Kapitel 29
Wyldfyre öffnet die Tür zu meinem Zimmer. „Darf ich reinkommen?" Fragt sie. Ich seufze. „Um ehrlich zu sein, würde ich im Moment lieber alleine sein." Sage ich. „Okay, das verstehe ich." Wyldfyre wirft mir ein kurzes, erwärmendes Lächeln zu und schließt langsam die Tür. „Okay, komm doch rein." Entscheide ich mich um, kurz bevor sie die Tür zumacht. Wyldfyre kommt hinein und setzt sich neben mich aufs Bett, ohne etwas zu sagen. „Irgendwie...", unterbreche ich die Stille. „Irgendwie ist es anders. Ich habe bereits zwei Mal gedacht, Harumi wäre tot, aber dieses Mal weiss ich es wirklich." Wyldfyre nickt langsam. „Auch wenn es aufgrund dessen eigentlich noch viel schlimmer ist...", fahre ich fort, „...gibt es auch Gründe, warum ich es dieses mal ertragen kann. Ich weiss gar nicht, ob ich es verkraften würde, wenn es euch nicht gäbe. Ich meine, früher habe ich es auch kaum geschafft, aber jetzt? Ja, Harumi ist tot und das ist scheisse, aber ich bin nicht die einzige, die um sie trauert. Ihr könnt mich aufmuntern und ich weiss, dass ihr dasselbe fühlt." Erkläre ich. Wyldfyre seufzt schwer. „Schon, aber nicht ganz. Du bist immer noch ihre Schwester und kennst sie am besten. Du... du hast ihr im Fernsehen zugesehen, als du sie nicht wirklich treffen konntest und trotz dem, dass ihr euch beide verändert habt, konntest du wahrscheinlich denken, wieso sie etwas tat und wusstest, wie sie tickte. Ich kenne sie erst seit einem Monat. Klar, ich trauere trotzdem um sie, aber ich kenne sie nicht halb so gut wie du. Ich glaube, keiner von den anderen empfindet einen so starken Schmerz wie du. Selbst wenn Lloyd am nächsten dran ist, weil er sie liebt, kennt er sie nicht so gut wie du. Auch wenn er ebenfalls scheisse drauf ist, ist es bei dir schlimmer, glaube ich." Sagt Wyldfyre. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. „Und ich kenne dich. Ich weiss, dass du dir die Schuld gibst, aber du kannst nichts dafür, Okay?" Auch wenn sie recht hat, fällt es mir schwer, das einzusehen. Ich atme seufzend aus. „Ja, schon, a-aber..." „Jade, genau das meine ich."Sagt Wyldfyre mit besorgtem Gesichtsausdruck. „Sorry", murmle ich. „Du musst dich nicht entschuldigen." Meint Wyldfyre sanft. „Schiebe dir einfach nicht die Schuld zu, bitte."
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Auf einem kleinen Tisch war ein kleiner Baum. Harumi hatte ihn in ihrem Zimmer gehabt und sich immer drum gekümmert. Jetzt ist er neben ihrem Grab. Ich blickte seufzend auf den Stein, auf dem Harumis Name und die Zeit von Geburt bis Tod eingraviert war. Das Grab war von Blumen verziert: Vergissmeinnicht, Lilien, Tulpen, Rosen und viele andere. Von manchen der hübschen Pflanzen kannte ich nicht einmal die Namen.
Ein paar Stunden, nachdem ich wieder zurück im Kloster war und mich hinlegte, um mich auszuruhen, wobei ich einschlief, gingen die anderen Shayan suchen. Aufgrund meiner Beschreibung (die ich ihnen davor erklärt habe) fanden sie das Hau sehr schnell. Von Shayan und Anjing war keine Spur mehr übrig. Nur Harumis Leiche fanden sie. Sie riefen die Polizei, damit sie nach Spuren suchen konnten und damit verkündet werden konnte, dass ein Mörder auf freiem Fuß ist.
Neben dem kleinen Baum war ein Tisch aufgestellt. Ich ging hin und nahm einen der Zettel, die darauf lagen. Die bunten Zettel hatten alle ein kleines Loch, durch das eine Schnur verlief. Nun griff ich nach dem Stift, der am nächsten war.
„Kennst du dieses Zitat, bei dem gesagt wird, dass die Erde wie eine Blumenwiese ist und die besten Menschen als erstes sterben, weil man dich auch die schönste Blume als erstes pflückt? Manchmal habe ich das Gefühl, es ist gar nicht so falsch... Du warst schon immer die tollste Person in meinem Leben und der Gedanke, dass du jetzt endgültig weg bist, zerreißt mich innerlich. Zuerst wollte ich zu dir kommen, aber ich habe begriffen, dass du das nicht wollen würdest. Ich bin dankbar für die Zeit, die wir zusammen hatten, auch wenn es für Geschwister sehr wenig ist. Ich habe dich geliebt, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Quatsch, ich habe dich schon geliebt, als ich die Nachricht bekam, ein kleines Geschwisterchen zu kriegen. Keine andere Person auf dieser Welt war auf dieselbe Art und Weise wunderbar wie du. Und das wird auch nie jemand sein. Ich werde deine Witze und dein fast andauerndes Lachen nie vergessen, Schwesterherz. Übrigens hast du dein Armband zurück. Ich sagte doch, ich lehne es nur aus. In Liebe, Jade."
Ich knotete die beiden Enden der Schnur zusammen und hängte meinen Zettel auf einen der Äste, vom kleinen Baum. Daneben hängte ich ein silbernes Armband mit einem grünen Edelstein hin. Sie hatte es eine Zeit lang immer getragen, woraufhin ich es ihr aus Spaß nahm und sagte, sie würde es schon zurückbekommen. Nur passierte das eben zwei Tage vor dem Angriff des grossen Vielfraßes. Und als ich meine Sachen rüber ins Kloster nahm, fand ich es wieder, vergass aber, es ihr zu geben. Ich erblicke kurz einen anderen Zettel, der von Lloyd zu sein schien. Dann legte ich ein Bild auf den Tisch. Nun ja, es war eine eingerahmte Collage. Ein Bild zeigte mich, wie ich Harumi das erste Mal sah. Ein anderes war ein Familienfoto, welches an ihrem Geburtstag geschossen wurde. Das dritte zeigt uns beide, wie wir am Strand badeten. Unsere Gesichter sind voller Eiscreme, die wir zuvor gegessen hatten. Und das letzte ist ein Selfie,das Harumi und ich vor etwa drei Wochen gemacht haben. Ich wandte mich seufzend ab und ging wieder zu den anderen hinüber.
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Weder Wyldfyre, noch ich sagen ein Wort. Wir sehen uns einfach nur an. Ich kann es nicht genau deuten. Einerseits ist es ein wenig wie ein peinliches Schweigen, aber andererseits scheint auch keine von uns den Drang zu haben, etwas von sich zu geben. Als würden wir uns mit puren Blicken verständigen können. Wobei ich den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht wirklich deuten kann. Sie lächelt leicht, aber sonst... Ab und zu schauen wir einen Moment lang weg, damit es nicht ein komisches Starren wird, aber sonst sehen wir uns die ganze Zeit an. „Geht es dir gut?" Unterbricht Wyldfyre die Stille. Ich nicke. „Ja, es ist alles in Ordnung. Na ja, nicht alles, aber trotzdem." Meine ich und zwinge mich zu einem Lächeln. Mein Gegenüber schaut mich prüfend an. „Sicher?" Ich nicke erneut. „Es ist wirklich okay. Natürlich ist es... Natürlich ist es schlimm und ich hasse Shayan dafür, aber... Ich komme besser damit zurecht als früher. Ich meine, ich habe euch, die Ninja." Erkläre ich mit einem dankbaren Lächeln. Nun ja, ich würde Shayan gerne hassen. Aber hassen ist so... Ich verwende dieses Wort nie. Ich meine, hassen ist schon beinahe der Drang jemanden umzubringen. Es ist das Gegenteil von lieben. Wenn man jemanden liebt, dann will man zum Beispiel so ziemlich alles mit der Person machen, bei ihr sein und hoffen, dass man lange lebt. Und wenn Hass das Gegenteil davon ist... Man will die Person nicht sehen, man kann sie nicht ertragen. Man will, dass sie nicht existiert. Man konnte Personen nicht über alles lieben. Jede Person hat seine Macken. Was man jedoch kann, ist eine Person über alles zu hassen. Aber dann hat die Person wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben und man selbst landet im Knast. Der Ausdruck Hass ist einfach zu enorm. Selbst wenn Shayan all diese Dinge getan hat, wünsche ich ihm nicht den Tod. „Das ist gut. Schätze ich." Wahrscheinlich weiss Wyldfyre nicht wirklich, wie sie reagieren soll. Aber das ist mir egal, ich wüsste es an ihrer Stelle wohl auch nicht. Und sie würde nie etwas sagen, das böse gemeint ist. „Ja", stimme ich ihr zu und nicke.
Eine etwas lange Haarsträhne aus meinem Pony fällt in mein Gesicht. Genauer gesagt direkt in mein linkes Auge. Ich streiche die Strähne weg und blinzle ein bisschen, damit das unangenehme Stechen verschwindet. „Alles okay?" Ich nicke, „Ja... Ja, alles okay, mir sind die Haare ins Auge gekommen." Meine ich und versuche, das unangenehme Brennen in meinem Auge zu ignorieren. Wyldfyre haftet ihren Blick irgendwo an meinem Auge fest. „Du hast da ein Haar...", murmelt sie. Als ihre Finger knapp vor meinem Auge sind, schließe ich diese reflexartig. Mein Gegenüber scheint das nicht zu stören. „Ich... habs", sagt sie gedehnt, nachdem ein paar Sekunden verstreichen. Ich öffne mein Auge. Zwischen Wyldfyres Fingern ist ein einziges Haar. Es ist nicht besonders lange, was bereits andeutet, dass es von meinen Stirnfransen stammt. Sie lässt das Haar auf den Boden fallen. „Danke", meine ich und wische mir noch einmal über das Auge. Eine kleine Träne hatte sich durch das stechende Gefühl gebildet. „Nichts zu danken." Winkt Wyldfyre ab und streicht eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Sonst muss ich das noch tausendmal tun", meint sie grinsend. Ich lache auf. Beziehungsweise stoße ich einfach Luft aus, was jedoch als Lachen zählt. Mein Blick wandert Wyldfyres Hand - die immer noch neben meinem Gesicht ist - entlang, bis ich ihr direkt in die Augen schaue. Ihre grünen Augen bilden einen hübschen Kontrast zu den feuerroten Haaren. Mein Blick gleitet etwas hinunter. Und bleibt an Wyldfyres Lippen hängen. Als ich realisiere, wieso, schaue ich wieder zu ihren Augen hoch. Was geht nur in mir vor? Wenn ich auch nur ein bisschen mehr Mut hätte, hätte ich sie geküsst. Ich muss echt aufpassen, nichts dummes zu machen. Was ist, wenn sie es bemerkt hat? Ich spüre, wie Wyldfyres Hand mein Gesicht entlang streicht und etwas unterseits meines Kinns stehen bleibt. Ich weiss nicht genau, was ich denken soll. Ich weiss nicht genau, was mir durch den Kopf geht. Aber ich beuge mich etwas zu ihr vor. Dann überzeugt Wyldfyre den restlichen Abstand zwischen und uns legt sie ihre Lippen auf meine. Ich bin so überrascht, dass ich es gar nicht wirklich realisiere. Doch dann begreife ich, dass ich nicht nur Träume, erwidere ihren Kuss und drücke meine Lippen sanft gegen Wyldfyres. Ihre Lippen sind warm, ziemlich warm sogar. Und mich durchfährt ein leichtes Kribbeln. Beziehungsweise durchfahren mich zwei. Eines, das von der Aufregung stammt und eines, das von Wyldfyre zu stammen scheint. Ihre Lippen sind im wahrsten Sinne des Wortes wie Feuer. Meine Arme wandern hoch und ich lege meine Hände auf Wyldfyres Schlüsselbein, während sie ihre Hand von meinem Kinn wieder etwas weiter hoch zu meinem Gesicht wandern lässt. Ein paar Sekunden später ließ ich von Wyldfyre ab. In einem Liebesroman würde Wyldfyre sicher nach zwei Sekunden abrupt zurückweichen, sich bestimmt tausende Male entschuldigen und mich nicht ausreden lassen, bis ich ihr endlich sagen würde, dass ich es schön fand und wir würden uns bestimmt erneut Küssen oder so. „D-Das..." Wyldfyre scheint es leid zu tun, auch wenn ich den Kuss erwidert habe. „I-Ich fand es schön", meine ich mit einem schüchternen Lächeln. Wyldfyres Augen blitzen auf. Sie sieht mich freudig an und fragt: „Wirklich?" Ich nicke, wobei ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Auch über Wyldfyres Wangen zieht sich ein Hauch von rosarotem Schimmer. „Sonst hätte ich es doch nicht erwidert, oder?" Frage ich, ebenfalls mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
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1842 Wörter
Ey, sagt Bescheid, wenn etwas keinen Sinn ergibt, ich habe gerade so diese Stern-Dinger in die Mitte tun wollen und hab danach quasi auf „einsetzen" geklickt, wodurch quasi im Kapitel das Kapitel nochmals drin war, aber ich hoffe, ich habs gut gelöscht xD
Wie fandet ihr das kapi? ^^
Holy shit, es ist schon 00:09
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