr unangebracht aber ein kleines Lachen musste ich mir nach dieser Aussage verkneifen.
Jax rannte fast schon auf mich zu, packte mein Handgelenk und entriss mich der Nähe von Dr. Lecter. Er legte seine Hände auf meine Schulter und ließ Lecter nicht einmal aus den Augen.
Doch Dr. Lecter ging auf uns zu und widmete sich Jax. "Sie kommen in die Hölle mein Lieber. Aber keine Angst ich werde da auf sie warten."
Dann beugte er sich zu mir runter und nahm meine Hand. Er gab mir erneut einen kurzen Handkuss und verabschiedete sich. " Es war mir eine Freude sie kennengelernt zu haben Josette Sawyer. Und vergessen sie nicht, was ich ihnen gesagt habe." Ich senkte meinen Kopf ebenfalls, was einer Verbeugung nahe kommen sollte und nickte dabei. "Aber Doktor, es ist ganz normal dass man Angst vor einem Menschen mit ihrer Geschichte hat. Man kann es nicht erklären, sie wissen genau dass das eine normale Reaktion des Menschen ist."
"Welche Reaktion meinen sie."
"Angst zu haben. Denn Angst bewirkt dass wir uns damit beschäftigen was alles passieren könnte und genau das macht einem Angst. Nicht was die Person gerade vor einem macht oder ist."
"Haben sie im Moment Angst Josette?"
Ich musste etwas Lächeln denn wir beide kannten die Antwort.
Ein letztes zu zwinkern von seiner Seite und dann war er durch die Tür verschwunden. Er hatte sich noch einen Hut aufgesetzt, wahrscheinlich damit er nicht sofort erkannt wird.
Dr. Lecter ist einer der interessantesten Persönlichkeiten die ich jemals kennenlernen durfte. Jax starrte mich ungläubig an.
"Du hast ja noch beide Ohren. Herzlichen Glückwunsch." Stellte mein Entführer monoton fest und widmete sich Joshua Lecter. "Es tut mir Leid für die Unannehmlichkeiten. Danke für den Kaffee und die Kekse mein Freund." Die beiden Männer gaben sich die Hand. Mein Peiniger nahm mich an die Hand und wir verließen das große Haus.
"Du kannst dich schonmal auf eine Tracht Prügel einstellen. Wenn wir Zuhause sind gehst du unverzüglich auf unser Zimmer und wartest auf mich." Nickend stieg ich in den Van und machte die Tür zu. Jax fuhr los und sagte fast die ganze fahrt nichts.
"Du hast Angst vor ihm."
"Mh, was?"
"Du hast Angst vor Doktor Lecter!"
"Wahrscheinlich habe ich vor jemand anderem Angst."
"Du hast Angst vor ihm, das kannst du einfach nicht leugnen. Warum hast du sonst den Keks ausgespukt? Warum hast du sonst aufgehört aufgehört an seiner Tür zu hämmern. Du wolltest nicht das er die Tür wohlmöglich aufmachen würde. Das hättest du nicht riskiert. Er ist nicht dein Freund und das weißt du auch! Hannibal Lecter sollte man nicht als Feind haben."
"Mich auch nicht du dumme Hure." Er kann es verleugnen so viel er will. Mein Albtraum ist Jax und seiner ist Hannibal Lecter!
_
"Und wie beginnen wir zu begehren Clarice? Suchen wir uns Dinge zum begehren aus?
Nein, wir beginnen das zu begehren was wir jeden Tag sehen."
-Hannibal Lecter
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top