#43 - Wuschiwuschi

„Nein."

„Nein?"

„Nein."

Kurze Stille.

„Aber ich bin–"

„Nein", unterbrach ich ihn atemlos und schüttelte vehement den Kopf. „Bitte. Sag einfach gar nichts."

Ich drehte ihm den Rücken zu und verbarg das Gesicht in den Händen.

„Aber ich wollte dir sagen,–"

„LUKE!", fuhr ich ihn an und wirbelte herum.

Überrascht von meinem lauten Ausruf klappte er seinen Mund automatisch zu und sah mich stumm aus seinen unglaublich blauen Augen einfach nur an. Seine Hände ruhten in seinem Schoß, wie er da so im Schneidersitz in der Mitte des Bettes saß.

Für eine Sekunde betrachtete ich ihn einfach nur, dann wischte ich mir eine Träne von der Wange. Es tat so weh. Es tat so unglaublich weh.

Ich sah ihm an, dass er so viel sagen wollte, aber er schien meine Bitte zu respektieren. Er hielt tatsächlich die Klappe. Dafür schob er sich jetzt vom Bett und blieb neben dem Fußende stehen.

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, wie unglaublich süß und gleichzeitig heiß er in diesem weißen Schlafanzug vom Hotel aussah? Im Gegensatz zu meinem – mein Schlafanzug war nämlich viel zu groß – saß seiner wie angegossen. Die Hose ein bisschen weiter und bestimmt bequem, das Shirt hingegen ... ließ äußerst wenig Raum für Fantasien übrig. Wenn ihr versteht, was ich meine.

Er kam nicht näher. Er blieb dort stehen und sah mich einfach nur an. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass ich ihm die Augen auskratzen würde, wenn er auch nur einen Schritt auf mich zukam.

... Oder anscheinend rechnete er nicht damit, denn jetzt machte er doch zögerlich einen kleinen Schritt.

Ich wusste nicht einmal, ob ich das zulassen oder ihm die Augen auskratzen sollte.

Meine Güte, ich konnte nicht einmal mehr klar denken, ich sehnte mich so sehr nach seiner Berührung, dass ich wuschiwuschi im Kopf war.

Jetzt stand er direkt vor mir. Er streckte langsam die Hand aus – wahrscheinlich um mir die Zeit und Möglichkeit zu geben, mich zu wehren oder vor ihm zurückzuweichen – und legte seine Handfläche an meine Wange. Automatisch schloss ich die Augen. Wie eine Drogenabhängige, die endlich wieder den nächsten Trip startete und es kaum erwarten konnte, wieder drauf zu sein.

Sein Daumen strich sanft von meiner Wange zu meinem Kinn und ich atmete hörbar aus. Es fühlte sich an, als würde er meine Seele streicheln. Als würde er all die geschwundenen Stellen versorgen und mich von innen heraus heilen.

Dann zog ich den Kopf weg. Es waren nur ein paar Millimeter, die ich mein Gesicht nach links schob, doch er verstand und ließ die Hand sinken.

Immer noch hatte ich die Augen geschlossen. Ich wusste, wenn ich sie öffnete, würden die Tränen, die ich gerade noch zurückhalten konnte unter meinen geschlossen Lidern, fließen.

„Wenn du es nicht willst, sag es."

Seine Stimme war so leise, dass ich sie mir auch eingebildet haben könnte. Aber nein. Nein, Luke Hemmings war so respektvoll und fragte mich, ob mir das überhaupt recht war.

Und ich wusste es nicht. Wuschiwuschi und so, ihr wisst schon.

Also gab ich keine Antwort.

Das war anscheinend Antwort genug für ihn.

Ich öffnete die Augen, um zu sehen, wie er mir den Rücken zudrehte und mit wenigen Schritten um das Bett herumging und sich auf seiner Seite auf die Bettkante setzte.

Ich blinzelte wütend die Tränen fort.

Aber ich –

Ich –

Fuck!

„Nein", hauchte ich aus diesem Gedanken heraus.

Im nächsten Moment passierten zwei Sachen gleichzeitig: Luke drehte sich überrascht zu mir um, und ich kletterte blitzschnell über die Mitte des Bettes, griff mit den Händen gierig nach seinem Gesicht und presste meine Lippen auf seine.

Der Kuss spiegelte all die Verzweiflung, die wie Feuer durch meinen Körper raste, wider. In dem Moment, als sich unsere Lippen berührt hatten, hatte ich die Augen geschlossen und mein sowieso nicht mehr funktionierendes Hirn ausgeschaltet. Ab auf den Kompost damit.

Ich wusste, es war falsch, es war nicht in Ordnung, es war schmerzhaft – aber genauso wusste ich auch, dass wenn ich es nicht machen würde, würde ich mich für immer mein beschissenes Leben lang fragen, was genau ich ihm gegenüber eigentlich gefühlt habe.

Okay, streich das, ich wusste genau, was ich ihm gegenüber fühlte: ich liebte ihn. Ich liebte ihn aus vollster Seele, aus tiefstem Herzen, selbst mein lädiertes Hirn konnte es nicht mehr leugnen.

Also küsste ich Luke Hemmings, als würde mein Leben davon abhängen.

Und er küsste mich zurück.

Lukes Hände hatten ebenso nach meinem Gesicht gegriffen, hielten es sanft in seinen Händen, und nun drehte er sich mitten im Kuss um und schob mich nach hinten aufs Bett, so dass wir uns gegenüber saßen.

Meine Hände wanderten hinauf in seine Haare, seine wunderschönen Haare, und blieben an seinem Hinterkopf liegen.

So stürmisch ich angefangen hatte, ihn zu küssen – Luke hatte die Geschwindigkeit aus unserem Kuss herausgenommen und hielt jetzt für einen Moment inne, ohne unsere Lippen voneinander zu trennen. Für ein paar Herzschläge taten wir beide nichts anderes, als zu atmen und den anderen festzuhalten. Mein gesamter Körper kribbelte. Seine Hände wanderten von meinen Wangen zu meinem Hals, zu meinen Schultern, zu meiner Taille. Ganz langsam. Immer mir die Möglichkeit gebend, mich zu widersetzen und zurückzuziehen.

Aber das würde ich nicht tun.

Sollte ich etwas sagen?

Nein.

Ich würde den Moment nur kaputt machen.

Außerdem hatte ich ihm verboten, zu sprechen, also sollte ich mich vielleicht auch an diese Regel halten, sonst wäre es unfair.

Immer noch berührten unsere Lippen sich nur ganz sanft, es hätte auch nur Einbildung sein können. Aber nein, es war wirklich wahr.

Nun küsste er mich wieder. Eine seiner beiden Hände lag wieder an meiner Wange und ich spürte wieder seinen Daumen, der mich streichelte. Noch nie hat jemand mich so vorsichtig, so zart, so sanft berührt.

Das hättest du alles schon vor Jahren haben können, du doofe Kuh.

Ich schob diesen Gedanken grob beiseite, denn ich konnte mich auf nichts anderes als Lukes Hände und seine Lippen konzentrieren. Luke zog mich enger zu sich hinüber und im nächsten Moment saß ich auf seinem Schoß. Er ließ sich zur Seite kippen und ich quiekte auf, kurz bevor mein Kopf auf dem Kopfkissen landete.

Unsere Lippen hatten sich für diesen Moment kurz getrennt, und ich hatte die Augen geöffnet. Ich blickte in Lukes grinsendes Gesicht und versank in dem Glitzern seiner Augen.

„Sorry, hätte dich vielleicht vorwarnen sollen", lachte er, doch da schob ich schon eine Haarsträhne aus seinem Gesicht, was ihn sichtlich ablenkte, sodass er zu vergessen schien, was er eigentlich gesagt hatte.

Ich vergaß ebenso alles um mich herum. Wenn er mich so ansah, gab es nichts anderes mehr auf der Welt für mich.

Als wäre ich das Schönste, auf dem sein Blick je gelandet war.

Die Küsse wurden fordernder, wurden heißer, wurden leidenschaftlicher. Luke hatte uns herum gedreht, so dass er jetzt über mir war. Er stützte sich mit seinem Ellbogen rechts und links von mir auf der Matratze ab und presste seinen Körper gegen meinen. Ich zog ein Bein nach oben und schlag es um seine Hüfte. Er antwortete damit, dass sein Mund zu der empfindlichen Stelle unter meinem Ohr wanderte und daran leicht saugte. Ich war kurz davor, den Verstand zu verlieren. Während sein Mund weiter zu meinem Schlüsselbein wanderte, zogen seine Hände gleichzeitig mein Oberteil nach oben, sodass mein Bauch entblößt wurde.

Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass mein Bauch mein einziges verhasstes Körperteil war. Mein Bauch war meine große Unsicherheit. Niemals, niemals, niemals würde ich jemals ein bauchfreies Oberteil tragen. Ich trug nicht einmal High-Waist-Hosen und dann ein Crop Top dazu, wo man nur ein paar Zentimeter Haut sehen konnte.

Ich hasste meinen Bauch. Sam schimpfte mich immer (sie hatte ja auch gut reden mit ihrem Dancer-Waschbrettbauch), doch es war einfach so. Sie hatte ja recht, mein Bauch war weder dick noch hässlich im allgemeinen Sinne – aber ich fand ihn einfach schrecklich. Teigig. Hässlich. Unförmig. Unschön.

An nichts davon dachte ich in dieser Sekunde. Kein einziger Gedanke wirbelte durch meinen Kopf, als Luke meine Rippen küsste und dann eine Spur von feuchten Küssen über meine Haut bis zu meinem Bauchnabel zog.

Ich hatte meine Finger wieder in seinen Haaren vergraben und zog sein Gesicht nun wieder gierig zu mir nach oben, um ihn fordernd küssen zu können.

Während Lukes Hände wieder zu dem Saum meines Oberteils wanderten, berührte ich seinen Rücken und fuhr mit den Fingern über die straffen Muskeln. Ich ließ sie unter sein Shirt schlüpfen und hörte, wie er rau ausatmete, als meine Berührung eine Gänsehaut – die ich unter meinen Fingerkuppen spüren konnte – über seine Haut schickte.

Im nächsten Moment flog mein Oberteil im hohen Bogen über den Bettrand.

Lukes folgte sofort.

Wieder drehte er uns herum, sodass ich auf ihm lag.

Er hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, um mich besser ansehen zu können. Ein leichtes, wunderschönes Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, doch das Schönste war das Funkeln seiner Augen. Die Fenster zu seiner Seele.

Er griff mit dem Arm um meine Taille und richtete uns auf, sodass wir uns wieder gegenüber saßen. Ich saß auf seinem Schoß, weswegen mein Gesicht ein wenig höher als seins war. Also waren seine Lippen auf der perfekten Höhe, meine Schultern auszukundschaften, die Mulde zwischen Schlüsselbein und Hals, weiter oben die Rundung meines Kinns.

Gott, es war eins der umwerfendsten körperlichen Erlebnisse, die ich je gehabt hatte. DAS umwerfendste.

Ich ließ mich einfach von meinen Emotionen leiten. Von den Gefühlen, die sich in mir ausbreiteten. Ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich verstanden. Ich fühlte mich gut – Himmel nochmal, ich fühlte mich, als hätte ich einen Rausch!

Luke verstand mich. Er schien zu wissen, wer ich war und wie ich tickte. Nicht nur im Flugzeug hatte ich das gemerkt, auch am Flughafen, wie er mit mir umgegangen war, und dann hier im Hotelzimmer. Er hatte mich niemals bedrängt, hatte mir immer meinen Raum und meine Zeit gelassen, die ich brauchte. Er war mir nicht einmal ins Bad gefolgt, als ich vor ihm geflohen war.

Gott, er war so perfekt für mich.

Und dann war da aber ...

Mein eigentlich ausgeschaltetes Hirn kickte den Gedanken beiseite und gab meinen Muskeln stattdessen den Befehl, vom Bett aufzustehen.

Das tat ich, während Luke meinen Bewegungen mit seinem Blick folgte. Ich schob mir die Schlafanzughose von der Hüfte und ließ sie zu Boden plumpsen. Jetzt stand ich da nur noch in Unterwäsche. Bevor ich etwas tun konnte, hatte Luke schon wieder nach meiner Hand gegriffen und mich zurück zu sich aufs Bett gezogen. Er schlang beide Arme um meinen Rücken, zog mich wieder auf seinen Schoß und vergrub für einen Moment das Gesicht in meinen Haaren. Mein bloßer Bauch drückte sich gegen seinen und ich hätte einfach gerne geweint.

„Du bist so wunderschön", hörte ich ihn in meine Haare murmeln, dann löste er sein Gesicht daraus und sah mich wieder lächelnd an. „So wunderschön."

„Schließ nicht von dir auf andere", gab ich zurück und küsste ihn wieder.

Mein Kopf landete im Kissen und Luke schwebte wieder über mir. Keine Sekunde hatte sich unser Kuss unterbrochen. Sein Körper presste sich wieder gegen meinen und er fuhr mit der Hand an der Seite meines Körpers von meinen Rippen bis hinunter zu meinem Oberschenkel.

Ich konnte kaum noch atmen.

Meine zittrigen Finger schoben sich unter den Bund seiner Hose und er half mir dabei, sie auszuziehen, dann schmiss Luke sie genauso achtlos wie all die anderen Kleidungsstücke nebens Bett.

Mein BH folgte als nächstes.

Seine Hände waren überall. Sie waren erstaunlich weich für jemanden, der rund um die Uhr E-Gitarre spielte.

Ich fühlte mich, als würde ich schweben.

Ich konnte nicht einmal mehr in zusammenhängenden Sätzen denken.

Seine Finger an meiner Taille, an meiner Brust, an meiner Hüfte.

„Jana..."

Er murmelte etwas in meinen Mund, was ich nicht verstehen konnte – entweder weil es so undeutlich war oder weil ich einfach nicht aufnahmefähig war. Oder beides.

Also machte ich: „Hm?"

Allerdings natürlich, ohne den Kuss zu unterbrechen, sodass ich ihn wieder nicht verstehen konnte.

Er wiederholte es noch einmal und jetzt konnte ich ihn verstehen.

„Ich habe nichts dabei..."

„Ich nehme die Pille", gab ich schlichtweg zurück und nahm sein Gesicht, das über mir aufgetaucht war, wieder sanft zwischen meine Hände und küsste seine Nasenspitze.

Er nickte leicht, sah mich aber trotzdem noch zögernd an, sodass ich einfach nur meine Hüften ein wenig anhob und gegen seine presste.

Folter.

Für uns beide.

Das war mir schon klar.

Aber so hörte er wenigstens auf zu denken und stöhnte stattdessen nur, als seine Lippen sich wieder auf meine senkten.

Und dann wanderten seine Finger hinunter zu meinem Slip.

Würde ich sagen, es war nicht die reinste Ekstase, wäre es eine absolute Lüge.

Allein was seine Finger anstellten und mich fühlen ließen, hatte ich noch nie erlebt.

Mutter Maria.

(Na gut, vielleicht nicht die und ihre unbefleckte Empfängnis.)

Ich wollte ihm sagen, was ich ihm gegenüber fühlte, aber mein Körper hatte die Kontrolle übernommen und ich brachte kein Wort heraus.

Luke.

Luke war mein Ein und Alles.

Nicht nur in diesem Moment, sondern für immer und ewig.

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