XIII - Business
- Killian -
Nachdenklich verließ Killian das Wohnhaus und stieg in seinen Dodge Durango, den er am Straßenrand geparkt hatte. Als er sich in den weichen Ledersitz sinken ließ, hielt er einen Moment die Luft an, um die letzen Stunden Revue passieren zu lassen. Unweigerlich stellte sich ihm die Frage, in welchem gottverdammten Moment er entschieden hatte, dieser armen Seele von Mensch zu helfen. Das entsprach nämlich so gar nicht seinem normalen Verhaltensmuster.
Bereits bei ihrer ersten Begegnung war ihm aufgefallen, wie müde und verloren Ivory wirkte. Dabei war es keine körperliche Last, die sie trug, sondern eine mentale. Vielleicht hatte er ihr seine Hilfe angeboten, gerade weil sie kurz vor dem Aufgeben stand und es trotzdem nicht tat. Wie viel Kraft muss ein Mensch haben, wenn ihm jede Faser seines Seins sagt, er solle aufgeben, und es trotzdem nicht tut.
Im Gegensatz zu ihm selbst, gelang es Ivory kaum, ihr Gefühlsleben zu verbergen. Und womöglich wollte sie das auch gar nicht mehr und hatte sich bewusst für die schwere Variante entschieden: Ehrlichkeit.
In gewisser Weise bewunderte er dieses scheinbar schwache Mädchen mit den eisblauen Augen. Ivory, Elfenbein.
Ihr Name gleicht dem wundervollen Ton ihrer blassen Haut, ging ihm durch den Kopf während er gedankenverloren aus dem Auto sah und das Lenkrad fest umklammert hielt, als wäre es sein rettender Anker.
Lächelnd startete er den Wagen, als er an ihren Schlag dachte, der noch immer ein beinahe angenehmes Brennen auf seiner Wange hinterließ. Er konnte sich nicht erinnern, wann sein letzter Frauen-Besuch mit einer Ohrfeige geendet hatte.
Komischerweise hatte er ihre Reaktion als amüsant empfunden, weil es wahrscheinlich die ehrlichste Antwort gewesen war, die er je von einer Frau bekommen hatte.
Eine gute Stunde später fuhr Killian in die private Tiefgarage des kleinen Forschungsinstitutes, für das er - wenn auch nicht ganz legal - tätig war. Gekonnt parkte er neben den anderen Autos der Einrichtung, die er abwechselnd und je nach Laune fuhr. Ein kleiner Vorteil seines lukrativen, wenn auch illegalen, Jobs.
Durch eine Schutztür verließ er die Garage und stieg in einen modernen Aufzug, der ihn direkt in den dritten Stock des Institutes bringen würde. Er hielt seinen mit einem elektronischen Code versehenen Mitarbeiterausweis über einen Scanner, der ihm Zutritt zu dem oberen Stockwerk gewährte. Sanft setzte sich der Lift in Bewegung.
Beim Betreten des steinernen Foyers schlug ihm ein unangenehm intensiver Geruch nach Chemikalien und altem Gemäuer entgegen, den er jedes Mal in der Nase hatte, wenn er aus dem Aufzug stieg. Dennoch wollte er sich daran nicht gewöhnen.
Wie auch im restlichen Gebäude, war die Einrichtung am Empfang sehr puristisch gehalten. In der Mitte des Raumes befand sich eine moderne Rezeption, dahinter stand in großen, beleuchteten Buchstaben: "Graham-Institut".
Links von Killian gab ein hohes Fenster aus Holz den Blick auf eine kahle Parkanlage und einen grauen Himmel frei.
Als das Institut vor einigen Jahren gegründet wurde, hatte man sich entschieden, die alten Grundmauern, die ursprünglich eine Universität beherbergt hatten, nicht zu modernisieren. Und das, obwohl die moderne Arbeit, die hier geleistet wurde, im kompletten Kontrast zu dem steinernen Gemäuer stand.
Am Empfang saß eine junge, blonde Rezeptionistin, deren Namen Killian beim besten Willen nicht mehr einfiel. Sie lächelte ihn verträumt an, als er auf sie zukam. Diese Mädchen am Eingang kamen und gingen wie unerwünschte Geliebte, sich ihre Namen zu merken erschien ihm als pure Zeitverschwendung.
"Hallo...Paige", las er von ihrem Namensschild ab, "Können Sie mir sagen, ob Dr. Graham wieder da ist?"
Nervös strich sie sich durchs Haar und fokussierte ihren PC, ehe sie antwortete: "Ja, er ist seit einer Stunde zurück und müsste in Raum 308 zu finden sein."
Eine sanfte Röte breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie ihm schließlich in die Augen sah. Wenn sie doch nur wüsste, dass er absolut kein Interesse an ihr hatte, dann würde er sich wieder einmal einen Haufen Ärger ersparen.
Stattdessen kehrte er ihr den Rücken zu und marschierte in das Labor von Dr. Graham, ohne vorher anzuklopfen. Killian wusste, wie sehr er das hasste.
"Verdammt, Killian!", schreckte der alte Mann aus seinem Stuhl hoch und verschüttete dabei eine klare Flüssigkeit aus einem Reagenzglas auf seinem weißen Kittel. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du gefälligst klopfen sollst, bevor du mein Labor betrittst! Sei froh, dass ich nur eine Salzlösung in der Hand halte und keine ätzende Säure!"
Dr. Graham war ein schlaksiger Mann, mit einem markanten Gesicht und vollem, dunklem Haar. Vereinzelte graue Strähnen waren das einzige Anzeichen für sein fortgeschrittenes Alter.
Behutsam legte er seine Utensilien beiseite und musterte Killian anschließend eingehend von Kopf bis Fuß.
"Du lässt dir jetzt also einen Bart wachsen?", fragte er mit hochgezogener Augenbraue. "Siehst aus wie ein Wilder."
Dass diese Aussage nach keiner Antwort verlangte, wusste Killian nur zu gut. Graham hatte immer etwas an ihm auszusetzen. Wenn nicht an seinem Aussehen, dann entweder an seiner Arbeitsweise oder an seinem Privatleben. Dem Alten konnte er es nie recht machen und mittlerweile war ihm das auch völlig egal. Er kam nur her, um von seinen Fortschritten zu berichten und verschwand dann wieder.
"Ich habe eine Phiole von ihrem Blut dabei", überging Killian die Aussage des Doktors, während er in seine Ledertasche griff und eine Box hervorholte, in der sich besagte Probe befand. Wortlos nahm Dr. Graham die Schatulle entgegen und nickte bestätigend.
"Mal sehen, was die Ergebnisse zeigen werden", murmelte er vor sich hin. Natürlich bekam Killian keinen Dank, keine Wertschätzung für seine Arbeit. Eigentlich müsste der Dank sowieso an die kleine Jägerin gehen, immerhin hat sie sich ohne Widerrede Blut von mir abzapfen lassen, schoss es ihm durch den Kopf.
"Ich geh dann jetzt wieder und nehme mir auf dem Weg ein paar Waffen und ein neues Auto mit", beendete Killian das kurze Treffen mürrisch. Wenn er nicht dazu verpflichtet wäre, hier regelmäßig aufzukreuzen, hätte er diese Tätigkeit schon lange von seiner Liste gestrichen.
"Vergiss nicht, die Anzahl der Getöteten zu notieren! Das erleichtert mir nachher die Abrechnung", rief ihm Graham hinterher, als er bereits die Tür ins Schloss fallen ließ. Kranker Bastard.
Gerade als Killian den Empfang passierte, rief die Kleine von der Rezeption seinen Namen. Genervt verdrehte er die Augen, änderte jedoch sein Route und blieb vor der Theke stehen, von wo aus er mit finsterem Blick auf sie herabsah.
Verunsichert spielte sie erneut mit einer Haarsträhne und er musste unweigerlich wieder an Ivory denken, die niemals so dämlich auf seine Anwesenheit reagieren würde. Außerdem roch ihr Haar nach Weihnachtsplätzchen und war von einem glänzenden schokoladenbraun, nicht so strohig, wie das von der Rezeptionistin vor ihm.
Innerlich verpasste er sich selbst eine Ohrfeige für diesen absolut deplatzierten Gedanken.
"Also, da war ein Anruf für Sie aus dem Institut in Italien. Der Anrufer hat gefragt, wann Sie dorthin zurück kommen", erläuterte sie schließlich, während sie eine strohblonde Strähne um ihren Finger wickelte und ihn mit übertrieben großen Augen ansah. Hatte sie seit der letzten Begegnung einen Knopf ihrer Bluse geöffnet?
Als ihre Worte endlich in sein Gehirn drangen, zuckte Killians Hand und er musste an sich halten, seine aufkeimende Wut nicht sofort an dem Mobiliar des Instituts auszulassen.
"Wer genau hat angerufen?", brachte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, bereit sie in dem Gesicht des nächstbesten Wichsers zu versenken, der ihn auch nur falsch ansah.
"Sein Name ist...", sie durchforstete in aller Seelenruhe ihre Unterlagen und Killian überlegte ernsthaft, ihr den Hals umzudrehen. Wobei er Frauen sonst nur aus Notwehr tötete.
"Ah, hier ist es!", sie hielt einen kleinen Zettel mit unleserlichen Ziffern hoch. "Sein Name ist Savio Valenti."
Mit schnellem Schritt hastete Killian zum Aufzug und ließ seiner Wut freien Lauf, als sich die Türen endlich schlossen. Mit aller Wucht schlug er mehrfach mit seiner Faust gegen die verspiegelte Wand, bis diese von feinen Rissen durchzogen und mit rotem Blut verschmiert war. All seine angestauten Aggressionen, seine unbändige Wut, ließ er an seinem eigenen Spiegelbild aus.
In seinen Augenwinkeln sah er sich selbst in hundertfacher Ausführung auf den Spiegel einschlagen, bis ein Klingeln ihm signalisierte, dass er wieder in der Tiefgarage angekommen war.
Schwer atmend verließ er den Lift und betrachtete seine blutenden Fingerknöchel. Wahrscheinlich würde Graham die Reparatur des Fahrstuhls von seinem Lohn abziehen.
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Huhuuu ihr Lieben,
danke fürs Lesen!!!! :)
Wie ihr (wahrscheinlich) festgestellt habt, ist dieses Kapitel nun mal aus Killians Sicht geschrieben. Hier werden einige neue Details zum Hintergrund seiner Person, sowie der Geschichte enthüllt.
Nur, was hat es mit seinem dramatischen Wutanfall auf sich hihi?? ;)
Übrigens darf ich hiermit offiziell bestätigen, dass ich über 100 Votes auf mein Buch habe - das hätte ich ohne euch natürlich nie geschafft!! Vielen Dank dafür :)
Bis zum nächsten Kapitel am Sonntag wünsche ich euch eine besinnliche Vorweihnachtszeit.
Eure
LiviaDV
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