Kapitel 11:
Nach dem ersten Schultag zog ich mich etwas zurück. Ich war gerne bei meinen Freunden, aber zu viel Stunden unter Menschen und ich bekam das Bedürfnis, unterzutauchen für eine Weile und erst wiederzukommen, wenn ich mich wieder unter die Menschen traute. Trotz, dass es draußen kälter wurde, ließ ich meinen Schaal im Zimmer und zog bloß den Umhang über.
Im Innenhof, wo ich mich an den Brunnen setzte, der während der „Kältezeit" nicht funktionierte, laß ich ein Muggelbuch, in dem es ironischer Weise über Zauberei ging. Muggel glauben, dass sie nicht existiert, und doch fantasieren sie darüber, als wäre es echt. Daher bewundere ich sie. Sie haben doch noch einen Hauch von Fantasie. Für uns ist es das Normalste auf der Welt.
Ich war für etwa zwanzig Minuten alleine, bis ich von der anderen Seite plötzlich Schritte hörte. Es war Draco, der sich auf der anderen Seite gegenüber an die Wand lehnte und nach draußen blickte. Ich schloss mein Buch und ging ohne zu Überlegen auf ihn zu. Als ich einige Meter von ihm stand und mit ihm die Aussicht auf den See genoss, schaute er seitlich kurz zu mir. Von meinem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass er mich kurz musterte, und dann wieder gelangweilt geradeaus starrte. Ihm schien etwas durch den Kopf zu gehen, und es sah wohl so aus, als wolle er alleine sein.
Daher beschloss ich wieder zu gehen. Ich kam mir augenblicklich dumm vor, überhaupt zu ihm gegangen zu sein. Er dachte sich wohl auch, was ich da überhaupt tat.
„Jade.", sagt er, als ich bereits einige Schritte hinter mir hatte.
Ich blieb stehen und sagte nichts, doch er sagte auch nichts und so standen wir da. Ich wollte fast gehen, aber das wäre noch dümmer, nachdem ich ja zu ihm gegangen war.
Schließlich drehte mich zu ihm um. „Ja?"
„Was tust du hier?"
Eine gute Frage. Noch peinlicher konnte die Situation nicht werden. Ich versuchte mich irgendwie von diesem seltsamen Moment zu befreien und mir schossen allmögliche Antworten durch den Kopf.
„Ich wollte dich fragen, was im Zug passiert ist."
Er nahm tief Luft, als müsse er etwas in sich einhalten. In seinem Gesicht war Angst zu sehen und er zitterte. Vielleicht könnte es aber auch die Kälte gewesen sein, denn er trug neben der Schule immer einen schwarzen Anzug, mit einem schwarzen Hemd und schwarzer Krawatte. Es stand ihm – ehrlich gesagt – ziemlich gut, wenn man sein weißblondes Haar länger betrachtete. Die Sonne war hinter den grauen Wolken verschwunden und alles sah so dunkel und betrübt aus.
„Er hat meinem Vater weh getan."
Ich drehte mich komplett zu ihm um. „Und deswegen brichst du ihm die Nase?"
Draco wurde wütend und drückte sich von der Wand ab. „Was weißt du schon?!"
Würde ich noch etwas sagen, dass gegen ihm sprach, würde er auf mich losgehen, also versuchte ich die Situation irgendwie noch in den Griff zu bekommen, doch ich wusste, dass ich die Kontrolle schon längst verloren hatte.
„Ich habe dir versprochen, niemanden etwas zu erzählen.", sagte ich ruhig.
Von einer Sekunde zur anderen entspannte sich sein Gesicht. Ob er wohl wusste, dass ich dabei war, als Harry im Ministerium gegen die Todesser – Lucius Malfoy einbezogen – kämpfte und später dann auch gegen Voldemort höchstpersönlich? Offensichtlich nicht. Sonst würde er mich entweder darüber ausfragen, oder mich um jeden Preis ignorieren. Jedenfalls stand es nicht in den Zeitungen und er schien nach wie vor wenig Ahnung zu haben, was da draußen vor sich ging. Oder er schien es perfekt vor mir zu verstecken. Egal, wie es war; wenn ich es ihm erzählen würde, wäre er nicht mehr so nett zu mir, wie in diesem Moment.
Er schaute an mir vorbei wieder zurück zur Aussicht und seufzte laut. „Tut mir leid."
„Schon ok."
Wieder drehte er sich zu mir um. „Wieso bist du nach all den Jahren so nett zu mir?"
Ich musste ein Lachen auslassen und hob verwundert die Augenbrauen in die Höhe. „Ich war niemals gemein zu dir. Ich habe dich nur ignoriert." Ich deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. „Du warst eigentlich derjenige von uns, der nicht ganz nett war."
Schämend sah er zu Boden und ich bereute es nicht ihm das gesagt zu haben. Er war kein gutes Kind und er war die Definition eines Narzissten (vielleicht immer noch), aber man wird erwachsen und man erkennt die wahren dunklen Seiten der Welt. Man merkt und versteht allmählich, dass man es als Kind besser hatte. Leider merkt man es nur zu spät.
„Du hast Recht... wie immer eigentlich."
Ich musste wieder kurz lachen und schüttelte dabei leicht den Kopf, was er bemerkte. Und er lachte mit mir.
Seltsam.
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