#60 - Full circle
Sams Sicht.
„HARRY STYLES, WO ZUR HÖLLE BIST DU!?!"
Die Stimme erschallte so laut aus dem Handylautsprecher, als würde diese Person direkt neben mir stehen und in mein Ohr brüllen.
Während Harry die Gesichtszüge entglitten, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.
Ich hatte ein absolutes, astreines Déjà-vu.
„HARRY STYLES, WAS MEINST DU EIGENTLICH, WER DU BIST?!??"
„Hi Paul...", sagte Harry kleinlaut, aber seine Worte gingen in dem Geschrei unter, das Harrys iPhone vibrieren ließ.
„ICH KOMME MIR VOR WIE EIN KINDERGÄRTNER! Das kann doch wohl nicht wahr sein, wo zum Teufel steckst du?!?!"
Paul holte schnaufend Luft und wartete auf Harrys Antwort. Dieser zögerte aber ein wenig und öffnete nur den Mund. Er sah mich um Hilfe bittend an, aber was sollte ich denn machen? Da saß er jetzt in der Sch.... und musste schauen, dass er da irgendwie heil wieder rauskam. Ohne dass Paul ihn einen Kopf kürzer machte.
„Wo bist du???", wiederholte er seine Frage und klang jetzt ein wenig leiser als zuvor.
„In...", fing Harry an und stockte dann. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, seufzte und sagte dann. „In New York."
Und da war es dahin mit Pauls Ruhe.
„IN NEW YORK!?! HARRY, TICKST DU NOCH RICHTIG??!?!"
Harry stand auf, fuhr mir dabei einmal durch meine Haare und verließ dann das Zimmer.
Ich glaube, das war auch besser so. Das war etwas, was mich nichts anging und was Harry mit Paul alleine regeln musste. Manche Sachen gingen wirklich niemanden an, ich meine, wir sprechen hier von niemand Geringerem als One Direction.
Ich konnte mir schon vorstellen, was das für ein Horror für Paul gewesen war, als er herausgefunden hatte, dass Harry spurlos verschwunden war...
Ich verzog den Mund.
Oh Gott, womit musste er wohl gerechnet haben! Die fünf Jungs waren die heiß begehrtesten Menschen auf diesem ganzen Planeten, ach was, in diesem gesamten Universum! Es gab genug Wahnsinnige, die sie gerne entführen und dann Lösegeld erpressen würden.
Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.
So weit wollte ich gar nicht denken.
Es war eigentlich wirklich dumm von Harry gewesen, dass er aus München abgehauen war, ohne irgendwem Bescheid zu sagen. Nicht einmal Louis und Zayn, die mit ihm und Paul nach München geflogen waren, hatte er etwas gesagt! Das war wirklich richtig dumm gewesen.
Himmel.
Naja, jetzt konnte man es auch nicht mehr ändern, und es war ja Gott sei Dank alles gut gegangen.
Er war hier, wohlbehalten, gesund und munter.
Als er jetzt aber wieder den Raum betrat, sah er alles andere als munter aus.
Er schloss die Tür hinter sich und ließ die Schultern hängen, als er sich wieder zu mir umdrehte.
Besorgt sah ich ihn mit gerunzelter Stirn an. Er seufzte und ließ sich rücklings neben mich aufs Bett plumpsen. Er verfrachtete sein Handy grob zurück auf den Nachttisch, als könnte es persönlich etwas dafür, dass Paul ihn so angeschrien hatte.
Dann schloss er die Augen und legte sich einen Arm über die Augen, sodass ich sein halbes Gesicht nicht mehr sehen konnte.
Ich betrachtete ihn und wartete, dass er sich regte. Ich wollte ihn nicht dazu drängen, mir zu erzählen, was jetzt los war. Das sollte er wenn schon von selber machen.
„So ein Scheiß...", murmelte er, ließ den Arm sinken und drehte sich im gleichen Augenblick zu mir rüber und umarmte mich ganz fest, was mich ein wenig überrumpelte, weil ich zu tief in seinem Anblick versunken gewesen war.
Seine Körperwärme strahlte mir sofort entgegen und ging auf mich über. Sofort kam das Gefühl der Geborgenheit in mir auf und ließ mein Herz schneller schlagen. Harrys Atem strich über mein Haar und mein Magen machte Saltos in alle möglichen Richtungen.
Ich glaube, ich würde mich nie daran gewöhnen. Aber das war okay für mich. Solange er hier war und hier blieb, konnte mein Herz gerne so oft es wollte aussetzen.
„Was denn?", fragte ich vorsichtig und hob das Gesicht, um ihn mustern zu können.
Er hatte die Augen geschlossen und sein Gesichtsausdruck war ziemlich...unglücklich.
„Paul ist noch ein paar Mal ziemlich ausgerastet...", murmelte er nuschelnd in seinem breiten britischen Akzent und seufzte dann, „...und...er hat mir angeordnet, dass ich morgen früh sofort zurück nach London fliegen muss..."
Diesmal ließ Harry sich aber nicht so aus der Ruhe bringen wie damals. Er verdrehte die Augen, als sein Manager ihn anmaulte, wieso er sich in New York befand. Er wusste aber, dass er ihm nicht zu viel zu sagen hatte. Paul war damals auch in einer anderen Situation mit dieser Boyband gewesen. Sie waren wie ein Sack Flöhe gewesen, die er hatte zusammenhalten müssen.
Und außerdem musste Harry erst morgen in LA sein. Zumindest soweit ich das wusste.
Ich setzte mich ein wenig auf und blickte Harry hinterher, der von der Couch aufgestanden war und nun im Wohnzimmer auf und ab lief.
„Ich bin morgen in Los Angeles", bestätigte er gerade meinen Wissensstand und warf mir einen Blick zu, der mit einem so theatralischen Augenrollen endete, sodass ich mir das Lachen verkneifen musste.
Mein Baby, der Filmproduzent. Jana hatte wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie sarkastisch kommentiert hatte, dass er sich in dieser Region des Show Businesses noch nicht aufgehalten hatte. Durfte auf dem Lebenslauf natürlich nicht fehlen.
Apropos – langsam konnte sich die Kleine doch mal endlich bei mir melden! Inzwischen waren es schon über zwölf Stunden, die sie verschwunden war und noch nichts von sich hatte hören lassen. Ich ging davon aus, dass sie und Luke anderweitig beschäftigt waren, aber sie hätte mir ja ruhig mal Bescheid geben können, dass es ihr gut ging.
Tja. Verliebte Menschen eben.
Genau in diesem Moment legte Harry auf, kam zu mir wieder herüber und schmiss sich neben mir aufs Sofa. Er schlang die Arme um mich und bettete seinen Kopf an meinem Hals und meiner Schulter.
Er seufzte tief. Das bedeutete nie etwas Gutes.
„Was los, baby?"
„Die stressen mich. Das nervt", grummelte er leise.
Ich schielte nach unten und bemerkte, dass er die Augen geschlossen hatte.
„Du bist in letzter Zeit viel zu sehr gestresst und stehst immer unter Strom", erklärte ich ihm, während ich mit der Hand durch seine Locken fuhr und sie ihm aus dem Gesicht strich.
Als Antwort bekam ich nur ein undeutliches Gemurmel.
„Bitte pass auf, dass du dir nicht zu viel zumutest", fuhr ich fort. „Man rutscht da ganz schnell rein. Du weißt, wie das ist. Denk an die Midnight Memories-Zeit. Da wart ihr alle kurz vorm Abschmieren."
Wieder nur ein Grummeln. Er wurde nicht gerne an die Zeit von Ende 2013 bis ungefähr Mitte 2014 erinnert. Da waren wir gerade erst wenige Wochen zusammen gewesen, und dann hatten wir uns direkt gleich mal zwei Monate am Stück nicht gesehen. Für ein frisch verliebtes Pärchen die Hölle, aber unsere Liebe hatte das natürlich ausgehalten. Gott sei Dank. So sicher war ich mir damals nicht immer.
Wieder strich ich ihm durch die Haare und war einfach nur heilfroh, dass er hier bei mir lag und für einen Moment wenigstens ein wenig Ruhe hatte.
Bzzz.
Bzzz.
Und da war es auch schon vorbei mit der Ruhe.
Diesmal war es allerdings mein Handy. Ich fischte es aus der Tasche meiner Sweatjacke und wusste nicht so ganz, ob ich verwirrt oder amüsiert sein sollte.
Es war Pierre, der mich anrief.
~
~
~
Janas Sicht.
„Wieso liegst du hier dann so entspannt, wenn dein Flieger in drei Minuten geht!?"
Das ging in mein Spatzenhirn wirklich nicht rein.
Luke hingegen war total amüsiert. Er grinste, sodass seine Grübchen zum Vorschein kamen, und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Hallo! Ich brauche eine Antwort! Bitte!"
Ein wenig zu heftig schob ich seine Hand beiseite und funkelte ihn finster an. Das war ihm allerdings egal, er grinste trotzdem munter weiter.
„Ich habe heute Nacht entschieden, dass ich auf jeden Fall noch länger hier in New York bleiben soll", antwortete er endlich und zuckte dabei mit einer Schulter.
„Warum?"
„Warum?", echote er lachend. „Was soll ich in LA, wenn du hier bist?"
Für einen Moment konnte ich seinem Blick noch standhalten, dann warf ich lächelnd den Blick nieder.
„Hey."
Ein Finger drückte mein Kinn sanft nach oben, sodass ich Luke wieder ansah. Seine hellen Augen fingen den Blick meiner ein und ich versank in ihnen. In ihrem wunderschönen Blau. – Aaah, ich musste aufhören, ständig seine Augen anzuschmachten, ich bekam ja nicht mal mehr mit, was er zu mir sagte!
„... gesagt, dass ich noch hierbleibe und morgen fliege."
Wenigstens den Schluss hatte ich mitgekriegt.
Aber war eh schon egal, Luke lehnte sich in diesem Moment sowieso zu mir hinüber und gab mir keine Möglichkeit, ihm auf irgendeine Art zu antworten. Ich schloss einfach nur die Augen und erwiderte seinen sanften Kuss.
Es war so anders.
Nicht nur so anders im Vergleich zu allen Typen, die ich sonst geküsst hatte – sondern auch zu damals.
Wir waren beide älter (logischerweise, I know), und das merkte man. Das merkte man an unserer Körpersprache, an unseren Emotionen, an der Art und Weise, wie wir miteinander umgingen.
Früher waren wir Kids gewesen. Kleine, doofe Pupsis. Heute war ich immer noch klein und doof – na gut, Sam war kleiner als ich, aber ihr wisst schon, was ich meine – aber trotzdem war ich halt erwachsen. Irgendwann war man sozusagen fertig als Mensch entwickelt und ausgereift. Klar, man lernte immer dazu im Leben, das war niemals vorbei, aber ich war nicht mehr die fünfzehnjährige Jana, die Luke damals das erste Mal geküsst hatte.
Gut, dass er nicht wusste, dass er früher vor ungefähr hundert Jahren mein Hintergrundbild am Handy war. Peinlich.
Bzzz.
Bzzz.
Ich grummelte.
„Ist das deins oder meins?", murmelte Luke gegen meine Lippen, ohne den Kuss wirklich zu unterbrechen.
„Kein Plan. Mir egal", war alles, was ich zurückmurmeln konnte, bevor Luke die Arme um meine Taille schlang und mich – unter meinem Quietschen – durchs Bett wälzte und mich auf sich zog.
Seine Hände wanderten unter mein Shirt und ich seufzte wohlig, als er mit seinen Fingern federleicht über meine Haut strich.
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