XXIII - Schatten
- Damien -
Stöhnend rollte sich Damien von Crystals verschwitztem Körper und versuchte schwer schnaufend, seinen Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Sein Atem beruhigte sich langsam, während ihre schmalen Finger über seinen Brustkorb tanzten. Ein schelmisches Lächeln breitete sich auf ihrem geröteten Gesicht aus, das Damien automatisch ansteckte. Er liebte den Sex mit ihr.
"Ganz ehrlich", flüsterte sie nahe an seinem Ohr, "ich hätte nie gedacht, dass du so gut bist."
Ein amüsiertes Lachen drang aus seiner Kehle, als er sie an sich zog und einen Kuss auf ihre geschwollenen Lippen hauchte.
"Ich werte das jetzt einfach als Kompliment", nuschelte er in Crystals duftendes Haar.
Nach einer Weile löste sie sich sachte aus seiner Umarmung und zündete sich einen Joint an, der auf ihrem Nachtkästchen lag. Damien beobachtete seine neuste Eroberung ausgiebig und stellte erschrocken fest, dass er nicht genug von ihr bekam. Sie war nicht wie seine anderen Bettgeschichten, das wusste er und diese Tatsache machte ihm große Angst.
Obwohl er Crystal schon seit Jahren kannte, war sie immer auf Abstand geblieben und hatte nie auch nur den Anschein erweckt, Interesse an ihm zu haben. Damien hingegen wollte sie von der ersten Minute an, stöhnend unter sich. Diese Vorstellung hatte ihm so manche Nächte versüßt. Wie oft hatte er an sie gedacht, während er mit anderen Frauen im Bett gewesen war...
Und jetzt endlich war sein Traum wahr geworden. Dennoch war da dieses beklemmende Gefühl, dass er sie mit seiner Leichtsinnigkeit in Gefahr brachte. Er wollte eine Garantie für die Ewigkeit mit ihr. Doch leider gab es die nicht.
"Willst du auch was?", fragte sie mit benebeltem Blick und hielt ihm den Joint unter die Nase. Eigentlich war er kein Fan von Drogen, doch im Moment schien das Angebot verdammt verlockend.
Zögernd blickte er auf den aufsteigenden Rauch, der wunderbar nach verbranntem Gras roch.
"Vielleicht kannst du dann wieder besser schlafen", fügte sie zögernd hinzu. Genau wie in den letzten Nächten, würde er auch heute bei ihr übernachten. Wenn es nach ihm ginge, bis zum Rest seines Lebens.
Leider nur hielten ihn seit einigen Nächten Albträume und Erinnerungen der Vergangenheit davon ab, länger als ein paar Stunden zu schlafen, was ihn körperlich stark beeinträchtigte.
Zuversichtlich nahm er ihr den qualmenden Stummel ab und sog den Rauch tief in seine Lungen. Schon nach wenigen Zügen spürte er die aufkeimende Müdigkeit in seinen Knochen, die seit Tagen an ihm nagte, wie ein Raubtier an seinem Opfer.
Er drückte den letzten Rest aus und schloss Crystal in seine Arme, während beide vom Schlaf übermannt wurden.
Damien fand sich in der Eingangshalle eines heruntergekommenen Klosters wieder, das zu einem Kinderheim umfunktioniert worden war. Er kannte dieses Gebäude nur zu gut.
Sein Blick schweifte über die karge Einrichtung und wurde schließlich von einem großen Gemälde der Mutter Maria gefangen genommen. Ein Heiligenschein thronte über ihrem Kopf, kleine Engel begleiteten ihren Weg.
"Du kannst jetzt mitkommen", drang eine eisige Stimme zu ihm hindurch. Schweigend folgte er einer in schwarz gekleideten Nonne bis vor eine einfache Holztür. Sie klopfte herrisch und öffnete, ohne auf eine Antwort zu warten, die Tür.
"Die Tür bleibt offen. Und ich muss dich ja wohl nicht darauf hinweisen, dass du ihr nicht zu nahe kommst, oder sie berührst. Sie steht noch immer unter Schock", fuhr ihn die Schwester boshaft an. Damien nickte nur bestätigend und blickte sehnsüchtig in den kleinen Raum hinter der Türschwelle.
Ivory saß auf einem einfachen Bett, ihr langes, zerzaustes Haar fiel ihr in wilden Locken übers Gesicht. Sie war leichenblass. Als hätte sie diese kleine Zelle seit Wochen nicht verlassen.
Vorsichtig trat er näher und achtete dabei penibel darauf, sie nicht in Unruhe zu versetzten. Es war erst zwei Tage her, dass ihr der Magen ausgepumpt worden war, weil sie zu viele Schlaftabletten geschluckt hatte.
Sie hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. Seine beste Freundin.
Es schmerzte ihn, sie so zu sehen. Leblos wie eine Puppe und geistig in einer anderen Welt gefangen. Ihr Blick war starr auf den kalten Steinboden vor ihr gerichtet, ihre knochigen Hände lagen zusammengefaltet in ihrem Schoss, als würde sie beten.
Wahrscheinlich wurde sie mit Medikamenten vollgestopft, damit sie nicht noch einmal in Versuchung kommen würde, sich umzubringen.
Verzweiflung ergriff Besitz von seinem Körper, als er hilflos auf die verblasste Gestalt von Ivory hinab sah. In einem Akt der Liebe, fiel er vor ihr auf die Knie, um ihr in die leeren Augen sehen zu können. Er musste einfach wissen, ob noch ein Funken Hoffnung in ihr war.
Sachte streckte er seine Hand aus und strich ihr eine Locke aus ihrem aschfahlen Gesicht. Die Berührung lies sie zusammenzucken, ihr Atem beschleunigte sich. Dann drang ein markerschütternder Schrei aus ihrer Kehle.
Der Traum veränderte sich und führte Damien Bilder von Ivorys erster Pflegefamilie vor Augen. Ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Familie sprach sie noch immer kein Wort, obwohl er sie jeden zweiten Tag besuchte. Mittlerweile hatten ihre Wangen wieder eine gesündere Farbe angenommen und ihr Körper sah nicht mehr ganz so unterernährt aus, wie noch vor einigen Wochen.
Es waren die ersten Tage in all den Monaten, in denen er Hoffnung schöpfte. Bei einigen seiner Besuche brachte er ihr Bücher mit, um ihr vor zu lesen, so wie er es schon früher getan hatte und er hatte stets das Gefühl, dass es ihr Sicherheit gab. Er hätte alles getan, um ihr wieder auf die Beine zu helfen.
Wenn er damals doch nur gewusste hätte, dass sie erneut versuchen würde, sich auf unmenschliche Weise das Leben zu nehmen...
Das Läuten von Sirenen klang entfernt in seinen Ohren, seine Augen folgten dem abfahrenden Krankenwagen aus der Einfahrt von Ivys Pflegefamilie. Ihre Ersatzeltern eilten aus dem Haus, der Schock über das Geschehene stand ihnen unverkennbar ins Gesicht geschrieben.
Diese Leute waren keine schlechten Menschen gewesen, sie hatten alles getan, um ihr zu helfen. Aber wer konnte schon einem jungen Mädchen zurück ins Leben helfen, wenn sie es gar nicht wollte?
Sein ganzes Leben hatte er nie wieder diese zerschmetternde Panik gespürt, als er dem Krankenwagen wie erfroren hinterher sah, während er sich andauernd die Frage stellte, wie er es hätte verhindern können. Das Pochen seines zerreißenden Herzens würde er nie vergessen.
Weitere Bilder schoben sich vor sein inneres Auge: die erste Tötung eines Verwandelten, Ivorys Panikattacken, die vielen Bisswunden auf ihrem Körper. Die lange Narbe auf ihrem Brustkorb, knapp über ihrem Herzen...
Keuchend schreckte Damien aus dem Schlaf hoch. Schweißtropfen perlten über seine Stirn, während sein Herz in einem unnatürlichen Tempo pulsierte.
"Schhhh Baby, du hattest wieder einen Albtraum. Versuche, dich zu beruhigen. Atme langsam", tröstete ihn Crystals Stimme wie aus weiter Entfernung.
Aber sie konnte nicht wissen, dass seine Träume real gewesen waren. Konnte nicht erahnen, was er schon durchgemacht und wie viel Leid er schon erlebt hatte. Schatten seiner eigenen Hölle.
Ruckartig zog er sie auf seinen Schoss und presste ihren weichen Körper an seinen. Tränen lösten sich aus seinen Augenwinkeln.
"Bitte verlass mich nicht", flüsterte er abwesend in ihr Haar, während ihre rechte Hand zärtlich durch sein Haar strich.
"Ich verspreche es dir", antwortete sie ohne zu zögern.
Etwas war in Damien gebrochen. Etwas, von dem er dachte, er könnte es für immer in seinem Unterbewusstsein verschließen. Vielleicht war es die liebevolle Verbindung zu Crystal, die ihn erst jetzt, nach so vielen Jahren, mit seinen schlimmsten Erinnerungen konfrontierte.
Eines jedoch wurde ihm sofort klar, als er endlich seine innere Ruhe wieder gefunden hatte: Ivory war zu keinem Zeitpunkt in ihrem Leben sicher vor sich selbst gewesen.
Sie hatte seit Jahren dieses eine Ziel vor Augen und wenn sie es nicht erreichte, würde sie genau so reagieren wie auch zuvor. Auch wenn sie vorgab, in ihrer Psyche gefestigt zu sein, so war ihm jetzt endlich bewusst geworden, dass das nur Täuschung war.
Ihre gemeinsame Vergangenheit hatte es ihm bewiesen.
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Holla geschätzte Reader,
es tut mir unendlich leid, dass ich zur Zeit so unregelmäßig und nur in großen Abständen neue Kapitel veröffentliche. Grund hierfür ist einfach mangelnde Zeit, so wie immer im Leben...
Dennoch hoffe ich, meine Geschichte fesselt euch weiterhin und regt euch diesmal vielleicht sogar zum Nachdenken an?
Bin gespannt auf euer Feedback!
Alles Liebe
Eure
Livia
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