Kapitel 36:
Ich konnte die Nacht seltsamerweise einschlafen und für etwa vier Stunden ununterbrochen durchschlafen, ohne auch nur einen Albtraum zu haben. Ich hatte mir bereits ausgedacht, wie es ausfallen würde: ich würde mich stundenlang im Bett herumwälzen und mir sogar einen Schlaftrank brauen und ihn austrinken, bis ich einschlafen könnte. Und wenn ich schlafe, dann hätte ich die schlimmsten Albträume; Erinnerungen an die Abschiedszeremonie von Aragog, die Erinnerung von Professor Slughorn mit Tom Riddle, das Gespräch mit Draco im Krankenflügel, die literweise Tränen die ich vergossen habe, der Anblick von Dumbledores Ermordung auf dem Astronomieturm, Bellatrix monströses Lachen, der Kampf zwischen Harry und mir gegen Snape und der Anblick von Dumbledores Leiche im Innenhof; all das zusammen hat es mir den schrecklichsten Tag in meinem ganzen Leben beschert und ich wünschte mir, ich könnte ihn irgendwie auslöschen.
Der Augenblick, in dem Dumbledore ein letztes Mal zu Harry und mir heruntersah, ist in meinem Kopf wie auf Stein eingemeißelt. Ich bekam den Blick nicht mehr aus meinem Kopf; so als wüsste er, dass es ein Abschied war.
Und als ich aufwachte, war dies der erste Gedanke in meinem Kopf. Cho und Luna schliefen noch, trotz, dass Cho sich in den Schlaf geweint hatte. Ich wollte mich waschen, doch konnte mich nicht dazu zwingen; so, als wäre mir alles egal. Doch ich zog neue Klamotten an und stampfte ohne wirklichen Kräfte in Dumbledores Büro.
Es war noch genau so, wie er es hinterlassen hatte. Alles lag auf seinem Platz. Der Kelch auf seinem Büro war noch halb mit Wein gefüllt, die Bananenstücke waren noch vorhanden und die aufgeschlagenen Bücher lagen herum, um weiter gelesen zu werden. Die ungeöffneten Briefe an ihm lagen in dem Korb und einige Schubladen und Regale waren noch von seiner Hand ein letztes Mal geöffnet worden, bis jemand anderes sie für ihn schließen musste. Seine Brille lag auf einem Buch und der Elderstab, sein Zauberstab, hatte man noch in der Nacht hierher bringen lassen. Ich hatte ihn noch nie in meinen Händen gehalten, den mächtigsten Zauberstab der Welt. Doch in den falschen Händen wäre er der gefährlichste Zauberstab.
„Brian.", murmelte Professor McGonagall mit zittriger Stimme, die beim Eingang des Büros stand.
Ich wollte nach dem Elderstab fassen, doch ließ meine Hand schnell fallen.„Professor."
In Professor McGonagalls Gesicht spiegelte sie Trauer und Verzweiflung. Sie hatte geweint, ihre Augen standen weiter heraus und waren gerötet. Doch immer noch stand sie selbstbewusst und autoritär da und schaute erwartungsvoll zu mir.
„Angesichts der Vorkommnisse, wenn es Ihnen da helfen würde, sich auszusprechen..."
„Es gibt nichts mehr zu sagen."
„Eines sollten Sie aber über Albus wissen... Sie haben ihm sehr, sehr viel bedeutet."
„Er mir auch."
„Das wusste er.", sagte sie und lächelte kurz. „Ich bitte um Verzeihung, falls ich zu aufdringlich bin, denn dies, was ich Ihnen nun berichten werde, ist zwar von ziemlicher Wichtigkeit, aber trotzdem auf den falschen Zeitpunkt gedacht."
„Dann lassen Sie es." Ich bemerkte, dass mir gar nicht nach reden zu Mute war. Und bevor ich noch kälter und schroffer mit ihr redete, wollte ich gehen, doch Professor McGonagall hielt mich am Arm fest.
„Noch Wochen bevor Albus verstarb, hat er mir etwas anvertraut, das ich an Ihnen weiterreichen soll."
Ich drehte mich langsam um und schaute Professor McGonagall verwirrt an. Dann fiel mein Blick auf das Porträt von Dumbledore, das sich nicht bewegte und er schlafend auf einem Stuhl saß.
„Albus hatte sie zum Nachfolger als Schulleiter von Hogwarts ausgewählt."
„W-was?"
„Ich verstehe, das ist zu viel für Sie."
„Allerdings."
„Aber lassen Sie mich andeuten, dass dies seine Zeit braucht."
Ich nickte einstimmend und schaute dann fragend zu Boden. „Professor, ich... ich weiß nicht, ob ich das je werde. Ich habe erst mein sechstes Jahr in Hogwarts hinter mir und..."
Ich schüttelte den Kopf und meine Augen füllten sich mit Tränen. Professor McGonagall umarmte mich, wobei ich die Umarmung erwiderte. Nach mehreren Sekunden ließ sie mich wieder los und streichelte sanft meinen Rücken, bis ich sie alleine im Büro des Schulleiters zurückließ.
Ich ging zum Astronomieturm, wo ich Cho, Luna, Ron, Hermine und Harry auffand. Es schien als wären sie doch schneller aufgestanden, als ich dachte. Cho, Luna und Ron saßen auf der Bank und redeten miteinander, während Harry mit Hermine wortlos am Gelände standen und die Landschaft beobachten.
Harry hatte den anderen bereits alles erzählt, was wir gestern erlebt hatten, deswegen musste ich das nicht mehr tun. Mir fiel das umso leichter sie zu sehen. Doch dann fiel mir seltsamerweise Draco in den Sinn, der sich als Todesser offenbart hatte und ich mich mit ihm heimlich getroffen hatte. Ich hätte ihn irgendwie stoppen müssen, aber er war gefährlich, obwohl er selbst zu viel Angst hatte. Ich hätte mich von Anfang an von ihm fern halten sollen. So ein dummes Kind.
„Glaubst du, dass er es getan hätte? Draco?", fragte ich wie aus dem Nichts.
„Nein.", antwortete Harry. „Er hat seinen Zauberstab sinken lassen. Letztendlich war es Snape. Die ganze Zeit über war es Snape."
In Harrys Stimme war der Ton von Rache und Wut zu hören und Hermine und ich konnten ihm ansehen, dass er Snape so gerne gezeigt hätte, wie es bedeutet den Tod zu spüren.
„Ich hätte handeln sollen.", murmelte ich und sank meinen Blick bis nach unten zum Boden.
„Wir hätten handeln sollen.", korrigierte Harry mich.
Er spielte mit der Kette in seiner Hand, die er mit Dumbledore aus dem Versteck geholt hatte – ein weiterer Horkrux. Er legte ihn mir in meine Hand und schaute mich dabei kurz an.
„Ist 'ne Fälschung. Los, mach's auf."
Hermine, die die ganze Zeit über nichts sagte, stellte sich neben mich, um genauer zu wissen, was in der Kette selbst enthalten war. Ich öffnete sie und fand einen kleinen gefalteten Brief darin, den ich auffaltete und laut vorlas.
„An den Dunklen Lord, ich bin schon lange tot, wenn du dies liest, aber du sollst wissen, dass ich es war, der dein Geheimnis entdeckt hat. Ich habe den echten Horkrux gestohlen und will ihn zerstören, sobald ich kann. Ich sehe dem Tod entgegen, in der Hoffnung, dass du, wenn du deinen Meister findest, erneut sterblich sein wirst." Unten stand die Unterschrift: „R.A.B."
„R.A.B?", fragte Hermine stirnrunzelnd.
„Keine Ahnung.", murmelte Harry ahnungslos. „Aber wer es auch ist, bei ihm ist der echte Horkrux. Es war also alles umsonst. Alles."
Ich faltete den kleinen Zettel wieder zusammen und steckte ihn in die Kette, während Hermine kurz einen Blick zu Ron warf und dann Harry etwas näher kam.
„Ron sagte, er kommt damit klar. Mit dir und Ginny. Aber wenn er dabei ist würde ich mich zurückhalten, was Knutschen betrifft."
Harry schmunzelte kurz und schaute dann wieder hinaus in die schöne Landschaft von Schottland.
„Ich komme nicht zurück. Ich muss zu Ende führen, was Dumbledore angefangen hat.", meinte er dann unzufrieden. „Und... ich weiß noch nicht, wo ich landen werde, aber ihr werdet immer erfahren, wo ich stecke. Wenn es geht."
„Ich fand deinen Mut immer bewundernswert.", meinte Hermine sofort. „Aber manchmal kannst du wirklich bescheuert sein. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du es schaffst alle Horkruxe im Alleingang zu finden, oder? Du brauchst uns, Harry."
Hermine streichelte kurz Harrys Hand und ließ sie los. Harry lächelte, denn er wusste, dass er nicht alleine war. Ich wusste nicht, ob ich ihm behilflich sein werde, doch ich sah in ihm, dass er einen Plan schmiedete. Und wir alle spielten eine Rolle darin.
Ron, Cho und Luna gesellten sich zu uns und gemeinsam schauten wir drei dem Sonnenuntergang entgegen. Es vergingen Minuten, bis die Sonne hinter den Bergen am Horizont verschwunden war und die rot-orangen Sonnenstrahlen langsam aber sich verschwanden.
„Mir ist nie aufgefallen, wie schön es eigentlich in Hogwarts ist.", sagte Harry schließlich.
Wir sechs sagten nichts mehr. Alles was wir taten, war den Augenblick der Ruhe genießen, denn wir wussten, dass in der Zukunft sich etwas Schlimmes zusammentrommelt. Doch niemand konnte uns in diesem Augenblick den Anblick auf die schöne Landschaft entnehmen, die sich kein Muggel je vorstellen konnte.
The End
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