Kapitel 1
Klatschen und Glückwünsche erfüllten den Raum. Sektgläser wurden angestoßen, Lachen auf vielen Gesichtern. Der schönste Tag des Lebens. Ein klickendes Geräusch erklang und die Szene wurde für die Ewigkeit festgehalten, oder so lange, wie das Paar sich in die Augen sehen konnte.
Die schönen Moment festzuhalten, das war sein Beruf. Der schönste Tag meines Lebens. Sollte nicht jeder Tag, den du mit deinem Liebsten verbringst, der schönste sein? Wenn dieser der schönste war, würden alle danach schlechter sein? War es unvermeidbar, in eine Abwärtsspirale zu geraten?
Bilder konnten so gut lügen wie diejenigen, die sich eine Fassade bastelten, die das zeigten, was man gerne sein möchte, aber nicht das, was man war. Doch es gab Geld. Es gab Geld, etwas abzubilden, was man seinen Verwandten zeigen wollte. Wenn er die Linse wegschwenkte, fiel die Fassade. Kein geplantes Lachen, keine Pose, die für einen vorteilhaft war.
Bilder, die zeigten, wer man war. Die, die schöne unbearbeitete Realität abbildete. Doch diese wollte niemand, denn es musste der schönste Tag sein.
Ich werde niemals heiraten.
„Timothy", rief die Mutter der Braut. „Würden Sie ein Bild von uns vor dieser Fassade machen?"
„Natürlich", sagte er mit einem Lächeln, das so falsch war, wie die Wimpern dieser Frau. Warum musste die Mutter sich an einem solchen Tag so aufbauschen, um mit ihrer Tochter mithalten zu können? Sollte nicht das Brautpaar im Mittelpunkt stehen? Er wurde bezahlt, er lieferte. Also schoss er die Bilder, die diese Frau inszenierte.
Wann habe ich zuletzt ein ehrliches Bild geschossen?
Als diese zufrieden waren, sah er für einen Moment Missfallen auf dem Gesicht der Brautmutter, dann lief diese weg. Was hatte denn ihr Missfallen erregt?
Seine Linse schwenkte. Hellbraune Augen trafen seine Linse. Er drückte ab. Er wusste nicht, warum er in diesem Moment den Knopf gedrückt hatte. Timothy erstarrte, schaute auf seinen Apparat. Kurze schwarze Haare, ein markantes männliches Gesicht mit sinnlichen Lippen und einem leichten Bartschatten. Hölle.
Timothys Herz schlug wie wild. Es war nicht das Aussehen des Mannes auf diesem Photo, es war der Blick – der Blick einer Raubkatze. Widerwillig riss er sich von dem Photo los, suchte nach dem Mann, doch er war nicht mehr dort. Wer bist du?
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James trat nach draußen und schnappte nach frischer Luft. Warum bin ich hier? Er wusste es nicht. Eigentlich wollte er den schönsten Tag seiner kleinen Schwester feiern, doch ihre Stiefmutter schien dies als ihren Tag zu sehen. Ihr künstliches Gehabe, das Bedürfnis sich in den Vordergrund zu drängen und sich anzuprangern, all das kotzte ihn an. Er hätte nicht herkommen sollen, er bereute es jetzt schon. Ich werde ihr gratulieren und das Geschenk geben, dann gehe ich. James wusste, dass er hier so fehl am Platz war, wie ein Elefant im Porzellanladen.
Seufzend schaute er in den Himmel, versuchte den Willen aufzubringen, wieder in dieses Gebäude zu gehen. Als er sich umdrehte, spürte er, wie er am Arm gepackt wurde. Daraufhin reagierte er instinktiv. Er griff den Arm, zog den Angreifer mit einem Ruck nach vorne, schlug mit der Handkante in dessen Ellenbeuge und nahm ihn in den Kreuzfesselgriff.
Ein überraschtes Keuchen erklang, dann folgte ein Schmerzlaut. James hielt inne, betrachtete den jungen Mann, den er gefangen hatte. Er trug einen hellblauen Anzug, hatte bronzefarbenes Haar, das ihm bis in den Nacken reichte.
„E-Es tut mir leid. Können Sie mich bitte loslassen?", erklang dessen sanfte Stimme, wenn auch etwas verängstigt.
James ließ ihn los, aber nicht aus den Augen. Eine der vielen Angewohnheiten seines Berufs. Als Polizist war er stets auf der Hut. Als er sich umdrehte, blickte er in zwei haselnussbraune Augen – die schönsten, die er je gesehen hatte. Der junge Mann vor ihm hatte eine schmale Nase, hohe Wangenknochen, runde Backen und ein verdammt süßes Lächeln. Er war um einiges schmaler gebaut als er selbst. Er selbst war breit und muskulös, was in seinem Beruf aber auch notwendig war.
Timothy lächelte den Fremden an und rieb sich den Arm. „Wow. Und ich dachte schon, der ist ab. Haben Sie einen Mordanschlag vermutet?", fragte den Fremden. Er sah, wie dessen Mundwinkel für einen Moment zuckten. Diese Augen. Ein Schauer lief durch seinen Körper. Diese Augen schauten ihn mit rohen Emotionen an, wie eine Raubkatze ihre Beute anvisierte. Und ich bin die Beute.
In diesem Moment wollte Timothy auch die Beute sein. Doch dafür musste er fliehen, musste den Jäger reizen. Bevor er dies jedoch tun würde, würde er diesen Moment festhalten. Er drückte den Abzug seines Apparats, bevor beide es realisierten.
James hörte das Klicken des Apparats, welches den Moment, in dem sie festgesteckt hatten, unterbrach.
„Du bist der Hochzeitsphotograf?", fragte er mit einer tiefen Stimme. Er wendete den Blick von diesem jungen Mann nicht ab, nahm jedes Detail wahr. So sah er auch, wie dieser sanft auf seine rosige Unterlippe biss. Etwas, das nur eine Sekunde dauerte.
„Timothy. Mein Name ist Timothy und ja ich bin der Hochzeitsphotograf", hauchte er mehr, als er es sagte und schaute zu dem Mann auf, der vor ihn getreten war. Aufregung heizte seinen Körper auf.
„Solltest du dann nicht drinnen Photos machen?"
„Ich habe schon genug von dieser künstlichen Inszenierung festgehalten. Jedes weitere Bild würde dasselbe aussagen wie die hundert zuvor." Er wusste, dass er das nicht hätte sagen sollen, immerhin lebte er von seiner Arbeit. Die Realität war nunmal grausam. Ein Photograph konnte heutzutage nicht mehr von Bildern leben, die ihm wichtig waren.
James trat nahe an den jungen Mann heran. Die Ehrlichkeit in seiner Stimme und in der Aussage, die er gerade geäußert hatte, beeindruckte ihn. Er sieht es auch. Sieht die Falschheit von all dem. Mit einem Finger schob er eine Strähne zur Seite, die Timothy in die Stirn gefallen war. „Warum hast du mich dann photographiert?", fragte er mit tiefer Stimme, die Gefahr ausstrahlte.
Erneut biss sich der junge Mann auf die Lippe und James hätte beinahe geknurrt. Reiz mich nicht, kleiner Vogel.
„Was erhalte ich für meine Antwort?", erwiderte er.
Ein leises Lachen stieg in James auf. Ich mag seine Schlagfertigkeit. „Was willst du, Timothy?"
So wie der Mann seinen Namen betonte, brachte er die Schmetterlinge in Timothys Bauch zum Flattern. Dich. „Deinen Namen", hauchte er, anstatt dem, was er wollte. Er schaute in die dunkelbraunen Augen, die in ins Visier genommen hatten.
„James."
James. Das passte zu diesem Mann. Es hätte keinen besseren Namen geben können. Nervös schaute er nach unten. Finger legten sich an seine Wange, fuhren diese nach unten bis zu seinem Kinn. Dann hoben sie es an, sodass er erneut in die Raubtieraugen starrte.
„Und mein Preis?", fragten diese sinnlichen Lippen.
Preis?
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