Interviews und Dokus
Ich atmete tief durch und öffnete schweren Herzens die Datei auf meinem MacBook. Bis jetzt hatte ich mich noch gesträubt mir das anzugucken und ich sollte das vielleicht auch nicht allein, aber Grandma wollte ich das nicht antuen. Nervös trommelte ich mit den Fingern auf dem Gehäuse des Laptops rum, während die Dateien sich langsam vor meinen Augen auf dem Bildschirm aufbauten. Okay, Cady bereit gleich ziemlich am Boden zu seien? Ich klickte auf die erste Datei "Interview" und dann ein Datum von vor über 13 Jahren. Der Bildschirm wurde schwarz und es leuchtete ein Uhren Symbol auf, während das Video lud. Ich wurde wieder nervöser und fragte mich was mich wohl erwarten würde. Langsam baute sich das Video auf und es wurden zwei Menschen sichtbar.
Sie war kleiner, als er das konnte man obwohl beide saßen sehr gut sehen. Ihre langen blonden Haare langen offen und wellig über ihrer, von mir aus linken Schulter. Sie wirkte so vertraut und doch so fremd, diese Mischung irritierte mich etwas. Ihre blauen Augen blitzen freundlich in die Kamera und ihr Lächeln war freundlich und aufgeschlossen. Er hatte locker einen Arm um sie gelegt und sein blasses, ebenmäßiges Gesicht ließ nicht erkennen, ob er nun Lust auf dieses Interview hatte oder nicht. Wie um dieses Pokerface zu unterstreichen verrieten weder seine, mir nur all zu bekannten, grünen Augen, noch irgendeine andere Regung auf seinem Gesicht auch nur irgendetwas über ihn oder über was er nachdachte. Das machte nochmal etwas nervöser und ich hoffte, dass dieses Interview nicht mein Bild von ihm zerstören würde, obwohl ich wusste das viele in Interviews nur Rollen spielen.
"Ganz ruhig, ganz gelassen, gänzlich ohne Allüren, präsentierten sich uns gestern zwei der besten deutschen Springreiter in Hamburg" kam eine Stimme aus dem Off und es wurden kleine Ausschnitte aus dem Interview gezeigt, dann wurde ein kurzer Einspieler gezeigt. Jede noch so kleine Information die ich bekam sog ich quasi auf. Endlich fing das Interview an. Eine Stimme aus dem Off fragte "Schön, dass ihr Zeit hattet. Ihr wart ja bis gestern noch unterwegs. Wo wart ihr?" "Wir waren bis gestern noch für das Deutsche Global Champions League Team in London unterwegs." antwortete er und seine Stimme jagte mir einen wohligen schauer über den Rücken. "Wir sind momentan ja viel unterwegs, am häufigsten für die LGCT oder GCL" ein wunderschönes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und ihre blauen Augen funkelten. "Wie macht ihr das mit eurer Tochter?" fragte das Off "Sie ist meistens mit" erklärte sie. "Sind Familie und Reitsport nicht schwer miteinander zu vereinen?" beide schüttelten den Kopf "Meine Mutter hat mich auch früher immer mit zu den Turnieren genommen und ab meinem vierten Lebensjahr saß ich selbst auf Turnieren im Sattel. Geschadet hat es mir jawohl nicht" meinte er und schien fast auf irgendeinen Einwand von ihr zu Warten. "Dir nicht, aber deinem Ego" wand sie spöttisch grinsend ein. Fragend hob er eine Augenbraue "Dein Erst?". Sie mussten beide lachen. "Was ist das riskanteste an eurem Sport?" wieder lachten beide "Ich glaube, dass wir mit einem Tier kooperieren, dass uns töten könnte, eine andere Sprache spricht und sehr feinfühlig ist." sie lächelte noch einmal und fuhr sich durch die Goldblonden Haare. "Ich glaube man muss schon in einem gewissen Maße einen Schaden haben um den Sport ausüben zu können. Wir Reiter sind nun mal ein etwas spezielles Volk." witzelte er. "Ja das stimmt. Wir haben alle kein Problem damit andere Leute und Mitreiter zur Sau zu machen, aber würden nie etwas gegen eines unserer Pferde sagen." stimmte sie ihm zu. "Pantas würde ich nie auch nur irgendeinen Vorwurf machen, dem ein oder anderen Reiter allerdings schon" mit den Worten von ihm endete das Interview.
Mir war zum Heulen zumute. Ich hätte mir das nicht angucken dürfen! Aber irgendwie hatte es mich gereizt. Sie müssen tolle Menschen gewesen seien. Schnell schaltete ich mein Mac aus und stellte ihn weg. Ich musste mich ablenken! Ich musste in den Stall. Ich sattelte mir Prince und ging kurz entschlossen Ausreiten.
Ich hörte wie die Pferdehufe durch das halbhohe Gras strichen. Ein beruhigendes Geräusch. Das Rauschen der Getreidepflanzen, von denen ich dank meiner mehr, als schlechten Botanik Kenntnissen, nicht sagen könnte was für welche es waren, bewegten sich mit der leichten sommerlichfrischen Briese und die Sonne brannte schon fast vom Himmel. Die Briese machte den Tag erträglich, ohne sie wäre es bestimmt unerträglich warm gewesen. Jeden Schritt den der Rappe unter mir machte fühlte sich motiviert und etwas spannig an. Der Hengst wollte galoppieren, das spürte ich doch ich hielt ihn konsequent im Schritt es war zu warm für eine richtige Galoppade und ich war auch nicht ganz mit dem Kopf dabei. Tausend Wörter wirbelten mir durch den Kopf. Jetzt konnte ich nicht mal mehr beim Reiten abschalten. Egal, wie sehr ich doch versuchte mich auf mein Pferd zu Konzentrieren, glitten meine Gedanken doch wieder weit weg. Eine Frage spukte, wie eine Schattengestalt in Kinderalbträumen, immer wieder durch meinen Kopf,- Was wäre wenn?
Ich war so in Gedanken das ich nicht merkte wohin ich ritt und auch nicht merkte, dass jemand neben mir ritt, bis derjenige mich ansprach. "Cady Darling, alles okay?" ich wandte den Kopf um zusehen wer da mit mir sprach und blickte in die schon fast Smaragd grünen Augen meiner Grandma. Sie saß im Sattel ihrer neusten Errungenschaft, ein Oldenburger von Goldtanz, Lichttanz ein wunder schöner Fuchs mit auffallender Blesse und weißen Socken. Ein wahrer Dressurkrack der ein kleines Vermögen gekostet hatte, aber bis jetzt jeden Cent Wert gewesen war. "Darling, tell me was ist los?" sie verfiel schon mal wenn sie mit mir sprach oder von Internationalen Turnieren kam ins Englische, wobei bei ihr der Walisische Akzent immer sehr stark durch kam. Sie ist zur hälfte Waliserin, also ist das auch kein wunder, aber trotzdem irritiert das immer wieder viele. Ich blickte wieder nach vorne und antwortete ihr tonlos "Ich habe mir das Interview angesehen". Sie musste schlucken und presste die Lippen fest aufeinander, dann meinte sie "Wenn wir zu Hause sind gucken wir die Doku zusammen. Es wird Zeit, dass auch ich mich der Sache stelle". Ich hatte bis jetzt nur von der Doku gehört. Sie porträtierte unsere Familie und den Deutschen Reitsport in der ein großer Name jede Menge zählt. Grandma hatte sie mich bis jetzt noch nicht gucken lassen. Ich weiß nicht warum, aber vielleicht ist es auch gut so.
Zuhause sattelten wir ab und stellten die beiden Hengste auf zwei Paddocks. Im Wohnzimmer zog Grandma gezielt eine DVD mit dem NDR Logo drauf aus dem Regal. Schon, als sie die DVD aus dem Regal zog zitterten ihre Hände und ihre Schritte waren nicht so elegant und zielstrebig wie sonst, als sie zum DVD-Spieler ging.
Die ganze Doku fing auf einem Turnier an. Es war wohl ein kleines, aber trotzdem nicht ganz unbedeutend. Zuerst begleiteten sie Meredith Stüwe, meine Ur-Großmutter, an die ich mich sogar noch etwas erinnern kann, auf den Springplatz. Sie ritt eine M-Vielseitigkeit. Das Springen durch lief sie Fehlerfrei in einer wirklich guten Zeit und es ging am Hänger weiter, an dem sich in der Zwischenzeit auch eine jüngere Version von Grandma und meine Eltern, da vielleicht gerade mal 18 eingefunden hatten. Meredith drückte meinem Ur-Großvater die Zügel ihres Pferdes in die Hand und erklärte auf Deutsch mit einem starken Akzent, der deutlich machte, dass sie gebürtige Waliserin war, wie sie den ritt fand.
Bei der nächsten Szene musste Grandma neben mir schmunzeln.
Meine Eltern standen mit einem großen Rappen an einem Anhänger. Sie guckte ihn etwas genervt an, während sie den Rappen trenste und er sein Jacket überstreifte und den Reißverschluss der schwarzen Lederspringstiefel noch einmal richtig schloss.
"Sie hatte an dem Tag noch zu ihm gesagt, sie würde auf gar keinen Fall den TT für ihn spielen!" wieder flog ein Lächeln über Grandmas Lippen.
Später, als alle noch einmal einzeln gezeigt wurden und in ihrem Alltag begleitet wurden, flossen ihr Tränen die Wangen runter. Trotzdem tat es gut diesen Film gesehen zu haben, jetzt wusste ich wenigstens etwas besser, wer sie waren.
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