#30 - Was habt ihr da ausgeheckt?!
Ich meine, er hatte schon immer schöne Gesichtszüge gehabt, aber oh boy, hatte die Pubertät ihn noch schöner werden lassen! Ich konnte mich in seinem Anblick absolut verlieren. Und weil das nicht genug war – denn wie wir wissen, liebe Leute, ist Aussehen absolut unwichtig –, war ich mir absolut sicher, dass er noch dazu einer der besten und tollsten Menschen war, die auf diesem Planeten wandelten.
Das hieß also, ich war wirklich vollkommen verloren. Ich wusste, dass ich lange brauchen würde, bis ich wirklich über ihn hinweg war... Aber das war in Ordnung. Das würde ich schon schaffen.
Ich hatte der Männerwelt jetzt den Rücken zugekehrt, also würde ich ihm auch den Rücken zukehren.
„Und?"
Ich plumpste wieder zurück auf den Boden der Realität und sah in Lukes helle Augen.
„Was, und?", erwiderte ich misstrauisch.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Und, was gibt's?", führte ich seine Frage fort.
Ich kniff die Augen fragend ein wenig zusammen. Hä?
„Wieso bist du hier? Was gibt's?", verdeutlichte er seine Frage.
„Ach so." Ich überlegte. „Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Niall meinte, wir sollen uns mal aussprechen."
Oh Gott, Jana, morgen wirst du dich deinetwegen schämen. Dass du echt sowas von dir gegeben hast! Gut, dass es mich jetzt noch nicht interessierte.
„Aha", meinte Luke und ließ den Blick über die beinahe leere Tanzfläche wandern.
„Wo ist denn Sierra?", fragte ich ein wenig zerstreut, weil ich seinem Blick folgte und sie nicht finden konnte.
„Schon nach Hause gefahren."
„Aha."
Wir schwiegen. Es war unangenehm. Verdammt unangenehm.
„Okay, pass auf." Ich rutschte ein wenig nach vorne und fixierte ihn mit meinem Blick. „Ja, ich war verdammt verliebt in dich, und ja, ich bin nie über dich hinweggekommen, und ja, es war das Dümmste überhaupt, dass ich vor ...uns davon gelaufen bin. Aber das sollte wohl so sein. Alles hat seinen Sinn und Zweck, und das wollte ich dir nur sagen. Damit ich endlich mit allem abschließen kann."
Anstatt mir eine Antwort zu geben, sah Luke mich einfach nur an. Seine Wimpern schimmerten ein wenig in der Dunkelheit – was genau hatte er da bitte draufgeschmiert, dass sie so fantastisch aussahen?! – und ich war nicht echt nicht sicher, ob er noch was sagen würde.
Unsicher stand ich auf. Ich rieb die Hände aneinander und warf ihm noch einmal einen Blick zu. „Okaaay..."
Er sagte immer noch nichts.
Ich nickte, als hätte ich verstanden, was er meinte, obwohl er keinen Mucks von sich gegeben hatte.
„Gut. Damit wäre das geklärt. Ich wünsche dir alles Gute, Luke. Wirklich."
Sein Kopf bewegte sich ein paar Millimeter, als würde er meine Verabschiedung damit entgegennehmen. Und immer noch sagte er nichts.
Ich drehte mich zögernd um, dann ging ich davon. Ich fühlte mich taub. Benommen. Betäubt. All der Schmerz war so erdrückend, so schwer auf meinem Herzen, dass mein Kopf meine Emotionen einfach – zack – ausgeschaltet hatte. Ich fühlte einfach ...nichts mehr.
Mit festen Schritten lief ich zurück durch die Dunkelheit zum Landhaus. Auf der Terrasse sammelte ich meine Schuhe ein, dann ließ ich mich in der Küche wieder auf dem Boden nieder, nachdem ich mir ein Glas Wasser eingeschenkt hatte.
Eine einsame Träne lief meine Wange hinunter und ich schloss für einen Moment die Augen, bevor ich mich wieder aufrappelte.
Ich musste schlafen gehen. Eindeutig. Ich musste diesen abartigen, verrückten Tag zu Ende bringen. – Fuck, aber wo sollte ich schlafen?! Ich wollte nicht wieder in dieses Zimmer. In dieses Bett.
Zögernd ging ich die Treppe hinauf und stieß die Tür von Pierres und meinem Zimmer auf. Es war leer. Das Bett – ich ekelte mich so richtig davor – war gemacht und ich entdeckte einen Zettel am Fußende. Bevor ich ihn in die Hand nahm und las, ließ ich den Blick durchs Zimmer wandern. All seine Sachen waren weg.
‚Ich werde ausgezogen sein, bis du zurück nach Berlin kommst. Ich habe keine Entschuldigung für das, was ich getan habe. Aber bitte lass uns reden, wenn du wieder zu Hause bist.'
Ich schnaubte laut, dann zerriss ich den Zettel in viele kleine Fetzen.
„Das kannst du dir in den Arsch schieben, du Widerling", knurrte ich knüllte die Fetzen in meiner Hand zusammen, dann beförderte ich sie in den Mülleimer im Badezimmer. „Als ob ich jemals wieder ein Wort mit dir sprechen werde."
Er musste mir seinen Wohnungsschlüssel geben, und auch sonst musste ich schauen, dass ich alles bekam, was mir gehörte, und er auch nichts mitnahm, was mir gehörte. Das hieß also, ich konnte ihn noch nicht überall blockieren, weil ich sicher noch Kontakt mit ihm aufnehmen musste.
Wow, meine Laune war wieder so richtig im Keller. Ich war einfach nur so sauer, wie sollte ich denn schlafen können?
Und wo sollte ich schlafen? Ich würde dieses Bett nie wieder berühren, ich brauchte also ein anderes Zimmer.
Ich konnte einfach unten im Ankleidezimmer auf der Couch schlafen, dort wo ich heute ewig lange gesessen hatte, während Sam sich für ihre Hochzeit fertig gemacht hatte.
Jap, das ging. Die Couch war riesig, hatte unendlich viele Kissen und war sehr weich. Hauptsache, ich konnte endlich meine Augen schließen.
~
~
~
Das Vibrieren meines Handys weckte mich ein paar Stunden später. Grummelnd und mit nur halb geöffneten Augen tastete ich nach dem blöden Ding.
„Mhh...", machte ich, als ich es mir ans Ohr drückte.
„Jana! Wo bist du! Dein Zimmer ist leer! Und du bist nirgends auffindbar!"
Gequält verzog ich das Gesicht.
„Sam, ich kann dich vom Flur aus bis hierher hören", erklärte ich ihr seufzend.
„Wo bist du?!"
Schwerfällig rappelte ich mich vom Sofa auf und schlurfte zur Tür hinüber.
„Hier."
Ich ließ das Handy in dem Moment sinken, als Sam sich zu mir umdrehte und auf mich zustürmte.
„Himmel, ich dachte schon, dir wäre irgendwas passiert!" Misstrauisch sah sie mich an. „Wieso hast du hier geschlafen? Wieso ... – oh." Sie kapierte. „In dem Bett würde ich auch nicht mehr schlafen wollen."
„Eben."
Jetzt, wo ich wach war, konnte ich gut einen Kaffee gebrauchen. Ich schob mich an ihr vorbei und ging barfuß hinüber in die Küche. Ich hatte mich, brav wie ich war, heute Nacht (Morgen? Keine Ahnung, wie viel Uhr es gewesen war) noch abgeschminkt und mir eine Shorts und ein weites Shirt angezogen.
„Hey Schnapsdrossel", begrüßte Leo mich, als ich in die Küche kam. „Kaffee?"
Er grinste mich breit an, denn er erwartete natürlich gar keine Antwort.
„Guten Morgen. Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte Caro, die Rafael auf dem Schoß hatte.
Ich ließ mich auf den Stuhl gegenüber von ihr sinken und fuhr mir mit der Hand über die Stirn. „Keine Ahnung."
Ich sah mich um. „Wo sind denn die anderen alle?"
Sowohl der Rest unserer als auch Harrys Familie hatten hier im Haus geschlafen.
„Harrys Familie ist schon gefahren und deine Familie ist in London."
„Aha. Ohne mich?"
„Du warst ja nicht auffindbar", gab Sam zu bedenken. Hm, da hatte sie wohl Recht. Und mit meinen Eltern und meinem Bruder London zu besichtigen, war jetzt auch nicht unter meinen Top-Erlebnissen, wenn ich einen Kater hatte, musste ich gestehen.
„Wann fliegt ihr nach Hause?", fragte ich Leo und Caro.
„Heute Spätnachmittag."
„Heute noch?", hakte ich überrascht nach, und spürte dann die Enttäuschung, die mich durchflutete.
„Ja, ich muss morgen wieder arbeiten", meinte Leo schulterzuckend. „Wo ist eigentlich Pierre? Schläft der noch?"
Stille.
Sam sah zu mir, dann zu Caro und dann wieder zu mir. „Er war vorhin noch nicht da", informierte sie mich, „als ich es Caro erzählt habe."
„Pierre ist ein dummes Arschloch und hat heute Nacht in meinem Bett mit Louis' Schwester gevögelt", sagte ich tonlos, ohne irgendwem dabei in die Augen zu sehen, „und Sam und ich haben ihn dabei erwischt."
Wieder Stille.
Ich schlürfte laut meinen Kaffee, dann sagte ich: „Ganz ehrlich, Leute, lassen wir das Thema. Egal. So bin ich ihn wenigstens zu einhundert Prozent los."
„Hm."
„Naja, uns bist du auch zu einhundert Prozent los", erklärte Harry, der gerade in die Küche kam.
„Wie?"
„Naja, Caro, Leo und Rafi fliegen heute, und Sam und ich auch", sagte er und drückte Sam einen Kuss auf die grinsenden Lippen.
„Hä?"
„Flitterwochen", half Caro nach, und ich riss die Augen auf.
„Wie?! Wohin?! Wie lang?! Und was mache ich dann so lange? – Kann ich nicht mitkommen?!"
Okay, über die letzte Frage hatte ich nicht nachgedacht, bevor sie aus meinem Mund gekommen war.
Alle lachten, und ich musste auch über mich selbst lächeln. Oh man, Jana.
~
~
~
„Ich werde euch so vermissen", quengelte ich zum ungefähr achten Mal innerhalb von wenigen Minuten.
Ich lag bäuchlings auf Sams und Harrys riesigem Bett in ihrem Haus am selben Abend. Alle waren zurück nach München geflogen, sodass nur noch wir drei übrig waren.
Sam war gerade dabei, ihren Koffer für Puerto Rico fertig zu packen, während ich ihr die Ohren vollheulte, dass ich nichts mit mir anzufangen wissen würde, während sie für drei Wochen – drei Wochen! – weg sein würden.
Harry hatte jetzt das Schlafzimmer betreten und setzte sich neben mich auf das Bett. Er sah mich durchdringend an und hielt mir dann eine silberne Karte in der Größeeiner Kreditkarte hin. Ich wusste genau, dass das der Schlüssel zu ihrem Haus hier war.
„Der ist für dich", erklärte er mir mit seiner ruhigen Stimme, „damit du hier bleiben kannst, während wir weg sind. Du musst nämlich mindestens noch drei Tage hier bleiben."
„Wieso?", hakte ich nach.
„Weil du in zwei Tagen eine Audition hast."
Ich setzte mich auf und starrte ihn mit offenem Mund an.
„Was?!"
„Jap."
Misstrauisch sah ich zwischen Sam und ihm hin und her.
„Was habt ihr da ausgeheckt?!"
„Ich habe gar nichts gemacht!", verteidigte Sam sich und hielt abwehrend die Hände in die Höhe. „Ausnahmsweise einmal bin ich komplett unschuldig!"
„Stimmt, das ist alles auf meinem Mist gewachsen", bestätigte ihr Göttergatte und grinste mich an, sodass sein Grübchen mir entgegenpoppte.
„Was denn?!", fragte ich mit klopfendem Herzen.
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