#41 - And there goes my heart
Immer noch Lukes Sicht.
Der Weg zur Trauung war nicht sonderlich schwer. Es führte nur ein breiter Weg in den wundervollen Garten, und dort waren so viele Menschen, dass es keine Sitzplätze mehr gab.
„Guck mal, da sind noch drei Plätze", flüsterte Ashton mir zu, doch ich schüttelte den Kopf.
„Ihr könnt euch gern hinsetzen, ich bleibe stehen", gab ich leise zurück und Calum neben mir nickte nur.
Michael hörte sowieso nicht mehr zu, er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Ambiente zu bewundern.
Ich war eher damit beschäftigt, meine Freundin zu finden, die auch hier irgendwo war. Wo saß sie? Ich konnte Sierra nicht sehen.
„Da", murmelte Calum auf einmal und deutete mit dem Kinn nach schräg rechts. Klar, er hatte kapiert, dass ich sie suchte. Sierra drehte sich genau in dieser Sekunde zu mir und lächelte mich an. Dann ging es los.
Wir drehten uns um, als die Musik anfing zu spielen, und Sam kam mit ihrem Vater den Weg entlang.
Als sie an uns vorbeigegangen war, drehte ich mich wieder nach vorne, doch mein Blick suchte eine andere Person. Nicht Sierra, nicht Sam, nicht Harry, sondern Jana. Natürlich hatte sie sich ebenso wie jeder andere Mensch hier umgedreht, um ihre Cousine zu bewundern.
Aber Jana sah mich an. Nicht Sam, nicht ihren Onkel, nicht Calum oder Michael, sondern mich.
Und ihr Blick war finster. So finster, dass ich unwillkürlich die Stirn runzelte. Diese Emotion passte überhaupt nicht zu so einer Traumhochzeit. Wieso sah sie mich so finster an?
Ihr Blick wanderte wieder zu Sam, weil diese nun vorne angekommen war. Es war, als hätte unser Blickkontakt nie stattgefunden.
Die Trauung war wirklich schön. Eine Märchenhochzeit, wie die beiden Seelen da vorne es von ganzem Herzen verdient hatten.
Ich hielt meinen Abstand zu Jana und sah zu, dass ich mich möglichst nicht in ihrem Blickfeld befand. Ich wollte es nicht zugeben, aber sie hatte mich mit ihrem zornerfüllten Blick echt ein wenig aus der Bahn geworfen. Äußerst erfolgreich hatte ich nämlich verdrängt, dass wir uns begegnen würden, und nun hatte ich den Salat. Ich war null drauf vorbereitet.
Theoretisch hatte ich gedacht, es würde mir sowieso nichts ausmachen, sie zu sehen, da ich über alles hinweg war und meine Freundin Sierra hatte, aber anscheinend ... ach, keine Ahnung, was anscheinend.
Ich hatte ja noch nicht einmal wirklich mit ihr gesprochen.
Mal sehen, ob das so bleiben würde, denn momentan machte sie nicht den Eindruck, sich überhaupt noch einmal nach mir umzuschauen. Na gut, jetzt legte sowieso erst einmal One Direction die Performance des Jahres, ach was, des Jahrzehnts hin, was sie so breit grinsen ließ, dass ich selbst automatisch aus der Ferne lächeln musste. Ich dachte an den Superfan zurück, der sie damals gewesen war, und biss mir von innen auf die Lippen, um nicht loszulachen. Gott, sie war so süß damals.
„Ich muss echt mal mit Jana reden, wenn sie schon hier ist", riss Ashtons Stimme mich aus meinen Gedanken.
Erschrocken sah ich auf. Hatte er gemerkt, dass mein Blick an ihr klebte? Schnell sah ich mich nach Sierra um, doch sie saß auf einem der Stühle ein Stück hinter uns und schmachtete genauso One Direction an wie alle anderen Hochzeitsgäste.
„Weshalb?"
„Einfach, weil es mich interessiert, wie es ihr geht?", war alles, was Ashton noch zurückgab, bevor er sich durch die tanzende und singende Menschenmenge hinüber zu ihr schob.
Für mich war klar: ich folgte ihm nicht. Ich hatte ihren Blick eindeutig verstanden.
„Hey baby?"
Sierra stand neben mir.
„Ich werde ein wenig ins Haus reingehen", sagte sie seufzend, „irgendwie fühle ich mich nicht so gut."
„Oh, das tut mir leid. Kann ich irgendwas für dich tun?", fragte ich sie besorgt, doch sie schüttelte nur den Kopf und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich möchte grad kurz allein sein."
„Okay. Aber ruf mich an oder schreib mir, wenn was ist, ja?"
„Klar."
Der erste Tanz der beiden war wirklich wunderschön gewesen. Ed hatte wie immer astrein gesungen und nun hatte der DJ wieder übernommen.
Auf einmal hörte ich die ersten Töne eines Songs, den ich so oft gehört hatte wie sonst kein einziges Musikstück auf diesem Planeten. Ich konnte ihn innerhalb einer halben Sekunde erkennen und musste lächeln.
Meine Güte, war ich stolz auf diesen Song.
„Remember the words you told me."
Ich zuckte zusammen, weil die Hochzeitsgesellschaft so laut mitsang.
Ob ich mich jemals daran gewöhnen würde, dass unsere Songs weltweit bekannt waren?
„Love me til the day I die."
Michael schmiss den Arm um meine Schultern und grölte mir die nächste Zeile ins Ohr.
„Surrender my everything 'cause you made me believe you're mine."
"Hey Hemmings!"
Ich sah auf, als mein Name durch die Lautsprecher schallte.
"Kannst du mal einspringen?"
Nichts lieber als das!
„Yeah, you used to call me baby, now you're calling me by naaaaame."
War das ein Konzert oder eine Hochzeit? Keine Ahnung.
Schnell sprang ich auf die Bühne, schnappte mir das Mikrofon, das der DJ mir breit grinsend schon hinhielt, und sang gemeinsam mit der Hochzeitsgesellschaft weiter.
„Takes one to know one, yeah. You beat me at my own damn game."
Für einen Moment musste ich mich zusammenreißen, nicht loszulachen. Michael stand auf einem Tisch und spielte Luftgitarre und Ashton machte sich neben ihm bereit, den epischen Schlagzeug-Beat im Refrain auf seinem Luft-Schlagzeug zu spielen.
„YOUNGBLOOD!"
Gänsehaut. Pure Gänsehaut einfach nur, als die Menge noch lauter grölte und schier ausrastete.
Nur Calum stand natürlich grinsend und mit verschränkten Armen am Rand der Tanzfläche und begutachtete uns amüsiert. Mein Blick wanderte weiter und ich sah Jana, wie sie ein kleines Kind, das weinte, auf den Arm nahm und die Tanzfläche verließ. Sie schob sich durch die Menge, was ich von hier oben gut sehen konnte, und lief über die Wiese bis hinüber zur Terrasse.
Dann war sie verschwunden.
Wir performten den Song und ich hatte den Spaß meines Lebens.
Nichtsdestotrotz war ich in Gedanken sowohl bei meiner Freundin als auch bei meiner Niemals-Freundin-gewesen-deswegen-auch-nicht-Exfreundin, die sich beide jetzt irgendwo im Haus befanden. Vielleicht sollte ich einfach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mich auch dorthin begeben.
„Sierra? Bist du hier?", sagte ich, sobald ich das Haus betreten hatte.
Ah, da war sie.
Und sie sprach mit ... Jana. Sie standen vor einem der Bäder und Jana hatte das Kleinkind auf dem Arm, das inzwischen aufgehört hatte zu weinen.
Ich öffnete den Mund, um sie endlich zu begrüßen, doch Sierra kam mir zuvor.
„Mensch, ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Sierra."
„Deaton, ich weiß. Sorry, aber ich liebe deine und Alex' Audition. Ich bin übrigens Jana."
„Hi Jana", sagte ich nun endlich.
„Hi Luke", kam ziemlich tonlos zurück, und sie sah mich an, als würde sie mich gerne umbringen.
Wieso hasste sie mich so?
~
~
~
Janas Sicht.
Ich hasste ihn nicht. Ich könnte ihn niemals hassen. Doch genau in diesem Moment verspürte ich so eine Wut gegen ihn. Wieso konnte er sich nicht einfach hinlegen, tot spielen und mich schlafen lassen?! Ich brauchte den Schlaf, Mensch, sonst würde ich morgen wieder wackelig auf den Beinen sein und dann konnten sie mich wirklich einliefern! Und er brauchte exakt genauso den Schlaf!
Gerade wollte ich mich aufrichten und ihm sagen, dass er sich verdammt nochmal hinlegen sollte, weil er keine Aufziehpuppe war, da hörte ich ein leises: „Schläfst du?"
Ich antwortete ihm nicht. Zitternd atmete ich ein, und dann tat ich das, was ich besonders gut konnte.
Eine Frage mit einer Frage beantworten.
„Wieso hast du mit mir getanzt?"
„Tanz mit mir", hatte er gesagt und mich dabei angesehen, als wäre ich die Welt für ihn. Als hätte er nicht eine Freundin, die nicht sonderlich weit gewesen war und die er kurz zuvor noch vor meiner Nase geküsst hatte. Und als hätte ich nicht selbst einen Freund gehabt.
„Wie meinst du das?", wisperte Luke und wieder raschelte es. Hatte er sich zu mir umgedreht?
„Genau so, wie ich es gesagt habe", grummelte ich und richtete mich auf.
Ich konnte den Schemen seines Körpers sehen, und flupp, ging mein Herzschlag in das oberste Stockwerk des Gebäudes, das sich meine Gesundheit nannte. Drüber kam der Himmel, und das war dann der Wahnsinn. Absoluter, purer, chaotischer Wahnsinn. Nur noch ein kleeein wenig, dann würde mein Herz Höhenflüge hinauf in die Weiten des Wahnsinns machen.
„Weil ich wollte, dass du mit mir zu dem Song tanzt, zu dem du mich inspiriert hast."
„Das hast du damals auch zu mir gesagt", schnaubte ich.
Damals. Als wäre es Jahre her und nicht erst ein paar Tage.
„Wieso hast du so viele Songs über mich geschrieben, Luke?", fragte ich zaghaft und schluckte schwer, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
„Weil du so wichtig für mich warst, Jana. So unfassbar wichtig."
Mir entging die Vergangenheitsform nicht.
Meine Güte, natürlich bist du nicht mehr wichtig, Jana, das ist Jahre her, komm mal drüber hinweg. Gern hätte ich mir eine Kopfnuss gegeben.
Ich legte mich wieder hin und drehte seiner Betthälfte den Rücken zu. Das war deutlich genug, dass ich das Gespräch aufgegeben hatte.
„Jana", murmelte er.
Es raschelte. Die Matratze senkte sich, erst weiter weg, dann direkt bei mir.
Ich hörte ihn atmen. Ganz nah bei mir. Dann spürte ich seine Hand, die sich auf meinen Oberarm legte.
Ich zuckte nicht zusammen. Es war, als hätte ich mich nach dieser Berührung gesehnt.
... aaaand there goes my heart. Ciaokakao, hoffe, du hast einen Fallschirm dabei, sweetie.
„Jana, es tut mir so leid..."
„Was tut dir leid? Was, Luke?", knurrte ich. Obwohl ich innerlich lichterloh brannte und mich auf ihn stürzen wollte, blieb ich liegen.
Ich wusste nicht, ob ich mich unter Kontrolle haben würde, wenn ich mich jetzt bewegte. Würde ich ihn schlagen? Würde ich ihn küssen? Würde ich davon laufen?
Ich traute mir selbst nicht.
Ich hoffte einfach, wenn ich wie erstarrt liegen blieb, würde er von mir abrücken.
Falscher hätte ich nicht liegen können.
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