Kapitel 2:

Wir traten in das kaputte Haus ein. Bilder hingen schief, Stühle und Tische komplett durcheinander, die Wände waren mit Kratzspuren versehrt, als wäre ein Werwolf hier gewesen und es brannte kein Licht.

Es sah wohl ganz so aus, als wäre jemand eingebrochen.

Dumbledore und ich leuchteten auf Kommando mit unseren Zauberstäben unseren Weg frei.

„Horace?"

Keine Antwort.

Ich fragte mich sofort, wer Horace war, aber ich blieb still und folgte Dumbledore durch das Wohnzimmer, das noch schlimmer, als der Flur aussah. Der Plattenspieler war kaputt und zerbrochene Platten lagen verteilt, die Decke hatte ein riesiges Loch und die Sofas waren alle zerkratzt.

Alle. Bis auf eins.

„Horace?", flüsterte Dumbledore.

Ich erblickte einen Schrank, der auf der Seite lag und vor diesem sah ich eine etwas ältere Ausgabe des Tagespropheten, wo man auf dem Titelblatt über Harry Potter schrieb und ob er der Auserwählte sei. Und mit Auserwählte meinte man, dass er womöglich der Eine war, der den Dunklen Lord töten könnte.

Doch dann wurde ich von etwas irritiert; ein Tropfen Blut landete von der Decke auf den Tagespropheten. Sofort blickte ich nach oben, wobei mich ein weiterer Tropfen auf der Wange traf.

Als ich den Tropfen von meiner Wange wegwischen wollte, zog Dumbledore meine Hand nach unten und wischte sie selbst mit seinem Zeigefinger weg. Doch er schmeckte mit der Spitze seiner Zunge das Blut und dann hörten wir in der Ecke des Wohnzimmers ein seltsames Geräusch.

Der unversehrte Sessel stand dort, doch unter diesem lagen braune Schuhe schön nebeneinander gestellt, sodass ich mir gleich erdenken konnte, was kommen mag.

Dumbledore ging langsam auf den Sessel zu und stupste ihn mit der Spitze seines Zauberstabs an, als ein Kopf plötzlich aus dem Sessel guckte.

„Bei Merlins Bart!"

Der Mann erhob sich und der Sessel wurde zu seinem Körper; groß, dick und voll gepolstert.

„Ist nicht nötig, mich auseinander zunehmen, Albus!"

„Also, ich muss dir sagen, du bist als Sessel schon sehr überzeugend, Horace.", gestand Dumbledore.

„Ja, das liegt an der Polsterung." Er zauberte die Polsterung sofort wieder weg. „Die Füllung habe ich von Natur aus. Was hat mich verraten?"

„Das Drachenblut.", meinte Dumbledore und deutete auf die Decke, wo noch mehr Blut zu sehen war. Dabei leuchtete er auf mich und Horace entdeckte mich schließlich auch.

„Oh?"

„Oh ja! Jade, das hier ist ein alter Freund und Kollege von mir. Horace Slughorn." Dumbledore schaute zu ihm. „Horace? Das ist meine Enkelin, Jade Brian."

„Jade Brian.", lächelte er und ging zur Tür, die er abschloss. Dabei ließ er nicht den Blick von mir.

„Also, was soll das Theater, Horace?", fragte Dumbledore nun ernst. „Du hast doch wohl nicht zufällig jemand anderes erwartet?"

„Jemand anderes? Ich weiß nicht wovon du sprichst." Er schüttelte den Kopf. „Ach, was soll's? Die Todesser wollen mich seit über einem Jahr rekrutieren. Weißt du, wie so was ist? Zu diesen Leuten kann man nicht zu oft Nein sagen. Also bleibe ich nirgends länger als eine Woche! Die Muggel, die hier wohnen, sind auf den Kanarischen Inseln."

„Ich finde, wir sollten die Wohnung für sie wieder in Ordnung bringen, oder?"

„Ja."

„Gut, Vorsicht.", sagte Dumbledore und meinte damit mich, weil ich mitten im Raum stand.

Er machte eine schlichte Bewegung mit seinem Zauberstab und sofort führten alle Teile des Hauses ihren Platz zurück. Der Kronleuchter steigt wieder zur fertigen Decke empor und die Regale stellen sich wieder mit ihren Büchern und anderem Zeugs wieder gerade gegen die Wand hin. Der Spiegel über dem Kamin ist wieder ganz und alle Bilder hängen gerade. Die Lichter gaben wieder ihr Licht und auch das Piano, das ich überhaupt nicht entdeckt hatte, stand wieder wie neu da.

„Das hat Spaß gemacht.", lächelte Horace.

„Darf ich mal die Toilette benutzen?"

„Natürlich. Nur zu." Kurz bevor Dumbledore das Wohnzimmer verließ, rief Horace ihm hinterher. „Denk ja nicht, ich wüsste nicht, was du hier willst, Albus! Die Antwort ist: nein! Nach wie vor! Ein klares Nein! Unwiderruflich und eindeutig!"

Horace hatte bereits graues Haar, war vielleicht bereits über sechzig Jahre alt, aber wie Dumbledore schon sagte, kannten die beiden sich wohl etwas länger. Horace trug noch die Lacke des Sessels, das nun wie ein Bademantel aussah. Er schaute zu mir und lächelte, weil er nicht wusste, was er mir zu sagen hätte.

„Sie ähneln sehr ihrer Mutter. Die wunderbare Ade. Sie ist unglaublich klug gewesen, war sogar Jahrgangsbeste vier Jahre hintereinander. Ihr Vater Jake hingegen hatte eine gewisse Vorliebe Regeln zu brechen, aber ich mochte ihn sehr. Er hatte eine Begabung für Zaubertränke."

So viel auf ein Mal hatte ich noch nie von einem fremden Menschen über meine Familie gehört. Es machte mich immer und immer wieder trauriger zu wissen, dass fremde Menschen mehr von meinen Eltern wissen, als ich – die Tochter.

Er lächelte breiter, als er mich musterte. „Ihre Mutter hat zu meinen absoluten Lieblingen gehört."

Er deutete auf die Bilder im Regal, die er wohl mitgenommen hat, als er sich hier zur Ruhe gelegen hatte. „Sehen Sie nur, da ist sie. Ganz vorn. Alles meine. Jeder Einzelne. Ehemalige Schüler, meine ich." Er deutete auf ein weiteres Bild. „Bestimmt erkennen Sie Barnabas Cuffe. Chefredakteur beim Tagespropheten. Er empfängt stets meine Eule, wenn ich zum Tagesgeschehen meine Einschätzungen äußern will."

Dann deutete er auf ein größeres Bild, wo ein Mädchen im Sturm auf einem Besen in einem Quidditchfeld fliegt. „Gwenog Jones, Kapitänin der Holyhead Harpies. Freikarten, wann immer ich welche möchte. Allerdings war ich ewig nicht bei irgendwelchen Spielen." I

ch nahm ein Bild in die Hand, wo man das Quidditch-Team von Slytherin erblickte. „Ah ja, Regulus Black. Sein älterer Bruder Sirius ist vor einiger Zeit verstorben, wie Sie sicherlich wissen. Ich habe die ganze Familie Black unterrichtet, bis auf Sirius, das ist ein Jammer. Talentierter Bursche. Gut, Regulus kam dann in meinen Unterricht, aber einer fehlt leider."

Ich legte das Bild wieder hin und erblickte das Foto von meiner Mutter mit anderen Schülern und Slughorn selbst. Dann erblickte ich eine rothaarige Frau neben meiner Mutter, die ich schon mal auf einem anderen Bild gesehen hatte.

„Lily Potter?", fragte ich erstaunt.

„Sie war sehr klug. Aber umso beeindruckender, wenn man sich vor Augen führt, dass sie Muggelblut hatte."

„Einer meiner besten Freunde ist muggelstämmig. Sie ist neben mir Jahrgangsbeste."

„Oh, glauben Sie bitte nicht, ich hätte Vorurteile. Nein!"

In dem Moment kam Dumbledore mit einer Zeitschrift zurück. „Horace! Darf ich die behalten?"

Ich ließ von Horace ab und ging zu Dumbledore.

„Stricken leicht gemacht?", fragte Horace verwunderlich.

„Ja, ich liebe Strickmuster."

„Klar. Aber du willst doch nicht schon gehen?", fragte Horace besorgt.

„Ich weiß genau, wann ich verloren habe. Sehr betrüblich. Es wäre mir ein so großer, persönlicher Triumph gewesen, dich wieder nach Hogwarts zu holen. Sei's drum. Du bist wie meine Enkelin Jade. Etwas ganz Besonderes. Hm, na ja. Leb wohl, Horace. Macht's gut."

Dumbledore ging zur Tür und stolziert fröhlich heraus. Ich wank Horace kurz zum Abschied zu und folgte Dumbledore wortlos.

Nachdem ich die Tür hinter mir schloss und wir das Grundstück des Gebäudes verließen, hörten wir im Haus einen kleinen Radau und Horace öffnete die Tür.

„Na schön! Ich mach's! Aber ich will Professor Merrythoughts altes Büro! Nicht die Klokabine, in der ich vorher war! Und mehr Gehalt! Es sind verrückte Zeiten, in denen wir leben! Verrückt!"

Slughorn stampfte wütend ins Haus zurück und Dumbledore beugte sich zu mir herüber.

„Da hat er Recht."

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