Netterweise gewitterte es, als wir in den Booten über den Schwarzen See fuhren. Der Nieselregen ließ mich frösteln, denn außer einer (natürlich) roten Regenjacke und meiner nicht gerade wasserdichten Schuluniform hatte ich nichts gegen das Wetter. Das hier war doch kein Sommer, das war tiefster Herbst!

Über das von innen erleuchtete Schloss einen hellen Kilometer entfernt konnte ich nur staunen. Es sah genauso aus wie im Film. Naja, ich hatte nur den ersten geguckt und angesichts der überdachten Brücke, die etwas mehr zusammengebastelt aussah, musste Hogwarts irgendwann einmal zerstört worden sein.

Endlich, als meine Haare sich schon kräuselten und ich an die dreißig Mal fast einen Nervenzusammenbruch wegen des Gewitters gekriegt hatte, standen wir tropfnass auf der Treppe zur Tür der Großen Halle. Hagrid, der uns vom Bahnhof abgeholt und zur Schule begleitet hatte, verabschiedete sich, als er den jungen Professor auf dem höchsten Treppenabsatz sah und ging schon mal in die Große Halle.

Der Professor, der mir bekannt vorkam, stellte sich vor: "Ich bin Professor Longbottom."

Longbottom? Neville Longbottom? Ich konnte nur starren.

Er erklärte uns, was der Sprechende Hut war und was wir machen sollten und öffnete die Tür. Natürlich wusste ich, wie es hier aussah, aber trotzdem: Wow, waren da viele Kerzen in der Luft!

Erst, als wir vorne saßen, wurde mir klar, dass jetzt Hogwarts' Sprechender Hut kam. Wie cool! Ich wollte unbedingt nach Gryffindor.

Neville war es, der nach dem Begrüßungslied den Hut hochhielt und die Namen aufrief: "Addersson, Luke!"

Ein wirklich kleiner, dunkelhäutiger Junge mit kinnlangem, krausem schwarzem Haar stolperte nach vorne und setzte sich zitternd.

"HUFFLEPUFF!", verkündete der Hut und Applaus ertönte.

Ich schnaubte verächtlich und ließ meinen Blick über den Lehrertisch schweifen. Dort saßen McGonagall, Sprout, Flitwick, ein nasser Hagrid, eine komische Frau mit zu großer Brille und fusseligen roten Haaren, die schon begonnen hatte zu essen, eine Frau mit seltsamem Federhut, die streng dreinsah – Die mussten ja alt werden.

"Green, Jade!"

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich schon dran war. Hastig stand ich auf und lief nach vorne. Die vielen Blicke, die auf mir lagen, waren mir unangenehm. Bei Fremden war ich ja eher schüchtern, unter Freunden aufgeschlossener. Und das hier waren größtenteils Fremde.

Aufgeregt setzte ich mich auf den Hocker auf der Erhöhung in der Halle.

Neville senkte den Hut auf meinen wasserverklebten, zerzausten blonden Haarschopf und ich hörte sofort eine Stimme in meinem Kopf.

Ich denke, du passt sehr gut nach-

Ich unterbrach ihn. Ich will nach Gryffindor!  Wenn Harry Potter mit dem Hut diskutieren konnte, konnte ich das doch auch, dachte ich zumindest.

Das war ein Fehler. Du bist nicht Harry Potter! Du bist eine gemeine, freche, rotznasige Göre, die sich einbildet, besser zu sein als alle anderen, nur weil sie Sachen weiß, die eigentlich niemand wissen können sollte.

Ich zuckte zusammen. Stimmte das etwa? Nein, so ein Hut kennt mich nicht und sollte mich nicht mal beschimpfen können!

Der Sprechende Hut redete weiter: Das nennt sich Selbstüberschätzung. Und weißt du, zu welchem Haus diese Eigenschaft gehört?

"Nein", hauchte ich entsetzt. Nicht Slytherin!

Er säuselte: Dieses Haus könnte dir zu wahrer Größe verhelfen...

Die mögen keine Schlammblüter, bemerkte ich kühl.

Du nimmst dieses Wort genauso abfällig in den Mund, wie es Slytherins oft tun. Du gehörst zu ihnen-

"Hm", machte ich nur skeptisch.

Dieser dumme Hut nahm das wohl als ja und verkündete: "Slytherin!"

Ich sprang auf, warf ihm einen tödlichen Blick zu und ging unter kläglichem Applaus zu den Slytherins. Viele musterten mich angeekelt.

Wütend reckte ich mein Kinn und fauchte heiser vor unterdrücktem Zorn: "Was ist?"

"Du bist definitiv nicht reinblütig, sonst würde uns dein Name bekannt vorkommen", höhnte einer der älteren Schüler. "Schlammblut, hm?"

Vor Wut schossen mir Tränen in die Augen. Ich setzte mich mit zusammengebissenen Zähnen.

"Malfoy, Scorpius!", rief Neville.

Neugierig sah ich auf. Scorpius stolzierte zum Hocker, wo sich alle immer bei der Hutzeremonie hinsetzten, und bekam den Hut aufgesetzt.

Drei Sekunden war es still, dann: "Slytherin!"

Ich strahlte und winkte ihm. Er grinste sein Malfoy-Grinsen, lief zu mir und setzte sich wie selbstverständlich neben mich.

Wir merkten nicht, dass wir beobachtet wurden.