12
Ich wachte auf und legte mir ein Kissen unter meinen Kopf. Wo war ich denn jetzt schon wieder? Eine rote Kuscheldecke war um mich geschlungen und schenkte mir wärme die ich bitter nötig hatte.
"Guten Morgen Sleepyhead." Eine Hand legte sich vorsichtig auf meinen Kopf. Ich guckte hoch und blickte in blaue Augen. Es waren die von Kai.
"Wo ist Jax?"
"Er ist nicht da, zum Glück."
Warte was? Hatte Kai das wirklich gesagt?
"Ich verstehe nicht ganz, träume ich noch?"
"Liebchen, ich hab nicht ohne Grund versucht meinen Bruder im Pool zu ertränken, er hatte es verdient. Von all meinen Geschwistern, hatte er es wirklich verdient."
"Das meinst du doch nicht ernst? Wieso besuchst du ihn dann, bleib doch von ihm fern?"
"Naja ich muss ja die Tarnung aufrecht erhalten, er ist zu gefährlich um ihn als Feind zu haben."
"Da sagst du was. Sei bloß nicht seine Geisel, das geht nicht gut aus!"
"Du lebst ja noch, da bist du ein paar anderen Mädchen weit voraus." Ich nickte leicht, er hatte recht. Ich lebte noch. Jax war mit seinen Prostituierten ein mal im Bett und danach brachte er sie um.
"Aber wo ist Jax denn jetzt?"
"Einkaufen glaub ich, er meinte ich sollte darauf aufpassen, dass du keine Scheiße anstellst."
Wir beide sind also alleine, Kai könnte mich einfach frei lassen und dann selbst verschwinden.
"Wir besorgen dir erstmal ein T-Shirt."
"Ich hab alle Oberteile von Jax zerstört." Meinte ich etwas verlegen und dennoch mit Stolz. "Dann nimm meins." Er zog einfach so sein T-Shirt aus und reichte es mir.
Ich war sehr verwirrt.
War er der Gute oder tat er nur so? Seine Argumente waren berechtigt. Aber ich konnte ihn genau so wenig wie Jax einschätzen. Ich zog mir Kais Shirt an und setzte mich wieder hin so wie Kai.
"Lass mich frei, bitte! Wir können es doch wie ein Unfall aussehen lassen?"
"Josette, Jax ist nicht dumm. Du könntest mich niemals überlisten."
"Das denkst du? Ich könnte dich locker fertig machen!"
"So wie du das mit Jax ständig schaffst?"
"Bitte Kai hab ein Herz! Ich will nur zurück zu meiner Familie."
"Du denkst du punktest bei mir mit deiner Familie? Wie du weißt habe ich meine Familie ausgelöscht, außer Jax natürlich."
Touché, da hatte er ausnahmsweise mal recht. Aber irgendwie musste ich hier raus kommen entweder mit oder ohne Kais hilfe.
"Kai bitte lass mich gehen, ich hasse es hier. Jax ist ein Monster."
"Bin ich etwa kein Monster?"
Ich überlegte kurz und wusste nicht was ich darauf antworten sollte
"Lass mich frei, bitte!" Bettelte und flehte ich ihn an.
"Josette, das geht nicht. So sehr ich auch wollen würde."
"Du willst es doch gar nicht, du tanzt nach wie vor nach seiner scheiß Pfeife! Du lässt dich von deinem großen Bruder beherrschen!"
"Lass uns tanzen!" Warte was? Wie meinte er das jetzt? Ich habe gerade den Ausraster meines Lebens und er will tanzen? Er hat sie nicht mehr alle.
Kai stand auf und zog mich von der Couch. Er drückte auf einen Knopf der Fernbedienung und irgendein klassisches Stück ertönte. Jax hatte einen wirklich komischen Musikgeschmack. "Ich kann dich hier zwar nicht raus lassen aber dir die Zeit so schön wie möglich gestalten." Oh mein Gott, dass war jetzt schon irgendwie süß.
Konnte ich ihm trauen? War er der Nette?
"Komm schon, was kann an Tanzen falsch sein?" Ich überlegte kurz. Eigentlich nichts. Ich bin zwar gänzlich unbegabt aber es machte dennoch Spaß und bot Bewegung. Zögerlich nahm ich seine Hand, die er mir hin hielt und stand auf.
"Erst jetzt merk ich wie winzig du bist Josette."
"Nenn mich Josie, Josette hört sich so altmodisch an."
Kai machte bei einem schnellen Violinensolo riesige Schritte, so dass ich aufpassen musste, nicht hinzufallen. "Du bist verrückt."
"Und du kannst nicht tanzen." Lachte er.
Ich musste lachen als Kai mich auffangen musste, da ich mit seinen großen Schritten nicht mehr mithalten konnte. "Du machst viel zu große Schritte!" Lachte ich ebenfalls und guckte zu ihm hoch. "Das liegt nicht an mir, du bist nur viel zu klein um da mitzuhalten."
Auf einmal hörte ich Schlüssel die eine Tür aufschließen. Ich stürmte zur Couch und setzte mich teilnahmslos hin. Kai machte die Musik aus, setzte sich mit einem großen Abstand auch auf die Couch und holte sein Handy raus.
"Wie ist es euch ergangen? Ich bin wieder zurück!" Jax kam ins Wohnzimmer und hatte etliche Tüten in der Hand.
"Wie sehr hab ich mein Püppchen vermisst!"
Damit war wohl ich gemeint. Ich dachte nichtmal drüber nach ihm einen Blick von mir zu schenken. "Fick dich!" Ertönte es aus meinem Mund. Ich war irgendwie total genervt. Jax hatte den wundervollen Tanz von Kai und mir beendet, allein mit seiner Anwesenheit. "Ist mein Kätzchen etwas gereizt? Sag mir warum ich dich nicht sofort bestrafen sollte?"
"Hm, vielleicht weil du ein kleines Muttersöhnchen bist? Du bist früher bestimmt immer heulend zu deiner Mutter gerannt, weil keiner mit dir spielen wollte."
"Wie bitte?!"
"Du hast schon ganz recht gehört!"
"Jetzt bist du zu weit gegangen. Ich sollte dir das Maul stopfen! Wie wär's mit meinem Schwanz?"
Ich wurde sofort still und war bestimmt auch irre rot geworden. Es ist sowas von unfair wenn er mir immer mit sowas droht, ich bin darauf nicht eingestellt!
"Na guck mal einer an, da ist unsere kleine Schlampe wieder sofort ruhig. Interessant."
Ich guckte hilfesuchend zu Kai der seine Aufmerksamkeit aber gerade lieber seinem Handy schenkte.
Jax nahm Anlauf und sprang direkt neben mir auf die Couch. Unvorbereitet wie immer zuckte ich zusammen und guckte zu ihm hoch. Seine Augen sahen dunkel und bedrohlich aus. Er war wütend, fast vor'm überkochen!
Er bückte sich und drückte meine Beine runter sodass ich mich hinlegen musste damit es nicht wehtat. Er setzte sich auf meinen Bauch was mir die Luft zum atmen raubte. "Hör auf!" Schrie ich und guckte die ganze Zeit zu Kai, dem ich im Moment ja mal sowas von egal war!
"Naww, jetzt nicht mehr so große Fresse?!" Ich schluckte und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.
"Wie wärs wenn ich dir zeige wie man so richtig rummacht? Wie würde dir das gefallen Prinzessin?" Hastig schüttelte ich meinen Kopf und guckte ihn flehend an. "Josie du bist erbärmlich. Ich sag dir eins, erst große Fresse haben und dann rumheulen kommt gar nicht gut. Zieh das von vornherein durch oder fang es erst gar nicht an. Wenn du es so machst wirkt es wirklich sehr, sehr erbärmlich."
"Jaxilein, ich zeig es ihr!"
"Was denn?"
"Ja wie man richtig krass rumleckt. Sie wird nichts anderes mehr als meine Zunge fühlen." Ich schluckte schwer. Das meinte er doch bitte nicht ernst.
"Sie gehört dir Brüderlein." Jax schubste mich zu Kai und er griff meine Handgelenke. "Ich darf mir doch sicherlich dein Zimmer ausleihen oder Bruderherz?"
"Ja wenn du willst, die Türen stehen dir ja immer offen." Wieso reden die beiden so geschwollen? Das Rumgesülze kann man sich ja wirklich nicht mehr mit anhören.
Ist das der gegenseitige Hass der jetzt so langsam zum Vorschein kam oder ist es etwas anderes?
Kai zog mich mit sich in Jax Zimmer. Er schloss die Tür hinter sich ab und blickte mir in die Augen.
"Äh, ähm machen wir jetzt wirklich rum?"
Kai lachte und schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht, nur wenn du das möchtest." Meinte er und zwinkerte mir zu. Ich schüttelte mit dem Kopf und kam schnell auf eine andere Idee.
"Erzähl mir was von dir."
Ich hüpfte auf das Bett und machte es mir bequem. Kai ließ nicht lange auf sich warten und legte sich neben mich. "Was soll ich denn erzählen?"
"Na alles." Kicherte ich und legte meinen Kopf auf seine Brust.
"Oh, du hast ja wirklich ein Herz, ich kann es schlagen hören." Kai rollte belustigt mit den Augen aber verfiel dann wieder in die Denkerpose.
"Ich liebe Marmelade und Schweinekruste."
"Meinst du diese widerlichen Chips?"
"Ja die schmecken richtig gut!"
"Ihh bah, wie kannst du die nur mögen?" Ich musste lachen und verzog gleichzeitig das Gesicht. Schweinekrusten schmeckten richtig widerlich.
"Jetzt erzähl mir was von dir."
"Ich wollte später mal Psychologie studieren, aber das kann ich ja jetzt irgendwie vergessen. Ich wollte auch-"
Weiter kam ich nicht, denn mit fremden Lippen auf meinen war es etwas schwierig zu reden.
Kai küsste mich wirklich. Er war nicht zu fordernd. Ich ließ es zu, ich ließ zu dass mich der Bruder des Teufels küsste.
"Stopp nein, mhm."
"Was ist los?"
"Du bist viel zu alt und auf solch billige Tricks darf ich nicht reinfallen. Du kannst mich nicht einfach küssen wenn wir reden und zumal kenn ich dich, wenn's hoch kommt, zwei Tage. Entschuldige aber ich bin keine Hure!" Ich verschwand aus seinen Armen. Schnell verließ ich das Bett und ging in die andere Ecke des Raumes und guckte zu Kai. Unsere Blicke trafen sich sofort.
"Und du hast deine Familie ausgelöscht, da kann ich dich nicht küssen!" Ich bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanke was Kai wirklich alles getan hatte.
"Wie kann ich es beweisen, dass ich es ernst meine? Ich will dir nichts tun."
"Beschütze mich vor ihm. Beschütze mich vor Jax, er soll mich nicht mehr schlagen und erniedrigen! Ich kann das alles nicht mehr."
Kai nickte und ging ein paar Schritte auf mich zu. "Ich werd versuchen was ich kann." Er nahm meine Hände und legte sie um sich, sodass ich ihn umarmen musste. "Du bist wirklich was besonderes Josette Saywer." Er legte eine Hand auf meinen Kopf und strich sanft über mein Haar. Es war wieder so ein wunderschöner Moment.
Aber war da nicht etwas faul dran? Kai kannte mich jetzt einen Tag und sofort ist er nett zu mir obwohl er bei seinem verhassten Bruder aufliegen könnte.
Ich wusste nicht von welcher Position aus ich ihn betrachten soll?
Er hat mir noch nicht einmal weh getan aber ist trotzdem Jax Bruder. Er hat mir Liebe und Geborgenheit geschenkt und hat aber seine Familie umgebracht.
Können Menschen sich so stark ändern? Können sie so eine krasse Verwandlung erleben? Ich habe von ein paar Fällen gehört aber es gibt nicht viele die es ernst meinten.
Soziopathie ist eine Krankheit die man nicht heilen kann. Man kann sie nur therapieren aber das bringt kaum was. Sollte ich es einfach genießen, von ihm beschützt zu werden oder sollte ich Abstand halten? Ich dachte eigentlich immer, dass ich Menschen gut einschätzen konnte. Aber wo ist das jetzt hin? Ich bin mir bei ihm total unsicher.
Ich kann bei ihm nichtmal Lüge von Wahrheit unterscheiden. Ich sehe nicht wann er lügt oder die Wahrheit sagt.
Soziopathen sind notorische Lügner. Sie lügen gezielt und ohne Gewissen um sich einen Vorteil zu verschaffen. Meistens glauben sie sogar selber das was sie sagen. Sie verteidigen ihr Lügengespinnst bis hin zur absoluten Absurdität.
Was ist wenn Kai wirklich ein Soziopath ist? Könnte er dann jemals die Wahrheit sagen? Würde er jemals für mich seinen gefährlichen Bruder anlügen der in Lügen und Schwindeln genau so gut ist?
Sie genoss die warme Dusche, die er ihr verschafft hatte. Sie lies das warme Wasser auf ihre verwundete Haut prasseln. Sie denkt er wäre der Gute in der Geschichte. Sie denkt er wäre der Prinz der sie aus den Fängen des Drachen befreit! Doch was wenn es zwei Drachen und kein Happy End gibt? Sie hat gelernt dass es nicht immer ein Happy End geben kann, doch für sie wünscht sie sich eins. Sie will so sehr glauben, dass er der gute ist. Doch dass ist für dieses Märchen nicht vorgesehen.
"Sie duscht jetzt!"
"Dann statte ich ihr einen kleinen Besuch ab."
"Ich hab gesagt ich beschütze sie vor dir."
"Ja und?"
"Jax, sie hat mich sie küssen lassen. Sie hat es für einen kurzen Moment zugelassen. Ich bin bald so weit mit ihr wie du sie haben willst."
Die beiden Brüder holten sich ein Bier aus dem Kühlschrank und stießen an. Alles läuft nach Plan, sie glaubt alles was er ihr auftischt. Sie ist ihm komplett verfallen.
Sie wird sich an dem gefährlichen Feuer verbrennen was sie so liebt. Sie selbst wird daran verbrennen und kaputt gehen. Sie wird auf nichts mehr vertrauen können. Nur darauf, dass er schrecklicher denn je sein wird.
Er wird ihr zeigen, dass sie nur noch auf seinen Hass vertrauen kann! Denn dafür hat er sie zu sich geholt. Ihre kleine, heile Welt wird bald in tausend Teile zerspringen.
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