#28 - Der Stock in deinem ...
„Kann Calum eigentlich überhaupt irgendwas?"
Das ließ ein Fragezeichen über Lukes Kopf erscheinen. Er runzelte die Stirn und fragte: „Was meinst du?"
„Now I wish we'd never met 'cause you're too hard to forget."
Seine eigene Stimme sang im Hintergrund, während er mir immer noch auffordernd die Hand hinhielt.
„Ach, ist das so?", kommentierte ich.
„Was?" Jetzt war Luke vollends verwirrt.
„Dass du dir wünschst, wir hätten uns niemals kennengelernt?"
„Hä? Grad waren wir doch noch bei Calum?"
Ich legte den Kopf schräg. „Jetzt nicht mehr."
„Jana, du kannst nicht von einem Gedanken zum nächsten hüpfen, da komm ich nicht mehr mit!"
Ich zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Doch, wie du siehst, kann ich das wohl. Und jetzt nimm deine Hand weg, ich tanze nicht mit dir."
„Wieso nicht?"
„Ich denke nicht, dass Sierra das so toll finden würde. Oder Pierre."
Für einen Moment sah Luke mich nur an, dann griff er einfach nach meiner Hand und zog mich auf die Füße. Ich war zwar betrunken, aber nicht blöd, deswegen hatte ich schon damit gerechnet, weswegen ich meine Hand nun blitzschnell wieder wegzog und mich wieder hinsetzte.
„Schlechter Versuch", schnaubte ich und verdrehte die Augen.
„Tanz bitte mit mir." Er sah mich wieder mit seinen ozeanblauen Augen bittend an. „Das bist du mir schuldig."
„Wow wow wow, Moment, Freundchen", abwehrend hielt ich eine Hand in die Höhe, „ich bin dir überhaupt nichts schuldig! Wir waren nicht einmal zusammen, also brauche ich wohl kaum jetzt mit dir tanzen."
„Bitte, Jana. Bei einem Tanz ist doch nichts dabei."
„Wieso beharrst du dann so auf diesen Tanz, wenn er anscheinend eh keine Wichtigkeit hat?", schoss ich zurück und funkelte ihn finster an.
Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich aufgesprungen war. Trotz meiner Absätze war ich immer noch einen Kopf kleiner als er. Das hinderte mich aber nicht daran, ihn in Grund und Boden zu starren.
Leider ließ ihn das nur komplett unbeeindruckt. Ein leises Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, während er wieder sanft nach meiner Hand griff.
„Stell dich nicht so an und tanz mit mir bitte."
„Nein!"
Eine Chance? Ob ich die hatte? Gegen einen fast zwei Meter großen Typen? Ich? Angetrunken? Auf Absätzen?
Nope. Einfache Antwort, Freunde. Ich hatte nicht die leiseste Chance gegen ihn.
Also ließ ich mich auf die Tanzfläche ziehen. Er legte die Hand an meine Taille und führte meine Hand zu seiner Schulter. Wir wiegten uns wie alle anderen auf der Tanzfläche hin und her.
Scheiße, war das unangenehm.
Mein Blick sprang nervös von einem Gesicht zum nächsten – keiner sah uns übrigens an, jedem war absolut egal, dass ich mit ihm tanzte –, doch nirgends konnte ich weder Pierre noch Sierra erkennen. Vielleicht waren sie hinter mir? Ich wartete ein paar Sekunden, dann drehte ich den Kopf, um weiterzusuchen.
„Du verhältst dich, als würdest du was Verbotenes tun und darauf warten, dass dich jemand erwischt", analysierte Luke mein Verhalten.
Besser hätte man es wohl kaum ausdrücken können.
„Tue ich überhaupt nicht", entgegnete ich schroff und warf ihm einen bösen Blick zu.
Okay, Jana Ferroni, du träumst nicht. Du tanzt gerade mit Luke Hemmings. Die Erkenntnis erschlug mich auf einmal wie Mileys Abrissbirne. Mitten rein ins Herz.
Meine Knie zitterten, das musste selbst mein halb blinder Opa aus der Ferne erkennen können. Mein Herz klopfte wie verrückt. Und von meiner Atmung wollte ich gar nicht anfangen.
„Weinst du?"
Luke sah mich erschrocken an. Ich schniefte und senkte den Blick schnell wieder.
„Nein", sagte ich leise. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass mir eine Träne über die Wange gelaufen war.
Plötzlich wurde ich von Luke weggezogen und starrte in die Katzenaugen meiner Cousine.
Oh oh.
„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist, und das wisst ihr beide", sagte Sam an Luke gerichtet. Oder an mich? Ihre Stimme war leise, aber bestimmt. Sie sah ihn durchdringend an, bevor sie sich wieder mir zudrehte.
Ohne Luke auch nur zu Wort kommen zu lassen, zog sie mich von der Tanzfläche zur Bar hinüber. Sie knallte ein Glas Wasser vor meine Nase und warf mir einen Blick aus ihren hellgrünen Augen zu, der mich im nüchternen Zustand wahrscheinlich zum Weinen gebracht hätte.
„Jana", fing sie an, doch ich unterbrach sie: „Jaja, ich weiß. Reichlich blöd bin ich mal wieder." Ich seufzte und schnaubte dann wie ein Pferd, dann sagte ich: „Ich hab doch auch keine Ahnung. Keine Ahnung! Von irgendwas!" Ich warf die Hände in die Luft und schüttelte den Kopf. „Ich wollte ihn nie wieder sehen, und dann lädst du ihn auf deine Hochzeit ein. Du hast mich somit gezwungen, ihn wieder zu sehen, ob ich wollte oder nicht. Ich würde dir so etwas nie antun, aber du ... du hast wahrscheinlich nicht einmal eine Sekunde an mich gedacht."
„Jana, mach dich nicht lächerlich, ich–"
„Ich mache mich nicht lächerlich", fuhr ich ihr scharf ins Wort. Ich stand auf und schob ihr das Glas Wasser hin. „Du weißt genau, dass ich Recht habe. Aber Sam wollte ja mal wieder Gott spielen und das Schicksal für mich in die Hand nehmen. Ich kann mein Leben selbst führen, Sam! Ich brauche deine Hilfe nicht. Lass mich einfach in Ruhe."
Und mit diesen Worten drehte ich mich um und lief weg. Ich lief den Gartenweg hinauf zum Haus. Die Tränen liefen unaufhaltsam über meine Wangen.
„Jana?"
Ich erschrak beinahe zu Tode, als ich die Terrasse erreichte. Caro saß in einem der großen Stühle und hatte den schlafenden Rafael auf dem Arm.
„Ist alles in Ordnung?"
Ich nickte nur, dann ging ich zu ihr und nahm ihr Rafael ab. Er schlief unbeeindruckt weiter, auch wenn er gerade weitergegeben wurde.
„Ich passe auf ihn auf", sagte ich zu Caro und sie stellte keine weiteren Fragen. Sie gab mir einfach nur den Schlüssel zu ihrem und Leos Zimmer, damit ich Rafael dorthin bringen konnte.
„Wenn was ist, ruf mich an", sagte Caro. „Willst du wirklich nicht zurück zur Feier?"
Ich schüttelte stumm den Kopf. Seufzend strich Caro mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagte leise: „Sei nicht so hart zu dir und zu der Welt. Wir wollen alle nur das Beste für dich."
Sie verschwand in der Dunkelheit.
„Das bezweifle ich", wisperte ich, als sie schon längst weg war, und weinte leise vor mich hin, mit Rafael in meinen Armen.
Auf einmal total müde stand ich auf und schlüpfte erst einmal aus meinen Schuhen, die ich an Ort und Stelle liegen ließ, und ging dann in den ersten Stock, um Rafael ins Bett zu bringen.
Das Nächste, an das ich mich noch erinnerte, war, dass ich das Kind unter die Decke des riesigen Himmelbettes schob und mich daneben legte.
~
~
~
„Jana..."
„Hey, Mäuschen."
Ich öffnete schwerfällig die Augen.
„Jani?"
„Grmhhh."
Verwirrt sah ich in Caros dunkle Augen, die im Schatten lagen. Sie hatte die Nachttischlampe auf der Seite, auf der ich lag, eingeschaltet.
„Du bist neben Rafi eingeschlafen", sagte sie grinsend und ich stöhnte, als ich mich aufrichtete.
Wow, ich brauchte dringend Wasser.
„Willst du zurück zur Party? Oder du gehst schlafen?"
Ich war noch zu zermartert, um eine Antwort von mir zu geben. Kommentarlos schleppte ich mich aus dem Zimmer nach unten in die Küche, um den Flüssigkeitsmangel aufzufüllen, den mein Körper mir meldete. Langsam wurde ich auch wieder wacher. Mit einem Blick auf die große Uhr über der Küchentür riss ich die Augen auf. What? Wie viel Uhr war es inzwischen bitte!? Okaaay, ich hatte über zwei Stunden neben Rafael gepennt.
Gedankenverloren fuhr ich mit dem Zeigefinger immer und immer wieder Runde um Runde über den Rand meines Wasserglases.
Sam meinte es sicher nur gut mit mir, aber sie hatte eine Grenze weit, weit überschritten, als sie Luke eingeladen hatte. Hätte sie mich vorher gefragt, was ich davon hielt, dann wäre das ja in Ordnung gegangen, aber ihn einfach einzuladen und mich somit dem Löwen zum Fraß vorzuwerfen, das war schon eine Sache, die ich von ihr niemals erwartet hätte...
Damit ich nicht noch weiter nachdachte, entschied ich mich, doch zurück zur Party zu gehen. Meine Schuhe interessierten mich herzlich wenig, als ich an ihnen vorbeiging und über den Rasen zurück lief.
Ich ließ mich wieder auf meinem Barhocker nieder, als wäre ich nie weggewesen. Gut, dass ich im Flur noch mein Aussehen im Spiegel gecheckt hatte, so konnte niemand außer Caro wissen, wo ich gewesen war.
„Da bist du ja!"
Pierre erschien vor mir und sah mich wütend an.
„Hi", sagte ich. Äußerst geistreich.
„Ich hab dich überall gesucht! Mann, Jana!"
„Boah, reg dich nicht auf", antwortete ich Augen verdrehend.
„Doch tue ich aber!"
„Mach's nicht, nicht dass der Stock, der sich in deinem Arsch befindet, sonst dein Hirn aufspießt", kommentierte ich mit ruhiger Stimme und starrte in seine dunklen Augen, die er überrascht aufriss.
„Was hast du gerade gesagt?!"
„Du hast mich schon gehört."
Er hatte gerade das Fass zum Überlaufen gebracht. Jeder meinte immer, mir alles sagen zu können. Jana hier, Jana da, ach Jana, nein! Langsam hatte ich einfach keinen Bock mehr!
Pierre sah mich mit einem Ausdruck in seinem Gesicht an, den ich nicht genau deuten konnte. Er lag irgendwo zwischen Wut, Bedauern, Mitleid und noch etwas. Es war mir aber ehrlich gesagt egal.
Ich drehte mich zum Barkeeper. „Alright, Dave, kriege ich bitte noch ein Glas Champagner?"
Pierre war schon wütend davon gestampft, bis ich mich überhaupt wieder zu ihm hatte umdrehen können. Whatever, sollte er doch.
„Du kriegst leider nichts mehr", sagte Dave grinsend.
„Ach ja?" Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe. „Lass mich raten, diese Anweisung hast du von der Braut höchstpersönlich gekriegt? Meine Fresse, ihr könnt mich alle mal."
Ich drehte mich wieder von ihm weg und starrte mit verschränkten Armen ziellos in die Menge.
Erst als ich spürte, dass sich jemand neben mich stellte, weil mich ein Stoff am Arm berührte, konnte ich meine Gedanken wieder sammeln.
Egal, wer sich gerade neben mich gestellt hatte, ich wollte nicht mit ihm reden.
„Er hat immer drauf gewartet, dass du dich wieder meldest."
Ich verdrehte die Augen.
„Ich hab gesagt, du sollst ihn von mir verhalten, und mir nicht noch mehr von ihm erzählen", fuhr ich Calum an, ohne ihn dabei anzusehen.
„Er hat immer damit gerechnet, dass du dich irgendwann wieder meldest. Selbst wenn es über ein Jahr gedauert hätte. Er ist nie richtig drüber hinweggekommen."
Calum machte eine Pause, dann sagte er: „Und du anscheinend auch nicht."
„Wow, sind wir nun Hellseher geworden, Professor Doktor Hood?", schnaubte ich zynisch. „Mein Gott, wieso will mich heute jeder belehren!?"
„Ich will dich nicht belehren", entgegnete Calum. „Hast du mir nicht zugehört? Jana, jeder macht Fehler im Leben. Manche sind dazu da, dass man aus ihnen lernt. Andere sind dazu da, dass man sie ausbügelt und die Kurve noch kratzt."
„Diese Kurve ist schon lange vorbei. Ich bin wieder auf einer geraden Strecke angekommen", blaffte ich ihn an, dann stand ich auf und suchte nach meinem Bruder.
Langsam wurde mir das alles zu blöd mit denen hier!
„Jana."
„Was?!"
Jemand hatte mich am Rand der Tanzfläche am Arm festgehalten. Ich war herumgewirbelt und starrte nun in die anderen grünen Augen dieser Hochzeit. Harry.
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