#2 - Meine Welt ist endlich in den Fugen

Er hielt seine schwarze E-Gitarre in der Hand und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Sein weißes Tanktop saß locker und es wurde der Fantasie – meiner Fantasie – nicht mehr viel überlassen. Ihr wisst schon.

Grad, dass ich nicht sabberte.

Er ließ die Hand wieder sinken und sprang die letztens zwei Stufen nach unten. Ich konnte förmlich sehen, wie ihm das Adrenalin des Auftritts durch die Adern pumpte. Er strahlte über das ganze Gesicht.

Automatisch musste ich ebenfalls lächeln.

Michael sagte über die Schulter etwas zu ihm und er lachte, wobei seine Grübchen zum Vorschein kamen und er anschließend seinen Lippenring mit den Zähnen nach innen zog.

Heiliger.

Wie war das gleich nochmal mit dem nicht sabbern und so? Streicht das. Eindeutig.

Endlich hob er seinen Blick. Ich hatte schon gedacht, diese Tröte würde das nie tun und ich müsste hier Wurzeln schlagen, bis Sam mich wieder aufgabelte!

Als erstes sah er zu Perrie und Sam (wobei Sam wahrscheinlich zu klein war, um sie wirklich hinter den Leuten allen zu sehen, haha) und dann schweifte sein Blick zu mir rüber. Ganz zufällig eigentlich. Also nicht beabsichtigt. Aber irgendetwas hatte ihn wohl dazu gebracht, seinen Blick weiterwandern zu lassen.

Sein Piercing plopperte wieder heraus und sein Mund öffnete sich ein wenig.

Ich hatte das Gefühl, als würde jemand die Bremse wie bei einem Zug ziehen und die Welt blieb stehen.

So etwas hatte ich noch nie gefühlt.

Ich wusste nicht einmal, dass ich dazu in der Lage war.

Ich konnte nicht erklären, was er mit mir anstellte.

Jemand nahm ihm seine Gitarre aus der Hand, aber das merkte er überhaupt nicht. Seine Lippen verzogen sich jetzt zu einem breiten Lächeln. Und da hatten wir wieder die Grübchen.

Sam und ich kamen eindeutig aus einer Familie, weil wir beide eine Schwäche für Grübchen hatten.

Ich stand immer noch in der hinteren Ecke des Backstage-Bereichs, wo sich das Ende des Ganges befand, durch den wir gekommen waren.

Hier standen ziemlich viele Leute, wie mein Unterbewusstsein feststellte.

War mir egal.

Sam und Perrie waren schon ein wenig entfernt von mir.

Luke war mir einen Schritt voraus, denn er hatte die Kontrolle über seine Muskeln wiedergefunden, was ich noch lange nicht erreicht hatte. Er stürmte jetzt auf mich zu, umarmte mich und hob mich in die Höhe. Ich schlang automatisch die Arme um seinen Hals.

Mir wurde ganz schwindelig.

„Was machst du denn hier?", murmelte er ungläubig.

Das war jetzt der Punkt, an dem jeder Junge ein Mädchen aus einer Umarmung wieder runterlassen würde, um sie anzuschauen und ihr zu sagen, dass er sich freute, und einfach ein wenig Abstand zwischen sie zu bringen.

Aber das tat Luke nicht. Er hielt mich weiter in den Armen, als würde er mich nie wieder loslassen wollen.

Der Gedanken gefiel mir.

Ich baumelte einfach weiterhin um seinen Hals, aber ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen.

„Ich weiß nicht... also eigentlich wollte ich eine komische australische Band sehen", meinte ich leise und spürte, wie er lachte. Sein Brustkorb vibrierte dabei und schickte kleine, wohlige Schauer meine Rücken hinunter.

Dass er ziemlich verschwitzt war und ich ihn so fest umarmte, war mir vollkommen egal. Ich wollte ihn nie, nie wieder loslassen.

„Blöderweise hatte mein Flug aber Verspätung, sodass wir genau hier waren, als diese besagte Band von der Bühne kam", fuhr ich fort. „Und dann hat mich der Frontsänger und Gitarrist plötzlich überfallen und umarmt und will mich wohl nicht mehr runterlassen."

„Willst du denn, dass er dich runterlässt?", fragte er leise, aber ziemlich ernst in mein Ohr. Wenn ich mich nicht täuschte, klang er sogar ein wenig unsicher.

Ich lehnte meine Wange gegen seinen Kopf und sagte leise: „Nein, von mir aus kann er mich so lange so festhalten, wie er möchte."

„Okay."

Ich lachte leicht und spürte dann, wie er mir einen Kuss auf den Nacken drückte.

Okay.

Bitte.

Begrabt.

Mich.

Jetzt.

Auf.

Wieder.
Sehen.

Langsam ließ er mich jetzt doch runter. Trotzdem brach der Kontakt zwischen uns jetzt niemals ab.

Während ich ihm weiter in seine hellen Augen blickte, hörte ich, wie der erste Song von One Direction gespielt wurde. Sie waren jetzt also auf der Bühne.

Interessierte mich alles eigentlich herzlich wenig. Nur Luke vor mir zählte.

Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte den Kopf schief.

„Wer hätte gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen würden?", sagte er leicht lächelnd.

„Ich sicher nicht", meinte ich und zuckte mit den Schultern, „wenn Niall nicht den Flug bezahlt hätte, wäre ich sicher nicht hier."

„Wie, Niall hat den Flug bezahlt?!", echote Luke erstaunt und ließ sich auf einem Tisch nieder, der direkt neben uns stand. Er war leer bis auf ein paar Wasserflaschen und Mikrofonkoffer.

Er zog mich an der Hand mit sich, aber ich wollte nicht sitzen. Irgendwie ging das nicht. Also blieb ich direkt vor ihm stehen, sodass seine Knie meine Oberschenkel ab und zu streiften.

Diese Berührungen fühlten sich an wie elektrische Blitze, die durch meinen Körper schossen und meine Gehirnzellen verkohlten. Ich fühlte mich so intelligent wie eine Made im Speck.

Wunderbarer Vergleich.

„Naja, Niall hat mich erpresst..."

Ich erzählte ihm die Geschichte, wie es dazu gekommen war. Währenddessen zog er mich nebenbei ein wenig näher, sodass ich zwischen seinen Beinen stand. Er wickelte sich eine Haarsträhne von mir um den Finger und lauschte meinen Worten.

„Und wieso hast du mir nicht gesagt, dass du hierher kommst?", sagte er ein wenig vorwurfsvoll und schob schmollend die Unterlippe vor.

Nicht durcheinander bringen lassen, Jana.

Sabbern. Ähh, nicht sabbern. Ihr wisst schon. Herrgott nochmal.

„Ich wollte dich überraschen und habe gehofft, dass du dich freuen würdest...", meinte ich ein wenig unsicher und blickte jetzt auf den Tisch neben ihm.

Ich biss mir auf die Unterlippe.

Eigentlich schon sehr naiv, dass ich das gedacht hatte. Als ob ich die Einzige wäre, die ihm hinterherhechelte wie ein kleines Hündchen.

Hör auf, dir so etwas einzureden, Jana! Es gab tausende andere Mädchen, die für ihn schwärmten, aber keine von ihnen kannte ihn so, wie ich es tat.

Und wenn es ... naja, wenn er mich nicht ...mögen würde, dann wäre er jetzt doch nicht hier bei mir, oder? Dann hätte er mich nur schnell begrüßt und wäre dann gleich mit den anderen Jungs in die Garderobe gegangen.

Aber er war hier.

„Das habe ich. Sehr", bestätigte er leise und seine blauen Augen leuchteten.

Er hob eine Hand, zögerte ein wenig, aber legte sie dann doch an meine Wange. Sie war warm. Und ich spürte, wie ein flaues Gefühl durch meinen Magen wanderte. Ich konnte kaum noch atmen und mein Herz machte einen Salto nach dem anderen.

Verdammt, war ich verschossen in ihn!

„Ich freue mich so, dass du hier bist." Er stockte kurz, als müsste er nach den richtigen Worten suchen. Geduldig wartete ich darauf, dass er das tat und weitersprach. „Weißt du... ich habe keine Ahnung, wie es dir dabei geht, aber ich habe das Gefühl... ich habe irgendwie das Gefühl, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Obwohl das gar nicht der Fall ist."

„Als hätten wir schon stundenlang über Gott und die Welt gesprochen und nicht nur per Nachricht geschrieben", fügte ich mit klarer, leiser Stimme hinzu.

Wir befanden uns in unserer eigenen Seifenblase hier im Backstage-Bereich des One Direction-Konzerts in der O2-Arena in London.

Der Lärmpegel um uns herum war bestimmt unglaublich hoch. Die Musik, das Gekreische und Mitgegröle der Fans, die Stimmen der Leute, die hier waren,... – aber all das nahm ich nicht mehr wahr.

„Als hätten wir schon ewig Zeit zusammenverbracht und ... und..."

Ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte.

„Als wären wir uns so vertraut wie man es nur bei Leuten ist, die man schon ewig kennt."

Ich holte Luft und öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber ich fand die Worte nicht. Ich schloss ihn wieder fast und rang weiter nach Worten.

„Ich ... ich...-"

Aber weiter kam ich nicht.

Ich wurde gestoppt.

Lukes Hand hatte immer noch an meiner Wange gelegen und jetzt hatte er sich zu mir vorgebeugt, mich gleichzeitig ein wenig zu sich gezogen – und jetzt küsste er mich.

Seine Lippen lagen auf meinen und es fühlte sich einfach richtig an.

So, als wäre meine Welt endlich in den Fugen.

Als hätte ich monatelang nach etwas gesucht, ohne zu wissen, dass ich es überhaupt suchte.

Jetzt hatte ich es gefunden, ohne im ersten Moment gewusst zu haben, es gefunden zu haben.

Meine Welt war in den Fugen. Sie wurde geradegerückt. Es machte alles Sinn.

Es war so richtig und es fühlte sich so gut an. Ich konnte es nicht in Worte fassen.

Meine Hände bewegten sich automatisch zu seinem Gesicht und seine zweite Hand legte sich auf meinen Rücken. Mein Mund öffnete sich leicht und ich lächelte in den Kuss hinein.

„Endlich habe ich dich gefunden", murmelte er leise an meinen Lippen, aber bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, was er gesagt hatte, versiegelte er meinen Mund schon wieder mit seinem.

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