#64 - Bomben & Zeitbomben
Ich konnte ihr nicht das Wasser reichen, ich war absolut doof und ich war Hals über Kopf verliebt in die Liebe meines Lebens.
Jap. Da habt ihr es.
Außer Luke würde es nie wieder jemanden für mich geben.
Deswegen würde ich in ein paar Wochen, wenn er mit mir Schluss gemacht hatte, meine erste Katze kaufen und dann die nächste und die nächste und die nächste, bis ich eine old cat lady war und in meiner Einsamkeit ertrank. Die erste Katze würde ich Nala nennen und die nächste ...
„Jana?"
„... Miezi."
Verwirrt zogen sich Sams rabenschwarze Augenbrauen zusammen.
„Wer ist Miezi?", fragte sie und sah nicht so aus, als würde sie die Antwort auf diese Frage wirklich wissen wollen. Sie kannte ihre verrückte Cousine.
„Der Name meiner ersten Katze", erklärte ich, „ach, halt, meiner zweiten."
„Du magst überhaupt keine Katzen", stellte Sam kurz angebunden klar.
„Das kann sich ja ändern. Wenn ich erst einmal eine adoptiert habe, dann–"
„Weshalb willst du eine Katze? Beziehungsweise zwei?", unterbrach Sam mich seufzend.
„Weil ich zu einer alten cat lady werde, sobald Luke sich von mir getrennt hat."
Sam war vor mir stehen geblieben und starrte mich aus ihren blitzenden Augen an, ohne sich auch nur zu regen. Ihre Locken zwirbelten sich um ihren Kopf und wenn sie gekonnt hätten, hätten sie mich wahrscheinlich erwürgt. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Ich fand mich auch supernervig, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich konnte aus meiner eigenen Haut nicht heraus. Ich war einfach, wie ich war...
„Ich sage jetzt besser nichts dazu", kommentierte Sam mit gefährlich ruhiger Stimme und hochgezogenen Augenbrauen. „Du gehst jetzt mal rüber und ziehst dich um."
„Warum?"
„Weil wir jetzt mit Niall und Ilona essen gehen."
~
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Der nächste Tag begann ... müde.
Sehr müde.
Ich hatte nicht sonderlich viel Schlaf bekommen, aber das machte nichts. – Okay, wen genau log ich hier eigentlich an. Natürlich machte es etwas.
Ich hatte erst stundenlang darauf gewartet, dass Luke sich bei mir meldete, nachdem ich ihn angerufen und ihm geschrieben hatte. Allerdings hatte die Band die Nacht im Studio verbracht, wie er mir nachts um halb zwei geschrieben hatte.
Schlafen hatte ich natürlich trotzdem nicht können. Meine Selbstzweifel, Panikattacken und Ängste hatten mich am Hals gepackt und wach gehalten.
Irgendwann war ich aufgestanden und in diesem riesigen Wohnzimmer mit den großen Glaswänden auf und ab getigert, bis ein verschlafener Harry aufgetaucht war.
„Was machst du hier, Jana?", hatte er gemurmelt und sich die Locken aus der Stirn gestrichen.
„Kann nicht schlafen. Und du?"
„Muss was trinken."
„Wieso hast du keine Wasserflasche neben dem Bett stehen?", war mir herausgeflutscht, bevor ich überhaupt gemerkt hatte, dass ich schon wieder sprach.
Ich hatte keine Antwort bekommen, ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt gehört hatte, dass ich ihn etwas gefragt hatte.
Stillschweigend war ich ihm in die Küche gefolgt, wo er mir ein Glas Wasser gereicht hatte. Gesprochen hatten wir kein Wort, doch irgendwie hatte Harry mir mit seiner Präsenz Trost gespendet, sodass ich danach endlich hatte einschlafen können.
Vielleicht hatte er mir indirekt gezeigt, dass Superstars auch nur Menschen waren? Die nachts aufstanden, um etwas zu trinken? Die auch unter Schlafproblemen leiden konnten? Die auch Selbstzweifel hatten?
Nun saß ich hier also ziemlich zermartert im Headquarter von Netflix neben Nick, dem anderen Protagonisten des Films. Er sah auch nicht sonderlich frisch aus, wenn ich mal ehrlich war, aber das war nur von Vorteil für mich – so fiel nicht auf, wie extrem kacke ich aussah.
Sam hingegen hatte natürlich wie immer Energie ohne Ende. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, sie wurde durch einen Android ersetzt und war überhaupt kein Mensch mehr. Niemand konnte so viel Energie in sich haben wie sie, es war schon beinahe gruselig.
Sam hatte mich hierher gefahren, bevor sie selbst zu einem Videodreh gefahren war. Nun war sie mittags wieder aufgetaucht und holte Nick und mich ab, um mit uns Mittag zu essen.
„Hat deine Cousine immer so viel Energie?", murmelte Nick prompt und ich schnaubte, ohne eine verbale Antwort zu geben.
„So, ihr Süßen, worauf habt ihr denn Lust? Sushi? Italienisch? Mexikanisch?"
~
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Immer noch hatte ich nichts von Luke gehört. Er hatte mir weder auf meine Frage geantwortet, wann wir uns das nächste Mal sahen, noch überhaupt geschrieben.
Auf einmal richtete ich mich wie vom Blitz getroffen auf und schnappte nach Luft.
„Fuck", wisperte ich.
„Was ist los?"
Sam war wieder zu ihrem Videodreh zurückgekehrt, während Nick und ich in einer Strandbar waren und jeweils in einer Hängematte lagen und beide vor uns hin dösten.
Beziehungsweise bis gerade eben gedöst hatten, bevor ich ein panisches Quieken wie ein verängstigtes, gestresstes Meerschweinchen von mir gegeben hatte.
„Ich bin bekloppt, das ist los", erklärte ich ihm tonlos und starrte auf mein Handy, das auf meinem Schoß lag, als wäre es giftig.
„Warum?"
„Weil ich vergessen habe, dass mein Monatsvertrag abgelaufen ist." Als ich das Fragezeichen über Nicks Kopf quasi sehen konnte, schob ich hinterher: „Ich habe einen deutschen Handyvertrag. Da habe ich drei Monate USA draufgebucht. Die sind abgelaufen. Deswegen empfange ich keine Nachrichten, weil ich kein Netz habe."
„Oh", war alles, was Nick dazu einfiel.
Ja. Oh. Oh, war ich schon wieder bescheuert.
„Brauchst du einen Hotspot?", bot er mir an, doch da hatte ich schon festgestellt, dass diese Bar ein freies Wlan hatte.
Und da purzelten sie herein – die Nachrichten, auf die ich seit Stunden wartete.
Meine. Fresse. Jana.
‚Guten Morgen darling x hoffe, du hast gut geschlafen', war die erste Nachricht, direkt danach war gefolgt: ‚Ich vermisse dich jetzt schon'
Hallooo Schmetterlinge! Da seid ihr ja endlich wieder!
„Aha", hörte ich Nick lachend kommentieren. „Also hat er dir doch geschrieben."
Ich sah nicht einmal zu ihm auf, denn die nächste Nachricht betäubte die Schmetterlinge schon wieder.
‚Ich muss heute spontan nach Vegas, können wir uns vorher noch sehen?? Bis eins hätte ich Zeit x'
Mein Blick sprang in die linke obere Ecke meines Handys.
Fuck.
Fuckfuckfuckfuck.
Es war 13:47 Uhr.
Um halb zwölf hatte er geschrieben: ‚Jana?'
Fünf Minuten später: ‚Ohje meine Nachrichten kommen ja gar nicht an :('
‚Harry hat mir gerade gesagt, dass du in Netflix-Meetings bist'
Um kurz vor eins war gefolgt: ‚Ich melde mich, wenn ich wieder in LA bin :) Weiß noch nicht, ob das heute noch ist oder erst morgen. Aber morgen ist ja dein Table Reading... ach wir kriegen das schon hin. Love you'
Mit einem tiefen Seufzer ließ ich das Handy wieder auf meinen Schoß sinken und ließ mich wieder rückwärts in die Kissen sinken. Sanft schaukelte die Hängematte durch meine Bewegungen hin und her und ich hätte am liebsten geschrien.
Diese harmonische, wunderbare Atmosphäre um mich herum passte nicht zu meinem Inneren. Ich war so aufgewühlt. So neben der Spur.
Irgendetwas passte nicht.
„Jana, ist alles in Ordnung?", erkundigte Nick sich vorsichtig.
„Nein. Irgendetwas passt nicht", gab ich tonlos zurück, und irgendwo in meinem Inneren applaudierte mein Unterbewusstsein begeistert Beifall, da ich tatsächlich mal meine Gefühle laut ausgesprochen und sie nicht in mich hineingefressen hatte!
„Ich kann dir nicht sagen, was nicht passt."
„Bist du denn glücklich?", fragte Nick weiter. Seine Stimme war ruhig, sie war neutral und ich war ihm echt dankbar, dass er gerade vorsichtig weiterbohrte.
„Weiß ich nicht. Ja. Nein. Kein Plan." Stöhnend stieß ich die Luft aus. „Ich bin glücklich mit Luke, aber ... aber mir sitzt seine Exbeziehung einfach so sehr im Kopf, im Herz, im Nacken, auf der Seele, dass ich eigentlich alles andere als glücklich bin, sondern panisch und ängstlich und wie paralysiert und fertig mit den Nerven."
„Ach. Ja. Sierra Deaton. Krasse Frau."
„Nicht gerade hilfreich, Robinson", kommentierte ich mit einem scharfen Blick in seine Richtung. Ich hatte mich wieder aufgesetzt, sodass meine Beine über den Rand der Hängematte baumelten und ich die Zehen in den Sand grub.
„Sorry. Wollte nur damit ausdrücken, dass ich dich verstehen kann. Bei so einem Typen und so einer Exfreundin wäre, glaube ich, jede Person unsicher."
So hatte das noch nie jemand auf den Punkt gebracht.
Er hatte recht. Sie war Bombe, er war Bombe, und ich war eine mental spinnende Zeitbombe.
Was genau sollte Luke also in mir sehen?
Was er in Sierra nicht gesehen hatte?
„Hast du mit ihm schon mal drüber gesprochen, wie sehr dich das belastet?"
„Nein", sagte ich und schüttelte den Kopf. „Wieso auch. Das macht es doch nur schlimmer."
„Glaube ich nicht. Du solltest ihm einfach mal sagen, was dich beschäftigt, damit ihr das aus dem Weg räumen könnt. Nur so könnt ihr eine gesunde, richtige Beziehung führen, die dann hoffentlich lange halten wird."
„Hm."
„Hm ja oder hm nein?", bohrte Nick weiter.
„Hm kein Plan. Lass uns mal wieder zurück zu Netflix fahren, Harry hat mir geschrieben, dass wir um vier ein Meeting haben."
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