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„Da habt Ihr die Beweise", verkündete Maro und ließ seine Beute auf auf den fein polierten Tisch gleiten. Fürst Adalberts Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Ekel und Erregung, da er seinem obersten General einen Wink gab.

Der breitschultrige Mann mit den blassblauen Augen trat vor und nahm zuerst die Messer auf, um sie aufmerksam zubetrachten. Dann glitten seine Finger über Kurzbogen und Pfeile, dievon ebenso dunkler Farbe waren wie die Schäfte der Stichwaffen.

„Derartige Waffen hat sie genutzt, ja", murmelte er und fuhr sich über den rasierten Schädel. „Aber sie könnten einem jeden gehören."

Seine Ungeduld unterdrückend wies der Jäger auf Wams und den Haarschweif, dessen Anblick ihm nach wie vor kaum erträglich war. Hätte nur er damals ein derartiges Opfer erbringen können, um das Unheil abzuwenden, das ihn überkommen hatte!

„Nun, ein Jäger scheint in der Tat gestorben zu sein", holten ihn die überheblichen Worte des Generals zurück in die Wirklichkeit. „Aber immer noch fehlt der Beweis, dass es sich hierbei tatsächlich um Laina handelt! Warum hast du sie nicht mitgebracht?"

„Weil ihr Körper zur Unkenntlichkeit zerschmettert in den Weiten des Rabenwaldes liegt, wie ich es bereits anmerkte", gab Maro gereizt zurück, die lauernden Blicke der Männer auf sich gerichtet spürend. „Aber ich habe hier etwas, das Euch überzeugen wird."

Langsam zog er den letzten Trumpf hervor, ihn zunächst in seiner Faust verbergend. Als er sie schließlich öffnete, trat selbst der Fürst, zuvor so sorgsam auf Abstand bedacht, einen Schritt näher.

Halb getrocknetes Blut klebte am Schnitzwerk und der zerfetzten, ledernen Schnur, ein wohl durchdachter Schliff, den Maro allerdings erst fernab der Augen Lainas vollzogen hatte. Es schien sich jedoch gelohnt zu haben, da Fürst Adalbert sichtlich zusammenzuckte.

„Du hast also die Wahrheit gesprochen", hauchte der in feinste Gewänder gehüllte Mann, die dennoch nicht die Grobschlächtigkeit seines Gesichts wettmachen konnten. „Sie hat es tatsächlich gewagt ... Aber nun zu dir, Jäger", nahm seine Stimme einen scharfen Tonfall an.

Augenblicklich lösten sich die im Hintergrund postierten Wachen aus ihrer Starre, bedrohliche Stille senkte sich über die prunkvoll eingerichtete Residenz. Maro hatte gewusst, dass es nicht einfach werden würde, dementsprechend ruhig begegnete er dem stechenden Blick aus schlammbraunen Augen.

„Du kommst hierher nach Rabenstein und weißt besser über meine Bediensteten Bescheid als ich. Ich habe dir einen Aufschub gewährt, aber nun will ich wissen, wer du bist und wie du an derartige Informationen gelangt bist!"

Mit einer höflichen Verbeugung eröffnete Maro seine Verteidigung. „Dass ich Euch wohlgesonnen bin, werter Herr, dürfte ich bereits erwiesen haben. Euer Misstrauen hingegen kann ich gut verstehen und es wird sich im Folgenden wohl weiter vertiefen, dennoch bitte ich darum, bis zum Ende angehört zu werden."

„Sprich rasch", stieß der Fürst hervor, während er sich in einen der prachtvollen Sessel gleich neben der Feuerstelle sinken ließ. Die plumpen Finger um einen filigranen Kelch geschlungen betrachtete er sein Gegenüber scheinbar überhaben, doch Maro entging das unruhige Flackern der von tiefliegenden Brauen überschatteten Augen nicht.

„Nun, Euch ist natürlich klar, dass ich diesen Anschlag auf Euer Leben nicht aus edlen Motiven heraus verhindert habe", begann der Jäger. „Vielmehr suche ich bereits seit langem nach einem mächtigen Verbündeten, der mich meinen eigenen Zielen näherbringen kann."

„Das beantwortet meine Frage nicht!", raunzte Fürst Adalbert, indes sein sorgfältig frisierter Vollbart erzitterte.

„Nein, aber dazu komme ich nun", fuhr Maro fort, den aufsteigenden Ärger mit einem schmalen Lächeln kaschierend. „Um es kurz zu machen – ich stehe in den Diensten Fürst Hadmars, jenem Herrscher über Ostfall, dessen Reich nicht nur Ihr gerne an sich reißen würdet."

Die Soldaten im Rücken des Jägers strafften sich hörbar, indes der Fürst zusammenfuhr. Bevor er jedoch einen Ton von sich geben konnte, hob Maro die leeren Hände.

„Wie ich bereits sagte, urteilt nicht zu rasch! Ich möchte nicht auf der Seite stehen, die untergehen wird, also habe ich mich entschieden, Euch meine Dienste anzubieten. Einbegriffen die Übergabe sämtlicher Informationen, die Euch dienlich sein könnten."

„Und du glaubst, das reicht mir?", erwiderte der Fürst kühl. „All dies könnte ein geschickter Schachzug Fürst Hadmars sein! Da musst du mir schon etwas bieten, das ein wenig überzeugender ist als deine schleimigen Worte!"

„Und das kann ich", gab der Jäger ruhig zurück. „Ich habe da ein weiteres Geschenk, das Euch endgültig überzeugen wird."

Betont langsam löste er die Schnallen der kleinsten Gürteltasche und schob seine Hand hinein, bis seine Finger auf den fein polierten, seltsam warmen Stein stießen. Es hatte einiges an Überredungskunst gebraucht, ihn Hadmar abzunehmen und auch Maro war nicht wohl dabei, das wertvolle Kleinod nun in fremde Hände zu geben.

Darum bemüht, eine gleichgültige Miene zu wahren, zog er den Schatz hervor, die Spannung steigernd, indem er ihn zunächst in seiner Faust verbarg. Ein feines Kribbeln wand sich bis in des Jägers Arm empor, das von der Macht zeugte, die bisher ungenutzt in dem Stein steckte.

Dann überwand er sich schließlich und streckte ihn dem Fürsten entgegen. Dessen Augen weiteten sich auf der Stelle, als er den schimmernden, milchig weißen Kristall erblickte, in dessen Mitte ein Funken zu tanzen schien.

„Das ... das muss eine Täuschung sein!", stieß er rau hervor.

„Überzeugt Euch selbst", erwiderte Maro und ließ den Schatz behutsam in die nun zitternde Hand des Fürsten gleiten, den sogleich ein Schauer durchfuhr. Schwer atmend saß der grobschlächtige Mann da, eine gute Weile dauerte es, bis er endlich zu sprechen anhob.

„Fürwahr, dies kann nichts anderes sein als einer der letzten Seelensteine! Ich wusste doch, dass Hadmar einen vin ihnen besitzt!" Ruckartig hob er den Kopf und fixierte den Jäger, die schlammbraunen Augen blitzend vor Erregung. „Besser hätte kein Wort mich zu überzeugen gewusst. Sprich, was sind deine Wünsche?"

Erleichtert vernahm der Jäger, wie die Wachen in seinem Rücken zurückwichen und ihre Waffen verstauten. Äußerlich blieb er jedoch unbewegt und neigte dankbar den Kopf.

„Wenn ich denn offen sein darf – die Verwaltung Ostfalls, nachdem Ihr das Fürstentum endlich übernommen habt. Natürlich unter Eurer Herrschaft, Euch weiterhin treu ergeben."

Es war Maro zuwider, in eine weitere Verbeugung zu sinken, um die Täuschung zu vollenden war dies hingegen geboten. Die Unterwürfigkeit hatte sich jedoch gelohnt, wie das leise Lachen Fürst Adalberts verriet.

„Das ist keinesfalls ein bescheidener Wunsch, und doch will ich ihn dir gewähren – unter einer Bedingung. Du wirst mir all dein Wissen zur Verfügung stellen, um Fürst Hadmar in die Knie zu zwingen, und erst dann, wenn sein Schädel auf einem Pfosten verfault, erhältst du deine Belohnung."

„So habe ich es erwartet", entgegnete Maro und straffte sich. „Andernfalls wärt Ihr ein Narr, dem ich mich niemals angeschlossen hätte."

„Nein, ein Narr bin ich wirklich nicht", meinte der Fürst. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinen schmalen Lippen aus, das die harten Augen jedoch um keinen Deut erwärmte. „Und darum wirst du mir wohl verzeihen, dass ich deine Ergebenheit auf die Probe stellen muss."

Noch ehe er sich mit einem winzigen Nicken an die versammelten Soldaten wandte, wusste Maro, dass er den Mann unterschätzt hatte. Auf der Stelle fuhr der Jäger herum, doch gegen die Übermacht der gegnerischen Waffen konnte selbst er nichts ausrichten.

Stumm ließ er es geschehen, dass man ihn der seinen beraubte,derweil seine Gedanken rasten. Was nur konnte es sein, das Fürst Adalbert von ihm verlangte? Als derbe Stricke seine Hände auf den Rücken banden, fand er dessen Blick.

„Ich hoffe für Euch, dass Ihr dies zu erklären wisst, solltet Ihr wirklich an meinen Diensten interessiert sein", sprach Maro eisig, eine Antwort erhielt er jedoch nicht. Unvermittelt traf ihn ein wuchtiger Schlag auf den Hinterkopf, dem nichts als tiefste Schwärze folgte.

„Ihr wisst, was zu tun ist", wandte sich Fürst Adalbert an die Soldaten, kaum da der Jäger am Boden lag. „Oh, und entsendet eine Abteilung hinaus in den Rabenwald – bringt mir die Leiche, wenn es sie denn wirklich gibt!"


Ein sanftes Schaukeln, begleitet von fortwährendem Rumpeln und Knarzen, drang nach und nach immer klarer an Maros Sinne. Kurz noch glaubte er zu träumen, bis ihn die Ereignisse mit der Wucht eines Schmiedehammers einholten.

Von Ähnlichem glaubte sich der Jäger getroffen, als er sogleich aufschreckte und sein Schädel hart gegen ein Hindernis prallte. Aufstöhnend sank er zurück, nun auch die Stirn wild pochend, was sich unangenehm zu dem dumpfen Schmerz am Hinterkopf gesellte.

Zögerlich wich die Benommenheit, dann öffnete Maro die Augen. Nur um feststellen zu müssen, dass ihn hölzerne Wände dicht umschlossen – man hatte ihn in eine schmale Kiste gesteckt, einem Sarg gleich, der jeden Moment in die Tiefen der Erde gebettet werden konnte.

Beinahe wäre der Jäger erneut aufgefahren. Sein Körper straffte sich und nun spürte er auch die um Hand- und Fußgelenke geschlungenen Fesseln. Das Herz schlug ihm hart in der Brust, mühsam musste er das aufsteigende Entsetzen unterdrücken.

Einige tiefe Atemzüge später kehrte wohltuende Ruhe ein, auch die wild umherirrenden Gedanken fanden in geordnete Bahnen zurück. Was auch immer Maros missliche Lage zu bedeuten hatte, konnte Fürst Adalbert vorerst nichts an seinem Tod liegen.

Aufmerksam lauschend lag der Jäger da. Es musste ein Fuhrwerk sein, auf dem er einem ungewissen Schicksal entgegengetragen wurde, überdies nahm er den straffen Tritt vieler Stiefel wahr.

Gewiss hätte man sich diese Mühe nicht gemacht, um ihn abseits der Burg zu verscharren. Nein, anderes musste dahinter stecken, schließlich hatte der Fürst von einer letzten Probe seiner Ergebenheit gesprochen.

So fügte sich Maro seinem Schicksal, wohl wissend, dass er gerade ohnehin nichts ändern konnte. Dennoch schmerzte es ihn, Laina zurückzulassen – sie würde auf ihn warten und vielleicht gar glauben, dass er sich einen grausamen Scherz mit ihr geleistet hatte.

Die einzige Hoffnung ruhte nun auf Erhardt und Levin, treue Gefolgsleute Hadmars und im Laufe der Zeit auch Maro zu guten Gefährten geworden. Den von Soldaten umgebenen Zug würden sie, im Gegensatz zu einzelnen Boten, zwar nicht angehen können, das schwer bewachte Fuhrwerk konnte ihrer Aufmerksamkeit jedoch nicht entgehen.

Gewiss würden sie, gepaart mit der Tatsache, dass der Jäger nicht zu ihnen zurückkehrte, die richtigen Schlüsse ziehen.

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